Das erste Mal war mir die Adresse Emmastraße 25 im Jahr 1995 untergekommen, beim redaktionellen Zusammenstellen des damaligen Restaurantführers „Ausgehen im Ruhrgebiet“. Heinz und Monika Klapdor hatten dort gerade das Restaurant „Schote“ übernommen und machten es in den folgenden Jahren zu einer der besten Adressen nicht nur im Essener Stadtteil Rüttenscheid. Besucht habe ich das Restaurant allerdings erst später: 2003 (klick hier) und 2007 (klick hier) konnte ich Heinz Klapdors feine und dennoch bodenständige Küche für das Nachfolge-Magazin „Essen geht aus“ testen. Da war der Name „Schote“ so etabliert, dass der am Anfang seiner Karriere stehende Nelson Müller, dem Klapdor die Location 2009 übergab, nicht auf ihn verzichten wollte (klick hier). Schon bald bekam Nelson einen Michelin-Stern und sein kleines Restaurant-Imperium wuchs. 2019 integrierte er die „Schote“ samt Namen in die Räumlichkeiten seines Bistros „Müllers auf der Rü“, wo Nelson den Michelin-Stern verteidigen konnte (klick hier).
Die verwaiste Emmastr. 25 war dann der ideale Standort für das neue Restaurant von Frank Schikfelder und Alicia Wolbeck. Eigentlich ist Frank ja Weinhändler und betreibt auch die „Weinpalette“ im Girardethaus, doch genauso leidenschaftlich ist er Gastronom. Mit dem „Me[a]ts“ hatte er sich in Rüttenscheid einen guten Namen gemacht, dort lernte er auch seine Partnerin Alicia kennen. Welch ein Wagnis es war, ausgerechnet im Jahr 2019, vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie, ein neues Restaurant zu eröffnen, konnten sie damals nicht wissen. Dennoch überstanden sie die Lockdowns mit einem engagierten Außer-Haus-Verkauf recht gut. 2022 konnten sie sich dann auf den Gourmetmeilen „Rü Genuss pur“ (klick hier, findet seit diesem Jahr endgültig nicht mehr statt) und „Metropole Ruhr“ auf Zollverein (klick hier) präsentieren; in diesem Jahr sind sie auch bei „Essen verwöhnt“ in der Innenstadt vertreten.
Mit dem Griff zu den Sternen von Nelson Müllers „Schote“ machten Frank und Alicia Schluss. Seinen Glasperlenvorhang, der die legendären Säulen der Location umflutete, ließen sie zwar hängen, nachdem sie in den Übernahmeunterlagen die Rechnung dafür entdeckten und bemerkten, welch ein Vermögen er gekostet hatte. Doch mit dem neuen Namen knüpften sie an die Vor-Gastronomie-Ära der Location an, wo auch schon einmal eine Metzgerei war. Die Küchenausrichtung erinnert eher an ihre eigene „Me[a]ts“-Tradition und auch ein wenig an die von Heinz Klapdor. Es geht um bodenständige, traditionelle Frischeküche, in erster Linie lecker, aber auch optisch elegant und ansprechend präsentiert.
Nomen est omen, im Mittelpunkt der Speisekarte der „Alten Metzgerei“ steht Fleisch. Auf die Frage, ob es nicht sehr mutig ist, so ein Restaurantkonzept in einer Zeit, in der die Erkenntnis um sich greift, dass der Fleischkonsum ein wesentlicher Faktor des menschengemachten Klimawandels ist, als Geschäftsidee zu verwirklichen, reagieren sie irritiert. „Für Vegetarier bieten wir ja ein ganze Reihe von Gerichten an“, erklärt Alicia. Und Frank verweist schließlich auf die Wünsche der Kundschaft. Nicht nur die Gäste aus der Rüttenscheider Nachbarschaft bestellen gerne Fleischgerichte, auch für die Geschäftsessen, die die Essener Unternehmer wegen der intimen Atmosphäre gern in dem kleinen Restaurant veranstalten, sind Fleischgerichte ein repräsentatives Muss.
An diesem sonnendurchfluteten Sonntagnachmittag haben Frank und Alicia ihr Restaurant extra aufmacht, um uns einen Ritt durch Speisekarte zu präsentieren. Wir, das sind Tom Thelen von „Essen geht aus“, der Food-Blogger Peter Kühne aka Shaney Mac aus Solingen und mein werte Wenigkeit. Arrangiert hat das alles Michael Alisch, der sich in letzter Zeit immer mehr als umtriebiger Netzwerker in der Gastrowelt des Ruhrgebiets profiliert. Um angesichts der Fotos unten allen Spekulationen zuvor zu kommen, wir vier teilten uns kollegial jeweils eine Portion der aufgetragenen Speisen zum Probieren.
Im Grunde hat jeder von den traditionellen Gerichten, die in der „Alten Metzgerei“ auf den Tisch kommen, eine genaue Vorstellung, wie sie sein und schmecken müssen. Doch die Küche schafft es, diese Vorstellungen zu erfüllen, besonders natürlich bei den Fleischgerichten. Die Panierung des Wiener Schnitzel ist so knusprig-luftig-fluffig wie die Sofakissen auf den Sitzbänken, die geschmorte Ochsenbacke ist natürlich löffelweich, und die Marmorierung der hauchdünnen Rindertranchen des Carpaccio zeugt von der einzigartigen Qualität des Fleisches, die an Wagyu heranreicht. Mir persönlich hätte ein wenig mehr Salz an den Gerichten gut gefallen. Aber mit einem beherzten Griff zur bereitstehenden Salzmühle kann die Feinjustierung leicht vollzogen werden. Schön fand ich, dass viel Rote Bete verarbeitet wurde. Als Beilage wurde häufig mund-komfortabel Püree oder Risotto gereicht, wo ich Brat- oder frisch gekochte Salzkartoffeln von einer mehlig kochenden Sorte nicht schlecht gefunden hätte. Zu den Gerichten hat Frank, der kochende Weinhändler, eine kleine, aber feine Begleitung von Weinen und Champagner bereitgestellt, die das Vergnügen vollendeten.
2020 Riesling Feinherb, Schloss Johannisberg Rheingau, Gelblack
Grüner Veltliner Loess, Thomas Leithner Kamptal
2020 Riesling trocken, Weingüter Wegeler Rheingau
Champagner Louis Roederer Collection 242
2020 Héritage, Côtes du Rhône Rouge
Ein Sommernachmittag in der „Alten Metzgerei“
4.6.2023
Vorspeisen
Alte Metzgerei. Emmastrasse 25. 45130 Essen-Rüttenscheid. 0201/61533120. Di-Sa ab 17:00 Uhr. So & Mo Ruhetag. www.alte-metzgerei-essen.de
Der Genießer bedankt sich für die Einladung.
Dank an Michael Alisch für die Organisation.
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