Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005/2006".
Das Resuarnt gibt es nicht meher. Heute (2024) befindet sich hier das Tapasrestaurant Buena Vida.
Bis Anfang 2005 hieß das repräsentative Lokal am Beginn der Laupendahler Landstraße noch La Terrazza, doch die ehemaligen Betreiber sind in die Werdener Innenstadt gezogen, um dort ein neues Restaurant aufzumachen. Jetzt steht der Laden unter neuer Leitung und heißt Jedermann’s.
Die beeindruckende Terrasse mit ihren hohen Kiefern ist immer noch da, doch an diesem verregneten Sommertag verbreitet sie jene Melancholie, die leeren Terrassen an verregneten Sommertagen nun einmal eigen ist. Hurtig springe ich in den geräumigen Wintergarten-artigen Vorbau und frage mich, ob ich als Einzelgast überhaupt etwas zu essen bekomme. Denn da tafelt eine etwa 25-köpfige elegante Hochzeitsgesellschaft mit blonder Braut und smartem Bräutigam, bei deren Anblick ich mich in eine Rosamunde-Pilcher-Verfilmung versetzt fühle. Doch der Kellner weist mich freundlich in den großen, eigentlichen Gastraum, in dem mich eine ganz besondere Atmosphäre umfängt. Die hölzerne Wandvertäfelung, das Fußbodenlaminat, das Meublement, die Tischwäsche und der Blumenschmuck, alles besticht durch einen rustikal-eleganten Landhausstil und changiert bei angenehmem Dämmerlicht in modischen Hellbraun-, Apricot- und Lachs-Tönen. Eine offene Flügeltür lässt den Blick in einen kleineren Gesellschaftsraum zu, in dem ein bemalter Bauernschrank zu erkennen ist. Ein Kinderstuhl beweist, dass auch kleine Gäste willkommen sind.
Der Blick auf die Karte legt nahe, den Restaurantnamen Jedermann’s mit dem Begriff Cross over ins neudeutsche Küchenlatein zu übersetzen. Neben einer leichten Frischeküche herrschen mediterrane Gerichte vor, häufig mit einem asiatischen Einschlag. Und als ich die Gerichte auf dem Tisch stehen habe, bemerke ich, dass man in der Küche meisterhaft die Kunst des kulinarischen Ikebana versteht. Hübscher kann man Mahlzeiten wohl kaum anrichten.
Die kleine Sellerierahmsuppe mit Kokosmilch und Bündnerfleisch (EUR 4,50, groß EUR 5,50) kam in einem großen Suppenteller, der durch einen einfachen Trick ins Transzendente erhoben wurde. Eine dünne Grissinistange teilte ihn in eine Yin- und eine Yang-Hälfte. In die weiße Suppe war mit pikantem Pesto ein marmorartiges Muster gemalt. Exotisch-süß schmeckte das ganze, und die Grissinistange war ein willkommenes Hilfsmittel, die dünnen Bündnerfleisch-Streifen auf den Löffel zu bugsieren. Hätte ich es würziger gewollt, hätte ich mich aus der eleganten Pfeffermühle und dem gläsernen Salzstreuer auf dem Tisch bedienen können.
Der Risotto mit Meeresfrüchten und Scampi auf Zitronengras und zweierlei Pesto (EUR 12,50) erweis sich ebenfalls als optisches Kunstwerk. Der weiße Reis und die cremefarbigen Muscheln und Tintenfische kontrastierten wunderbar mit dem grünen Pesto und dem roten, auf einen bambusartigen Zitronengraszweig gespießten aufgebratenen Scampo, der die Sache krönte. Für italienische Vorstellungen war der Risotto vielleicht nicht flüssig genug, doch hätte der Reis bei Tim Mälzer im Fernsehen problemlos eine tadellose Figur gemacht. Und schmecken tat er allemal. Besonders das Pesto sorgte immer wieder für überraschende Akzente. Zum Abschluss gab es dann ein hausgemachtes Mohn-Honigparfait auf kleinem Ananasragout (EUR 6,80), das den frühherbstlichen Spätsommertag trefflich interpretierte.
So verlies ich glücklich und zufrieden das Jedermann’s, und auch die Hochzeitsgesellschaft löste sich auf. Ich bewunderte die schmale Belegschaft, die die große Gruppe unaufgeregt bedient hatte und auch mich darüber nicht vergessen hatte.
-kopf
Essen-Werden, Laupendahler Landstr. 11
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