Freitag, 25. Februar 2022

Resteessen: Tarte Tatin von der Jakobsmuschel mit Lauch und Shiitake-Pilzen


Beim Aufräumen des Tiefkühlfaches meines Kühlschranks fielen mir neulich ein paar Überbleibsel von verschiedenen Kochaktionen im letzten Herbst in die Hände: zwei Blätterteigplatten von den Apfelröschen, die ich im Oktober das erste Mal und dann zu Weihnachten noch einmal mit Blätterteig gebacken hatte (klick hier), und vier Jakobsmuscheln von der Zubereitung in Whisky-Ponzu-Butter im Dezember (klick hier). Diese Reste wollte ich jetzt verbrauchen und suchte nach entsprechenden Gerichten im Internet.

Tatsächlich fand ich auch einige Rezepte für Jakobsmuscheln im Blätterteig, doch keines wollte mir so richtig gefallen. Bei dem einen wurde aus dem Blätterteig eine Art Schale gebacken, in denen separat gegarte Jakobsmuscheln und andere Zutaten dann serviert wurden; das war nicht so ganz, was mir vorschwebte. Bei anderen wurden die ebenfalls vorgebratenen Jakobsmuscheln in Pastetenförmchen gefüllt, mit Blätterteig zugedeckt und dann gebacken. Das schien mir logisch, denn dadurch war das Muschelfleisch vor der Hitze geschützt und blieb zart und saftig. Allerdings sah das fertige Gericht sehr beliebig aus, denn unter der Blätterteighaube konnte sich schließlich alles Mögliche verbergen.


Die Zutaten

Also beschloss ich, die ganze Sache wie eine Tarte Tatin zu stürzen, so dass der gebackene Blätterteig auf dem Teller den Boden bildete und die Jakobsmuscheln darauf die Auflage. Um diese zu ergänzen, ließ ich mich durch die Füllung einer klassischen Quiche Lorraine inspirieren (klick hier), die ich allerdings etwas asiatisch interpretierte. Die Jakobsmuscheln wurden in Panko gewälzt und dann in ein paar Spritzern Sesamöl angebraten. Dazu kamen noch Lauch, Zwiebeln und Shiitake-Pilze, die ich in einem Schuss Sherry und Sojasauce schmorte. Angedickt wurden sie mit Crème fraîche, und damit die Sauce beim Stürzen nicht herauslief, kam noch ein Ei zur Bindung dazu.


Eine kleine Glasform wurde
mit Backpapier ausgeschlagen..
.


...dann mit den Zutaten gefüllt...


...mit Blätterteig abgedeckt...


...gebacken und gestürzt.

Da ich nur vier relativ kleine Jakobsmuscheln, genauer gesagt Kammmuscheln, hatte, brauchte ich eine entsprechend kleine Form. Die fand ich im Deckel einer Glasauflaufform von 15 cm Durchmesser, von der ich gar nicht mehr wusste, dass ich sie hatte. Damit die Muscheln darin nicht anbackten, schnitt ich mir ein Stück Backpapier zurecht, das ich mit einem Tropfen Öl in dem Deckel fixierte. Da hinein füllte ich die Muscheln samt Sauce, deckte sie mit dem Blätterteig ab und buk das Ganze dann im Ofen. Nach dem Stürzen konnte man das Backpapier ganz einfach von den Muscheln abziehen.


Jakobsmuschel und Lauch

Die Tarte Tatin von der Jakobsmuschel war für eine Person genau richtig und hatte einen sehr feinen und doch würzigen Geschmack, und das Muschelfleisch war zart und saftig. Ob sie optisch genauso überzeugend war, mag jeder für sich entscheiden.


Rezept: Tarte Tatin von der Jakobsmuschel mit Lauch und Shiitake-Pilzen

1 Portion

4 Jakobsmuscheln
½ Stange Lauch
4-5 Shiitale-Pilze
1-2 Schalotten
1 Knoblauchzehe
½ Becher Crème fraîche
1 Ei
1 Schuss trockener Sherry
1 Schuss Sojasauce
1-2 Spritzer Sesamöl
Rapsöl
1 EL Panko oder Paniermehl
Zitronensaft
Muskatnuss, Weißer Pfeffer, gemahlene Koriandersaat
2 Platten TK Blätterteig (10x10 cm)
Dillspitzen

Ziefgekühlte Jakobsmuscheln und Blätterteigplatten vorsichtig auftauen.
Shiitake-Pilze putzen und halbieren.
Die Hälfte der Lauchstange in vier bis fünf zwei Zentimeter dicke Scheiben schneiden. Den Rest der Stange in feine Juliennestreifen schneiden. Schalotten sehr fein würfeln.
In einer Pfanne Rapsöl erhitzen, Knoblauchzehe und Shiitakepilze dazugeben, mit etwas Zitronensaft beträufeln und anschmoren. Etwas Wasser dazu geben, zudecken und 15 Minuten schmoren lassen, bis die Pilze weich sind. Pilze aus der Pfanne nehmen. Knoblauch entsorgen.

Jakobsmuscheln leicht pfeffern und salzen und in Panko wälzen. In der gleichen Pfanne noch einmal etwas Rapsöl mit ein paar Spritzern Sesamöl erhitzen. Jakobsmuscheln und Lauchscheiben darin scharf anbraten, bis sie gebräunt sind. Die Jakobsmuscheln herausnehmen, Lauchscheiben drin lassen. Lauchjulienne und Schalottenwürfel dazugeben, anschwitzen. Mit Sherry und Sojasauce ablöschen und auf kleiner Flamme mit geschlossenem Deckel weich schmoren. Crème fraîche unterrühren, und vom Herd nehmen und abkühlen lassen. Ei unterrühren und abschmecken.

Ein Stück Backpapier im Durchmesser der Form zurechtschneiden. Einen Tropfen Öl in die Form geben, das Backpapier hinein legen und fixieren. Gebratene Jakobsmuscheln, Pilze und Lauchscheiben hineingeben und mit der zwiebel-Julienne-Sahne-Sauce auffüllen. Alls mit den Blätterteigplatten abdecken. Überstehenden Teig abschneiden und damit evtl. Lücken abdecken.
Im vorgeheizten Backofen bei200 Grad in 15 Minuten goldbraun backen.
Fertige Tarte aus dem Ofen nehmen, etwas abkühlen lassen. Sen gebackenen Teig am Formrand lösen. Auf einen Teller stürzen, Form abheben und das Backpapier abziehen. Tarte Tatin von der Jakobsmuschel mit Dillspitzen garnieren.

Montag, 21. Februar 2022

Neu im Essener Südviertel: Mezebar Eleon

Das Restaurant steht seit Ende Oktober 2022 unter neuer Leitung.

Alex Minas ist mit seinem Eleon von Rüttenscheid ins Südviertel gezogen.
 
Es war noch in vordigitalen Zeiten, als der Genießer alljährlich zur Weihnachtszeit für das Ruhrgebietsmagazin MARABO und später das „Wirtschaftmagazin Ruhr“ Weinproben organisierte, gehörte der Besuch der Weinläden im Essener Südviertel zur regelmäßigen Routine. An der Hohenzollernstraße liegt der traditionsreiche „Weinhandel Bürgerheim“, und biegt man kurz danach in die Von-Schmoller-Straße ab, kommt man rasch zu dem von außen so unscheinbaren, vom Angebot aber äußerst exklusiven Geschäft „Vino Grande“ von Thomas Kierdorf (klick hier). Diese vielbefahrene Straßeneinmündung gegenüber des Essener Stadtgartens steht aber auch noch für eine weitere Erinnerung noch aus der Vor-Genießerzeit. In dem großen Eckhaus hinter dem busch- und baumbestandenen kleinen Parkplatz befand sich jahrzehntelang ein jugoslawisches bzw. Balkan-Restaurant, das Anfang der 1980-er Jahre der Verein der Essener Filmemacher um den Filmproduzenten und WAZ-Redakteur Michael Lentz zu seinem Vereinslokal erkoren hatte und im Rahmen der sich etablierenden Kulturellen Filmförderung des Landes NRW am Aufbau einer Filmwerkstatt in Essen arbeitete. Die bestand später schließlich in Schloss Borbeck. Als Filmkritiker von MARABO und gelegentlicher Super-8-Filmer) war ich in dem Verein sogar Mitglied.





Traditionsreiche Location in neuem Look.

Umso überraschter war ich, als der rührige Gastro-Promoter Michael Alisch jetzt mitteilte, er habe genau an dieser Adresse ein kleines Presse-Essen organisiert. Denn vor ein paar Wochen ist Alex Minas mit seinem griechischen Restaurant Eleon von Rüttenscheid in diese größere Location gezogen, um hier das Konzept einer Mezebar auszubauen. Die Mehrzahl von Meze lautet Mezedes, und das sind jene kleinen Tellergerichte, in denen sich die Vielfalt der griechischen Küche. Ursprünglich stammt diese Darreichungsform aus dem vorderen Orient, hat aber den gesamten Mittelmeerraum erobert. Etwa als Mezze im Libanon, als Tapas in Spanien oder als Antipasti in Italien. Sogar die vielgängigen Degustationsmenüs in der Sterne-Gastronomie sind davon inspiriert.


Präsentieren neuen griechischen Wein zu neuer griechischer Küche:
Alex und seine Winzer Thomas Boskos und Kati Sakka-Boskos

Die griechische Gastronomie hat die Mezedes in den letzten Jahren wieder entdeckt, um sich besonders in Deutschland vom Image der besseren Imbissküche mit riesigen Gyros- oder Souvlaki-Fleischbergen zu befreien. Alex Minas, von Haus aus studierter Archäologe, war einer ersten, der das Mezedes-Konzept im Rüttenscheider Eleon in Essen etablierte. Diese gastronomische Erziehungsarbeit begleitete er durch ein Angebot jener neuen Weine aus Griechenland, die zeigen, dass die Wiege der Weinkultur wesentlich mehr Potential hat, als nur Imiglykos oder Retsina zu produzieren. Die modernen Kreszenzen, die sich an internationalen Qualitäten orientieren, stammen von Thomas Boskos und Kati Sakka-Boskos vom nordgriechischen Weingut Vegoritis, das seinen Ruhrgebiets-Sitz in Dortmund-Hörde hat.



Rocken die Küche: Niko Reneres und seine Frau Paulina

Alex‘ größter Coup ist allerdings, dass er für die Küche Niko Reneres und seine Frau Paulina gewinnen konnte. Niko arbeitete von 2011 bis 2018 im Yamas (klick hier) in der Bochumer Innenstadt, das mittlerweile eines der innovativsten griechischen Restaurants in Deutschland ist. Für unser Pressemenü fuhren Niko und Paulina eine Mezedes-Parade auf, die nichts zu wünschen ließ.


Das Mezedes-Menü im Eleon
17.2.2022


Oliven
Eleon bedeutet schließlich Olivenhain


Platte mit griechischen Käsespezialitäten


Gebackene Zucchini-Puffer mit Tzatziki


Dolmadakia

gefüllte Weinblätter mit Reis & frischen Kräutern,
serviert mit Minze-Dip


Bohnenpüree mit Oktopus, Tomaten und Rucola 


Rote Bete Salat


Überbackene Auberginen

gefüllt mit Feta-Käse, Paprika, Kräutern & Tomatensauce


Garnelen aus der Pfanne mit Aioli


Oktopus-Spieß
vom Grill mit gebratenen Gemüsespieß


Gavros
kleine Sardellen frittiert mit Zitrone

Spanakopita
Blätterteig mit Spinat & Feta-Käse-Füllung

Panna Cotta mit Fruchtsauce


Galaktoboureko

Blätterteig mit Grieß-Creme, Vanille Eis, Honig & Zimt


Dessert Joghurt

mit Biskuit, Honig & Walnüssen

Mezebar Eleon. Hohenzollernstraße 34 45128 Essen. 0201 8778191. Die-Do 12-22.30 Uhr, Fr, Sa 12-23.30 Uhr, So 12-22 Uhr. Mo Ruhetag. www.mezebar-eleon.de

Der Genießer bedankt sich für die Einladung.

Mittwoch, 16. Februar 2022

Nachgekocht: Kartoffelsuppe mit Wirsing und (Doppel)-Wacholder nach Björn Freitag (vegan)


O Mann, da hat sich der Genießer doch tatsächlich das erste Mal in seinem Leben einen Flachmann mit Doppelwacholder gekauft. Allerdings nicht, um sich in diesen harten Zeiten damit in einer kalten Winternacht an der frischen Luft innerlich aufzuwärmen, sondern um ein Rezept aus Ostwestfalen-Lippe, das Fernsehkoch Björn Freitag in seiner WDR-Sendung „Einfach und köstlich“ vorgestellt hatte, nachzukochen: Kartoffelsuppe mit Wirsing und Wacholder. Einmal bot sich da die Gelegenheit, endlich einmal Wirsing zu verarbeiten, was mir in diesem Winter noch nicht gelungen war. Und außerdem konnte ich mich endlich einmal dem Wacholder als Aromaspender widmen. Auf die würzigen Beeren, die eigentlich aus der Küche nicht wegzudenken sind, war ich ebenfalls durch eine Fernsehsendung von Björn Freitag aufmerksam geworden. Bereits in der ersten Staffel von „Lecker an Bord“ besuchte er die Westruper Heide bei Flaesheim, wo ein regionaler wilder Wacholder wächst, von dem der Koch schwer begeistert war. Doch wurden da beim Zuschauer Begehrlichkeiten geweckt, die die Realität nicht einhalten kann. Wilder Wacholder steht in Deutschland unter strengstem Naturschutz, so dass die Westruper Beeren weder gepflückt noch gekauft werden können. Dass Björn Freitag ein paar bekam, war eine Ausnahme fürs Fernsehen.

Kartoffel, Wirsing (Doppel-)Wacholder etc.: Die Zutaten

Also griff ich für mein Süppchen auf normale Gewürzregal-Ware zurück, die auch sehr gut war. Zumal das Aroma auch noch durch den Doppelwacholder potenziert wurde. Sicherlich hätte ich auch einen chicen Gin nehmen, wie er in letzter Zeit wieder so in Mode gekommen ist. Aber ich wollte dem Trend nicht nachlaufen und nahm deshalb einen klassischen Doppelwacholder, wie er im Ruhrgebiet seit jeher üblich ist und wie ich ihn von mei’m Oppa her kannte. Doch der Inhalt meines Flachmman schaffte es zwar in die Suppe, die Falsche aber nicht aufs Zutatenbild. Denn als ich von meinem Kochplan auf der letzten Slow-Food-Sitzung erzählte, präsentierte Kollegin Wiebke plötzlich eine 0,35-l-Flasche Doppelwacholder der Hausmarke der längst vergessenen Hattinger Supermarktkette Hill hervor. Hill war bis Anfang der 1980-er Jahre mit seinen Filialen im EN-Kreis und Bochum vertreten, ging dann in den Deutschen Supermarkt DS über und danach an REWE. Entdeckt hatte Wiebke das Pülleken sinnigerweise irgendwo in der Toskana, auf der Suche nach einem exklusiven Grappa. Jetzt war das antike Schätzchen zwar leer, machte sich als Fotodekoration aber noch sehr gut.

 
Der Flachmann heißt Flachmann, weil er flach ist.

Da Rezept von Bjorn Freitag hielt, was der Titel der Frensehsendung versprach. Die Kartoffelsuppe mit Wirsing und Wacholder war einfach zuzubereiten und schmeckte köstlich. Wacholder, Lorbeer, Muskatnuss und Majoran verbanden sich zu einer heimeligen Aromakombination. An zwei Stellen veränderte sich das Rezept allerdings. Die Wirsingstreifen blanchierte ich kurz vor der Weiterverarbeitung, damit sie im Endeffekt weicher wurden. Und den Doppelwacholder ließ ich anders als der Sternekoch beim Ablöschen der Kartoffeln komplett verdampfen – so, wie ich es fürs Riottokochen mit dem Weißwein aus einem italienischen Kochbuch gelernt habe. Dem Aroma tat das keine Abbruch, der Alkohol war dann aber hoffentlich weg.


Rezept: Kartoffelsuppe mit Wirsing und (Doppel-)Wacholder

4 Portionen

8 - 10 Kartoffeln, vorwiegend festkochend
½ Wirsing
2 rote Zwiebeln
2 Knoblauchzehen
6 cl Doppelwacholder oder Gin
6 Wacholderbeeren
2 Lorbeerblätter
1 Prise Muskatnuss
600 ml Gemüsefond
Rapsöl
Salz, weißer Pfeffer
2 Zweige frischer Majoran

Wirsing putzen, den Strunk und dicke Rippen entfernen und in Streifen schneiden. Gemüsebrühe zum Kochen bringen, ggf. etwas salzen und die Wirsingstreifen darin drei Minuten blanchieren. Wirsingstreifen aus der Brühe heben, mit eiskaltem Wasser abschrecken und gut abtropfen lassen. Wirsingbrühe aufbewahren.
Kartoffeln schälen und in 1 cm dicke Würfelschneiden. 1-2 Kartoffeln ganz lassen. Zwiebeln schälen, halbieren und in halbe Ringe schneiden. Knoblauch schälen und in dünne Scheiben schneiden. Rapsöl in einen Topf geben, Zwiebelringe und Knoblauchscheiben darin glasig schwitzen. Kartoffelwürfel und ganze Kartoffeln dazu geben und ebenfalls anschwitzen. Lorbeerblätter und Wacholderbeeren dazugeben. Mit Salz und Muskatnuss würzen. Mit Doppelwacholder bzw. Gin ablöschen, bis der Schnaps völlig verdampft ist. Dann mit dem Wirsing-Gemüsefond aufgießen und bei schwacher Hitze ca.15 Minuten köcheln lassen, bis die Kartoffeln weich sind.
Abgetropfte Wirsingstreifen nochmal mit Küchenpapier trocken drücken und wieder auflockern. In einer Pfanne mit Rapsöl anbraten, bis sie leicht Farbe angenommen haben. Mit Salz und Pfeffer würzen.
Lorbeer und Wacholderbeeren aus der Suppe holen, für die Bindung die ganz gelassenen Kartoffeln herausnehmen, mit einem Kartoffelstampfer oder einer Gabel zerdrücken und wieder in die Suppe geben. Den Wirsing dazugeben und umrühren. Mit gehacktem Majoran abschmecken.

Hier eine Variante als Cocktail mit Grünkohl klick hier.

Sonntag, 13. Februar 2022

Urbane Landhausküche: Fregola in Karotten-Crème mit geröstetem Parmesan-Rosenkohl (vegetarisch)


Die Inspirations-Lage für diesen Post ist so vielfältig, dass ich gar nicht weiß, welcher meine Rezept-Kategorien ich ihn zuordnen soll. Viel hätte dafür gesprochen, wenn ich ihn unter „Nachgekocht“ eingeordnet hätte, denn ich kam durch ein Rezept im Blog „Feed me up before you go-go“ auf die Idee, dieses Gericht zu kochen (klick hier). Besonders der geröstete Parmesan-Rosenkohl gefiel mir, erinnerte er mich doch ein wenig an den kultigen Crossover-Koch Yotam Ottolenghi. Als Pasta-Grundlage wird da aber Orzo verwendet, jene griechische Nudelart, die ich bislang als Kritharaki kannte. Orzo haben die Form von etwas überdimensionierten Reiskörnern und eignen sich dazu, wie Risotto gekocht zu werden. D.h., man gießt so lange kochende Brühe nach, bis die Nudeln alle Flüssigkeit aufgenommen haben und weich sind.

Die Zutaten

Orzo bzw. Kritharaki verwendete ich jedoch nicht, sondern Fregola, jene Nudelspezialität aus Sardinien, die etwa Graupengröße hat und sich genauso wie die griechische Pasta verwenden lässt. Ich hatte noch einen Rest, den ich vor einiger Zeit bei Andronaco gekauft hatte, jenem italienischen Supermarkt und Großhandel in der Dortmunder Nordstadt, der Ende Januar überraschenderweise seine Pforten schloss und nicht nur für italophile Hobbyköche, sondern vor allem auch für die italienische Gastronomie im östlichen Ruhrgebiet eine kaum auszugleichende Lücke hinterlässt. Ob auf Sardinien Rosenkohl zu den traditionellen Lebensmitteln gehört, weiß ich allerdings auch nicht, und so hätte ich das gewagte Food-Paring in meiner kulinarischen Trauerarbeit für die verschwundene Einkaufsmöglichkeit auch getrost unter „Lecker Essen für Europa“ einordnen können.

Bevor die Karotten püriert wurden, wurden sie gekocht und geröstet.

Die Fregola wurden wie Risotto gekocht.


Der Rosenkohl wurde mit Parmesan geröstet.

Die weitere Änderung, die an dem Rezept vornahm, war, dass ich das Kürbispüree der Vorlage durch eine Karotten-Crème ersetzte. Das brachte etwas mehr Süße in die ganze Angelegenheit und gab auch den Fotos, die ich wie für alle Bilder der Kategorie „Urbane Landhausküche“ auf meinem Balkon mache, eine ganz intensive Farbenpracht. Unter dieser Rubrik erscheint das Rezept jetzt.




Wie dem auch sei: Meine Fregola in Karotten-Crème mit geröstetem Parmesan-Rosenkohl waren optisch wie geschmacklich ein Genuss. Eigentlich war die Zubereitung recht einfach, doch musste ich beim Rösten des Rosenkohls etwas Fingerspitzengefühl aufbringen. Die mit eine Schicht aus Parmesan, Paniermehl und Rapsöl versetzten Röschen mussten schließlich genau so kange im Ofen bleiben, bis der Käse schön barun, das Gemüse weich aber noch knackig und vor allem nicht vertrocknet war.


Rezept: Fregola in Karotten-Crème mit geröstetem Parmesan-Rosenkohl

2 Portionen

350 g rote Karotten
1-2 blaue Karotten
0,1 l Orangensaft
750 ml Gemüsebrühe
500 g Rosenkohl
1 EL Paniermehl
2-3 EL Raps- oder Olivenöl
100 g Parmesan
3 Knoblauchzehen
Salz, Pfeffer
1 Zwiebel
mehrere Zweige Thymian
250 g Fregola
125 ml Sahne
1 TL Schwarzkümmelsamen
Pfeffer und Salz
Zucker, Curry

Aus geriebenem Parmesan, Paniermehle, einer geriebenen Knoblauchzehe und Öl eine Paste herstellen. Rosenkohl-Röschen waschen von den äußeren Blattern befreien, den Strunk kürzen und halbieren. Schnittstellen mit der Parmesanpaste bestreichen und die Rosenkohlhälften auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech legen. Im auf 200 Grad vorgeheizten Backofen ca. 20 Minuten lang rösten, bis die Paste braun und der Rosenkohl weich, aber noch knackig und nicht zu trocken geworden ist.

Rote und blaue Karotten schaben oder schälen und in Gemüsebrühe mit Orangensaft weich kochen. Karotten aus der Brühe heben; Brühe aufbewahren. Karotten in Scheiben schneiden. Die roten Karotten in etwas Öl in einer Pfanne anrösten. Die blauen Karottenscheiben zurück behalten. Geröstete rote Karotten aus der Pfanne nehmen und pürieren. Karottenpüree mit Pfeffer, Salz, Zucker und Curry abschmecken.

Zwiebel und restlichen Knoblauch fein würfeln und in der Karottenpfanne in etwas Öl glasig dünsten. Thymianzweige hinzugeben. Fregola dazu geben und mit der Karottenbrühe gut bedecken. Fregola in der Brühe in 10-15 Minuten gar kochen, dabei wie bei einem Risotto immer etwas Brühe nachgießen. Am Schluss sollten die Fregola die Brühe aufgenommen haben. Thymianzweige entfernen.

Karottenpüree unter die Nudeln mischen, mit etwas Sahne auf eine angenehm cremige Konsistenz bringen. Mit Pfeffer, Salz, Zucker und Curry noch einmal abschmecken. Fregola-Karotten-Brei auf angewärmte Teller verteilen und mit den gerösteten Rosenkohl-Röschen und den blauen Karottenscheiben belegen. Mit geriebenem Parmesan und ggf. etwas Schwarzkümmelsamen bestreuen.

Sonntag, 6. Februar 2022

Neu in Essen-Werden: Kettner’s Kamota

Das Restaurant wurde am 4.4.2023 mit 1 Michelinstern ausgezeichnet.

Jügen Kettner und Wiebke Meier


Der Glanz, in dem die Stadt Essen Anfang der 2010-er Jahre als kulinarische Metropole des Ruhrgebiets erstrahlte und den z.B. die zahlreichen Gourmetmeilen der Stadt dokumentierten (klick hier), ist in den letzten Jahren mit wenigen Ausnahmen (z.B. Hannappel klick hier) doch etwas verblasst. Zu den „normalen“ Ermüdungserscheinungen tat in noch die Corona-Pandemie ihr Übriges, und so konnte ihr Dortmund mit dem Michelinsterne-Regen im letzten Jahr (klick hier) doch tatsächlich den Rang ablaufen. Umso erfreulicher ist es, dass in den letzten Monaten trotz alledem eine optimistische Aufbruchsstimmung herrscht. Die Neuerfindung der Pierburg in Kettwig durch Erika Bergheim ist nur ein Beispiel dafür (klick hier).



Modernes Gasthaus-Design

Jetzt hat auch das benachbarte Essen-Werden eine neue Sensation. Mitte Januar eröffneten Jürgen Kettner und seine Geschäftspartnerin Wiebke Meier in den idyllischen Fachwerkgassen des historischen Städtchens an der Ruhr das Restaurant „Kamota“, und die durch japanische Akzente aufgepeppte österreichisch-steirische Küche schlug bei den Gästen sofort ein wie eine Bombe. Über sechs Wochen im Voraus ist das Lokal mit seinen immerhin 43 Plätzen ausgebucht – so, als wolle man aus der bedrückenden Lockdown-Atmosphäre der vergangenen Monate in eine fröhliche Urlaubsstimmung flüchten.

Eigentlich wollte Jürgen Kettner ja Maschinenbauer werden, aber dann entdeckte der heute 33-Jährige gebürtige Steiermärker Metzgerssohn seine Leidenschaft fürs Kochen. Ein Praktikum brachte in gleich zur Koch-Ikone Heinz Winkler in Aschau, doch dann gings ins Ruhrgebiet. Jürgen Kettner gehörte zu den jungen Talenten, mit denen Berthold Bühler und seine Küchenchefs Eric Werner und Erik Arnecke vor zehn Jahren in der Zwei-Sterne-Restaurantlegende Résidence in Kettwig einen Neuanfang wagte (klick hier) und die große Tradition des Hauses noch einige Zeit fortsetzen konnte. 2020 eröffnete Kettner gemeinsam mit Kevin Pietsch das „Pietsch by Kettner“ im Harz, für das er schon bald einen eigenen Michelinstern bekam und wo er sich schon den japanischen Einflüssen widmete. Dennoch zog es ihn zurück ins Ruhrgebiet. Bei der Aufbauarbeit des Asia-Ladens „Mama San“ (klick hier) lernte er schließlich die Restaurantfachfrau Wiebke Meier kennen, mit der er dann das „Kamota“ gründete.




Ironisch gebrochen: Kamota heißt so viel wie gemütlich.

„Kamota“ ist mitnichten ein japanisches Wort, sondern die steirische Aussprache des ursprünglich französischen Wortes „kommod“ und bezeichnet einen gemütlichen Ort. Und gemütlich ist es in den Räumlichkeiten der ehem. Pizzeria „Il Capriccio“ tatsächlich, aber dank des durchdachten modernen Designs immer wieder ironisch gebrochen, moderner Austro-Pop eben. Ein Teil des Restaurants beherbergt die „Greisslerei“, einen Feinkostladen, in dem es hausgemachte Kamota-Produkte gibt, in der Küche im Keller werden in Zukunft regelmäßig Kochkurse abgehalten.


In der Greisslerei gibt's hausgemachte Feinkost.

Im Restaurant setzen Jürgen Kettner und Wiebke Meier auf lockere Gasthaus-Atmosphäre. Es kommen keine Teller-Gerichte auf den Tisch, sondern es wird in Schüsseln für zwei oder je nach Gruppengröße mehr Personen serviert, aus denen sich jeder selbst nehmen kann. „Sharing“ nennt man das in modernen Restaurant-Konzepten. „ Da werden die Gäste von ihren Handys weggerissen und müssen sich dem Essen und ihren Mitgästen widmen“, lacht Kettner.

Betrachtet man aber, wie fein die Gerichte angerichtet sind, scheint es fast zu schade, um sie zu zerstören und sich selbst auf den Teller zu bugsieren. Überall scheint die Perfektion des Sternekochs durch. Die Saucen schillern in durchdachten Farbkombinationen, die Garnituren sind zarte Teller-Skulpturen. Was von der Bezeichnung her deftig erscheint, ist in der Darreichungsform leicht und fein. Ein Erdapfelschmarrn kommt als luftiges Schäumchen daher, ein Backhendl wie japanisches Tempura-Ikebana.


Wiebke Meier serviert den hausgemachten Kipferl-Likör

Zu einem kleinen mittäglichen Presse-Essen servierten Wiebke Meier und Jürgen Kettner die Gänge des aktuellen Menüs von der Karte. Die einzelnen Gerichte waren eindeutig österreichischen Ursprungs, doch die steirischen Grundprodukte wurden durch japanische Zutaten und Aromen delikat ergänzt. Die Geschmackskombinationen waren durchweg betörend, der Begriff Gasthausküche reines Understatement.

Das Kamota-Pressemenü vom 3. Februar 2022


Kleine Buschenschank Jausn
Komota Bauernbrot, g‘schlagene Butter, steirisches Kürbiskernöl


Käferbohnencracker, Pfefferoni


Rottenmanger Erdapfelschmarrn
Trüffeleigelb, Petersiliencrème
Ein himmlisches Schlürfvergnügen



Saibling Paltental
Daikon Rettich, Jahrgangs Gurkerl, Wasabi Sauerrahm
Preziose fürs Sharing, vom Genießer einigermaßen schön auf den Teller gebracht


Sulmtaler Backhendl „Kamota“
Zitrusaromen, Petersilie, scharfe Sabayon
Japanisch-steirische Köstlichkeit


Bratl vom steirischen Vulkanlandschwein
Tokyo Rüberl, Kizami Sauerkraut
Nicht nur optisch ein Gedicht. Tokyo Rüberl sind eine Mairübchen-Sorte.


Tiroler Kalbsbackerl
SHOYU Sellerie, Schwammerl, Speckkraut
Zergeht auf der Zunge. Shoyu ist eine Soja-Sauce.



Gspusi vom steirischen Schilcher
Strohmeyer Holler, Sake Lees
Das Dessert vermählt Schilcher-Sekt mit der Hefe von der Zubereitung des Reisweins Sake.

Oma Kettner`s Kaiserschmarrn
Zwetschgenröster, Kamota Vanilleeis
Hat das Zeug, zum Signature Dish zu werden.


Birnenbrand als Digestif

Weinbegleitung:
Grauburgunder Privat Kettner’s Kamota
Sauvignon Blanc, Weingut Polz
2013 Zweigelt, Weingut Tement
Schilcher Sekt, Langmann



Kettner’s Kamota. Hufergasse 23, 45239 Essen-Werden. Tel. 0201/72044700. Di-Sa 17-23 Uhr. kettnerskamota.de

Der Genießer bedankt sich für die Einladung.