Donnerstag, 2. August 2007

Aus dem Archiv: Schote

Der Artikel erschien erstmalig im Restaurantführer „Essen geht aus 2008“.

Beim Überfliegen der Tagestafel in der „Schote“ ging mir altem Karl-May-Fan das Herz auf wie das Crescendo in den Winnetou-Melodien des Filmkomponisten Martin Böttcher. Da war doch tatsächlich „Bison-Filet“ im Angebot. Das letzte Mal hatte ich dieses köstliche Fleisch des amerikanischen Büffels im Frühjahr bei Sascha Heitfeld hoch oben im Dortmunder Fernsehturm gegessen, und dann noch einmal im Weinrestaurant „Julius“ in Herne, als Hartmut Meimberg ein Karl-May-Menü gekocht hatte, zu dem ich – man verzeihe die Eigenwerbung – passende Texte aus den Gesammelten Werken Karl Mays vorgelesen hatte. Bis zu acht Pfund Bisonfleisch, so schwadronierte der alte Märchenerzähler vor 115 Jahren in seinem Buch „Winnetou I“, müsse ein alter Trapper vertilgen, nur um bei der einseitigen Westmannsernährung auf genügend „Kohlenstoff“ zu kommen; dass er dabei Unmengen von „Eiweiß zu sich nahm, musste im gleichgültig sein“. O sächsischer Lügenbold, wenn Du gewusst hättest: das kurzfaserige, also ungemein zarte Bisonfleisch ist äußerst gesund, hat so gut wie kein Fett, und das Eiweiß ist leicht verdaulich und cholesterinfrei.

Hans Klapdor von der „Schote“ bereitete es folgerichtig pur zu, als rosa gebratenes 200-Gramm-Medaillon, und der trotz der Fettarmut herzhafte Eigenschmack wurde nur von einer aromatischen, dünnen Pesto-Kruste unterstützt. Dazu gab es ganz klassisch Bratkartoffeln und einen gemischten Salat, ein Gericht also, durch das nicht nur Old Shatterhand, sondern auch Arnold Schwarzenegger groß und stark geworden ist. Dass ich am Ende die seltene Energiekost mit 28 Euro berappen musste – nun ja, Bison ist halt nichts für jeden Tag, aber als Sonntagsbraten auch dienstags jeden Cent wert.

Zusammen mit einem herrlich trinkreifen Merlot-Cabernet Sauvignon aus Südafrika (0,2l 7,70 Euro) war der kanadische Büffel ein unwiderstehlicher Ausflug in die Exotik, denn eigentlich ist die Küche der „Schote“ von einem regionalem Bewusstsein geprägt, das jedoch mit einem Schuss mediterraner und französischer Raffinesse aufgepeppt ist. Die schlanken Prosecco-Damen, die sich das kleine elegante Ecklokal im Herzen von Rüttenscheid zum Treffpunkt auserkoren haben, wissen das sicherlich zu schätzen. Kartoffeldippe mit Schinken oder Filetwürfel in Senf-Rübenkrautsauce mit Wirsing oder auch „Himmel und Erde“ als Amuse bouche haben beispielsweise einen rheinisch-westfälischen Einschlag, während meine Vorspeise von der italienischen Kochbuch-Fürstin Lorenza di Medici hätte stammen können: Wachtelbrust auf süßsauren Linsen (8,50 Euro). Wie beim Bison zeigte sich auch hier Heinz Klapdors Virtuosität bei der einfachen Zubereitung. Die zarte Wachtelbrust war rosa gebraten und zerging auf der Zunge, während die vermutlich in Rotwein mit Speck geschmorten Linsen mit Balsamico fein abgeschmeckt waren und mit ein paar Rucolablättern als Garnitur fast prickelnd ergänzt wurden. Das Rübenkrauteis mit Backpflaumen (6,50 Euro) zum Nachtisch erinnerte mich dann wieder an einen Ausflug an Niederrhein, wo ich die süß-herbe Eiskreation zum ersten Mal beim Ruhrgebietskoch Manfred Schulte im „Mühlenberger Hof“ gekostet hatte.
-kopf

Essen-Rüttenscheid, Emmastr. 55