Es war ein ganz besonders Fado-Gefühl, als sich dem Genießer das Herz fast schmerzhaft zusammenzog, als er gestern das portugiesische Restaurant „Bei Gil“ in Gelsenkirchen betrat. Hier hat sich seit fast zwanzig Jahren nichts verändert. Damals hatte ich das Lokal zum ersten Mal besucht, um einen Bericht über Gelsenkirchen als Zentrum für iberische Gastronomie im mittlerweile längst verblichenen Stadtmagazin MARABO zu schreiben. Gil da Silva und seine Frau Elisabete waren gerade mit ihrem Restaurant „Vasco da Gama“, das sie seit knapp zehn Jahren an anderer Stelle betrieben hatten, in die Räumlichkeiten einer ehemaligen Pizzeria an der Hauptstraße gezogen und hatten die Ausstattung mit Sitznischen aus dunklem Holzgebälk ganz einfach übernommen „Seitdem haben wir nur die Decke neu gestrichen“, meint Elisabete, halb stolz und halb resignierend mit einem Hinweis auf die Bedingungen des Vermieters. Als einziges wurde der Name verändert. An die Stelle des portugiesischen Seefahrers Vasco da Gama trat der Name des Wirts und Küchenchefs. Denn die Gäste sprachen sowieso nur davon, sie äßen bei Gil.
Gewinnende Herzlichkeit:
die Wirtsleute Elisabete und Gil da Silva
die Wirtsleute Elisabete und Gil da Silva
Diese Bodenständigkeit, verbunden mit der gewinnenden Herzlichkeit der Wirtsleute, ist nach wie vor ein Magnet fürs Publikum. Sogar am Dienstagabend herrschte in dem gut besuchten Laden eine ganz und gar nicht melancholische Fado-Atmosphäre von Bier, Wein und Urlaub, wie man sie in einer traditionellen Ruhrgebietskneipe wahrscheinlich das letzte Mal Ende Januar 1972 erlebt hat. Gelsenkirchen lebt.
Gemütliche Kneipen-Atmosphäre
Gelsenkirchener Fado: Reise in die Vergangenheit
Kulinarisch bietet Gil einen rustikal-proletarischen Streifzug durch die portugiesische Küche: die natürlich mit den Innereien gegrillte Sardinen „Sardinha assada“, den Grünkohl-Eintopf „Caldo Verde“, den Stockfisch Bacalhau, Fleischspezialitäten wie das Rumpsteak mit Käse, Schinken und scharfer Sauce „Francezinha“ oder die gegrillten Schweinefleischstücke mit Meersalz „Pica pau“. Und zum Nachtisch gibt es die typischen Puddingteilchen „Pastel del nata“ oder einen selbstgemachten Pudding „Pudim de ovos“ mit Karamellsauce.
Vorweg: Alioli com legumes
Machen schön Durst:
Frittierte Krabbentaschen mit scharfer Peperoni
Frittierte Krabbentaschen mit scharfer Peperoni
Butter bei die Gambas: mit Gils Spezialsauce und viel Knoblauch
Gegrillte Sardinen: Sardinhas assada
Und so zerlegt man sie richtig!
Caldo verde mit Chourico
Stockfisch mit Kartoffelchips und Gemüse
Schweinefleisch zum Picken mit der Gabel: Pica pau
Rumpsteak unter schwerer scharfer Sauce versteckt: Francezinha
Karamellpudding vor...
...und beim Servieren
Pastel del nata
Gil unter Gästen
Schöne Weine
Der Genießer würde sich wünschen, wenn sich Gils Küche ein wenig an den weltoffenen Veränderungen der griechischen Restaurants orientieren würde. Die haben sich mit der Entdeckung der vielfältigen Meze-Küche ihres Heimatlandes in den letzten Jahren weitgehend vom durchaus populären Nimbus der Gyros- und Metaxasaucen-Berge befreit. Die portugiesische Küche bietet hier auch viel Potential, etwa in den zahlreichen Petiscos, die ja zum großen Teil schon als Vorspeisen auf Gils Speisekarte stehen. Ich glaube, seine Stammgäste würden solch eine behutsame Veränderung würdigen – und viele neue Gäste dazu kommen.
Bei Gil. Hauptstraße.72, Gelsenkirchen. Tel. 0209/1487302. Di-Sa 18-1 Uhr. So, Mo geschlossen.
Ich finde nicht, dass jede regionale Küche irgendeinen ChiChi präsentieren muss. Griechen und Portugiesen haben nun mal eine Kneipenküche und genau das will ich essen, wenn ich dahin gehe.
AntwortenLöschenWenn sich ein Restaurant wie "Bei Gil" so lange Jahre behaupten kann, macht es in Sachen Qualität und Konzept seine Sache sicherlich richtig. Dennoch würde ich die Petiscos in der portugiesischen oder die Mezze in der griechischen Küche nicht als ChiChi bezeichnen.
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