Freitag, 30. Juni 2023

Gourmetmeilen 2023: Die Wiederauferstehung der „GourmeDo“ in Dortmund

Wieder da: Der Magic Sky auf dem Friedensplatz

Es war das gleiche Gefühl wie früher, als ich gestern aus dem Parkhaus-Eingang am Dortmunder Friedensplatz trat und sofort die Versorgungscontainer mit den darüber hinweg ragenden Spitzen der weißen Pagodenzelte der „GourmeDo“ vor der Nase hatte. Ich meine nicht, dass es so ausgesehen haben muss, als man sich im Jahr 1683 dem Feldlager der Türken vor Wien näherte. Ich meine vielmehr die Erinnerungen an die alte „GourmeDo“, die in ihrer ganzen Prachtentfaltung vor Corona zu den Spitzenevents dieser Art im Ruhrgebiet gehörte.

2019 fand sie zum letzten Mal statt, und die Lockdowns während der Pandemie bestärkten die ehemaligen Veranstalter darin, mit der aufwändigen und teuren Veranstaltung nicht mehr weiter zu machen. In diesem Jahr fanden sie jedoch in Sebastian Schalkau und Daniel Östreich zwei unternehmungslustige Nachfolger, die, wie sich auf den ersten Blick zeigte, den alten Glanz wieder hergestellt haben. Wie ein riesiges Ufo, das vor Sonne und Regen schützt, spannt sich wieder der Magic Sky über dem Friedensplatz, durch eine stilvolle Verkleidung verbergen die Tische darunter, dass sie eigentlich Bierzeltgarnituren sind, und dazwischen bewegen sich Kellner und Kellnerinnen mit weißen Hemden und schwarzen Fliegen, um auf schweren Porzellantellern die Gerichte zu servieren oder wenigstens die abgegessenen Teller abzuräumen.


Der Genießer war da

Was die teilnehmenden Gastronomien angeht, musste man jedoch neu anfangen. Die Anzahl der Pagodenzelte im Karree rundum wirkt recht imposant, doch das liegt auch an den dazwischen stehenden zelten der Getränke-Sponsoren Hövels, Aperol und Malfy Gin, dem Verlosungsstand für eine Luxuskarosse und den Abgabe-Stationen für die Pfand-Bestecke, ein Trick, den auch die alte „GourmeDo“ gut beherrschte. Doch ist die kleine Riege der neu gewonnenen Restaurants äußerst beeindruckend. Neben der traditionsreichen „Hövels Hausbrauerei“ sind besonders neue und frische Gastronomiekonzepte am Start: „Miss Mai“ und „NoMoreRice“, „Labsal“, „Schönes Leben“, „Tapa“ „Delikat Essen“, „Vida“ und die Eismanufaktur „Hitzefrei“.

Einzigartig ist die „GouremDo“ jedoch, weil sie es schafft, Sterne-Gastronomie auf die Meile zu bringen – etwas, was z.B. der Essener Meile „Essen verwöhnt“ bei ihrer Renaissance in diesem Jahr nicht gelungen ist. Dabei kamen den Veranstaltern die Verbindungen zu Gute, dies sie bei ihrer Menü-Reihe „Dein Kochquintett“ gesammelt haben, die sich seit Jahren in verschiedenen Städten der Spitzengastronomie widmet.


Gastkoch Laurin Kux aus Münster

Nicht nur, das Michael Dyllong mit seinen Sternerestaurant „THE STAGE“ einen permanenten Stand auf der „GourmeDo“ hat, er ist auch einer der vier Gastköche, die in einem besonderen Zelt für jeweils ein Tag auftischen. Neben Michael Dyllong am Samstag sind das die Sterneköche Laurin Kux vom „BoK Brust oder Keule“ in Münster (Do), Tobias Meyers vom „Hannappel“ in Essen (Fr) und Eric Werner vom „Astrein“ in Köln (So). Dirk Grammon, neben Dyllong der zweite aktuelle Sterne-Koch in Dortmund, konnte sich leider nicht entschließen, mitzumachen.

Die Fans warten schon: Daniel Östreich, OB Thomas Westphal und Sebastian Schalkau eröffnen die "GourmeDo".

Die Stößchen werden gezapft...

...und verteilt.

Pünktlich um12 Uhr mittags gaben gestern Daniel Östreich, Sebastian Schalkau und Dortmund OB Thomas Westphal den Startschuss zur „GourmeDo“. Etwas verhalten wurde kein großes Fass mit Dortmunder Bier aufgemacht, wie man es von anderen Veranstaltungen dieser Art kennt, sondern nur die beliebten Stößchenmeter von Hauptsponsor Hövels frisch gezapft.

Die milden 23 Grad versprachen ideales Gourmetmeilenwetter, und wenn auch eine dichte Wolkendecke den Friedensplatz in ein samtiges Grau hüllte, es sollte ein wunderbarer Gourmetmeilen-Nachmittag werden. Das Angebot der einzelnen Stände schien mir nicht so umfangreich wie in den Vor-Corona-Jahren, aber das schonte nur die Standbesatzungen und nahm den Gästen viel von der Qual der Wahl. Gut essen konnte man auf alle Fälle.


Ich entschloss mich, am ersten Tag eine Auswahl des vegetarischen Angebots zu testen. Das gelang nicht immer, schließlich wollte ich auch die beiden Gerichte des Münsteraner Sternekochs Laurin Kux zu probieren, und der war nur gestern da. da blieb mir nichts anderes übrig, als auch das Rind zu probieren.

Eröffnungs-Tour über die „GourmeDo“
überwiegend vegetarisch
29.6.2023




Laurin Kux
BOK Brust oder Keule, Münster
Variation von der Tomate, Avocado, Fenchel, Kohlrabi
Weißes Tomatenmousse | fermentierter Kohlrabisud | Avocadocrème | Fenchelsalat | Kräuter
13 Euro
Laurin Kux betreibt das Sternerestaurant „BOK Brust oder Keule“ in Münster und ist in diesem Jahr ganz frisch mit einem Michelinstern ausgezeichnet worden. Sein vegetarischer Gang hatte Vorspeisenformat und war eine wunderbare Komposition aus Farben, Formen und Aromen. Der Knödel war aufwändig gefüllt.



Laurin Kux
BOK Brust oder Keule, Münster
Rinderrippe in Rhabarber glasiert | Spargelsoße | Estragonöl | Frisee
16 Euro
Der Hauptgang, „natürlich“ möchte man sagen mit Fleisch, war eine amtliche Portion. Ein ordentliches Stück Rinderrippe, löffelweich geschmort und von der Rhabarber-Glasur in dezenter Sauerbraten-Manier appetitanregend aromatisert, zwei nicht weniger ordentlich dicke Stangen Spargel, eine schmeichelnde Soße und ein Blitz Estragon – leider kann man sich keinen Nachschlag mehr holen, heute ist ein anderer Sternekoch da.



The Stage
Trüffel Risotto „Acquerello Carnaroli“
Trüffel Stracciatella | Pinienkerne | geschmolzene Tomate
14 Euro
Und noch ein Sternegericht, doch das gibt es an allen Tagen. Unter Kochbloggern gibt es zwei Gerichte, die den Ruf haben, dass man sie unmöglich schön fotografieren kann: Linsensuppe und Risotto. So war ich gespannt, wie Michael Dyllong das Problem des Anrichtens bei seinem vegetarischen Rosotto-Gericht löst – im Hinterkopf hatte ich seine fein ziselierten Pinzetten-Kunstwerke, besonders aus dem „Palmgarden“. Und was bekam ich? Einen Schlach Reisbrei auf’m Teller, der alle Bloggervorbehalte gegen Risotto bestätigte.
Aber was war das für ein Risotto. Der Reis so schlotzig auf den Punkt gegart wie es sein muss, intensiv nach frischen Trüffeln duftend, die Umami-Noten nicht allein durch Parmigiano reggiano herausgearbeitet, sondern noch durch diese Trüffel-Stracciatella unterstützt - ich nehme an, das war eine getrüffelte Burrata. Die geschmolzene Tomate darauf war zwar nicht die optische Erlösung, brachte aber einen winzigen Kick Säure an das Ganze. Mann, freue ich auf den Hummerrisotto morgen, Dyllongs zweites Gericht am „The Stage“-Stand.


Beim Getränk dazu folgte ich der Empfehlung: Chandon Garden Spritz, ein mit Valencia-Orange und Rosmarin aromatisierter Champagner-Cocktail, der problemlos die nicht scheinende Sonne unterm Magic Sky ersetzte.



VIDA
Auberginen Tatar
Honigtomate | Humus | Pinienkerne
10 Euro
Beim VIDA, dem zweiten Restaurant, das Michael Dyllong mit sein Partner Ciro De Luca bestreibt, bestellte ich meinem vegetarischen Motto gemäß das Auberginen Tatar in der Version ohne den zusätzlich angebotenen Teufelssalat vom Rind (14 Euro). Warum bloß sah der Teller nur halb voll aus?Das Gericht erinnerte in seiner Aromen-Zusammenstellung an eine sizilianische Caponata, dezent süßsauer mit einem Hauch Bitterkeit.


Als Getränk gab es dazu eine frisch gemachte Himbeer-Limonade



Labsal
Falafeln von der Alblinse
Blumenkohlhummus | Mango-Chili-Mayonnaise | Salsa
8 Euro
Das Labsal ist bekannt für seine modern interpretierte Schwäbische Küche, und so ist es kein Wunder, dass die vegetarischen Falafeln, eigentlich ein Gericht aus dem östlichen Mittelmeerraum, aus Linsen von der Schwäbischen Alb hergestellt wurden. Alblinsen sind übrigens ein Passagier der Slow-Food-Arche des Geschmacks. Die Linsenbällchen waren perfekt frittierte, außen knusprig, innen locker, das Blumenkohlhummus von wunderbarer Leichtigkeit, Mayo und Salsa fantastisch abgeschmeckt.




Miss Mai & NoMoreRice
Mai’s Meisterstücke
Handgeformte Teigtaschen: Jiaozi
Rote Tofucreme | Erdnusscreme | Spinat
8 Euro
Wer richtig Hunger hat, ist am Stand von „Miss Mai & NoMoreRice“. Mit geradezu mütterlicher Fürsorge versorgt Miss Mai die Gäste mit ihren köstlichen chinesischen Spezialitäten. Zum Beispiel mit ihren Jiaozi, handgeformten und gedämpften Teigtaschen. Die gibt es mit Ente oder Schweinfleisch gefüllt; ich nahm natürlich meinem Motto gemäß die vegetarischen mit roter Tofucrème, Erdnusscrème und Spinat. Sechs prallgefüllte Nudeln offenbarte der Dämpfkorb, trotz ihrer Üppigkeit mit Appetit zu verzehren. Spannend ist es, sie mit den Essstäbchen in die Sojasauce zu tunken und dann abzubeißen.


Dazu gab’s chinesische Limonade in schönen Neon-Farben. Ich hatte die pinke, die intensiv nach Pfirsich schmeckte, es gab auch gelbe mit Ananas und braune mit Pflaume, in die anscheinend auch etwas Räucherspeck geraten war.




Hitzefrei
Eiskreation
Dortmunder „Neues Schwarz“
8,50 Euro
Ein Eis von der Manufaktur „Hitzefrei“ war das ideale Dessert nach meiner „GourmeDo“-Schlemmerei. Warum die Kreation, die ich mir gönntre, „Neues Schwarz“ hiieß, erschloss sich mir nicht so richtig. Nun ja, „Neues Schwarz“ heißt die Rösterei, deren Kaffee „Hitzefrei“ verarbeitet, aber der Eisbecher, der u.a. aus Cappucino-Eis bestand, war alles andere als schwarz. Aber egal, er hat herrlich geschmeckt, voller Aroma, leicht und nicht zu süß.


GourmeDo – Festival der Kulinarik. Friedensplatz, Dortmund. Geht noch bis 2. Juli 2023. Tägl. 12-23 Uhr, So bis 20 Uhr. www-gourmedo-dortmund.de

Freitag, 23. Juni 2023

Neu in Waltrop: Auszeit Tapas Bar Restaurant

Update: Seit März 2024 arbeitet Isaac Saiz Rosell nicht mehr im Auszeit.


Auf der kulinarischen Landkarte des Genießers befindet sich Waltrop in erster Linie wegen zwei Adressen. Da ist einmal des Edel-Kaufhaus Manufactum mit dem Bio-Laden „Brot & Butter“, zu dem ich regelmäßig einen Ausflug mache, um die wunderbaren Kapern aus dem Slow-Food-Presidio „Capperi di Salina“ auf der gleichnamigen Äolischen Insel zu kaufen, und den ich immer mit einem Mittagessen im hauseigenen Restaurant „Lohnhalle“ verbinde (klick hier, bis in die Bäckerei Hohoffs habe ich es nie geschafft). Und dann ist da noch das „Gasthaus Stromberg“, das ich kennnen lernte, als dessen Küchenchef Stefan Manier vor 14 Jahren gemeinsam mit Mario Kalweit aus Dortmund, Dirk Eggers aus Sprockhövel und dem kochenden Weinhändler Hartmut Julius Meimberg aus Herne die Köchegruppe „ReVier“ bildete (klick hier), um im Rahmen der Kulturhauptstadt Ruhr 2010 die Ruhrgebietsküche zu propagieren. Jetzt kommt wohl noch eine Adresse dazu.


Rustikale Spanien-Romantik in der Waltroper Fußgängerzone

Am 1. Juni hat der Gastronom Daniel Bedürftig in den Räumlichkeiten des ehemaligen „Pam“ in der Waltroper Fußgängerzone Hagelstraße die Tapas-Bar „Auszeit“ eröffnet. Mit viel rustikalem Holz, romantischen Rundbögen, gelbwarmem Licht und güldenen Waschbecken auf der Damentoilette (wie man mir sagt) wird hier eine typisch spanische Urlaubsatmosphäre verbreitet. Bei entsprechendem Sonnenschein sitzt man draußen in der Fußgängerzone.


Der Werdegang steht auf der Kochjacke:
Küchenchef Isaac Saiz Rosell

Was das „Auszeit“ einzigartig macht, ist der Küchenchef Isaac Saiz Rosell. Dortmundern ist aus dem „Weinadvokaten“ bekannt. Als er dort während der Corona-Lockdowns nicht mehr auftischen konnte, verwandelte er sich in den meistbeschäftigten Mietkoch der Region und kochte in mehr Privatküchen als jeder anderer. Mit seinen mit viel Temperament und Leidenschaft vorgetragenen Gerichten eroberte er die Herzen und Gaumen seiner Kunden im Sturm.

Isaac stammt aus einem katalanischen Dorf, eigentlich ist er gelernter Bauzeichner. Weil er in diesem Beruf hier keine Arbeit fand, begann er, im „Weinadvokaten“ Tapas zuzubereiten – ganz so, wie er es bei seiner Großmutter gesehen hatte. Einfach und bodenständig. Und so sind auch die Tapas im „Auszeit“ weitaus authentischer als das, was man anderswo unter diesem Namen bekommt. Die meisten Zutaten, die er verarbeitet, bezieht er aus Spanien.


Auch ohne Deckel keine Fliege im Wein

Ursprünglich bedeutet das spanische Wort tapa „Deckel“ und bezeichnet das Tellerchen, das auf das Glas gelegt wird, damit keine Fliegen in den Wein fallen. Menschenfreundlich Wirte legten noch ein paar Salzmandeln, Oliven oder andere Knabbereien darauf. Im Laufe der Zeit entwickelten sich daraus kleine Gerichte, die besonders bei den Spanientouristen gut ankamen. Heute steht das Wort Tapas in der internationalen Gastronomiesprache für kleine Gerichte überhaupt, ganz egal, aus welchem Land sie kommen, besonders auch aus dem asiatischen Bereich.

Isaacs Tapas gehen aber an den Ursprung zurück. Dabei greift er nicht nur die katalanischen Traditionen auf. Auch auf die Pintxos aus dem Baskenland, die nicht nach den Serviertellerchen, sondern nach den Spießchen, die sie zusammenhalten, benannt sind, kommen zur Geltung. So war der Zug durch die Speisekarte, den Isaac letzte Woche bei einem Pressetermin servierte, eine entzückende Reise durch die iberische Esskultur.



Chef's Table beim Presseessen
für Kollegin Silke und den Genießer


Tapas-Menü im Auszeit
15.6.2023


Vorweg Salzmandeln und zweierlei Allioli zum Brot
 

Serranoschinken und Cecina de Toro mit Olivenöl & Pinienkernen
Cecina de Toro ist getrocknetes Stierfleisch aus der Provinz Teruel in Aragon



Spanischer Kartoffelsalat



"Navajas" mit Safranallioli
Gegrillte Schwertmuscheln und Knoblauch-Petersilie-Dip
Seltenes Vergnügen für Meeresfrüchte-Fans.



Erdbeer-Gazpacho mit Ananas-Rotgarnelen-Spieß
im Glas angerichtet
Ein fruchtiges, erfrischendes und pikantes Experiment: Erdbeeren in der kalten Gemüsesuppe.



"Chipirones" -frittiert oder gegrillt-
Baby-Calamares aus Patagonia mit Knoblauch-Petersilien-Dip
Tintenfischlein für Fans



Patatas Bravas" hausgemacht
Auf die Kartoffel kommt es an. Belana- oder Agria sind die besten Sorten, die Isaac verarbeitet.



„Samfaina“ mit Ziegenkäse & Padrón
Katalanische Ratatouille
Südfrankreich ist nicht weit.



Kabeljau Kroketten mit hausgemachter Safranallioli
Einfach zum Wegessen.



Pintxo Chorizo in Rotweinreduktion & Padrón
auf einer Scheibe Brot
Die Wurst wurde unendlich lang in Rotwein gebrüht.



Gambas Roja al ajillo
Rotgarnelen in Knoblauch, Chili und Weißwein
Ein Klassiker der Tapas-küche.



Hähnchenspieß in Brandy-Zitronen-Soße auf frittierten Kartoffeln
Fast schon ein Hauptgericht.



Schweinefilet-Medaillon in Rotwein-Soße
im Speckmantel auf Safran-Kartoffelpüree und Pinienkernen
Butterzart geschmort, mit Zimt und anderen Gewürzen fast weihnachtlich abgeschmeckt.



Tarta de queso
Käsekuchen auf Waldbeerensoße und Erdbeeren



Crema Catalana und Vanille Eis
auf Schokoladenerde, Physalis



Valencià
Orangensaft Saft, Minze, Vanille- Eis und Orangenlikör



Als Digestif ein eisgekühlter Hierbas.


Auszeit Tapas Bar Restaurant. Hagelstr. 15, 45731 Waltrop. Tel. 02309/62 28 000. Mi-So 17-22 Uhr. www.auszeit-waltrop.de

Der Genießer bedankt sich für die Einladung.
Dank an Silke Albrecht für die Organisation.

Dienstag, 20. Juni 2023

Gourmetmeilen 2023: „GourmeDo“ startet am 29. Juni auf dem Dortmunder Friedensplatz

Sebastian Schalkau (vorn Mitte) und Daniel Östreich (2. Reihe) und ihre "GourmeDo"-Köche auf einer Pressekonferenz

Kaum ist die Gourmeteile „Essen verwöhnt“ vorbei, ist es Zeit, die nächste anzukündigen. Vom 29. Juni bis zum 2. Juli findet auf dem Friedensplatz in Dortmund die „GourmeDo“ statt. Dass das klappen würde, war erst relativ spät in diesem Frühjahr klar, denn bei diesem kulinarischen Aushängeevent im Ruhrgebiet hat es einen Veranstalterwechsel gegeben.

Als Marcus und Gerhard Besler vom Westfalen-Institut, damals in Lünen, im Jahr 2011 die „GouremDo“ ins Leben riefen, wirkte das durchaus wie ein Provokation für die ehrwürdige, damals bereits seit mehr als einem Vierteljahrhundert bestehende und sich für Neuerungen abschottende Gourmetmeile „Dortmund à la carte“. Neben den dort auftischenden Dortmunder Traditionsgasstätten hatte sich in der Westfalenmetropole eine junge innovative Gastronomieszene entwickelt, und die wurde nun von der „GourmeDo“ mitsamt einem großen Fine-Dining-Anteil präsentiert. Der bestand am Anfang zwar meist aus zugereisten Köchen aus der näheren und entfernteren westfälischen Nachbarschaft, doch nachdem Michael Dyllong mit dem „Palmgarden“ auf der Hohensyburg erstmal einen Michelinstern holte, schwebte der Dortmunder Sterne-Geist in verschiedenen Ausformungen über der „GourmeDo“, wie ich einmal schrieb (Zu allen Artikeln über die „Gourmedo“ klick hier). Neben der Etablierung einer neuen, beim Publikum sehr beliebten Veranstaltung hatte die „GourmeDo“ auch einen segensreichen Effekt auf „Dortmund à la carte“, die sich im Laufe der Zeit optisch wie inhaltlich ziemlich verjüngte.

Wegen des Ausbruchs der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Lockdowns fand die letzte „GourmeDo“ 2019 statt. Die alten Veranstalter wollten auch nach der Corona-Pause nicht mehr weitermachen. 2022, als es wieder möglich gewesen wäre, fand keine „GourmeDo“ statt. Aber es gelang, die Rechte der Gourmetmeile zu verkaufen. Und so findet die „GourmeDo „in diesem Jahr erstmals unter der Leitung von Sebastian Schalkau und Daniel Östreich statt, die schon in mehreren Städten die ambitionierte Gastro-Veranstaltungsreihe „Dein Kochquintett“ ins Leben gerufen haben.

Und sie haben es für ihre Gourmetmeilen-Premiere geschafft, die Tradition der alten „GourmDo“ fortzusetzen. Neben der traditionsreichen „Hövels Hausbrauerei“ sind neue und frische Gastronomiekonzepte am Start: „Miss Mai“ und „NoMoreRice“, „Labsal“, „Schönes Leben“, „Tapa“ und „Delikat Essen“. Dazu kommt noch die Eisdiele „Hitzefrei“ und die Getränkestände von Hövels, Aperol und Malfy Gin.

Und der Sterne-Geist von Michael Dyllong manifestiert sich natürlich auch wieder.So ist er mit den ständigen Ständen seiner Restaurants „VIDA“ und „THE STAGE“ vertreten. „THE STAGE“ hatte er neu gegründet, als er den in der Coronazeit geschlossenen „Palmgarden“ verlassen hatte, und errang damit gleich wieder einen Michelinstern.

Darüber hinaus ist er auf der „GourmeDo“ auch als Gastkoch vertreten. In einem extra eingerichteten Zelt werden an den vier Meilentagen täglich wechselnd die sog. „GourmeDo-Sterne“ auftischen. Neben Michael Dyllong am Samstag sind das die Sterneköche Laurin Kux vom „BoK Brust oder Keule“ in Münster (Do), Tobias Meyers vom „Hannappel“ in Essen (Fr) und Eric Werner vom „Astrein“ in Köln (So). Auf gewisse Weise wird damit auf Umwegen die überraschendste Entwicklung in der Dortmunder Gastroszene in letzter Zeit reflektiert. Im Jahr 2021 ergoss sich nämlich eine wahrer Michelinsterne-Regen über die Stadt, die dann kurzzeitig über vier Sternelokale verfügte. Mittlerweile sind es nur noch zwei (neben „THE STAGE" noch das „Grammons", das leider auf der „GourmeDo" nicht vertreten ist). Die Auftritte der illustren Gastköche scheint wie ein Verbeugung davor.

GourmeDo, 29.6.-2.7.2023. Dortmund, Friedensplatz- Zu allen Infos und Speiskarten hier klicken.
Zu den bisherigen Genussbereit-Artikeln über die "GourmeDo" klick hier.

Samstag, 17. Juni 2023

„Essen verwöhnt 2023“: Die „Königin der Gourmetmeilen“ kommt wieder in Schwung

Update 18.6.2023: Ich hatte am Freitagabend, 16.6.,  die Gourmetmeile gegen 19 Uhr verlassen. Am Abend gab es dann in der nördlichen Essener Innenstadt schwere Auseinandersetzungen zwischen libanesischen und syrischen Clans, bei denen die Polizei eingriff. Am Samstag zeigte die Polizei verstärkte Präsenz in der nördlichen Innenstadt. Auf den Ablauf der Gourmetmeile hatte das aber keine Auswirkungen. Allerdings, so schrieb die WAZ später, "sei die Stimmung tags darauf jedoch völlig gekippt. Die einheimische Bevölkerung habe Warnmeldungen im Hörfunk über die Tumulte nach Bierwirths (Organisator der Meile) Einschätzung so aufgefasst, „dass wir Deutsche in unserem eigenen Land lieber zu Hause bleiben sollen“."

Cocktail auf der Kettwiger

Hinterm Schnitzel winken Dom und Rathaus

Auch mein zweiter Nachmittag auf der der diesjährigen Gourmetmeile „Essen verwöhnt“ war ein wunderbarer kulinarischer Kurzurlaub. Im wohltuenden Schatten der Platanen auf der Kettwiger Straße herrschte eine beschwingte wohltemperierte Atmosphäre, die man in der von Imageproblemen geplagten Essener Innenstadt gar nicht vermuten würde. An den wie luxuriöse Pop-Up-Restaurants wirkenden Ständen ergaben sich vor der illustren Kulisse des Essener Doms die hungrigen Gäste der Lust nach gutem Essen, und in dem nicht enden wollenden Strom von Flaneuren durch die breite Gasse zwischen den Ständen manifestierte sich die Multikulturalität der Ruhrgebietsmetropole, die auf der Meile selbst etwa durch den ukrainischen Solidaritätsstand des Vereins Opora zum Ausdruck kam. Besonders die muslimischen, afrikanischen und indischen Damen entzückten mit dem Stolz, mit der sie ihre elegante Garderobe durch die Einkaufsstraße zu tragen wussten. Lediglich, als ich am südlichen Ende der Gourmetmeile vor dem Lichtburg-Haus den Blick Richtung Hauptbahnhof schweifen ließ, kam ich auf den Boden der Tatsachen zurück. Selbst in über einhundert Metern Entfernung drückte sich der Schriftzug „Pommes Pervers“ über einem Imbiss-Laden ins Gesichtsfeld – welch ein Werbestratege denkt sich bloß so etwas aus? Und wie irrsinnig erscheint angesichts dieser normativen Kraft des Faktischen die Diskussion, die in letzter Zeit um den Ersatz des langjährigen Schriftzugs „Essen – die Einkaufsstadt“ auf dem Handelshof gegenüber des Hauptbahnhofs geführt worden ist?


Als wäre Tina wieder da:
Daisyana Lekatompessy heizt ein


Rino verteilt Gnocchi

Doch kommen wir zu „Essen verwöhnt“ zurück. Bei meinem ersten Besuch gleich am Eröffnungstag hatte ich ja eher den Veteranen der Meile besucht, die schon lange vor der Coronapause dabei waren: „La Grappa“, „Gummersbach“, „Acquario“, „Mumm“ und andere (klick hier). Heute wollte ich mich eher jenen Neuzugängen besonders aus Rüttenscheid widmen, die das Zeug haben, die aus den verschiedensten Gründen aus der Riege der traditionellen Essener Fine-Dining-Restaurants ausgeschiedenen Teilnehmer zu ersetzen: „Schick Essen“ und die „Alte Metzgerei“. Die Gerichte der „Alten Metzgerei“ konnte ich vor zwei Wochen bei einem Besuch in den Restaurant-Versionen testen, ich bitte, das hier nachzulesen. Beim „Schick Essen“, das erst vor Kurzem aufgemacht hat, konnte ich eine Möglichkeit nutzen, die nur Gourmetmeilen bieten. Ich konnte Gerichte eines Restaurants verkosten, das ich nicht kannte und die Appetit machten, demnächst einmal dort hinzugehen. Unter anderem kam dabei eine ganz überraschende Wettbewerbs-Gelegenheit für einen mit Nudeln gefüllten Teller.

Hier also die Ausbeute des zweiten Tages.

Gourmetmeile „Essen geht aus“
16.6.2023



Die Warenyky-Wareniki-Gnocchi-Battle
Warenyky bzw. Waryniki sind gefüllte Teigtaschen, die in Polen Pierogi heißen. Verbreitet sind sie im ganzen osteuropäischen Raum, in der Ukraine gelten sie als Nationalgericht. Kein Wunder also, dass sie am Solidaritätsstand des ukrainisch-deutschen Vereins Opora in traditioneller Form angeboten werden. In einer chiceren Variante stehen sie auch auf der Karte des „Schick Essen“ – und erinnern dabei in ihrer samtenen Crémigkeit fast an die „Gnocchi Giuliano“ von „La Grappa“.


Opora
Warenyky
Teigtaschen mit Kartoffel-Füllung in Zwiebeln-Speckzwiebeln Butter geschwenkt. 10 Euro
Die Warenyky gibt es mit Kartoffel- oder Sauerkraut-Füllung. Ich hatte die mit Kartoffeln. Ich hätte auch auf den Speck verzichten können, dann wäre das Gericht vegetarisch gewesen. Insgesamt war es eine sehr deftige Angelegenheit. Als echtes Soulfood warm, weich und etwas fettig, die Füllung etwas trocken. Gerade richtig, um den Esser mental und körperlich für die Härte des Lebens aufzurüsten.




Schick Essen
Wareniki
in Trüffelrahm mit frischen Trüffeln. 8 Euro
Auch hier gab es eine zweite Variante mit argentinischer Steakhüfte (15 Euro), auf die ich aber verzichtete. Anders als das ukrainische Nationalgereicht am Opora-Stand, waren die Wareniki hier samtweich und saftig und schwammen geradezu in der sahnigen Sauce. Sie erinnerten eher an italienische Nudelgerichte. Die Trüffel-Aromen waren in der frischen Luft auf der Kettwiger Straße ziemlich flüchtig. Das wunderbare Gericht hätte durch einen kräftigeren Umami-Geschmack noch gewonnen und forderte den Vergleich mit den „Gnocchi Giuliano“ von „La Grappa“ heraus.



La Grappa
Hausgemachte Gnocchi
gefüllt mit Steinpilzen und Mozzarella auf einem Spiegel von Trüffelcrème. 9 Euro
Ein legendärer Klassiker auf „Essen verwöhnt“. Gnocchi sind bekanntlich kleine Klöße aus Kartoffelteig und erinnerten somit an die Füllung der ukrainischen Warenyky. Die Zartheit und de sahnigen Aromen von Steinpilz und Trüffel ähnelten jedoch denen der Wareniki von „Schick Essen“, brachten die Umami-Noten jedoch ungeniert zur Geltung. Italo Soul Food mit Tendenz zum Food Porn mit Süchtigkeitsfaktor. 



Was es sonst noch gab


Schick Essen
Tonkatsu
Kalbschnitzel, Coleslaw, Pflaumen-Ingwer-Ketchup. 15 Euro
Tonkatsu gehört zur Japanischen Küche, seit sich die Japaner Ende des 19 Jahrhunderts der europäischen Küche öffneten und das Wiener Schnitzel dort ganz groß in Mode kam. Ich konnte einmal für eine Reportage dem japanisch-stämmigen Meisterkoch Daniel Takeshi aus Bochum beim Tonkatsu-Machen zugucken. Für seine Version mit Hirsch panierte er das Fleisch ganz klassisch, allerdings mit Panko, dem japanischen Paniermehl. Als Beilage gab es hauchdünn geschnittene Streifen von völlig unbehandeltem rohem Spitzkohl. Die eigentliche Kochleistung war das Zusammen-Mixen der Sauce aus unzähligen exotischen Zutaten. Beim „Schick Essen“ wurde das panierte Kalbsschnitzel mit Coleslaw serviert, dem amerikanischen Weißkohlsalat. Das ist durchaus stilecht, denn die amerikanischen Essgewohnheiten haben durch die übermäßige Präsenz des US-Militärs auf der südjapanischen Insel Okinawa die dortige Küche maßgeblich beeinflusst. Der süß-pikante Pflaumen-Ingwer-Ketchup war die passende Ergänzung. Das Schnitzel selbst nahm es lässig mit dem schönen Wiener Schnitzel auf, das ich neulich auf der Gourmetmeile „Castrop kocht über“ gegessen hatte (klick hier).



Alte Metzgerei
Thunfisch Tataki
Wakame, Wasabi-Crème, eingelegter Ingwer, Terriyaki-Sauce. 8 Euro
Beim Besuch der „Alten Metzgerei“ im ehemaligen Domizil von Nelson Müllers „Schote“ neulich gab es ein wunderbares Thunfisch Tatar, das weitgehend mit den gleichen Zutaten hergestellt war (klick hier). Jetzt hatte ich die Gelegenheit, die Variante mit großen Fischstücken zu probieren. Der Thunfisch war mit Sesam mariniere und perfekt angegrillt, die Saucen geschmacksintensiv, der Wakamesalat angenehm gesäuert, das beigelegte Brot sättigend – eine ideale Vorspeise.



Alte Metzgerei
Die „Echte“ Dönninghaus-Currywurst
Parmesan-Freis, Trüffelmayo. 8 Euro
In Bochum gehört die Currywurst von Dönninghaus samt Sauce, wie sie am Stand im Bermudadreieck ausgegeben wird, zur kulinarischen Folklore, seit Herbert Grönemeyer sie in einem Song besungen hat. Aber um sie auf der Spitzen-Gourmetmeile zu präsentieren, das fand ich schon früher beim „Me[a]ts“, dem Vorgängerstand der „Alten Metzgerei“, etwas irritierend. Dafür reicht doch der Weg in nächste Pommesbude. Doch ich vergaß, dass auch am feinsten Gourmetmeilenstand beim Essen mit den Füßen abgestimmt wird. Das war schon früher so, als beim „Schloss Hugenpoet“ ausgerechnet der Burger der Renner war und weniger die sternverdächtigen Kreationen der Schlossküche.
Doch wie dem auch sei, mit diesem Hauptgericht bekommt der Currywurstfan etwas Ordentliches auf den Teller. Eine Wurst mit Legende, eine süß-scharfe Sauce, die zum Getränke-Konsum animiert, knusprig-leckere Pommes und eine samtige Trüffelmayo.


„Essen verwöhnt“ geht noch bis So., 18.6.2023. Essen, Kettwiger Str. Tägl. ab 12 Uhr. Alle Infos und Speiskarten klick hier.

Der Genießer bedankt sich für die Einladungen.