Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2007/2008".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.
“Metropole Ruhr“ heißt das Schlagwort, unter dem sich das Ruhrgebiet zur Zeit als Wirtschaftsstandort vermarktet, und ein sichtbares Zeichen für die ökonomische Vitalität der Region ist sicherlich das eindrucksvolle Gebäude der Nationalbank am Bredeneyer Kreuz. Gleich dahinter befindet sich, nomen est omen, schon seit einigen Jahren das Banker’s Inn, eine Adresse, die mir schon öfters empfohlen worden war, die ich aber noch nie besucht hatte. Die Ausstattung, die mit ihrer schweren Holzvertäfelung an einen typischen englischen Club erinnert, und die Küche, gehoben, gepflegt und gut, all das müsse man gesehen und genossen haben.
Der Blick auf die Speisekarte im Internet überzeugte: Gebratene Blutwurst auf Beluga-Linsensalat, Gemüseremoulade (9,80 Euro), Venusmuscheln mit Pancetta und Pastinaken, Petersilienpesto (12,50 Euro), irisches Lachsfilet in Kokosmilch und Chili mit Stielmusgemüse (18,50 Euro) oder geschmorte Ochsenbäckchen auf Kohlrabi-Kartoffelragout (15,50 Euro) bildeten ein Vertrauen erweckendes regionales Gegengewicht zur immer globaler agierenden Wirtschaft mit internationalem Flair. Als dann der „Essen geht aus“-Chefredakteur auch noch betonte, es gäbe im Banker’s Inn einen prima Mittagstisch, ergriff ich eines Montags die Gelegenheit beim Schopfe stellte mich gegen 12.30 Uhr dort ein. Schön fand ich, dass ich im Hinterhof der Nationalbank sofort einen Parkplatz fand, befremdlich, dass trotz schönem Wetter die Terrassenstühle noch angekettet waren und die aufgestapelten Sitzkissen ihr Dasein hinter einer Fensterscheibe fristeten statt unter den Allerwertesten der Essener Wirtschaftselite. Hatte der Laden etwa zu? Doch da winkte mir ein aufmerksamer Kellner und lotste mich zum versteckten Eingang.
An der Theke hielt sich allerdings nicht der junge Sean Connery am Whiskytumbler fest, sondern zwei fröhliche Frührentner am kleinen Stauder, und ich wurde als einziger Gast in einen Souterrain-ähnlichen, aber tageshellen Nebenraum gesetzt; im Hauptraum wollte man kein Licht anmachen. Von hier aus hatte ich durchs Fenster die Bodenplatten des Hinterhofes auf Augenhöhe und hätte bei einem vorbeigehenden Mädchen prima die schönen Beine bewundern können wie einst Jean-Louis Trintignant in Truffauts Krimi „Auf Liebe und Tod“ bei Fanny Ardant, aber es kam keins vorbei.
Zum Mittagstisch (15 Euro) gab’s Hamburger Pannfisch, gebratene Lachswürfel mit goldigen Bratkartoffeln und einer Remouladensauce, die stilecht eine Senfsauce hätte sein müssen. Das war nahrhaft, leicht und lecker und machte mit der Tagesuppe vorher und dem Kaffee hinterher auch angenehm satt. Meine Stimmung hob sich besonders, weil der freundliche Kellner den ganzen großen Rest aus der Literflasche Riesling von Franz Keller (0,25l 4,80 Euro) nach und nach in mein Glas entsorgte. Endlich kam doch noch ein Pärchen zum Mittagessen, während dessen die Dame ganz business-woman-like per Handy ihren Dienstwagen vor die Tür bestellte. Ich konnte aufatmen: Die Metropole Ruhr lebt.
„Ist hier mittags immer so ein Betrieb?“, fragte ich beim Hinausgehen mit sardonisch hochgezogener Augenbraue. Nein nein, wurde mir gesagt. Normalerweise sei es voller, besonders abends.
-kopf
Essen-Bredeney, Bredeneyer Str. 110
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