Samstag, 29. Oktober 2016

Kulinarische Aussichten bei der Eröffnung des Musikzentrums Bochum: Reibekuchen statt Currywurst

Einen schöneren Tag hätte man sich für das Volksfest zur Eröffnung des Bochumer Musikzentrums gar nicht wünschen können. Drei Gastronomen von Bochum kulinarisch – Tucholsky, Vitrine und Haus Kemnade – hatten eine kleine, überdachte Gourmetmeile vor der noch zartrosa schimmernden Fassade des Anneliese Brost Musikforums aufgebaut, und parallel dazu standen die Leute Schlange, um in das durch die zum Foyer umgebaute Marienkirche ins Allerheiligste des Gebäude-Ensembles zu gelangen, den großen Konzertsaal – so, als wäre es die Kuppel des Berliner Reichstags. Mehr als 2000 Leute durften auf einmal nicht hinein.


Es wäre wohl falsch anzunehmen, dass es mit der Aufwertung des ViktoriaQuartiers durch das Musikzentrum auch eine Revolution in der Bochumer Gastroszene geben würde und sich jetzt hier hochwertige Fine Dining Restaurants ansiedelten. Zur frisch ist noch das grandios-dubiose Scheitern des Steakhauses Viktor, das im letzten Jahr vergeblich versuchte, sich schon im Vorfeld der Eröffnung als extravagante Adresse zu positionieren. Aber keine Angst, verhungern wird niemand, der ein Konzert im neuen Haus besucht. Dafür sorgt das Bermudadreieck gegenüber, dass mit einem umfangreichen Angebot an solider Kneipenkost aufwartet und die Versorgung der Musikzentrumsbesucher garantieren soll.

Darüber hinaus zeigt die Entwicklung rund um die Musentempel in der näheren und weiteren Umgebung, dass im Ruhrgebiet Kultur nicht unbedingt auch Ess-Kultur bedeutet. Bemerkenswert ist da sicherlich, dass das einen Steinwurf vom Musikzentrum entfernte Foyer der Bochumer Kammerspiele als Theater-Restaurant genutzt wird, früher unter dem Namen Speisekammer, heute als Tana’s. Doch als der Genießer vor über 35 Jahren nach Bochum kam, gab es in fußläufiger Nähe zum Schauspielhaus drei Restaurants, die zu den guten Adressen der Stadt gehörten. Alt Nürnberg und Bänksken sind längst Geschichte, und das immer noch existente Rimini fällt einem heute nur noch auf, weil man dran vorbei muss, wenn man ins Orlando will. Gut gehalten hat sich nur die nicht ganz so alte Aubergine, die aber weniger wie eine Theater-Zuschauer-Kantine wirkt, sondern als Ehrenfelder Stadtteil-Adresse.

Blickt man nach Dortmund, so muss man sagen, dass das Konzerthaus, das vor etwa 15 Jahren in das problembehaftete Brückstraßen-Viertel gepflanzt wurden, die billige Dönerbuden-Kultur der Umgebung auch nicht wirklich verändert hat. Das zeigt z. B. die Auflistung der „10 besten Restaurants in der Nähe des Konzerthauses“, die man bei Google findet. Sicher, heute gibt es da auch eine Menge mäßiger Burger-Läden, der mittlerweile alteingesessene Szene-Laden Chill’R ist da bemerkenswert. Und nicht zu vergessen ist, dass im Konzerthaus selbst das Stravinsky angestrengt für gehobene Gastro-Atmosphäre sorgt.

Die Stadt Essen hat sicherlich die älteste und imposanteste Musentempellandschaft im Ruhrgebiet. Doch als 1988 das Aalto Theater im Südviertel eröffnet wurde und 2004 daneben die Philharmonie im umgebauten Saalbau, waren solche Gastro-Institutionen wie La Grappa oder das Sheraton Hotel schon längst vorhanden. Halten konnten sich in der Nachbarschaft ebenfalls der bemerkenswerte Chinese Jade und auf der Huyssenallee der Edel-Türke Tablo. Die alteingesessene Pizzeria Gallo aber gab sich im Größenwahn der jungen Generation selbst den Todesstoß, und das Wallberg in den Räumlichkeiten der Philharmonie entwickelte sich im Lauf der Zeit zum Trauerspiel. Wer heute im Parkhaus von Aalto und Philharmonie parkt, muss gut zu Fuß sein, wenn er hungrig ist, und mindestens bis zum Beginn der Rüttenscheider Straße wandern.


So wundert es nicht, dass es im Bochumer Musikzentrum kein eigenes Restaurant gibt und man sich auf Synergien mit der gastronomischen Nachbarschaft im Bermudadreieck verlässt. Aber vielleicht stellt ja bald das Bratwursthäuschen aus dem Bermudadreieck einen chicen Currywurst-Truck vor das Musikzentrum, um das gastronomische Bochumer Markenzeichen anzubieten. Schließlich gehört es in Wien ja auch zum guten Ton, nach dem Besuch von Oper oder Burgtheater im Pelzmantel ein Burenheidl am Würstlstand zu verzehren. Das Problem ist nur, dass in Bochum keiner im Pelzmantel ins Konzert geht.

(A propos Currywurst und Markenzeichen: Der Genießer konnte aus wohlunterrichteten Kreisen erfahren, dass man an gewissen Stellen schon an der Etablierung der Münchner Weißwurst in Bochum arbeitet.)

Das Volksfest zur Eröffnung des Musikzentrums geht noch bis zum 30. Oktober.

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