Mittwoch, 17. August 2005

Aus dem Archiv: Essen im Industriedenkmal

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005/2006".
Einige der erwähnten Restaurants gibt es heute (2024) nicht mehr. Bitte die Anmerkungen in Klammern und die Adressenliste am Ende des Textes beachten.


Fine Dining in der Zechenhalle

Das Ruhrgebiet als Urlaubsregion, das klingt immer noch gewöhnungsbedürftig. Dabei verfügt das Revier mit der Route der Industriekultur über ein Merkmal, das es allen anderen Regionen gegenüber auszeichnet. Und selbstverständlich kann man in den zahlreichen Industriedenkmälern dieser Route mittlerweile auch ausgezeichnet essen und trinken.

Eine kulinarische Reise durch die Industriekultur von Peter Krauskopf.



Was war das für ein Aufstand, als anno 1981 ein Tatort-Kommissar namens Schimanski dem nationalen Fernsehpublikum die heruntergekommensten Ecken des Duisburger Hafens vorführte. Empörung machte sich besonders bei den Stadtoberen in Duisburg über den Schmuddelkommissar breit, die eigenartige Romantik wollte oder konnte niemand in den Bildern des Fernsehkrimis entdecken. Knapp 20 Jahre später war das dann anders. Der zum Superstar avancierte Schimanski feierte mit einer aufgemöbelten neuen Serie ein grandioses Comeback, und als Kulisse diente diesmal der Landschaftspark Nord, ein ehemaliges Duisburger Industriegebiet, in dem Landschaftsgestalter ganz bewusst die gigantischen Relikte der Schwerindustrie der wuchernden Natur überlassen oder zu attraktiven Freizeitarealen umgestaltet hatten.

Im Selbstbewusstsein des Ruhrgebiets war seit den 80er Jahren ein tief greifender Wandel eingetreten. Der Underground hatte schon längst den identitätsstiftenden Charme der zahlreichen alten, mittlerweile leer stehenden alten Industriegebäude erkannt, in Bochum kam es sogar zu einer handfesten Jugendrevolte im Kampf um ein Jugendzentrum in einer alten Fabrik. Die Kultur nahm Besitz von den ehemaligen Produktionsstätten, und mit der Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscherpark wurde diese Entwicklung bald auch von offizieller Stadtplanungsseite gefördert. Aushängeschild dieser Entwicklung ist die Zeche Zollverein in Essen. Von der UNESCO zum Weltkulturerbe erhoben, ist der in den späten 20er Jahren im Stil der Neuen Sachlichkeit erbaute Förderturm mittlerweile zum Symbol für das moderne Ruhrgebiet geworden.

Das riesige ehemalige Zechenareal im Essener Norden ist Sitz von zahlreichen kulturellen Einrichtungen und anderen Institutionen geworden und hat mit dem Casino Zollverein auch eine gastronomische Einrichtung, die in ihrem Ambiente einzigartig ist. Kontraste bestimmen die Atmosphäre des Restaurants. In der ehemaligen Kompressorenhalle kollidieren gigantische Betonpfeiler mit filigranen Ausstattungsaccessoires, klobige Maschinenreste mit eleganten Gastronomiemöbeln, archaisches Bunkerfeeling mit barocker Lebensfreude. Aufgetischt wird hier eine sogenannte „New World Cuisine“, eine moderne Frischeküche mit internationalen Einflüssen, die man als einen Ausdruck der Weltoffenheit des Ruhrgebiets betrachten kann. So wundert es nicht, dass das Casino Zollverein und die dazugehörigen ebenfalls eindrucksvollen Veranstaltungsräume häufig von der Landesregierung zu Repräsentationszwecken genutzt werden.

Dem Hauptschalthaus im oben genannten Duisburger Landschaftspark Nord sieht man an, dass es diesem Vorbild nacheifert. Auch hier sind die Industrierelikte in den Raum integriert, doch wirkt dieses Restaurant weniger martialisch, im direkten Vergleich geradezu gemütlich. So wundert es nicht, dass auch die Küche bodenständiger ist. International gibt man sich auch hier, doch isst man hier gutbürgerlich mit einem Touch ins beliebte Mediterrane.

In Sachen heroisch-archaischer Erhabenheit kann es die ehemalige Henrichshütte in Hattingen, die heute zum Westfälischen Industriemuseum gehört, mit Zollverein durchaus aufnehmen. Besonders der ehemalige Hochofen wirkt wie ein bizarrer Dinosaurier des Stahlkochens. Das elegante Restaurant Henrichs, benannt nach dem Grafen, der die Hütte Mitte des 19. Jahrhunderts gründete, ist in der ehemaligen Gebläsehalle untergebracht, die als Museumsgebäude genutzt wird. Durch eine große Glaswand kann man in den Ausstellungsraum blicken, in dem große Maschinen, die einst beim Stahlkochen gebraucht wurden, ausgestellt sind. Wo einst schweißtreibend gearbeitet wurde, können sich heute die Gäste an einer mediterranen Küche mit asiatischem Einschlag und westfälischen Spezialitäten gütlich tun. In der anderen Hälfte des Museums ist ein großer Veranstaltungssaal mit Bühne untergebracht, so dass das Gebäude auch als Kulturzentrum genutzt wird.

Genau diesen Zweck erfüllt auch die Rohrmeisterei in Schwerte. Die schmucke 1896 erbaute ehemalige Pumpstation der Dortmunder Wasserwerke am Ufer der Ruhr wurde von einer Bürgerinitiative als idealer Sitz eines Veranstaltungszentrum erkannt und mit liebevollem Einsatz ausgebaut. Das architektonisch sehenswerte Restaurant, das unter anderem dabei entstand, ist neben dem Casino Zollverein sicherlich das anspruchsvollste, das es in einem Ruhrgebiets-Industriedenkmal gibt. Was das Ambiente so aufregend macht, ist ein mit Glaswänden abgeteilter Innenraum, der die Tische der Gourmetabteilung beherbergt. Rundherum, an den im unverputzten Zustand belassenen Wänden, stehen die Tische der Bistroabteilung. Durch diesen Trick gelang es den Architekten, in der riesigen Halle eine angenehme Akustik und an den Tischen eine gemütliche Behaglichkeit zu produzieren, ohne den gewaltigen Halleneindruck zu schmälern. Die mediterrane Frischeküche des Lokals hat ihre kulinarische Basis in der traditionsreichen Senfmühle Peisert, die ebenfalls in der Rohrmeisterei ihren Sitz hat und auf handwerkliche Art und Weise Senfspezialitäten herstellt. (Ein Hinweis am Rande: Dass man es im Ruhrgebiet schon immer gern scharf mochte, zeigt auch die Alte Senffabrik in Mülheim. Auch hier wurde früher die braune Würzpaste hergestellt, jetzt ist hier ein gemütliches Kneipen-Restaurant untergebracht, das besonders durch seinen großen Biergarten besticht.)

Industriedenkmal, Kulturzentrum, kulinarische Tradition - auch die Lindenbrauerei in Unna vereinigt diese drei Kriterien einer typischen Ruhrgebietsgastronomie. Wie in Schwerte installierte auch hier ein Trägerverein ein Veranstaltungszentrum in einer ehemaligen Produktionsstätte. Doch wurde in Unna kein Stahl gekocht, sondern bis 1979 Bier gebraut. Diese Tradition wurde vor drei Jahren wieder aufgenommen. In einer kleinen Hausbrauerei stellen zwei Braumeister, die früher schon in der Lindenbrauerei tätig waren, ein naturtrübes Bier und andere Bierspezialitäten her, die exklusiv in der Kulturzentrumskneipe Schalander ausgeschenkt werden.

Quasi ein ästhetisches Gegenstück zu Zollverein ist die Zeche Zollern in Dortmund. Anders als bei der im kargen modernistischen Stil erbauten Essener Zeche herrscht bei dem von 1898 bis 1904 auf einem ehemaligen Gutshof erbauten Bergwerk in Bövinghausen noch der historistische Baustil der Gründerzeit vor. Türmchen und Giebel lassen das damals technisch modernste Bergwerk in Deutschland teilweise wie ein verwunschenes Märchenschloss aussehen. Das eiserne Jugendstiltor der großflächig verglasten Maschinenhalle ist wie der Förderturm von Zollverein eine Ikone der Industriekultur. Kulinarisch verwöhnt wird man auf Zeche Zollern im Restaurant Pferdestall. Auch hier geht es wie in der Architektur nostalgisch zu. Deftige Bergmannskost, modern interpretiert, wird zu moderaten Preisen aufgetischt.

Das größte Ensemble an Gastronomie in alten Industriegebäuden findet sich jedoch ohne Zweifel im Duisburger Innenhafen. Der kleine Abzweig des größten Binnenhafens der Welt jenseits der Schwanentorbrücke wirkt wie die Hamburger Speicherstadt im Kleinen. Unweit der Innenstadt gelegen, bündelt sich hier in eine vielfältige Museenlandschaft: das stadt- und kulturhistorische Museum, das Kindermuseum Atlantis, das Kunstmuseum Küppersmühle. Statt rußiger Lastkähne tummeln sich Segel- und Motorboote in den zur Marina umfunktionierten Hafenbecken. Die jüdische Gemeinde hat hier ihren Sitz, und für die noch vorhandenen Freiflächen hat der Stararchitekt Sir Norman Foster eine Bürobebauung geplant. Der Innenhafen ist in in Duisburg.

Doch nicht alle alten Speicher wurden von der Kultur okkupiert. Zahlreiche Kneipen und Restaurants wurden im ehemaligen Hafengebiet angesiedelt, um der alten Industrielandschaft urbanes Leben einzuhauchen. Besonders engagierte sich dabei die Brauerei Diebels, die mit ihrem Bierlokal Diebels im Hafen ein Aushängeschild für modern, rustikale Ruhrgebietsgastronomie geschaffen hat. Hier gibt es niederrheinische Bierspezialitäten zu einer deftigen, herzhaften Bratkartoffel-Küche. Im Sommer ist der schwimmende Ponton-Biergarten eine Attraktion. Direkt daneben kann man in eine perfekte Urlaubsatmosphäre eintauchen. Die Bodega del Puerto (geschlossen, 2024) inszeniert elegant und treffend die spanische Tapas-Welt. Ein paar Schritte weiter kann man sich in einer Filiale des Essener Mongo’s ein mongolisches Barbecue zu Gemüte führen. Etwas abseits beherbergt das älteste Haus Duisburgs das Restaurant Dreigiebelhaus (geschlossen, Stand 2024), und nicht weit davon entfernt entführt das Passt’scho (geschlossen, Stand 2024) in die verführerische Welt der Wiener Caféhäuser. Doch das sind längst nicht alle Kneipen, die man im Innenhafen findet. Ob Mexikaner oder Cocktailbar, ob Museumsgastronomie oder Hafenimbiss, man kann hier gut auf einem ausgiebigen Kneipenbummel versacken.

Wer Lust hat, in alten Industriedenkmälern nicht nur zu essen und zu trinken, sondern auch zu wohnen, dem sei die Lederfabrik in Mülheim empfohlen. Einst war die Stadt an der Ruhr ein Zentrum der deutschen Lederindustrie; davon erzählt das Ledermuseum an der Düsseldorfer Straße in Saarn. Der Rest der alten Fabrik ist heute ein Hotel mit Restaurant, in dem gerade einmal 52 Leute Platz finden. Die wöchentlich wechselnde Speisekarte bietet eine feine Frischeküche mit regionalen und mediterranen Einschlägen.

Weniger für Touristen als für Tagungsteilnehmer gedacht ist das Kultur- und Tagungshotel Alte Lohnhalle in der Zeche Bonifacius in Essen-Kray. Die alte Bausubstanz von Bonifacius steht in ihrer Jugendstilarchitektur der Zeche Zollern in Dortmund kaum nach, und entsprechend atmosphärisch angenehm sind Zimmer und Tagungsräume. In direkter Nachbarschaft, ebenfalls in stimmungsvollen alten Zechengebäuden untergebracht, befindet sich die Kneipe Wolperding mit ihrem großen Biergarten, wo es als Spezialität ganz besondere Brathähnchen gibt, und die Weinzeche, eine der größten Weinhandlungen des Ruhrgebiets. Jeden Monat finden dort Weinproben statt, bei denen das hervorragende Angebot der Weinzeche zum größten Teil gratis verkostet werden kann.

Zum Abschluss unserer kleinen kulinarischen Rundreise durch die Industriekultur soll es zu einem Juwel der klassischen Freizeitarchitektur gehen, Franky’s Wasserbahnhof (geschlossen, Stand 2024) in Mülheim. Der 1927 erbaute „Bahnhof ohne Gleise“ ist bis heute Um- und Einsteigeplatz für Ausflügler, die auf den Schiffen der „Weißen Flotte“ einen Bootsausflug auf der Ruhr machen wollen. Von außen macht er heute den Eindruck eines riesigen Kreuzfahrtschiffs im Trockendock, und die kulinarischen Events, die dort stattfinden, würden dem legendären Brat Pack um Frank Sinatra alle Ehre machen. Aber auch ohne Show sind Restaurant, Bar und Biergarten einen Besuch wert.

Casino Zollverein
Essen-Katernber5g
Gelsenkirchener Str. 181 (Zeche Zollverein Schacht XII)
fon 0201.83 02 40
https://casino-zollverein.de/

Hauptschalthaus
Emscherstr. 71
47137 Duisburg-Obermeiderich
fon 0203.41 79 91 80
https://www.hauptschalthaus.com/

Henrichs
Restaurant-Bar-Lounge im Industriemuseum Henrichshütte (1.Etage)
Werksstr. 31-33
45527 Hattingen
fon 0 23 24. 68 59 63
https://www.henrichs-restaurant.de/

Rohrmeisterei Schwerte
Ruhrstraße 20
58239 Schwerte
fon 0 23 04. 2 01 30 01
https://www.rohrmeisterei-schwerte.de/

Alte Senffabrik
Quellenstraße 20
45481 Mülheim-Saarn
Heute (2024) befindet sich hier die Trattoria Fati.
https://trattoria-fati.de/

Schalander
im Kultur- und Kommunikationszentrum Lindenbrauerei e.V.
Massener Str. 33-35
59423 Unna
fon 0 23 03. 2 5112 90
www.lindenbrauerei.de

Pferdestall
Zeche Zollern II/IV
Dortmund-Bövinghausen
Grubenweg 5
Fon 02 31.6 90 32 36
https://pferdestall.biz/

Innenhafen Duisburg
www.innenhafen-duisburg.de

Lederfabrik
Düsseldorfer Straße 269
45481 Mülheim an der Ruhr
Bis Sommer 2025 befindet sich hier die „Trattoria Mario“.
https://www.trattoria-mario.de/

Alte Lohnhalle Kultur- und Tagungshotel
Rotthauser Str. 40
45309 Essen-Kray
Fon 02 01. 85 76 57 70
https://www.alte-lohnhalle.eu/

Wolperding
Rotthauser Str.34
45309 Essen-Kray
Fon 02 01.5 57 95 99
http://www.wolperding-essen.de/

Weinzeche
Rotthauser Str.40
45309 Essen
Fon 02 01.55 00 24
https://weinzeche.de/

Franky’s im Wasserbahnhof
Mülheim a.d. Ruhr
Alte Schleuse 1
Geschlossen.
Es gibt nur noch das Franky’s im Wasserbahnhof Mintard.
https://www.frankys-wasserbahnhof.de/

Dienstag, 16. August 2005

Aus dem Archiv: Kumkapi - Türkische Toskana

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005/2006".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. heute (2024) befindet scih hier das nepalesische Restaurant "Namaste"


Es ist schon erstaunlich, was man aus den funktionalen Räumlichkeiten einer Bankfiliale alles machen kann. Hakan Yildiz hat vor etwa zwei Jahren eine ehemalige Schalterhalle an der Rellinghauser Straße zu einem großzügigen türkischen Restaurant umgebaut. Mediterrane, fast toskanische Eleganz verbindet sich mit orientalischen Accessoires, große Teppiche bringen Gemütlichkeit in den weitläufigen, luftigen Raum. In einem Separée kann man auf typisch orientalische Art auf weichen Polstern an niedrigen Tischen speisen. Ein weiterer Extra-Raum ist als Spielzimmer für Kinder eingerichtet. Bei gutem Wetter stehen Tische auf dem engen Bürgersteig vor dem Haus. Am Anfang war vorn an der Theke auch ein Imbiss-Bereich untergebracht. Doch den hat Hakan wieder abgeschafft. „Da war immer soviel los, dass wir kaum Kontakt zu unseren richtigen Gästen hatten.“ Mitnehmen kann man alle Speisen aber immer noch.

Wenn Hakan bedient, tut er das in einer typischen Mischung aus gastfreundlicher Herzlich- und levantinischer Überschwänglichkeit. Schnell erfährt man, dass er seit 16 Jahren im Gastrogeschäft ist und als Mitglied des Sponsorenvereins von Rot Weiß Essen als Caterer dort Gesellschaften von 1500 Menschen versorgt hat. Kaum hat er die Speisekarte gebracht, so lädt er auch dazu ein, an die Theke zu kommen und sich die Tagesgerichte anzusehen, wie es türkische Tradition ist. Bis drei Uhr gibt es einen Mittagstisch mit All-You-Can-Eat-Salatbüffet, doch die Gerichte werden auch bis in den späten Nachmittag verkauft, bis sie alle sind.

Dabei ist die Karte eine ausgiebige Lektüre wert. Die gesamte Vielfalt der türkischen Küche ist da vertreten. Salate wie Kumkapı Salatsı, gemischter Salat mit Muscheln und Walnüssen (EUR 8,90), Arnavut Ciğeri (eine warme scharfe Vorspeise mit Lammleber und Zwiebeln EUR 5,90), Grillgerichte wie Kuzu Pirzola (Lammkoteletts mit gegrillten Gemüsen, EUR 11,90), Pfannengerichte wie Tarides Kava (gebratene Krabben mit Knoblauch in Weißweinsauce EUR 11,90) und Ofengerichte wie Kumkapı Tandır (Lammschulter mit buntem Gemüse, Kartoffeln und besonderen Gewürzen EUR 10,50). Sogar Gerichte aus dem Wok sind im Angebot. „Wir haben aber auch Fisch wie Dorade oder Seewolf“, weiß Hakan eilig zu ergänzen. Besonderen Spaß macht die Weinkarte, in der zahlreiche türkische Weinspezialitäten ausgiebig beschrieben werden. Die preiswerteste Flasche, ein weißer Villa Doluca aus der einheimischen Sultaniye-Traube und der französischen Semillon, kostet EUR 11,90, der teuerste, der rote Öküzgözü aus einem exklusiven Anbaugebiet in Südostanatolien, gestandene EUR 54,90.

Ich aber lasse mich von der prächtigen Auslage des mit EUR 10,50 angemessen teuren Mittagstischs überzeugen. Einträchtig liegen da die heutigen Lammhaxen in einer großen Bratreine, farbenfroh garniert mit Auberginen-, roten und gelben Paprikastreifen. Auf dem Teller wird das Fleisch dann ergänzt durch eine sonnig orangefarbene Tomatensauce, einer Portion Reis und frittierten Kartoffelecken. Der herausragende Knochen ist mit Alufolie umwickelt, damit man ihn zum Abnagen in die Hand nehmen kann, was allerdings nicht nötig ist. Denn das Fleisch ist so zart geschmort, dass es fast vom Knochen fällt. Zum Nachtisch gibt es dann einen schaurig-schön süßen, mit frischen Früchten umlegten türkischen Kuchen (EUR 3,90) und einen Cappuccino, den ein Italiener nicht hätte besser machen können.

-kopf

Essen-Südviertel, Rellinghauser Str. 177

Sonntag, 14. August 2005

Aus dem Archiv: Lo Spuntino - Big Apple Kupferdreh

Der Text erschien erstmals in "Essen ghet aus 2005/2006".

Mein Gott, ist das ein Trubel. Fast alle Tische sind vollbesetzt, auf den wenigen freien stehen Reserviert-Schildchen mit präziser Uhrzeit im Halbstundentakt. Ein Trüppchen Arbeitskolleginnen auf Betriebsausflug tut sich an seinen Nudeln gütlich, ganze Familien stehen an, um auf ihre Mitnahmepizzen zu warten. Dauernd drängelt sich der Pizzabote mit seinen grünen Warmhaltekisten aus Styropor zur Tür, neue Gäste werden abgewimmelt weil alles voll ist, und nur ein fein gemachtes Liebespärchen wirkt mit seinen romantischen Blicken wie eine entrückte Insel der Ruhe. Sieht man bei Dämmerung in die festlich illuminierten Schaufenster, kommt einem Dario Botteris Kupferdreher Osteria Lo Spuntino wie ein New Yorker In-Lokal zu Weihnachten vor.

Zum Jahresbeginn 2005 hat Dario den Betrieb in dem kleinen engen Häuschen an der Kupferdreher Straße eingestellt, wo er seit eh und je die Bevölkerung des Stadtteils mit vorzüglicher italienischer Kost versorgt hatte, und zog komplett in die Räumlichkeiten seiner Mitnahme-Pizzeria Lo Spuntino gegenüber. Leider ging damit die hübsche Terrasse verloren, doch das neue Domizil hat dafür zwei Hinterräume, in denen kleinere Gesellschaften bedient werden können.

Darios große Beliebtheit liegt sicherlich an den knapp dreißig fantastischen Pizzen, die er anbietet. In wagenradgroßen 28 (EUR 3,50-8) oder diskuskleinen 20 Zentimetern (EUR 2-5,50) kann man sie vor Ort essen, mitnehmen oder sich nach Hause bringen lassen. Der dünn ausgerollte, knusprig sanft gebräunte Teig ist farbenfroh und reichhaltig belegt. Die Pizza Spuntino mit Parmaschinken, Krabben und frischem Blattspinat glich einem köstlichen kulinarischen Sonnenrad (groß EUR 6,50). Aber auch die Nudelgerichte mit obligatorischen Klassikern wie Spaghetti Bolognese (EUR 4), Lasagne (EUR 5,50) oder Gnocchi in Gorgonzolasauce (EUR 6)) sind nicht zu verachten.

Höhepunkt des Angebots ist jedoch die Tageskarte, die handgeschrieben und fotokopiert der Standardkarte beiliegt. Drei Vorspeisen, zwei Nudelgerichte und fünf preiswerte Fisch- und Geflügelgerichte standen diesmal darauf. Das Carpaccio mit Rucola und Parmesan (EUR 7,50) sah so aus, wie ich es mir wünschte. Das rohe Rindfleisch hatte jene tiefe Röte, nach der das Gericht benannt ist, und war dezent vom gelben Parmesan gesprenkelt. In der Mitte thronte eine angemessene Portion Rucola. Dass das hübsche Gericht kaum angemacht war, schob ich auf die Hektik im Laden zurück, zumal ich dieses minimale Manko mit ein paar Tropfen Aceto balsamico und Olivenöl aus den Karaffen auf dem Tisch mühelos beheben konnte. Doch auch die Beilagengemüse zum Seeteufel „Primavera“ vom Grill mit Kräutern (EUR 10,50) kamen mir nicht zu Ende gebracht vor und waren nicht angewärmt. Aber vielleicht war das aber Absicht, denn sie schmeckten auch bei Zimmertemperatur vorzüglich. Der Fisch jedenfalls war tadellos gegrillt und mit einer pikanten Sauce hauptsächlich aus Frühlingszwiebeln überzogen. Die Zabaione (EUR 4) zum Nachtisch bewies dann, dass man in der Küche trotz aller Hektik im Laden genügend Muße zur Zubereitung dieses klassischen Desserts aufbrachte. Das Ei war mit der nötigen Geduld im Wasserbad schön schaumig geschlagen und bildete mit dem untergehobenen Marsala eine Bescherung, die ich nur allzu gern auslöffelte.
-kopf

Essen-Kupferdreh, Kupferdreher Str. 184,
Fon 48 69 91
Mi-Fr und So 12-15 Uhr und 17.30-22.30 Uhr, Sa  16.30-22.30 Uhr. Mo, Di geschlossen

Freitag, 12. August 2005

Aus dem Archiv: Zur Wolfsbachquelle - Verwunschen und zeitgemäß

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005/2006".
Das Restaurant gibt es leider nicht mehr.


“An Heissiwalds schönster Stelle liegt Dornröschens Wolfsbachquelle“ – mehr kann man auf der verwitterten Tafel vor dem idyllischen Fachwerkhäuschen von der Legende dieses magischen Ortes leider nicht mehr lesen. Vielleicht wird sich einmal ein kunsthandwerklich begabter Müßiggänger ein Töpfchen schwarzer Farbe besorgen und die in den Marmorstein gemeißelten Buchstaben des langen Gedichtes nachziehen. Schon zu fränkischen Zeiten war hier eine Kultstätte. Geht man durch den verwunschenen Biergarten, gerät man nach wenigen Schritten durch die Schluchten des Heissiwaldes an den Wolfsbach, der unten in Werden beim Landhaus Am Staadt in die Ruhr mündet.

„Gastlichkeit seit 1923“ verspricht das Firmenschild, und tatsächlich scheint im gemütlichen, verwinkelten Gastraum die Zeit stehen geblieben zu sein. Knarrende Holzdielen, einfache rustikale Tische und Stühle, Häkelgardinchen – nur die alte Standuhr mit ihrem Kasten aus aufgearbeitetem Weichholz tickt anders. Sie schlägt neune, doch es ist erst zwanzig vor acht.

Die Speisekarte ist alles andere als von gestern. „Hoffentlich können Sie das lesen“, meint die charmante Frau Bruckmann, als sie mir den fotokopierten, handgeschriebenen Zettel reicht. Liebevoll sind hier die Gerichte aufgelistet, eine zeitgemäße Mischung aus deutscher Hausmannskost (Schweinekrüstchen mit Champignons à la crème und Pommes frites, EUR 9,50) und mediterraner Aromenvielfalt (Kaninchenrückenfilet mit Oliven-Senfsauce, Gemüse und Risollee, EUR 14,50). Als Vorspeise wähle ich neuseeländische Muscheln mit Kräuterbutter überbacken (EUR 8,50) und als Hauptgericht Tafelspitz mit Bärlauchvinaigrette und Bratkartoffeln (EUR 11,80) von der Tafel mit den Tagesangeboten, die an dem Stützpfeiler mitten im Raum hängt.

Belohnt wurde ich mich einer leckeren handgemachten Mahlzeit. Das gute Dutzend pikanter, großer Pfahlmuscheln hätte der Tapaskarte eines jeden Spaniers alle Ehre gemacht und schmeckte hervorragend. „Vorsicht, der Teller ist heiß!“ hatte mich der der schlaksige junge Kellner gewarnt, und tatsächlich war in dem Geschirr so viel Energie gespeichert, dass selbst die frischen Zitronenschnitze, mit denen ich die Muscheln beträufelte, warm geworden waren. Der kernig-zarte Tafelspitz hingegen war eine kalte Zubereitung. Auch davon wurde ich fürsorglich im Voraus unterrichtet. Hätte ich das gekochte Rindfleisch warm haben wollen, so hätte ich die klassische österreichische Version des Gerichts mit Meerrettichsauce wählen können. Doch die angenehm säuerliche Bärlauchvinaigrette kam mir im Moment erfrischender vor und harmonierte, wie sich herausstellte, wunderbar mit dem milden Pfälzer Riesling, der im Glas funkelte (EUR 3,80). Neutralisiert wurden die ätherischen Öle des Bärlauchs schließlich beim Dessert von einem provençalischen Schokokuchen mit Walnusseis (EUR 4,50).
-kopf

Essen-Bredeney, Zeißbogen 33

Aus dem Archiv: Akropolis - Hellblau im Grünen

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005/2006".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Schon immer hatte mich die imposante Bruchsteinfassade des bestimmt über einhundert Jahre alten Hauses am Beginn der Hammer Straße gegenüber des freundlichen Fachwerkhotels mit dem schönen Namen Gastgeb beeindruckt. Besonders verlockend fand ich den Hinweis auf den terrassenartigen Biergarten am dicht bewachsenen Steilhang hinter dem Haus, in dem man an warmen Sommertagen bestimmt kühl und schattig sitzen kann. Doch als ich jetzt die Gelegenheit beim Schopfe griff, um im Akropolis einzukehren, war das Wetter schlecht. Als ich das Restaurant betrat, konnte der Gegensatz zum düsteren Äußeren kaum größer sein. Der in schönstem Hellblau gehaltene, mit allerlei charmantem Hellaskitsch ausgestattete Gastraum versetzte mich sofort ans warme Mittelmeer.

Irgendwie hatte der gute Kellner heute nicht seinen besten Tag. Als er den obligatorischen Begrüßungs-Ouzo auf den Tisch stellen wollte, stieß er fast die Tischdekoration um, als er am Nebentisch abräumte, kullerte ihm klackend ein Olivenkern aufs Laminat, und als ich zum Nachtisch den griechischen Joghurt mit Honig und Walnüssen (EUR 3) bestellte, wusste er gar nicht, dass dieses Dessert auf der Karte stand. Kein Wunder, denn sie weist allein 99 Positionen zum Essen auf, mit den Getränken sind es über 150. Hier findet der Griechenlandurlauber alles, was sein Herz begehrt: Vorspeisen wie Dolmadakia (gefüllte Weinblätter kalt EUR 3,50, warm EUR 5,50), Zaziki (EUR 3,50) oder Saganki (gegrillter Schafskäse EUR 6), Fleischgerichte vom Grill wie Gyros (EUR 9,80), Bifteki (EUR 10,80), Lamm und Steaks, Moussaka aus dem Backofen (EUR 9,50). Für Kinder und Senioren gibt es extra kleine Gerichte. So wunderte ich mich nicht, dass sich das Lokal bald mit Familien füllte, teils mit erwachsenen, teils mit kleinen Kindern.

Auch ich kapitulierte schnell vor der Riesenauswahl und zog es vor, von der vorgeschalteten Empfehlungskarte zu bestellen. Flusskrebsschwänze in Tomatensauce (EUR 6) schienen mir als Vorspeise verlockend, und schon bald wurde mir ein simpel angerichteter Teller gebracht. Ein schönes Häufchen, wie sich herausstellte recht bissfester Flusskrebsschwänze lag in einem bestimmt einen halben Zentimeter dicken Saucenspiegel, der mit seinem leuchtenden Rot Kräuterwürze und süß-saure Tomatenfruchtigkeit versprach, stattdessen aber nur den Hang des Kochs zum Salztopf hielt. Versöhnlicher stimmte dann der Hauptgang, ein gemischter Lammteller vom Grill (EUR 15). Zwei aus dem Lammkarree geschnittene Koteletts waren schön mit Zitrone beträufelt, das durchgebratene, lecker gewürzte Lammsteak unterschied sich aber kaum von dem gleichgroßen Filet. Dazu gab es knackig gekochtes Gemüse und einen rustikalen Salatteller. Der griechische Joghurt, den ich dann doch noch zum Dessert bekam, war nach orientalischer Art kräftig mit Gelatine eingedickt. Mit Honig überzogen und Walnüssen garniert, bildete er einen nahrhaften Abschluss der deftigen Mahlzeit.

-kopf


Essen-Werden, Hammer Str. 2

Dienstag, 9. August 2005

Aus dem Archiv: Jedermann’s - Landhaus mit Terrasse

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005/2006".
Das Resuarnt gibt es nicht meher. Heute (2024) befindet sich hier das Tapasrestaurant Buena Vida.

Bis Anfang 2005 hieß das repräsentative Lokal am Beginn der Laupendahler Landstraße noch La Terrazza, doch die ehemaligen Betreiber sind in die Werdener Innenstadt gezogen, um dort ein neues Restaurant aufzumachen. Jetzt steht der Laden unter neuer Leitung und heißt Jedermann’s.

Die beeindruckende Terrasse mit ihren hohen Kiefern ist immer noch da, doch an diesem verregneten Sommertag verbreitet sie jene Melancholie, die leeren Terrassen an verregneten Sommertagen nun einmal eigen ist. Hurtig springe ich in den geräumigen Wintergarten-artigen Vorbau und frage mich, ob ich als Einzelgast überhaupt etwas zu essen bekomme. Denn da tafelt eine etwa 25-köpfige elegante Hochzeitsgesellschaft mit blonder Braut und smartem Bräutigam, bei deren Anblick ich mich in eine Rosamunde-Pilcher-Verfilmung versetzt fühle. Doch der Kellner weist mich freundlich in den großen, eigentlichen Gastraum, in dem mich eine ganz besondere Atmosphäre umfängt. Die hölzerne Wandvertäfelung, das Fußbodenlaminat, das Meublement, die Tischwäsche und der Blumenschmuck, alles besticht durch einen rustikal-eleganten Landhausstil und changiert bei angenehmem Dämmerlicht in modischen Hellbraun-, Apricot- und Lachs-Tönen. Eine offene Flügeltür lässt den Blick in einen kleineren Gesellschaftsraum zu, in dem ein bemalter Bauernschrank zu erkennen ist. Ein Kinderstuhl beweist, dass auch kleine Gäste willkommen sind.

Der Blick auf die Karte legt nahe, den Restaurantnamen Jedermann’s mit dem Begriff Cross over ins neudeutsche Küchenlatein zu übersetzen. Neben einer leichten Frischeküche herrschen mediterrane Gerichte vor, häufig mit einem asiatischen Einschlag. Und als ich die Gerichte auf dem Tisch stehen habe, bemerke ich, dass man in der Küche meisterhaft die Kunst des kulinarischen Ikebana versteht. Hübscher kann man Mahlzeiten wohl kaum anrichten.

Die kleine Sellerierahmsuppe mit Kokosmilch und Bündnerfleisch (EUR 4,50, groß EUR 5,50) kam in einem großen Suppenteller, der durch einen einfachen Trick ins Transzendente erhoben wurde. Eine dünne Grissinistange teilte ihn in eine Yin- und eine Yang-Hälfte. In die weiße Suppe war mit pikantem Pesto ein marmorartiges Muster gemalt. Exotisch-süß schmeckte das ganze, und die Grissinistange war ein willkommenes Hilfsmittel, die dünnen Bündnerfleisch-Streifen auf den Löffel zu bugsieren. Hätte ich es würziger gewollt, hätte ich mich aus der eleganten Pfeffermühle und dem gläsernen Salzstreuer auf dem Tisch bedienen können.

Der Risotto mit Meeresfrüchten und Scampi auf Zitronengras und zweierlei Pesto (EUR 12,50) erweis sich ebenfalls als optisches Kunstwerk. Der weiße Reis und die cremefarbigen Muscheln und Tintenfische kontrastierten wunderbar mit dem grünen Pesto und dem roten, auf einen bambusartigen Zitronengraszweig gespießten aufgebratenen Scampo, der die Sache krönte. Für italienische Vorstellungen war der Risotto vielleicht nicht flüssig genug, doch hätte der Reis bei Tim Mälzer im Fernsehen problemlos eine tadellose Figur gemacht. Und schmecken tat er allemal. Besonders das Pesto sorgte immer wieder für überraschende Akzente. Zum Abschluss gab es dann ein hausgemachtes Mohn-Honigparfait auf kleinem Ananasragout (EUR 6,80), das den frühherbstlichen Spätsommertag trefflich interpretierte.

So verlies ich glücklich und zufrieden das Jedermann’s, und auch die Hochzeitsgesellschaft löste sich auf. Ich bewunderte die schmale Belegschaft, die die große Gruppe unaufgeregt bedient hatte und auch mich darüber nicht vergessen hatte.

-kopf

Essen-Werden, Laupendahler Landstr. 11
 

Montag, 8. August 2005

Aus dem Archiv. Trattoria SalVino - Angenehme Lebensart

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005/2006".
Das Restaurant exisiert nicht mehr.

„Welche Nationalität Sie auch haben, leben Sie italienisch!“ Salvatore Puglisi ist ein Freund von solch kulinarischen Lebensweisheiten, die er auf der Speisekarte seiner Trattoria SalVino untergebracht hat. Auch das Motto des extravaganten Weinsammlers Hardy Rodenstock findet man da in abgewandelter Form: „Das Leben ist zu kurz, um etwas Schlechtes zu trinken!“

Es ist eine äußerst angenehme Lebensart, die Puglisi im seit ein paar Jahren verkehrsberuhigten Herzen Holsterhausens realisiert. Vor kurzem erst hat er das ehemalige Il Terrazzo erneut übernommen und geschmackvoll aufgemöbelt. Alles strahlt warm in toskanischen Terracotta-Tönen. Innen sitzt man auf modernen hellbraunen Lederstühlen, draußen auf der Terrasse an der Papestraße auf eleganten Holz-Klappstühlen. So wie der Laden aussieht, könnte er die Rüttenscheider Straße aufwerten. Puglisi lacht. „Die Miete ist fast schon genauso teuer!“

Seine Speisen allerdings nicht. Pizza sucht man auf der knappen Karte vergebens. Stattdessen gibt es eine sorgsam ausgesuchte Auswahl an Antipasti (Vorspeisen), wozu auch die Salate gehören, und Secondi Piatti (Hauptgerichte), wozu neben ein wenig Fleisch und Fisch hauptsächlich die Nudeln gehören. Hübsch sind die kleinen Vor-Vorspeisen um die EUR 3,90, Pecorino oder Parmaschinken, getrocknete Tomaten oder eingelegter Schafskäse.

Den hatte ich mir gegen den ersten Hunger bestellt, was sich als unnötig herausstellte, denn es gab vorab ein Körbchen leckeres Sesambaguette mit einem Töpfchen Kräuterrahm, an dem ich mich mit Appetit gütlich tat. Auch der Rucolasalat mit gerösteten Pinienkernen und Parmesansplittern war selbst in der kleinen Version (EUR 4,30, groß EUR 6,30) eine geschmackvoll sättigende Portion, was nicht zuletzt an der pikanten Honig-Senf-Vinaigrette lag. Als Hauptgericht verzichtete ich auf Saltimbocca alla Romana (EUR 13,90) oder Saltimbocca vom Seeteufel (EUR 14,50), sondern wählte ein mit EUR 8,90 recht preiswertes Nudelgericht: Pasta mit gebratenen Lammspitzen und Paprikastreifen in einer feinen Tomatensauce mit Kräutern der Provence. Die simple Zusammenstellung überzeugte durch ihre Herzhaftigkeit. Ich glaube, man könnte das Gericht zu Hause problemlos nachkochen. Allerdings würden bei mir die Nudeln etwas weicher.
-kopf

Essen-Holsterhausen, Gemarkenstr. 50

Sonntag, 7. August 2005

Aus dem Archiv: Casa Michele - Befreiender Salbei

Der Text erschien erstmalig in „Essen geht aus 2005/2006“.

Ob es angemessen ist, mit einer tief in der Brust sitzenden Erkältung ein Restaurant zu testen, sei einmal dahingestellt. Um herauszubekommen, wie pfiffig die Bedienung ist, dafür ist es jedoch eine gute Voraussetzung. „Haben Sie etwas mit Salbei?“, frage ich eingedenk der schleimlösenden Wirkung des Würzkrautes die kleine italienische Kellnerin, die so aussieht, als sei sie von Patron Michele Forgione nur dazu engagiert, seinen männlichen Gästen den Kopf zu verdrehen. Doch dann bin ich perplex. Die italienische Schönheit weiß erstens nicht nur, was Salbei ist, sie weiß zweitens auch, wozu es am besten schmeckt und drittens, was in der kleinen Küche von Küchenchef Stefano Pentagsola vorgeht. „Ich kann Ihnen Kalbsleber mit Salbei zubereiten lassen“, antwortet sie prompt.

Mit Müh’ und Not hatten wir am Samstagabend noch einen Platz im kleinen Casa Michele bekommen, das etwas versteckt in einem kurzen Seitenarm der Bredeneyer Straße liegt. Lässigkeit und Eleganz gehen hier eine Einheit ein. Die kunstvoll verblassten Fresken an der Wand sehen aus, als stammten sie tatsächlich aus einer toskanischen Villa, und davor tummelte sich tout Bredeney mit Kind und Kegel, reiche Ruheständler ebenso wie junge schöne Berufsanfänger. Es gibt halt so’ne und solche Vorstädte in Essen.

Eine Karte gibt es nicht, nur eine Tafel an der Wand mit Gerichten, die anscheinend immer gleiche Zutaten neu variieren. Perlhuhn, Kalbsleber und Lammhüfte hatte Kollege Thielmann bereits im letzten „Essen geht aus“ zitiert – heuer sind die Zutaten und Beilagen ausgetauscht. Das ist durchaus positiv zu sehen, denn diese für die italienische Kochtradition typische Konfektionierung bringt eine Routine in die Küche, die dann als Qualität auf dem Teller landet.

Bestes Beispiel dafür war unser gemischter Vorspeisenteller (EUR 11), der kaum Überraschungen auf den Tisch brachte, dafür aber höchste Befriedigung auf die Zunge. Die pikant eingelegten Gemüse waren eine perfekte Einstimmung auf die Hauptgänge. Zum einem waren das dünn geschnittene, ganz kurz gebratene Rindfleischscheiben auf einem Bett von Rucola (EUR 16,50), gewürzt mit Parmesan. Auch hier zeigte sich die handwerkliche Perfektion der Küche, die das Fleisch so zurückhaltend behandelte, dass seine Qualitäten erhalten blieben. Meine Kalbsleber (EUR 14,50) – perfekt à point gebraten und mit Mangold als Beilage – war eine Variation der „Fegato alla veneziana“ von der Tafel und zerging auf der Zunge. In der Tat war sie mit reichlich Salbei versehen, was eine entsprechend befreiende Wirkung auf meine Atemwege hatte. Und das Schöne daran: Nicht die Schweizer hatten es erfunden, sondern es war ein italienisches Abendessen.
:-kopf

Casa Michele. Essen-Bredeney, Bredeneyer Str. 122. Tel 0201/411327. Täglich 16-23 Uhr.Kein Internet. (Daten Stand 20.6.2024)

Donnerstag, 4. August 2005

Aus dem Archiv: Fischerhaus am See - Wie zu Hause

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005/2006".
Das Restaurant heißt heute (2024) "See-Bar".


„Komm, wir gehen ins Fischerhaus!“ Diese Losung hört man häufig unter den Spaziergängern, die sich auf dem Leinpfad an der Ruhr in Heisingen ergehen. Das Restaurant im schmucken Haus des Ruhrverbandes ist ein beliebtes Ziel für Radler, Rentner und sonstige Leute, die ganz unprätentiös, aber in anheimelnder Umgebung einkehren wollen. Besonders im Sommer ist die balkonartige Terrasse, von der man einen schönen Ausblick auf den regen Bootsverkehr auf dem sich zur Ruhr verdünnenden Baldeneysee und die Fahrradbrücke nach Kupferdreh hat, eine besondere Attraktion. Die nette freundliche Bedienung verbreitet eine familiäre Wohlfühl-Atmosphäre, nicht nur, weil sie fließend Ruhrdeutsch spricht.

Kaffee, Kuchen, kleine und große Gerichte den ganzen Tag über – das Angebot ist Ruhrgebiet pur. Die Schweineleber (EUR 9,50) heißt „Tante Käthe“, die Rinderroulade (EUR 10,50) ist „bürgerlich“, eine kleine Schnitzel- und Steak-Parade lacht einem entgegen. Keine mediterrane Irritation hat sich auf die Karte verirrt, wenn man einmal von den Calamaris „Don Alfredo“ (EUR 9,10) und den Tomaten mit Mozzarella (EUR 6,50), die es allerdings nur im Sommer gibt, absieht. Höhepunkt an luxuriöser Exotik ist der Bananensplit (EUR 4,50) mit einer ganzen (!) Banane und das mit Fruchtsalat aus der Dose garnierte gemischte Eis (EUR 3,50) zum Dessert.

Natürlich wird man auch dem Namen „Fischerhaus“ gerecht und bietet einige Fischgerichte an. Für die Fischsuppe „Baldeney“ (EUR 9,90) schwimmen einträchtig Seelachs, Rotbarsch und Shrimps in einem Gemüse-Rahmsüppchen, Forelle (EUR 10,90) wird „blau“ oder nach Art der „Müllerin“ zubereitet. Für den Fischteller „Fischerhaus“ (EUR 15,50) werden verschiedene Fischsorten in einem Olivenöl-Butter-Gemisch gebraten oder gedünstet und dann mit Blattspinat und Salzkartoffeln serviert.

Und dennoch: Ich entscheide mich für den Rheinischen Sauerbraten (EUR 10,50) und werde nicht enttäuscht. Alles ist wie bei Muttern. In einem Glasschälchen wird gut gekühltes Apfelkompott mit einem Klecks Preiselbeeren serviert, auf dem Teller liegen in einer richtig kräftig süß-sauren Sauce zwei große leckere Scheiben Rinderbraten und zwei Knödel. Geradezu verschwenderisch wirken die Mandelsplitter, mit denen das Fleisch garniert ist.

Mit halbem Ohr höre ich einer jungen Frau am Nebentisch zu, die ihre Schwiegereltern mit allerlei Katastrophengeschichten unterhält, die ihrer weitläufigen Bekanntschaft auf Flugreisen in die große weite Welt widerfahren sind: wie eine Mutter unglücklicher Weise in einem Luftloch ihrem Baby eine heiße Tasse Kaffee über den Kopf goss oder wie das Flugzeug, das eine Kollegin in die DomRep brachte, auf dem Rückflug abstürzte. Und während mir mein Leibgericht auf der Zunge zergeht, denke ich genüsslich: Wie schön ist es doch, dass du diesen Sommer zu Hause geblieben bist!

-kopf

Essen-Heisingen, Stauseebogen 37,
Fon 4 66 83 03
Mi-Sa 11-22 Uhr So 12-20 Uhr, Mo-Di geschlossen
https://see-bar.com/

Freitag, 15. Juli 2005

Aus dem Archiv: Schmachtenbergshof - Die Ente klingelt erst im Herbst

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005/2006".

Dass das Haus aus dem Jahr 1726 stammt, sieht man ihm wahrlich nicht an. Stattdessen macht der Schmachtenbergshof von außen einen imposanten wirtschaftswunderlichen Eindruck. Schließlich wurde der ehemalige Bauernhof in den 50er Jahren in ein Hotel und Restaurant umgewandelt, und auch die ehemals ländliche Umgebung musste einer dichten Bebauung mit Ein- und Mehrfamilienhäusern weichen. Doch wenn man den großen Parkplatz hinter dem Haus und die schwere Alutür erst einmal überwunden hat, befindet man sich in einem geschmackvoll im modernen Landhausstil eingerichteten Restaurant mit drei verschiedenen Gasträumen. An heißen Sommerabenden ist die kleine Gartenterrasse eine Wohltat. Kühl und schattig sitzt man an einer mit Blumen bewachsenen Mauer unter großen Sonnenschirmen.

Eigentlich hatten wir uns ja auf die Kettwiger Bauernente gefreut, auf die im Internet extra hingewiesen wurde. Doch als ich zwei Tage zuvor anrief, um die Regionalspezialität pflichtgemäß vorzubestellen, wurde ich enttäuscht. Die Internetseite war seit 2004 nicht mehr aktualisiert worden, und das nächste Mal gibt es die Ente erst wieder Herbst, wenn der Bauer wieder schlachtet.

Dennoch hatten wir Glück, denn wir kamen an einem Donnerstag zum Essen, denn da (und freitags) ist Fischtag. Alle Fischgerichte kosten dann nur EUR 12,95. (Wären wir dienstags oder mittwochs gekommen, hätten wir mit den Aktionsschnitzeln für EUR 9,80 vorlieb nehmen müssen). Wie heutzutage in der deutschen Küche üblich, waren einige davon mediterran zubereitet - wie auch viele andere der feinen Gerichte von der umfangreichen Karte.

Bestechend war die optische Präsentation unserer Bestellung. Die Medaillons vom Steinbeißerfilet mit Parmesankruste auf Tomatensauce, Bandnudeln und Salat (eigentlich EUR 16,80) waren köstlich anzusehen und schmeckten auch (fast) so; etwas mehr Pikanterie hätte ihnen allerdings genauso wie unserer Vorspeise, einem „Duo von Knoblauchbrot und Bruscetta“ (EUR 4,40), ganz gut getan. Auch die Streifen vom Rind und Schwein „Calvados“ (EUR 14,60) wurden klassisch mit viel Geschirr serviert, das Fleisch mit Rahmsauce, die Spätzle und der Salat jeweils in Extra-Schüsseln. Als besonderer Pfiff war das Ganze mit Calvados flambiert und die Sauce mit Apfelspalten versehen, doch auch hier waren die pikanten Spitzen der Apfelsäure äußerst verhalten.

Doch ich will nicht so viel mäkeln. Spaß hat das Essen im Schmachtenbergshof gemacht. Hübsch waren die verschiedenen Körnerbrötchen mit Kräuterquark zum Einstieg, und wenn wir nicht wegen des heißen Sommerwetters einem durstlöschenden Alsterwasser den Vorzug gegeben hätten, wären wir auf der sorgsamen Weinkarte sicher fündig geworden. Und der nächste Besuch steht sowieso an, im Herbst zur Kettwiger Bauernente.
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Essen-Kettwig, Schmachtenbergstr. 157,
Fon 0 20 54.1 21 30
Di-Sa 15-24 Uhr (Küche 17.30-22 Uhr), So & feiertags 10.30-24 Uhr (Küche 12-14.30 & 17.30-22.30 Uhr)
https://www.schmachtenbergshof.de/

Donnerstag, 14. Juli 2005

Aus dem Archiv: Sengelmannshof - Paradies für Mittagesser

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005/2006".

Ob Bonner Hof, Jägerhof oder Sengelmannshof – Kettwig ist ein Paradies für Mittagesser. Häufig gehört - wie beim Sengelmannshof - ein Hotel zum Restaurant, und so nimmt es kaum Wunder, dass den Hotelgästen auch mittags eine angemessene Verköstigung angeboten wird. Andrerseits verfügt der dörflich-schmucke Essener Stadtteil an der Strecke nach Düsseldorf über die nötige Sozialstruktur, dass sich ein Mittagstisch für die Gastronomen rentiert. Zahlungskräftige Ruheständler haben halt nicht immer Lust, selbst zu kochen.

Hat man das Gebiet mit den gepflegten Eigenheimen und Mehrfamilienhäusern am Rande von Kettwig erst einmal hinter sich gebracht, freut man sich, das schmucke Fachwerkhaus des Sengelmannshofs zu sehen. Am Parkplatz hinter dem Hotelanwesen beginnt ein grünes Tal mit Schrebergärten, und drinnen in der Gaststube geht es zur Mittagszeit schon so gepflegt zu wie am Abend. Schmackhaft und hübsch anzusehen sind die Mittagsangebote um die EUR 7, Hühnchen, Schweine- oder Rindfleisch mit knackigem Gemüse und Kartoffeln oder Reis. Vorher gibt es schönes Weißbrot mit Kräuterbutter.

Doch auch abends lohnt sich der Besuch des Sengelmannshof. Da locken Spezialitäten wie Schaschlik vom Lamm auf Pilaf-Reis mit Pinienkernen, Rosinen und buntem Salat (EUR 14,80), Barberie-Entenbrust rosa gebraten auf Erdbeer-Pfeffersauce mit Zuckerschoten und Schupfnudeln (EUR 17,80), "Surf & Turf" (Riesengarnele und Rumpsteak vom Grill mit pikanter Chilisauce, Kartoffelecken und Grillgemüse, EUR 18,80) oder ein „Dialog vom Seeteufel und der Rotbarbe“ auf Rucola-Spaghettini mit glacierten Basilikum-Tomaten. Im Sommer gibt es jeden Dienstag ab 18.00 Uhr Barbecue auf der Gartenterrasse (EUR 12,50).

Seit letztem Jahr neu renoviert ist der „Rübenkeller“, ein gemütliches Gewölbe unter der Erde, in dem man rustkale Kleinigkeiten zu essen bekommt. Dazu ein frischgezapftes Bier, und der Ausflug zum Sengelmannshof hat sich gelohnt.

-kopf


Essen-Kettwig, Sengelmannsweg 35,
Fon 0 20 54.9 59 70
Mi-Sa 17-23 Uhr, So 12-22 Uhr
(Küche 17-21 Uhr, So 12-14.30 & 17.30-21 Uhr)
Mo, Di geschlossen
https://www.sengelmannshof.de/

Aus dem Archiv: Bonner Hof - Gastfreundliches Durchsetzungsvermögen

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005/2006".

Bonner Hof – irgendwie klingt dieser Name ja staatstragend, nach alter Bundesrepublik. Doch in Wirklichkeit ist das charmante Lokal mitten in Kettwig ein fröhlicher, unkomplizierter Laden, der einerseits durch zahllose Ausstattungskleinigkeiten eine gemütliche Flohmarktatmosphäre aufweist, andrerseits mediterranes Flair ausstrahlt. Das passt gut zu dem alten schieferverkleideten Haus, das auf das 18. Jahrhundert zurück geht und im Lauf der Zeit immer wieder durch neue Räumlichkeiten erweitert wurde. Besonders hübsch ist die Terrasse im Hof des Hauses, auf der im Sommer ein Brünnlein plätschert und die Blümchen blühen.

Blickt man auf die Karte des Bonner Hofes, so entdeckt man etwas, was für viele Restaurants in unserer Kategorie „Bürgerlich“ typisch ist: Die deutsche Küche ist eine mediterrane Küche. Das mag in der Urlaubsfreudigkeit der Deutschen seinen Grund haben; Ursula Stüllgens, die im Bonner Hof mit gastfreundlichem Durchsetzungsvermögen das Regiment führt, hat ihr Herz an die spanische Küche verloren. So bietet sie „Pan con Ajo y Tomate“ (hausgebackenes Knoblauch-Tomatenbrot mit handgeschlagener Sauce Aioli und Oliven, EUR 3,20), andalusische Tomatensuppe von frischen Strauchtomaten und Kräutern mit Mozzarellakugeln (EUR 4,80) oder „Original Gambas al ajillo“ (6 halbe Hummerkrabbenschwänze im heißen Knoblauch-Olivenöl mit piri piri serviert, EUR 11,20 Euro) als Vorspeisen an oder eine Mallorquinische Fischpfanne mit Würfeln von fangfrischen Edelfischen und mediterranem Gemüse und Basmatireis (EUR 14,90) oder ein „Entrecôte Mallorquine con Haricots helda y patatas “ (Rumpsteak vom Grill fettfrei geschnitten, auf breiten frischen Bohnen mit Kartoffeln durcheinander, dazu Riojasauce und gegrillte Kartoffelscheiben, EUR 17,20) als Hauptgerichte.. All das ist äußerst lecker zubereitet und so authentisch spanisch wie ein Aufenthalt in einer Ferienanlage auf Malle oder Fuerte, besonders, wenn man sich eine Flasche Pesquera vom Ribeira-del-Duero-Altmeister Alejandro Fernandez aus dem reichhaltigen Angebot an spanischen Weinen dazu bestellt.

Die Freunde von traditioneller deutscher Küche kommen natürlich auch auf ihre Kosten, doch haben diese Gerichte auch immer einen exotischen, weltläufigen Touch. So ist der Sauerbraten nach altem Rezept mit Kartoffelklößen und frisch gekochtem Apfelkompott (EUR 14,50) natürlich vom argentinischen Entrecôte, und das „Pfeffertürmchen“ ist ein Schweinefilet im Speckwickel auf einem Tournedo vom brasilianischen Rinderfilet mit Madagaskarpfeffer-Rahm übergossen (EUR 18,90).

Mit was für einer einem Spaß am Kochen die Gerichte im Bonner Hof zubereitet wurden, darüber konnte ich mich einem der hübschen kleinen Mittagsgerichte überzeugen. Fleisch, Gemüse und Kartoffeln, lecker wie bei Muttern, und das zu einem Sparkurs von EUR 4,90!
-kopf
Essen-Kettwig, Kringsgat 14,
Fon 02054. 5386
Mi-Do 17-22 Uhr, Fr-Sa 17-23 Uhr, So 12-21 Uhr, Mo-Dii geschlossen

Dienstag, 12. Juli 2005

Aus dem Archiv: Da Daniele - Erinnerungen an ein Schweinekotelett

Der Text erschien erstmalig in "Essen geht aus 2005/2006".

Von außen prächtig anzusehen ist die imposante ehemalige wilhelminische Eckkneipe an der Steeler Straße in Essen, in der Daniele delle Vedove jetzt schon seit Jahrzehnten sein Ristorante mit fast unitalienischem Understatement führt. Manchmal muss man sich um die im Eingangsbereich aufgestapelten Weinkisten drängen, um in den großen Gastraum zu kommen. Der aus dem Venezianischen stammende Patron ist nämlich bekannt für seine Weine, darunter so exklusive Kreszenzen wie Barolo, Brunello und andere Supertoskaner.

Zur Mittagszeit ist kaum einer der edel eingedeckten Tische besetzt. Ob es daran liegt, dass es kein preiswertes Mittagsangebot gibt? Mir als Tester ist es jedenfalls recht, von der normalen Karte auswählen zu können. Die gibt einen Querschnitt durch die Gerichte der gehobenen italienischen Küche. Vorspeisen, Pasta, Fisch und besonders Fleisch in zahlreichen Variationen. Ein Schweinekotelett, das ich vor Jahren einmal ganz nature gebraten bei Daniele vorgesetzt bekam, gehört noch heute zu meinen kulinarischen Schlüsselerlebnissen. Auch eine kleine Anzahl an Pizze ist im Angebot, belegt allerdings mit ausgefallenen Zutaten wie Lachs oder Schnecken.

Die Aufschnittmaschine auf der Theke hat heute Mittag allerdings Siesta, und in der Antipastitheke stehen nur zwei Gläser in Gastronomiegebindegröße mit grünen eingelegten Peperoni. Unwillkürlich muss ich an eine alte Studentenmutprobe denken: Wer beißt in ein solches Ding, ohne dabei Tränen in die Augen zu bekommen? Die pikante Paprikaschote, die als kleiner Starter zusammen mit Brot, Kräuterbutter und Oliven vorab serviert wird, erweist sich dann jedoch als angenehm mild. Dafür ist das Carpaccio (EUR 10), das ich als Vorspeise bestellt habe, wesentlich überladener. Vom Rot des rohen Rindfleisches ist zwischen lauter Parmesansplittern, Rucola und anderen Garnitur-Salaten kaum noch etwas zu sehen, und der Einsatz des Olivenöls scheint mir fast dazu zu dienen, die mangelnden Aromen des Fleisches zu überdecken. Ob der gute Maestro Cipriani aus Harry’s Bar in Venedig sich das so vorgestellt hatte, als er seiner Kreation den Namen eines Renaissance-Malers gab?

Die Kalbsleber mit Salbei (EUR 16) als Hauptgericht war tadellos, außen knusprig, innen zart, und konnte bei meiner Erinnerung an das Schweinekotelett mithalten. Zum Abschluss dann ein gemischtes Dessert (EUR 6), das die Vorzüge italienischer Konditorenkunst vorbildlich vereinigte. Gern hätte ich das Mahl mit einem der vielen ausgezeichneten Grappe beendet, nahm aber aufgrund der Tageszeit davon Abstand. Als ich Da Daniele verließ, war mir zwiespältig zu Mute. Lag es an mir oder am Laden? Als Mittagstisch war es jedenfalls zu teuer, als Abendessen zu früh.

-kopf

Essen-Huttrop, Steeler Straße 279/Hilgenborn 2,
Fon 0201. 27 27 11
Di-So 11.30-14.30 & 17-22  Uhr, Mo geschlossen
https://www.dadaniele.de/

Montag, 11. Juli 2005

Aus dem Archiv: Landhaus Schnitzler - Herzlich und familiär

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005/2006".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Jeannette und Peter Schnitzler betreiben seit 2017 "La pettite cave ... de Jeannette" in Essen Rüttenscheid,


Im Essener Stadtteil Byfang, hoch über der Ruhr, treffen sich dörfliche Idylle und kulinarische Fröhlichkeit. Das Landhaus Schnitzler liegt direkt neben der Kirche, eine Tatsache, auf die Jeannette und Peter Schnitzler auf ihrer wohlgepflegten Website mit einem Wink besonders für Brautpaare hinweisen. Denn bei Schnitzlers geht es familiär zu. Jeanette steht mit einem Azubi in der Küche, Peter macht den Service, und gelegentlich hüpft auch das Töchterchen zwischen den Tischen herum. Einst war das Landhaus Schnitzler ein normales Ausflugslokal, doch vor ein paar Jahren änderten Jeannette und Peter Schnitzlers die Ausrichtung im elterlichen Gasthaus und reihten sich damit in jene Tradition des gastronomischen Strukturwandels im Ruhrgebiet ein, für die etwa auch der Kölner Hof in Frohnhausen oder der Gasthof Brendel in Duisburg-Rheinhausen stehen. Doch anders als die ambitionierten Kollegen praktiziert Jeannette Schnitzler eine kreative Küche, die ganz unprätentiös bodenständig bleibt.

Die schmale Terrasse vorm Haus war gut besetzt an diesem sommerlichen Samstagabend. Rundum in der botanischen Umfriedung sprossen allerlei mediterrane Kräuter, die auch Eingang in die Gerichte fanden wie zum Beispiel den „Lammrücken mit hauseigenem Lavendel-Jus“ (EUR 19) oder die „Kalbsleber mit Rosmarin auf Barolosauce“ (17 EUR). Überhaupt kocht Jeannette Schnitzler gern mediterran, wenn auch die Freunde eines schönen Wiener Schnitzels (groß EUR 16, klein, d.h. normal EUR 12) bei ihr voll auf ihre Kosten kommen. Wir hielten uns jedoch an die Angebotstafeln, von denen eine noch von den Köstlichkeiten des allwöchentlich freitags stattfindenden Barbeques kündete (all you can eat EUR 17,50. In den kühleren Jahreszeiten gibt es andere Aktionen, auf der Website nachschauen.) Die andere war jedoch voll mit Jeannettes Wochenangeboten wie etwa „Salatauswahl in Sherryessigvinaigrette mit Heilbuttwürfeln im Tempurateig“ (EUR 8) oder „Neue Matjes mit einem Preiselbeer-Meerrettichschmand“ (EUR 7,50). Uns interessierten zwei Gerichte besonders. „Wildlachs mit Lakritzsauce und Reis“ (EUR 17) und „Maispoularde im Parmesanmantel mit Zuckerschoten“ (EUR 16). Beides war handwerklich tadellos und wurde ohne großes Chichi auf dem Teller präsentiert. Als Vorspeise gab es eine Tapasplatte (EUR 8), die allerlei leckere Kleinigkeiten bot. Die Poulardenbrust war rundum mit dem Käsemantel wie mit einer Tonschicht umschlossen, so dass das Fleisch zart und sogar saftig blieb. Zusammen mit den süßlichen Zuckerschoten bildete der würzige Parmesan eine angenehm kontrastreiche Geschmackskombination. Die Lakritzsauce war keineswegs schwarz, wie man annehmen könnte, sondern gelb und hatte einen Anis-Ton, der ganz entfernt an Salmiakpastillen erinnerte und durch die Zugabe von Lakritzpulver entstand. Zu Lachs und Reis war sie eine herzhafte Ergänzung. Zu allen Gerichten empfahl Peter Schnitzler einen körperreichen Weißburgunder aus dem Badischen, den er glasweise ausschenkte. Seine Weine bezieht er übrigens von der Weinhandlung Rolf Kaspar, mit der er auch gelegentlich Degustationsmenüs veranstaltet.

Zum Abschied plauderte Peter Schnitzler noch ein wenig mit uns, und seine Frau kam aus der Küche, um uns ihre Freude darüber mitzuteilen, dass es uns geschmeckt hatte. Noch lange mussten wir an die Herzlichkeit und das leckere Essen dieses Abends denken.

-kopf

Essen-Byfang, Nöckersberg 65

Aus dem Archiv: Am Kamin - Gehobene Bodenständigkeit

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005/2006".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Seit 2017 befindet sich hier das indische Restaurant "Namasthe".

Der Leinwebermarkt in Essen-Werden ist ein hübsches Ensemble von Fachwerkhäuschen vor den Toren der Folkwangschule, das die Zeitläufe fast unbeschadet überstanden hat. So ziert mit gewisser Chuzpe ein neckischer Sinnspruch das Restaurant Am Kamin, das in einem schieferverkleideten Häuschen aus dem Jahr 1784 untergebracht ist: „Gott schütze diese Haus vor Feuer, vor Stadtplanung und Steuer". Das heimelige Gasthaus wirkt von außen kleiner als von innen. Die verwinkelte Gaststube rund um den namensgebenden Kamin eröffnet immer neue Ecken, in denen im antiken Landhausstil die Tische geschmackvoll eingedeckt sind. Letztes Jahr kam noch ein im mediterranen Stil dekorierte Raum dazu, der den alten Traditionsnamen „Im aulen Winkel“ trägt.

Schon immer war das Restaurant in der Nachbarschaft verankert, wenn sich durchaus auch Promis wie Jürgen von Manger, Pina Bausch oder Jürgen Roland im Gästebuch verewigten, die etwa den Kartoffelsalat der ehemaligen Wirtin Wilma schätzten. Seit Daniel Sommer, der früher im Jagdhaus Schellenberg kochte, den Laden übernommen hat, ist ein Anklang gehobener Küche in das Haus gezogen. So gibt es eine hübsche Auswahl an Rohmilchkäsen zum Dessert, ein Weinkarte mit nicht unbedingt besonders edlen, aber leckeren Tropfen und einen Humidor mit Zigarrenspezialitäten.

Die Bodenständigkeit ist dabei jedoch nicht abhanden gekommen. Dafür sorgt schon die leutselige Bedienung, die einen fürsorglich in Empfang nimmt. Gleich zwei Lammgerichte stehen auf der Karte, „Lammhaxe mit mediterranem Gemüse und Gnocchi“ sowie „Lammrücken in Kräutersenfkruste mit grünen Bohnen in Knoblauchsahnesauce, Kräuterkartoffelplätzchen“ (EUR 16,95). Da mir aber mehr nach Mittelmeer ist, frage ich, ob ich den Lammrücken auch mit den Beilagen der Haxe bekommen kann. „Natürlich geht das auch mit Gnotschi“, antwortet die Bedienung. Und dank der liebenswürdigen revier-typischen Aussprache des italienischen Wortes weiß ich plötzlich, warum laut Speisekarte die Poulardenbrust unseres zweiten Hauptgerichtes mit „Rosmarien“ und Ziegenkäse gefüllt ist und die „Crème brullee“ leider alle ist. Ob Rosmarie gebrüllt hat, als man sie in die Poularde steckte?

Doch Spaß beiseite. Der Lammrücken war hervorragend gebraten und auf dem Ratatouille-artigen Gemüse hübsch angerichtet. Die Gnocchi schienen mir zwar nicht hausgemacht, doch das störte in der angenehmen Atmosphäre des Hauses nicht. Auch die Poulardenbrust (EUR 13,90) war ein kleines Gedicht, denn die Rosmarin-Ziegenkäse-Füllung wurde von einer Honigmelonensauce begleitet, was der ganzen Sache einen exotischen Touch gab. Als Vorspeisen hatten wir ein „Arrangement von Blattsalaten in Balsamicomangovinaigrette mit gebratenem Ziegenkäse und Baguette mit Feigenconfit“ (EUR 7,60) und ein „Carpaccio“ (EUR 9,20) bestellt und wurden nicht enttäuscht. Der Salat war ein schön fruchtiger Einstieg ins Menü, und die klassischen hauchdünnen Rindfleischsscheiben mit Parmesan und Rucola hätten bei jedem Italiener überzeugt.
-kopf

Essen-Werden, Leinwebermarkt 7

Freitag, 8. Juli 2005

Aus dem Archiv: Landhaus Rutherbach - Grüne Sauce und harte Kartoffeln

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005/2006".

Schon die Anfahrt zum Landhaus Rutherbach stimmt einen ländlich-sittlich ein. Von der A52, Abfahrt Kettwig, fährt man Richtung Werden den idyllischen Schuirweg zwischen Feldern und Obstgärten hinab, um rechts in die Ruhrtalstraße Richtung Kettwig einzubiegen und dann nach ein paar hundert Metern links in die Einfahrt des Landhauses. Hier empfängt einen die geräumige Terrasse mit Außenkamin, die leider nicht an der Ruhr liegt, weil sich dazwischen die Trasse der S-Bahn hinzieht. Der Gastraum selbst gibt sich sommerlich heiter. Mit rustikalen Balken um eine Art Wintergarten erweitert, gruppieren sich um einen mit Ernte-Accessoires geschmückten Spirituosenwagen die Tische – gemütlich, aber modern ist der Eindruck.

Schön ist, dass man zwischen halb zwölf und drei neben den preiswerten Angeboten der Mittagskarte (EUR 6 bis 8 pro Gericht, Menü mit Suppe und Dessert EUR 10) auch die Gerichte der normalen Karte bekommt. Die ist saisonbestimmt, und so bestelle ich eine Pfifferling-Rahmsuppe (EUR 5) und Heilbutt in Bärlauchsauce (EUR 14,50). Das Süppchen gehört eigentlich zu einem Menü von der Aktionskarte „Pfifferlingzeit“, doch als die freundliche Bedienung mit südosteuropäischem Akzent in der Küche nachfragt, wird sie auch separat serviert. Deftig ist sie, kräftig nach Hausfrauenart mit viel Salz gewürzt, was durch den Klecks Sahne nur mühsam ausgeglichen wird. Der Heilbutt in Bärlauchsauce ist ein optisches Gedicht. Die gut gebratene, goldgelbe und üppige Portion Fisch kontrastiert wunderbar mit dem grünen Saucenspiegel, und vier knallrote Cocktailtomatenhälften auf drei, sechs, neun und zwölf Uhr helfen beim Navigieren auf dem weißen Teller. Als ich die Bedienung nach einem dazu passenden Wein frage, gibt sie mir statt einer mündlichen Auskunft lieber die Weinkarte, auf der man ein Glas „Bernkasteler Badstube“ für EUR 6 zu kräftigen Saucen empfiehlt. Sicherlich eine gute Wahl, aber bei Edel-Italienern in Rüttenscheid bekomme ich ähnliche Qualitäten wie diese Mosel-Großlage bereits für EUR 3,50. (Dafür kosten dann die Hauptgänge vier, fünf Euro mehr. Naja, vielleicht wäre das auf einem großen Spiegel über einer Weichholzkommode annoncierte Duckstein sowieso eine angemessenere Wahl gewesen.)

Eine Herausforderung sind die Petersilien-Kartoffeln, die als Beilage in einem Schüsselchen extra gereicht werden. Warum sind mehlig kochende Kartoffeln bloß so aus der Mode gekommen? Diese sorgfältig in Eiform geschälten Dinger sind jedenfalls so hart, dass ich Angst habe, dass sie mir beim Zerteilen mit der Gabel unter dem Zinken wegspringen und samt Bärlauchsauce in die Gaststube hüpfen. Das Dessert besänftigt mich dann wieder. Das Rharbarberkompott mit Vanilleeis (EUR 4,20) war eine kleine Sünde wert.
-kopf

Essen-Kettwig, Ruhrtalstr. 221,
Fon 02 01.40 88 04 00
Mi-Sa 11.30-14.30 & 17.30-22.30  Uhr, So 11.30-21.30 Uhr, Mo, Di geschlossen
http://www.landhaus-rutherbach.de/

Donnerstag, 7. Juli 2005

Aus dem Archiv: Trattoria Trüffel Da Diego - Klassische Einfalt

Der Text erschien erstmalig in „Essen geht aus 2005/2006“.
Das Restaurant steht mittlerweile unter neuer Leitung.


Der fröhliche Kellner strahlt übers ganze Gesicht. „Wir würzen nur mit Oregano“, weiht er uns verzückt in die Geheimnisse von Küchenchef und Patron Diego Palermo ein, „bei allen Gerichten nur ein bisschen Oregano.“ Dabei untermalt er diese apodiktische Behauptung mit jener bekannten Geste, als ließe er Feingemahlenes durch die Finger rieseln. Und dennoch: Die Tagliolini, die superschmalen hausgemachten Bandnudeln mit einem halben Hummer (EUR 14), überzeugen neben der eindeutigen Knoblauchnote mit einem Anis-artigen Aroma, das auf ein Ablöschen mit Pernod oder auf eine Zugabe von Fenchel schließen lässt – beides zum Hummer durchaus nicht falsch. Bei soviel Besserwisserei der Gäste gibt der kluge Kellner schließlich nach. „Ich frag mal in der Küche nach“, tut er kund und kommt schließlich mit Diegos Botschaft zurück, dass es Fenchelsamen sei, was unsere Gaumen so umschmeichelt. „Da ist ihm halt die Hand ausgerutscht“, räumt der Kellner gönnerhaft ein.

Zuvor hat er uns statt einer Speisekarte eine Tafel an den Tisch gebracht, auf der vielleicht fünfzehn verschiedene Gerichte verzeichnet sind, Antipasti, Nudelgerichte, Fleisch- und Fischgänge. Das spricht für die Qualität des Angebots, denn bei dieser Übersichtlichkeit kann alles frisch und hausgemacht sein. Und typisch italienisch, denn gerade die italienische Küche setzt viel mehr auf die Güte der Waren als auf eine komplizierte Zubereitung. So ist es kein Wunder, dass Diego Palermos elegante, in dunkelrotem Holz und mit allerlei Spiegeln ausgestattete Trattoria Trüffel schon seit Jahren zu den italienischen Spitzenrestaurants in Essen gehört.

Nachdem der Kellner unsere Bestellung aufgenommen hat, empfiehlt er uns eher schmeichelnde Weißweine, doch wir haben uns schon längst für einen kernigen Vernaccia di San Gimignano (EUR 19,50) von der umfangreichen Weinkarte entschieden. Um dessen „herben Abgang“ kennen zu lernen, bekommen wir ein Probegläschen vorab - und sind begeistert, denn er ergänzt die ausgewählten Speisen vorzüglich. Als Amuse gueulle wird uns eine traditionelle Bruschetta mit Tomatenwürfeln, einem Hauch Zwiebel, Oregano (!) und Olivenöl serviert. Der gemischte Vorspeisenteller (EUR 10) ist ein aromatisches Potpourri an Gemüsen und Meeresfrüchten, hätte in Anbetracht des Rufes des Lokals allerdings ein wenig phantasievoller sein können. Auch die Kalbsleber auf Rucolasalat (EUR 9,20), die andere Vorspeise, ist von klassischer Einfalt: der Salat dezent abgeschmeckt, die Leber außen kross, innen saftig und rosa. Der halbe Hummer, der die die bereits erwähnten Tagliolini krönt, gehört zu Diegos Spezialitäten und ist auf der alljährlichen Essener Gourmetmeile „Essen verwöhnt“ die Attraktion – hier wäre er jedoch besser mit Hummergabel serviert worden. Knackig, saftig und mit Biss kommen die drei großen Lotte-Schnitzel unseres zweiten Hauptgangs (EUR 19,50) daher. Zum Würzen des Fischs stehen der Salzstreuer und eine halbe Zitrone zwischen den frischen Beilagen bereit. Nicht zu süß dann die Desserts zum Abschluss: eine duftige Zabaglione und ein luftiges Tiramisu.

Was allerdings von dem angenehmen Abend übrig blieb, war der Nachhall der Tagliolini. Knoblauch und Fenchel hielten lange vor.
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Trattoria Trüffel. Essen-Rüttenscheid, Rüttenscheider Str. 114. Tel. 0201/721110. Tgl. 12-15 & 18-23 Uhr. https://www.trattoria-trueffel.de/  (Daten vom 20.6.2024)

Aus dem Archiv: La Cena - Eleganz mit Aroma

Das Restaurant ist geschlossen. Der Text erschien erstmalig in "Essen geht aus 2005/2006".

Der erste Eindruck, den meine Nase hatte, als wir das im Souterrain liegende La Cena betraten, erinnerte mich an einen Szene-Spanier in Bochum. Die gesamten Aromen der Küche schlugen uns entgegen, besonders die vom Grill. Das wollte so gar nicht zu dem gediegenen Ambiente des kleinen Lokals passen, dessen orange-ockerfarbenen Wände und dezente Beleuchtung den ganzen Gastraum in ein warmes, mediterranes Dämmerlicht tauchten. Zudem ließen sich seltsame Geräusche vernehmen, die kaum von den eleganten Gästen des Hauses stammten, obwohl die Küchenleistungen von Patron Rui Biscaia da Costa durchaus zu Freudenschreien animieren könnten. Stattdessen kamen sie aus der benachbarten Martial-Arts-Schule, deren Besucher sich gegenseitig lautstark bei Judo und Jiu-Jitsu auf die Matte legten. Doch der menschlichen Natur ist die Fähigkeit zur Adaption eigen, und so konzentrierten sich unsere Sinne schon bald ganz auf das Wesentliche.

Selten habe ich in einem Ruhrgebietsrestaurant so ein elegantes Publikum gesehen. Die Damen top, aber unaufdringlich gestylt, die Herren im lässig-unkomplizierten Freizeitlook, spiegelten die Gäste genau das wieder, was Rui auf den Teller zauberte. Die im Grunde einfach zubereiteten Speisen erhielten durch eine phantasievolle Präsentation den letzten Pfiff.

Ich hatte mich nur allzu gern hinreißen lassen, den Tagesempfehlungen der Bedienung zu folgen, während meine Begleitung sich an die Vorgaben der großformatigen, aber übersichtlichen Karte mit teils klassischen, teils kreativen mediterranen Gerichten hielt. Enttäuscht wurden wir beide nicht. Das „Vitello Tonnato“ (EUR 9,70) sah aus wie ein monochromes Gemälde in hellem Ocker. Die feinen Kalbfleischscheiben verschwanden ganz in der Thunfischsauce, so wie es sich gehört. Doch dabei handelte es sich nicht um eine jener schweren Fischmayonnaisen, mit der man anderswo das Fleisch ertränkt, sondern um einen leichten, tomatisierten Dip, auf dem einige wenige verstreute Kapern für den farblichen Kontrast sorgten. Meine Vorspeise bestand aus einem kunstvoll gestapelten Türmchen aus kräftig gegrillten Kaisergranaten, das auf einem Fundament aus raffiniertem Kartoffelsalat mit Zucchini und roten Zwiebeln ruhte (EUR 14). Optischen und olfaktorischen Kontrast zu den roten Riesenscampi bildeten einige grüne Kleckse eines hocharomatischen Pestos.

Die darauf folgenden Hauptgänge waren ebenfalls ein Hochgenuss, bestens ergänzt durch die offenen Weine des Hauses (Sangiovese EUR 5, Sauvignon blanc EUR 3,50 pro Glas). Basis für des „Lammcarrée provençale“ (EUR 20,50) und den gemischten Fischteller (EUR 29) war eine Art Ratatouille, ein mit mediterranen Kräutern wohl gewürzter Gemüsemix, ergänzt durch herrliche gebratene Kartoffelwürfel und das obligatorische Pesto. Das Lammcarrée war himmlisch zart und innen rosa. Hatte man es in seine Koteletts zerteilt, konnte man das Fleisch vom Knochen lutschen als wär’s ein Eis am Stiel. Und selbstverständlich war auch der Fischteller seine Empfehlung wert. Kaisergranat, Jakobsmuschel, Lotte, Steinbutt und Lachs gaben sich in großen, scharf gegrillten Stücken ein Stelldichein, und jedes Stück schmeckte tatsächlich anders - auch wegen seiner individuellen Würzung. Dass „Panna Cotta auf Beerenfrüchten“ (EUR 8) und „Tiramisu“ (EUR 6) als Desserts einen würdevollen Abschluss von „la cena“, der Mahlzeit, bildeten, bedarf keiner Erwähnung. Das Tiramisu war so pikant, dass ich dachte, es wäre mit Chili gewürzt - was sowohl zu den Erdbeeren als auch zu dem Kakaopulver, womit es garniert war, gepasst hätte.
-kopf

Essen-Rüttenscheid, Haumannplatz 32

Mittwoch, 6. Juli 2005

Aus dem Archiv: Oase Due - Italienische Logik

Der Text erschien erstmalig in „Essen geht aus 2005/2006“.

Mit trutzigem Blick steht Franco Cadamuro in der Tür seines Lokals und mustert das rege Treiben auf der Rüttenscheider Straße. Nur kurz heitert sich seine Miene auf, als er ein paar Passanten mit flüchtigen Küsschen bedenkt; vermutlich einige jener Stammgäste, die der Oase Due den einzigartigen Charakter eines Rüttenscheider Wohnzimmers verleihen. Bei soviel In-Group-Verhalten fassen wir uns mutig ein Herz und betreten das im letzten Jahr grundlegend renovierte, kleine Lokal. „Haben Sie reserviert?“ fragt Cadamuro schneidend, und als wir schuldbewusst verneinen, werden wir an den einzigen der am frühen Abend noch freien Tische geleitet, auf dem ein Schildchen „Reserviert“ steht - italienische Logik. Das Aquarium mit den lebenden Hummern, das mir von meinem Besuch vor zwei Jahren noch in Erinnerung war, ist verschwunden, stattdessen verbreiten dezente sommerliche Farbtöne eine moderne Atmosphäre und die gefilterte Luft der Klimaanlage einen erfrischenden Kontrast zur Feinstaubschwüle draußen auf der Straße.

Als Cadamuro uns die Karte vorlegt, die solche Meisterwerke der „Cucina italiana tradizionale“ seines Partners und Küchenchefs Tiziano Girardi wie hausgemachte „Tagliatelle alla modenese“ (mit San-Daniele-Schinken und altem Balsamessig) oder „Longobarda“ (dünne Scheiben von argentinischen Rinderfiletmedallions auf Rucola-Salat, verfeinert mit Trüffelöl, Balsamessig und Parmesankäse) enthält, bekommt sein spröder Charme eine weitere Variante. Mit selbstironischer Langeweile spult er die lange Liste der Tagesgerichte ab, die die eigentliche Krönung des Angebots sind. Mit offenem Mund können wir nur einige Reizwörter registrieren und haken bei „Kalbsrücken“ und „Schwertfisch“ ein. Zufrieden mit unserer Wahl empfiehlt er uns Weißwein dazu, und es sprudeln ihm wiederum die Namen von zahlreichen Rebsorten aus dem Mund, von denen ich „Rampolla Gialla“ nicht kenne. Den will ich haben, und der trockene autochthone Wein aus dem Friaul (EUR 3,90 das Glas) erweist sich als ausgezeichneter Begleiter zu Fisch und Fleisch.

Unsere gemischte Antipastiplatte (EUR 11,90) zu loben, hieße Katzen nach Rom zu tragen. Der fast österreichisch anmutende Kalbsrücken mit Pfifferlingen (EUR 18,90) und der sizilianisch wirkende Schwertfisch mit sommerlichen Gemüsen (EUR 20,50) waren wie eine kulinarische Reise von der Stulpe bis zur Spitze des italienischen Stiefels. Fleisch und Fisch waren kernig im Biss und schmolzen dennoch auf der Zunge. Da konnte man nur das knappe Lob von Andrea Camilleris feinschmeckendem Commissario Montalbano zitieren, mit dem er Kochkunst und Charakter seiner Mitmenschen würdigt: Tiziano Girardi weiß, was er in der Küche tut.
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Oase Due. 45131 Essen-Rüttenscheid. Rüttenscheider Straße 189. Tel 0201/790640. Mi--Sa 12-14.30 und 17.30-23.30 Uhr. So, Mo, Di Ruhetag. www.oase-due.de (Daten Stand (20.6.2024)