Freitag, 16. Juni 1995

Aus dem Archiv: Leonardo

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.

Hier wird der Restauranttester zum Stenographen. Die gedruckte Speisekarte, die Patron Igor Albanese, seines Zeichens auch Trüffelexperte und Musik-Impresario, seinen Gästen vorlegt, umfasst kaum das, was die Küche des italienischen Bistro-Restaurants „Leonardo“ in Rüttenscheid ausmacht. Also musste ich, um nach dem ein oder anderen Gläschen gutgekühlten Gavi di Gavi nicht alles zu vergessen, den Stift zücken, um das Tagesangebot von der Tafel an der Wand abzuschreiben. Mit viel Appetit hatte ich zuvor „Gambas und Seeteufel auf grünem Salat mit Hummersauce“ genossen, ein äußerst gelungenes Beispiel anspruchsvoller Bistro-Küche. Ich hätte mich allerdings auch für „Lammrücken mit Knoblauch auf gebratenem Blumenkohl“, „Maishähnchenbrust mit Serviettenknödel“, „Steak vom Zackenbarsch auf Blattspinat an Vermouthsauce“ oder „Meeräsche mit Lachsröllchen, Broccoli und Vichysauce“ entscheiden können.

Mit 69 Quadratmetern ist das „Leonardo“ sicherlich eines der kleinsten italienischen Restaurants in Essen, sicherlich aber eines der amüsantesten. Die lärmende, heitere Atmosphäre, die in dem hellen, lichten Lokal herrscht, könnte problemlos den Hintergrund für einen Bistro-Werbespot abgeben. Die Bedienung in langer Kellnerschürze und weißem Hemd schlängelt sich mit gekonntem Hüftschwung zwischen den engstehenden Tischen hindurch, an denen fröhliche Gäste leichte, aber schmackhafte Kost zu sich nehmen. Ein Kellner im roten Blazer kommt dezent ins Schwitzen, und wenn schon mal eine Weißweinglas umkippt und sich auf die teure Lederjacke einer eleganten Rüttenscheiderin ergießt, dann eilt eine resolute Dame hinter der Theke hervor und holt einen Putzlappen, um den Schaden eigenhändig zu beheben. Man ist schließlich Stammgast.
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Zweigertstr. 55, 45130 Essen-Rüttenscheid

Mittwoch, 14. Juni 1995

Aus dem Archiv: Bänksken

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.

Die malerische Hattinger Altstadt ist ein architektonisches Juwel im Ruhrgebiet. Das aufmerksam wiederhergestellte, weitläufige Fachwerkensemble braucht keinen Vergleich mit anderen Altstädten dieser Art zu scheuen. Dass in dieser romantischen Umgebung fast in jedem zweiten Haus ein gastronomischer betrieb untergebracht ist, verwundert dabei nicht.

Den Markt für die gehobene italienische Küche teilen sich hier die Restaurants „Bänksken“ und „Basilea“. Das Bänksken erreicht man vom Obermarkt aus durch einen breiten Laubengang, in dem es sich an heißen Sonnentagen schattig essen lässt. Die Gasträume in dem Fachwerkhaus erstrecken sich über zwei Etagen; oben sitzt man luftig und kann durch die Balkenkonstruktion das Leben und Treiben unten beobachten.

Bei verschiedenen Besuchen war das Haus immer sehr gut besucht. Die Kellner hatten viel zu tun, die üppigen Salatberge und gut belegte Pizzen an die hungrigen Gäste zu verfüttern, schließlich wollen Einheimische und Touristen geleichermaßen gesättigt werden. Doch neben dieser italienischen Standardverpflegung bieten Mirko Vaccarino und Massimo Bavosi auch eine schöne Sonderkarte mit Spezialitäten und Tagesgerichten an. Fisch-, Fleisch- und Nudelgerichte werden da empfohlen, und auch recht pikante Salate. Ein Rucola-Salat mit Gamberoni war sein Geld wert. Obwohl eine Flasche Aceto Balsamico zum individuellen Nachwürzen bereitgestellt wurde, war er in der Küche schon hervorragend angemacht worden. Bei den Hauptgerichten waren die Fische schön à point gegrillt oder gebraten, und die die hausgemachten Nudeln waren mit ihren verschiedenen Füllungen eine Delikatesse.

Einer der mühsamsten Arbeitsplätze in der Küche des „Bänksken“ scheint mir der des Radieschenschnitzers zu en. Kein Gericht, sei es ein einfaches von der Standard- oder ein ambitioniertes von der Tageskarte, blieb von dieser gezackten Einheitsgarnitur verschont. Bei dem ein oder anderen grünen Salat mögen die rot-weißen Dinger ja noch eine witzige Anspielung auf die italienischen Nationalfarben sein, doch im Großen und Ganzen sieht (und schmeckt) man den Gerichten doch an, aus welcher Landesküche sie stammen.
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Gelinde 5, 45525 Hattingen
Fon 0 23 24. 20 19 50
tägl. 12-15 und 17-23 Uhr
http://baenksken-hattingen.de/

Aus dem Archiv: Basilea

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Seit 2011 betreibt hier Semi Hassine das Restaurant „Fachwerk“.


Direkt neben dem alten Hattinger Rathaus aus dem 16. Jahrhundert liegt das Ristorante „Basilea“. Von den drei wichtigen Hattinger Italienern – dazu gehören noch das „Bänksken“ und die „Romantica“ in Blankenstein – ist „Basilea“ sicher das eleganteste Lokal. Dunkle Fachwerkbalken unterteilen den luftigen Gastraum. Die Wände sind in weißlichen Beige gehalten, das gut zum Rot-Braun der Terracotta-Accessoires passt. Im Sommer sitzt man auf der lauschigen Gartenterrasse mit Blick auf die Harttinger Altstadt.

Mit insgesamt 116 Positionen auf der Speisekarte sorgt „Basilea“ für die solide Sättigung ihrer Gäste. 18 Pizze und 9 Salate befriedigen den experimentierunlustigen Esser; Freunden feiner Tafelfreuden seien die Nudel, Fisch- und Fleischgerichte empfohlen sowie die Tageskarte. Die Gerichte sind unter den Bezeichnungen der klassischen Menüfolge aufgeführt, als „Antipasti“, „Primi Piatti“ und „Piatto di Mezze“. So könnte man sich etwa ein eigenes Menü zusammenstellen: Als Vorspeise überbackene Jakobsmuscheln, als ersten Gang Tagilatelle mit Truthahn, Speck und Mscarpone, als Hauptgang ein Rumpsteak mit Ananas, Kirschen und Käse übebacken, zum Nachtisch Zabglione allo Champagne.

Wir folgten jedoch der Menüempfehlung, die aus Carpaccio, Risotto mit Meeresfrüchten, einem Fischgericht nach Tageseinkauf und einem Tirmaisu bestand, und waren damit ganz zufrieden. Vielleicht wäre etwas weniger Sauce zum Fisch mehr gewesen. Bei einem anderen Besuch probierten wir die gemischte warme Vorspeisenplatte, die aus zartem Hummerfleisch und Tintenfischringen sowie einer hübschen Anzahl pikant gefüllter Gemüse bestand und genug für zwei Personen war. Die Nudelgerichte von der Tageskarte hatten es in sich. Die hausgemachten, mit Artischocken gefüllten Riesentortellini gaben genauso wie die Bandnudeln mit Steinpilzen schon fast allein eine komplette Nahlzeit ab. Schade nur, dass der friulanische Weißwein, der extra empfohlen wurde, zu kalt war.

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Untermartkt 10, 45525 Hattingen

Aus dem Archiv: Burg Blankenstein

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.

Vom Turm der Burg Blankenstein hat man einen wunderbaren Blick auf einen der schönsten Abschnitte des Ruhrtals, von Hattingen über Bochum-Stiepel bis nach Witten. Der Hattinger Stadtteil Blankenstein zu Füßen der Burg ist ein Architektur-Kleinod. Er gehört wie das Dorf Westerholt zu den besonders geschützten Ortskernen des Ruhrgebiets.

So ist es kein Wunder, dass im Sommer der riesige Biergarten im Burghof ein beliebtes Ausflugsziel ist. Im Burgrestaurant gibt es zudem sonntagnachmittags Kaffee und Kuchen, eine besondere Spezialität sind die „Bergischen Waffeln mit Sahne und heißen Kirschen“. Größere Gesellschaften werden mit sogenannten „Rittermenüs“ angelockt. Dann bekommen die Gäste entsprechende Gewänder, und das Bier wird in großen Humpen serviert.

Etwas einsam kamen wir uns schon vor, als wie eines Freitag abends auf der Burg à la Carte speisten. Das heißt nicht, dass wir die einzigen Gäste waren. In einem Nebenraum hatten wir schon eine 20-köpfige Gesellschaft erspäht, und an einer langen Tafel, drei oder vier Tische von unserer eigentlich ganz gemütlich Sitznische entfernt, feierte ein Trupp junger Burschen von einem Sportverein, als kämen gleich Lancelot und Ivanhoe dazu. Gelegentlich donnerte ein „Hipp, Hipp, Hurra“ durch das Burggewölbe, so dass die betende Madonna auf dem Bild über unseren Köpfen bedenklich die Augen verdrehte. Auf der anderen Seite, vor der Theke, hatte sich das Blankensteiner Kneipenpublikum zum Bierchen versammelt, so dass wir das gastronomische Spektrum der Burg komplett erlebten.

Die Speisekarte gab sich bürgerlich. Zu passablen Preisen um die 30 Mark werden Spezialitäten wie „Schweinefilet Madagaskar mit einer rassigen Pfeffer-Rahm-Sauce“ oder „Rinderfilet auf Roquefort-Sauce“ angeboten. Standardbeilage ist ein schmackhaftes „Gratin dauphinoise“.

Etwas enttäuschend war der „Graved Lachs auf Avocadoschnitzel und Kräuter-Senf-Dressing“. Der dazu gehörige „marinierte Feldalat“ war auf dem selben Teller angerichtet und übertünchte mit seiner sauren Vinaigrette alle anderen Aromen. Die „gefüllten Riesengarnelen auf Tomaten-Estragon-Sauce mit verschiedenen Gemüsen und Wildreis“ schienen auch etwas überpfeffert.

Nicht zu beanstanden war jedoch die liebliche Tomatensuppe und ein „Schweinefilet auf Honig-Mandel-Sauce mit Zuckererbsenschoten“. Doch als ich zu deisem süßen Gericht eine Empfehlung aus den offen angebotene Weinen haben wollte, wurde ich enttäuscht. Gleich alle Angebote von einem leicht französischen Roten über einen halbtrockenen Rosé bis hin zu einem fruchtigen Chablis („sehr zu empfehlen zu Fischreichten“ versprach die Weinkarte) wurden mir alle ans Herz gelegt, und so war ich so schlau wie vorher.
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Burgstraße 16, 45527 Hattingen-Blankenstein (Welper)
Fon 0 23 24. 3 32 31
Di-So ab 18 Uhr, Kneipe, Kaffee und Kuchen, Biergarten Sa ab 14 Uhr, So ab 11 Uhr
https://burgblankenstein.de/restaurant/

Aus dem Archiv: Kar(l)töffelken

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.

Noch in der letzten Ausgabe von „Ausgehen im Ruhrgebiet“ stand die „Rotisserie Landhaus Leick“ in Sprockhövel auf Platz 6 in der TOP TEN der exklusiven Restaurants im Ruhrgebiet, trotzdem schien sich die Grande Cuisine in der Tradition der Kochbuchautorin Henriette Davidis nicht mehr zu lohnen. Seit Februar 1995 wurde das „à la carte“-Programm der Rotisserie gestrichen, es wird nur noch zu besonderen Veranstaltungen groß´gekocht. Außerdem hat sich Michael Leick von seinem Küchenchef getrennt.

Der tatkräftige Juniorchef des traditionsreichen Gastronomieunternehmens setzt vielmehr auf das Konzept des „Karltöffelken“, eines Kartoffelhauses, das er im Garten der Leick’schen Villa seit einiger Zeit mit großem Erfolg betreibt. Die Villa, die bislang die Rotisserie beherbergte, soll umgebaut werden und ab Herbst 95 das „Karltöffelken“ aufnehmen. Das rustikale Gartenhaus, in dem sich das „Karltöffelken“ bisher befindet, ist mit seinen 40 Plätzen zu klein geworden. Michael Leick hat schon zu Künstlern Kontakt aufgenommen, die die neuen Räumlichkeiten gestalten sollen. Wenn alles fertig ist, soll es auch wieder ein kleines Gourmet-Angebot geben.

Auch im neuen „Karltöffelken“ wird sich alles um die Kartoffel drehen – von der Vorspeise bis zum Dessert. Als Spezialitäten sind „Kartoffel-Spaghetti“, „Kartoffel-Lasagne“ und „Kartoffel-Pizza“ geplant. Die im Sommer in dem wunderschönen Biergarten zu Füßen der Villa getesteten Kartoffel-Gratins waren ihr Geld wert. Sowohl der Lachs bei dem einen und die Sommertrüffel bei dem anderen setzten angenehme geschmackliche Akzente.
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Bochumer Str.67, 45549 Sprockhövel

Dienstag, 13. Juni 1995

Aus dem Archiv: Tiepolo

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Angenehm und durchaus edel ist die Atmosphäre im „Tiepolo“. In einem kleinen Vorraum empfängt den Gast ein Pult mit der Speisekarte; betritt man dann den Gastraum, so fällt der erste Blick auf die Theke und eine Polstersitzgruppe. Der große Saal ist durch Trennwände, die an Türen von edlen Vitrinen erinnern, in mehrere geräumige Bereiche unterteilt; künstliche Kirschblüten unterstreichen die Heiterkeit der soliden Ausstattung.

Pizza findet man auf der Karte des „Tepolo“ nicht, aber an „Pasta delicate“ eine ganze Auswahl, bei denen Freunde sämiger Saucen auf ihre Kosten kommen. „Linguine ai Porcini“ (feine Nudeln in Steinpilzsauce), „Ravioli Burro e Salvia“ (Ravioli in Salbeibutter) oder „Maccheroni Rustici“ (mit freischen Pilzen und Spinat in einer Schinken-Sahne-Sauce).

Bei den Fleischgerichten dominieren „Bistecca“ (Rumpsteak) und „Filetto“ (Rinderfilet), die schmale Fischkarte empfiehlt Scampi, Lachs, Seeteufelfilet und Riesencrevetten.

Inwieweit diese Angebote die Vielfalt der italienischen Küche repräsentieren, sei dahingestellt. Schon im letzten Jahr kamen uns die dominierenden Saucen und Kartoffelkroketten als Beilage eher „international“ vor. Auch die als Spezialität des Hauses angepriesene „Mais-Poularde auf Saisongemüse“ wurde mit kleinen Kartoffelplätzchen serviert, wie man sie aus Mutters schneller Küche kennt.

Doch diese Kritikpunkte sind akademisch, denn die Gerichte sind im „Tiepolo“ so zubereitet, dass der Appetit beim Essen kommt. Leicht und schmackhaft war der kleine gemischte Salat, der als Vorspeise gereicht wurde; knackig gedünstet war das Kohlgemüse als Beilage, und die mit Schinken und Käse gefüllte Poularde schwamm in einer wunderbaren Pfeffersahne. Mit dem „Tiepolo“ haben die Dinslakener einen feinen Mittagstisch.
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Saarstr. 12-14, 46535 Dinslaken

Aus dem Archiv: Alt Orsoyer Schenke

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.

Wenn der Filmregisseur Edgar Reitz seine Fernsehserie „Heimat“ noch einmal fortsetzen sollte und dafür eine Kulisse suchte, in Herbert Kerskens „Alt Orsoyer Schenke“ würde er sie finden. Wie der Inbegriff einer Dorfgaststätte sieht das Lokal aus, so, als sei die letzten 80 Jahre nichts mehr verändert worden. Der Dielenboden ist blank gescheuert, die niedrigen Wände holzvertäfelt, die Tische und Stühle stehen hölzern da. Einen Zigarettenautomaten gibt es nicht, die Schachteln liegen sorgsam aufgestapelt unter Glas in der alten Theke. An dem Missgeschick, dass bei unserem Besuch die Registrierkasse nicht funktionierte, verwunderte eigentlich nur, dass überhaupt eine im Haus ist. Wenn man hier sitzt, versteht man, warum Hanns Dieter Hüsch den Niederrhein verlassen hat, aber auch, warum er zurückgekommen ist.

Und dennoch, oder besser, gerade deswegen ist der Laden rappelvoll. Biedere Bürger und schicke Szenegänger treffen sich hier und bringen die nötige Geduld mit, bis sie einen Platz bekommen; eine Tischreservierung ist dringend zu empfehlen. Das mag an der gutbürgerlichen Küche der „Schenke“ liegen, die mit tiefster Überzeugung präsentiert wird. Kleinigkeiten wie „3 Spiegleier bezw. Hacksteak aus Schweinemett mit Röstkartoffeln und Salat“ sind so gut wie bei Muttern. Fleischgerichte vom Schwein und vom Kalb dokumentieren, dass in der „Alt Orsoyer Schenke“ alle Tage Sonntag ist.

Spürbar ist auch der regionale Einschlag. „Buchweizen-Speckpfannkuchen mit Rübenkraut und Schwarzbrot“ oder „Aal in Gelee mit Röstkartoffeln“ spielen aufs Rheinische an, das „Bauernomelett“ und ein deftiges Schinkenbrot auf die westfälische Nachbarschaft. Bei unserem Besuch überzeugten das „Wildtaubenbrüstchen in Honig-Whisky-Sauce mit Kroketten und Salat“ und ein wunderbar unsüßer Blaubeerpfannkuchen.

Im letzten „Ausgehen im Ruhrgebiet“ wiesen wir auf die feinen Mosel- und Rheinweine hin, die besonders zu den schönen Fischspezialitäten passen. Doch am Niederrhein ist ein Gläschen Altbier ebenfalls am rechten Platz.
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Kiesendahlstr. 11, 47495 Rheinberg

Aus dem Archiv: Chamai

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Das Oberhausener Restaurant „Chamai“ nennt sich auch „Le Poisson“, und dieses französische Wort für „Fisch“ umschreibt präzise das Küchenprogramm von Werner Chamai. Wie in kaum einem anderen Restaurant im Ruhrgebiet stehen Fischgerichte auf der Karte an erster Stelle; erst dann kommen ganze drei Fleischzubereitungen: „Lammhüfte gegrillt oder mit Senfhollandaise überbacken“, „Filetspitzen auf Rösti“ und „Rinderfilet in grüner Pfeffersauce“.

Die Standardkarte bietet beispielsweise „Merlan in Kräuterkruste im Ofen gegart“ oder „Lachssteak gegrillt auf Safran-Knoblauch-Sauce“, Seezunge einfach gegrillt oder „Müllerin gebraten“. Als Spezialität werden Austern angeboten. „Natur“ (Stück 3,50 DM) oder „mit Kräuterbutter überbacken“ (Stück 3,80 DM).

Doch die meisten Fischgerichte findet man nicht auf der Standardkarte, sondern im Tagesangebot, das davon abhängt, was auf dem Markt frisch zu bekommen war. Bei unserem Besuch gab es Dorsch in vielerlei Variationen. Mediterran mit Knoblauch auf Tomaten und Riesencrevetten angerichtet, dazu krosse Bratkartoffeln und ein gemischter Salat, waren die Filets ein appetitliches Mittagessen, wie man es sich kaum vorstellen kann.

Und mit knapp 26 Mark auch recht preiswert. Vergleicht man die Preise der Fischgerichte im „Chamai“mit denen in feinen und exklusiven Restaurants, so kann man sich nur wundern, wie gut auch für wenig Geld gekocht werden kann. „Zanderfilet in Riesling gedünstet“ gibt es z.B. für 28,50 DM, ein kleines „Zanderfilet mit Zitronenbutter“ sogar für 19,50 DM. Und das Stück Fisch hat keineswegs nur die Größe eine Streichholzschachtel. Das sind Preise, wie man sie fast nur aus den Fischketten-Restaurants kennt, doch da sitzt man im „Chamai“ mit seinen einfach und klassisch eingedeckten Tischen weitaus gemütlich. Und man isst viel besser.

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Elsa-Brandström-Str. 54, 46945 Oberhausen

Aus dem Archiv: La Conchiglia

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant steht seit 2018 unter neuer Leitung (klick hier).


Wenn Antonella Boi, die Chefin von „La Conchiglia“, mit ihrem umwerfenden Claudia-Cardinale-Lächeln die Gäste begrüßt, bekommt die „Ausgehen“-TOP TEN Italien alla mamma eine Bedeutung, an die gar nicht gedacht war. Wenn alle italienischen Mammas so wären, mamma mia!

Auf Sardinien geboren, in Oberhausen aufgewachsen, betreibt Antonella seit über sechs Jahren das Ristorante mit der Muschel, erst zusammen mit Schwester und Schwager im Service, dann allein. Das Kochen hat sich die gelernte Schneiderin selbst beigebracht. Heute stellt sie Karte zusammen und erklärt ihren Köchen, was sie wie zu kochen haben.

Die Karte nennt allein 28 verschiedene Pizzen, kross gebacken und fantasievoll belegt, und 25 Nudelgerichte, davon zehn mit hausgemachter Pasta und fünf überbacken. Zahlreiche Fleisch- und Fischgerichte laden zum Schlemmen ein, doch wir entschieden uns für die Spezialitäten der „Toskanischen Wochen“, die im Frühsommer anstanden. Im Herbst will sich Antonella der piemontesischen Küche widmen.

Die gemischte Vorspeisenplatte als einziger Tribut an die Standardkarte war einfach eine Wucht. Jedes einzelne der eingelegten, gegrillten oder gebratenen Gemüse schmeckte anders, die gefüllte Aubergine war einfach Spitze. „Das machen wir immer so“, meinte Antonella mit einer Bescheidenheit, die selbst dem Papst als Beichtvater ein gnädiges „Bene, bene“ entlocken würde. Vielleicht sollten „Ausgehen“-Leser das „immer“ einmal überprüfen.

Die „Pappardelle ai Porcini“, hausgemachte Bandnudeln mit Steinpilzen, brachten den waldigen Duft der toskanischen Hügel nach Oberhausen. „Coniglio alla Toscana“ war so zart, dass das Kaninchenfleisch sich schon bei leichter Berührung vom Knochen löste, und wurde von einer Kapern-Oliven-Sauce aromatisch überzeugend unterstrichen. „Ossobuchi“, die Schweinshaxe in der klassischen Florentiner Zubereitung mit Rosmarin und Fenchel, brachte Feiertagsstimmung. Dazu wurde ein 1992-er Chianti empfohlen, der nichts zu wünschen übrig ließ.

Wie jede Hausfrau und jeder Hobbykoch, holt sich Antonella die Inspirationen aus verschiedenen Kochbüchern. Dann wird dies und jenes abgewandelt, bis das herauskommt, was sie sich vorstellt. „Ich glaube schon, dass ich die toskanische Küche getroffen habe“, meint sie, „obwohl ich noch nie in der Toskana war.“

Ihre persönliche Handschrift zeigt sich auch in der Ausgestaltung der Gasträume. Der alte Eckkneipenbau an der Hermann-Albertz-Straße ist eigentlich viel zu groß, doch Antonella weiß den Raum zu nutzen. Fast schon edel sind die Tische eingedeckt, individuell ausgesuchte Lampen und andere Accessoires verbreiten eine angenehme elegante Atmosphäre.

Übrigens: Den Tipp , „La Conchiglia“ zu testen, bekamen wir von einem aufmerksamen Gast. Der wunderte sich, dass ausgerechnet sein Lieblingslokal nicht erwähnt wurde. Der Tipp war klasse. Und die Rechnung für immerhin vier Personen war gerade einmal so hoch wie andernorts für zwei.
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Hermann-Albertz-Str. 141. 46045 Oberhausen
Fon 0208/806445
Di-Sa 18-22.30 Uhr, So 12-14.30 Uhr und 18-22.30 Uhr.
https://la-conchiglia.de/

Aus dem Archiv: Tegtmeier’s

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Heute (2025) befindet sich hier das Restaurant „Elsässer Stube“.


Es hatte einige Anlaufschwierigkeiten gegeben, bis „Tegtmeier’s“ so lief, wie es laufen sollte. Zwar war die Witwe von Jürgen von Manger, der als Adolf Tegtmeier in die deutsche Kabarettgeschichte und die Herner Folklore eingegangen ist, sofort damit einverstanden, dass das Lokal den Namen der Kunstfigur ihres Mannes tragen sollte. Doch bis Patron Detlef von Koeding den richtigen Küchenchef gefunden hatte, sollten nach der Eröffnung im Spätherbst 1994 einige Monate ins Land gehen. Seit Sommer 1995 ist Thomas Becker Herr der Küche, der sich seine Meriten im „Schlosshotel Lerbach“ verdiente.

Wie ein Landgasthof liegt „Tegtmeier’s“ zwischen Wiesen und Feldern etwas abseits der Wiescherstraße in Herne. Hinter dem Haus lädt ein große Biergarten zur Rast ein. Im sorgsam renovierten Gastraum mit der großen dunklen Theke ist noch die Vergangenheit des Hauses als Kneipe zu erkennen, besonderen Reiz hat der neu angebaute Wintergarten. Luftig in Naturholz gehalten und mit vielen Fenstern, manifestiert sich hier die leichte Küche des Hauses.

Leichte Küche, das sind Spezialitäten wie „Zander unter dem Strudelblatt auf Lauchgemüse“ oder „Glacierter Kalbsrücken mit Pilzgemüse“. Beim Testessen überzeugten „Sautierte Poulardenbrust mit Blattsalaten und Balsamicoglace“ und „Kalbsleber auf Trüffelpüree und Frühlingslauch“, üppig arrangierte Köstlichkeiten, die den Gaumen verwöhnten und den Magen nicht beschwerten. Die „Strauchtomatenessenz mit Käseravioli“ als Vorspeise war eine kleine Kostbarkeit für sich. Herzhaft, aber nicht aufdringlich kam das Tomatenaroma bei der klaren Suppe durch.

Liegt es an den Moden der leichten Küche oder an der Einbildung eines lokalpatriotischen Restaurantbesuchers, ein wenig scheint mir die Ruhrgebietsküche bei Thomas Beckers Kreationen durchzuschimmern, wenn Gambas auf tomatisierten Dicken Bohnen, „lackierte Entenbrust mit Rhabarbergemüse“ oder sautierte Lammfilets auf Linsen-Lauch-Gemüse angerichtet werden. Zugegen, meine Mutter pflegte kein Trüffelpüree zur Leber zu geben, aber an ihre Stampfkartoffeln musste ich trotzdem denken.

Es war eine unverkrampfte Fröhlichkeit, die vorherrschte, als wir unser Menü mit einer gemischten Dessertplatte abschlossen, die die konditorischen Leistungen des Hauses zusammenfasste. Auch mochte das Stimmungshoch an dem Pinot Grigio und dem Riesling d’Alsace gelegen haben, denen wir, offen und wohltemperiert angeboten, fleißig zusprachen.
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Wiescherstr. 156, 44625 Herne

Aus dem Archiv: Henzek’s Restaurant Alt Saarn

Der Text erschien in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Es ist immer wieder eine Lust, bei „Henzek’s“ zu essen. Das heimelige Fachwerkhaus im dörflichen Mülheimer Stadtteil Saarn verbreitet eine Heiterkeit, die die Sinne öffnet. Das hellblaue Mobiliar erinnert an biedermeierliche Familiarität, ohne jedoch bieder zu sein. Auf der sonnigen Terrasse hinter dem Haus blüht und grünt es im Sommer, und die Tomaten reifen beim Zusehen.

Die Standardkarte, zwei in Schönschrift gemalte DIN-A-4-Blätter mit einer Karikatur, die eine Koch in Janosch-Manier zeigt, der eine Zitrone auf der Nase balanciert, ist recht klein. Vier Vorspeisen (z.B. „Unser gebeizter Lachs mit Kartoffelplätzchen und Dillsenfsauce“ oder „Salat mit gebratener Entenleber“), zwei Suppen, vier Hauptgerichte (etwa „Roastbeef ‚rosa‘ mit Röstkartoffeln“ oder „Perlhuhnbrust unter gerösteten Sonnenblumenkernen“ und fünf Desserts bezeichnen das, was Frau Henzek im letzten Jahr so angenehm untertrieben als „gutbürgerliche Küche“ beschrieb. In Wirklichkeit sind die Gerichte Peter Henzeks und seines neuen Küchenchefs Mario Kalweit, ehedem „Haus Hiesfeld“ in Dinslaken, kleine Kochkunstwerke.

Schon die erste Herausforderung wurde mit Bravour gelöst. Als untypischerweise ein Manhattan zum Aperitif verlangt wurde, war die Realisation dieses Gästewunsches kein Problem. Zwar war kein Angostura im Haus, doch als wir undogmatisch auf diese Zutat verzichteten, wurde uns der Cocktail prompt serviert.

Letztes Jahr gab es eine kleine Tortilla als Amuse gueulle, diesmal war es ein allerliebster Crêpe mit Tomatenfüllung und Mozzarella-Tomaten-Garnierung, der das Studium der Weinkarte, eine Art Fotoalbum mit den Etiketten der schönen Auswahl an deutschen, französischen und italienischen Weinen, begleitete. Dass unsere Wahl auf die günstig kalkulierten offenen Weine fiel, bereuten wir nicht. Wohl temperiert waren der Pinot Grigio und ein leichter Südtiroler Roter ein Genuss.

Die „Weiße Tomatensuppe“ (mit allerlei Krabben als Einlage) und die „Zuckerschotensuppe mit Hummerkrabben“ waren von paradiesischer Süße und erinnerten an das Land, wo Milch und Honig fließen.

Emsig trug Frau Henzek die große Tafel mit den Tagesannoncen über die Terrasse, damit die Gäste wählen konnten. Hauptsächlich wurde Fisch angeboten, etwa „Doradenfilet mit Krustentiersahne“ oder gedämpfte Bodenseefelchen oder Zander. Unsere Wahl fiel jedoch auf „Strudel von Ente mit Pfifferlingen“ und die große Portion einer Standardvorspeise, die auch als Hauptgang reichte, „Lachs auf Kartoffelplätzchen“.

Beide Gerichte wurden als entzückende, handwerklich perfekte Kreationen serviert. Der rote Lachs, die gelben Kartoffelplätzchen und die weiße Dillsenfsauce auf dem schwarzen Teller waren nicht nur optisch ein Genuss, sondern auch geschmacklich überzeugend.

Der „Entenstrudel“ nahm die Form des viereckigen Tellers auf; wie eine Pagode waren Entenfleisch, Pfifferlinge und hauchdünne Blätterteig-Blätter aufgetürmt. Dass die Entenstücke auf den Punkt genau gegart waren und wunderbar mit den Pfifferlingen harmonierten, braucht da kaum noch erwähnt zu werden. Und von den Gnocchi, die noch als Beilage dazu arrangiert waren, konnte sich so mancher Italiener eine Scheibe abschneiden.

Den Abschluss machten dann zwei himmlische Desserts: „Himbeerparfait mit Pistazien“ und „Orangencrème mit Grießpudding“.
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Düsseldorfer Str.9, 45581 Mülheim

Aus dem Archiv: Pinocchio

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Es freut einen Restaurantester, wenn er beim zweiten Besuch eines Lokals noch eine Überraschung erleben kann. Im Falle der Pizzeria „Pinocchio“ war es die kleine Sommerterrasse, die uns im letzten Jahr nicht aufgefallen war; das mag am Winter gelegen haben. Geradezu witzig zwängen sich ein paar Tische zwischen die Häuserfront und eine weißgetünchte Gartenmauer. Die Regenabflussrohre sind in den italienischen Landesfarben bemalt, auf einem schmalen Beet spießt der Rosmarin. Man denkt, Witten-Stockum wäre der römische Stadtteil Trastevere.

An der unprätentiösen Ausstattung des Gastraumes mit engen Sitznischen hat sich nicht viel geändert, ebenso wenig an der Karte. Nach wie vor garantieren über 100 Gerichte – Pizze und Paste, Fisch und Fleisch sowie besondere Menüangebote mit Weinempfehlungen - , dass „Pinocchio“ eine der beliebtesten Pizzerien in Witten ist. Gäste, die sich an üppigen Salaten und verführerisch duftenden Muschelgerichten labten, machten einen durchweg glücklichen Eindruck. Da fiel die Wahl, was zu testen sei, schwer, zumal beim letzten Mal die Tortellini mit Steinpilzfüllung, das Rotbarschfilet in Tomaten- und das Lammfilet mit Senfsauce uns durchweg so zufrieden gestellt hatte, dass wir „Pinocchio“ in die TOP TEN Italien alla mamma aufgenommen hatten. Also entschieden wir uns diesmal für etwas Einfaches.

Doch dann kam die zweite Überraschung. Leider überzeugten die Gnocchi in Käsesauce überhaupt nicht. Die kleinen Kartoffelklößchen erwiesen sich als ungenießbare harte Knicker, dass ich sie zurück gehen ließ. Die bereitwillig servierte Ersatzportion war dann ebenso missglückt. Zwar hatten die Gnocchi eine ganz andere Form und Konsistenz, als seien sie in einer ganz anderen Küche hergestellt worden, dafür war aber die Sauce versalzen.

Es mag ja sein, dass eine Küche, die 100 Gerichte parat halten muss, nicht immer Höchstleistungen bringen kann. Aber warum passiert der Ausrutscher ausgerechnet dann, wenn ich essen gehe? TOP ist das leider nicht mehr.

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Hörder Str. 330, 58454 Witten

Montag, 12. Juni 1995

Aus dem Archiv: L’Opéra

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.

Der Name des „Ristorante L’Opéra“ erinnert an die Zeit, als das Essener Grillo-Theater noch Opernhaus genannt wurde. Seitdem ist der Hirschlandplatz zu einem der schönsten Plätze in der Essener Innenstadt umgestaltet worden, der von einigen der wenigen erhalten gebliebenen Architekturperlen der Vorkriegszeit umrahmt wird. Das Ristorante befindet sich in dem im Stil der „Neuen Sachlichkeit“ gehaltenen Bau der Theaterpassage.

Die Inneneinrichtung erinnert an einen venezianischen Palazzo. Es scheint, als sei an den Wänden das rostige Rot des Grillo-Theaters übernommen worden, barocke Säulen und Spiegel sowie rosafarbener Marmor bestimmen das edle Ambiente.

Betritt der Gast das Lokal, so fällt sein Blick zuerst auf einen üppig arrangierten Vorspeisenwagen mit fein marinierten Gemüsen und Salaten, Meeresfrüchten oder Vitello Tonnato, kleine kulinarische Kostbarkeiten, die ohne Einschränkungen zu empfehlen sind. Gelungen auch „Carpaccio Mare“ aus Seeteufel und Lachs oder „Carpaccio Riggiano“, der traditionelle rohe Rinderaufschnitt.

Zwölf Pasta-Gerichte zeigen, dass Küchenchef Francesco Piloni ein Meister der Nudel ist. Von „hausgemachten Nudeln mit Lachs und Spargelspitzen“ bis zu den einfachen „Spaghetti Aglio Olio e Pepperoni“ reicht das Angebot.

Schon im letzten Jahr stand das „Ristorante L’Opéra“ in unserer TOP TEN Italien exklusiv an exponierter Stelle. Grund genug, dort einmal Gerichte zu probieren, die uns in anderen Restaurants enttäuscht hatten. Und tatsächlich: „L‘Opéra“ zeigte uns, wie es sein muss. Das „Gemischte Fischsortiment vom Grill“ war sein 42 Mark wert. Zwar lag das Meeresgetier genauso karg auf dem weißen Teller wie beim Italiener anscheinend üblich, doch überzeugten die Edelfische durch eine Vielfalt des Geschmacks. Ebenso „Fegato alla Veneziana“, die Kalbsleber mit Salbei und Zwiebeln. Was anderswo eine bitterliche Erfahrung war, entpuppte sich hier als eine gelungene Komposition von herben Aromen.

Dass uns das „Ristorante L’Opérea“ für einen edlen Italiener recht unprätentiös vorkam, mag vielleicht daran gelegen haben, dass wir an einem lauen Sommerabend draußen auf der Terrasse auf dem Hirschlandplatz gegessen haben. Keine aufgedonnerte Oprette begleitete unsere Mahlzeit, sondern ein freundlicher und aufmerksamer Service.

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Hirschlandplatz 24, 45127 Essen-Mitte

Aus dem Archiv: Schloss Hugenpoet

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Seitdem hat die Gastronomie viele verschiedene Phasen durchgemacht. Heute (2025) firmiert das Restaurant im Schlosshotel Hugenpoet unter dem Namen „1831“.

Ein kurzer, flüchtiger Augenblick. Die Tische im Bankettsaal sind abgedeckt, wahrscheinlich seit gestern Abend, nach dem großen Bankett. Die Holzdielen erholen sich von den Tritten der Gäste und Kellner, das Fenster steht offen, um den Dunst von Zigarren und Rotwein entfliehen zu lassen, und gibt den Blick frei auf den Schlosspark, so, als hinge da ein Gemälde von William Turner an der Wand. Ein Bild, zum Sterben schön.

„Das ist also der hässlichste Ort des Ruhrgebiets“, meint Jürgen Neumann, seit 35 Jahren noch immer Chef von „Schloss Hugenpoet“, mit spitzer Ironie und hat nur vernichtende Worte für die journalistische Zunft der Restaurantkritiker übrig. In der Tat, im letztjährigen „Ausgehen im Ruhrgebiet“ hatte unser Tester mit deftigen Worten seiner Frustration darüber Luft gemacht, dass nach seiner Ansicht bei Hugenpoets auch nur mit Wasser gekocht wird. Und auch in den bundesweit erscheinenden renommierten Gastroführern hat das Haus mit der Zeit seine Dekorationen verloren. Die Antwort darauf, so scheint es, gibt Jürgen Neumann selbst, wenn er mit Stolz erklärt, täglich bis zu „200 Couverts“ ausgeben zu können, wenn das Hotel ausgebucht ist, ein Festbankett stattfindet und noch Gäste kommen, sie à la carte speisen wollen. Dass bei dieser Anzahl von Essen, die mit einer Betriebskantine konkurrieren kann, eher rationell als kreativ gearbeitet werden kann, liegt auf der Hand.

„Schloss Hugenpoet“ ist zweifellos das großbürgerlichste Haus im Ruhrgebiet. Als der Weltwirtschaftsgipfel in Essen stattfand, wurde dort getafelt, die Spitzen der Revier-Wirtschaft und –Politik pflegen in dem Barockschloss ihre Festlichkeiten auszutragen. Entsprechend sind die Preise, schließlich will so ein Schloss erhalten werden. Repräsentativ bis zur Einschüchterung ist die Atmosphäre im Haus, und das mag auch der Grund sein, warum ein Besuch im Restaurant eher spaltet als versöhnt und sich der ein oder andere dazu provoziert fühlt, den Klassenkampf mit Messer und Gabel auszutragen. „Warum kann der Deutsche nicht einfach genießen?“, wundert sich Neumann.

Allein die Weinkarte ist ein regelrechtes Buch und weist 500 Positionen auf, die zu kommentieren mir schwerfallen würde. Werfen wir also einen Blick auf das Menü: „Perlhuhnterrine an sommerlichen Salaten mit Quittengelee“, „Gebratene Gänseleber auf Apfelkonfit“, „Gefüllte Seezunge mit Krebsen und Rieslingsauce“, „Entrecôtescheiben rosa gebraten, Kräutersauce, Bohnengemüse, Lyoner Kartoffeln“, „Fränkischer Weinkäse“ und „Vanilleparfait mit frischen Erdbeeren“, diese Zusammenstellung hat ihr Niveau. Das getestete „Lammrückenfilet mit Olivenkruste“ war tadellos, genauso wie das „Millefeuille von Gänseleber in Tokajergelee“, eine handwerklich wie geschmacklich gelungene Gänseleberkreation. Bei einem Fischgericht – war es „Gebratener St. Pierre auf Limonen-Paprika-Vinaigratte“ oder „Sautierte Seezungenstreifen mit Artischocken und Tomaten“? – schienen mir die einzelnen Fischstücke unterschiedlich gar und gewürzt. Bei „Kaninchenrücken mit Gambas gefüllt auf Tomatennudeln“ konnte mich das Fleisch begeistern, während ich die Sauce zu den Nudeln zu sehr in Richtung Bratenfonds und zu wenig in Richtung Tomaten interpretiert fand.

Jürgen Neumann, ein Unternehmer der alten Schule, bildet selbstverständlich aus. So wurden bei unserem Testbesuch unter der sachkundigen Anleitung des Oberkellners zwei Azubis auf uns losgelassen, die zwar tapfer und aufmerksam ihren Dienst versahen, die Genussfreude aber leider nicht steigerten. Die spannende Frage war: Kann ein Azubi den berühmten Klecks Sahne auf den Teller mit der „Krebssuppe mit kleinen Klößchen und Gemüseperlen“ locker aus dem Handgelenk platzieren, ohne dass die Suppe spritzt und einem die weiße Hose bekleckert? Er konnte.
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August-Thyssen-Str. 51, 45291 Esasen-Kettwig
Fon 02054/12040
Restaurant 1831: Mi-Sa 18-23 Uhr
https://www.hugenpoet.de/

Aus dem Archiv: Oase Due

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.

Seit 13 Jahren ist Tiziano Girardi Küchenchef in der „Oase Due“, die ursprünglich als ein Ableger der „Oase“ gegründet worden war. Doch immer mehr hat die „Oase Due“ ihr eigenes Profil gewonnen. Unweit des Girardet-Centers in Rüttenscheid gelegen, haben sich Tiziano Girardi und sein Co-Patron Franco Cadamuro anscheinend besonders der Business-Küche gewidmet. Immerhin ist ein 3-gängiges Mittagsmenü für preiswerte 18 Mark zu bekommen.

Der L-förmige Gastraum ist ohne viel Schnickschnack traditionell eingerichtet, dunkles Holz trifft auf rosafarbene Tischdecken. Die dekorativ aufgestellten Weinfaschen der Marke „Pighin“ zeigen die Vorliebe für Weine aus dem Friaul; ca. 60 Tropfen bietet der Keller an, davon zehn offen, auch aus anderen italienischen Regionen.

Passend zum Wein gibt es wechselnde Menüs. Bei unserem Testbesuch zeigte die Karte zwei Varianten. Zu einem Tocai Friulaini DOC 93 wurden „Frisches eingelegte Gemüse und Meeresfrüchtesalat“, „Taglierini al Pesto“, „Filetto di Manzo ‚Rustico‘“ und „Fregole all ’Oase Due“ angeboten. Alternativ dazu, und etwas teurer, gab es saisongemäß ein Spargelmenü: Asparagi al Forno mit geräuchertem Lachs“, „Risotto die Aparagi“, „Kalbsschnitzel mit Spargel und Taleggio-Käse“ sowie ein Dessert.

Ganz wie Businessmen testeten wir jedoch zu Mittag ein kleines Nudelgericht, auf der Karte stolz als „Le nostre specialità“ bezeichnet. Die „Taglierini al Pesto“ mit zerstoßenem Knoblauch, Pinien-Walnuss-Kernen, Basilikumblättern mit Olivenöl und geriebenem Pecorinokäse ließen nichts zu wünschen übrig. Gemeinsam mit gekonnt zusammengestellten, teils warmen „Antipasti della casa“ ergab das eine schöne, typisch italienische Mahlzeit.
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Oase Due. 45131 Essen-Rüttenscheid. Rüttenscheider Straße 189. Tel 0201/790640. Mi--Sa 12-14.30 und 17.30-23.30 Uhr. So, Mo, Di Ruhetag. www.oase-due.de (Daten Stand (20.6.2024)

Aus dem Archiv: Kölner Hof

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Seit 2015 gibt es das Restaurant nicht mehr.

Manchmal öffnet Heinz Furtmann das Allerheiligste im „Kölner Hof“ und veranstaltet in seiner Küche Kochkurse. So bereitet sich vor einiger Zeit eine Handvoll interessierter Gäste einen bayerischen Schmaus zu. „Fleischsalat von der Ochsenbrust“, „Gesalzene Radi am Stück“, „Pfifferlinge in Speck und Zwiebeln“, Schweinebraten, Grillhaxe, Griesflammerie, Hefezopf und viele andere Köstlichkeiten wurden unter Anleitung des Meisterkochs hergestellt und anschließend aufgegessen. „Das macht eine Menge Spaß“, meint Furtmanns Frau Rosmarie, mit der er vor knapp 10 Jahren die traditionsreiche elterliche Eckkneipe in Frohnhausen übernahm und daraus eine der ersten kulinarischen Adressen in Essen machte.

Briefmarkenclub und Kegelverein treffen sich immer noch im „Kölner Hof“, doch das geschmackvoll dezent eingerichtete Lokal ist der feinen Küche gewidmet. „Bodenseefelchen in Dillsauce auf Blattspinat“, „Bachsaibling mit gerösteten Pinienkernen, Eisbergsalat in Orangendressing und Salzkartoffeln“, „Kalbsleber in Salbeibutter gebraten mit Mandelbroccoli und Fettucine“ sind Beispiele für eine schnörkellose Kochkunst. Esoterisch abgehoben lässt es sich im Essener Westen auch nicht kochen; sonntags bietet der „Kölner Hof“ der Gegend entsprechend preiswerte dreigängige Mittagsmenüs an, die zwischen 15 und 49 Mark einen schönen Überblick über die Küchenleistung geben, ohne zu sehr auf den Beutel zu drücken.

Unser diesjähriger Testabend verlief äußerst angenehm. Wegen der sommerlichen Hitze wurde auch in dem idyllischen Hinterhof gedeckt, wo das Wasser in einem Zierteich vor sich hin murmelte und zwischen den hohen Mietshäusern rosa Wölkchen verheißungsvoll grüßten. Die etwas schwereren Hauspezialitäten „Steinbutt im Salzteig“ oder die Ente von Bauer Kammesheidt in Kettwig waren wegen der Hitze nicht im Angebot, und so entschieden wir uns für die Tagesangebote der leichten Sommerkarte. Der „Sommerliche Salat in Aceto-Balsamico-Dressing mit gegrillten Gambas“ und die „Breiten Nudeln mit Pfifferlingen“, eigentlich Bestandteile eines Menü-Angebotes, waren pikante Einstiege zu den delikaten Hauptgerichten. Auch das „Kaninchenfilet in der Kräuterkruste mit Gemüse-Linsen-Salat“ war eine kleine Pikanterie, während die „Entenbrust auf Himbeer-Pfeffer-Sauce mit Gemüse und Schupfnudeln“ durch ihre Fruchtigkeit überzeugte.

Das Angebot an offenen Weinen ist im „Kölner Hof“ überraschend umfangreich. Acht Weißweine, darunter ein 93-er Grauburgunder von Farnz Keller und Rieslinge von der Nahe und aus dem Rheingau, ein Spätburgunder Rosé und drei Rote sind eine beachtliche Alternative zu den moderat kalkulierten 140 Flaschenweinen aus Deutschland, Frankreich, Italien und der Schweiz.
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Duisburger Str. 20, 45145 Essen-Frohnhausen

Aus dem Archiv: Mumm zu Schwarzenstein

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.

Nach 25 Jahren wurde „Mintrops Burghotel“ in Essen-Burgaltendorf“ um ein Restaurant erweitert, das sicherlich eines der sehenswertesten Häuser im Ruhrgebiet ist. Wenn man erst einmal durch den Schwarzensteinweg mit seinen Ein- und Mehrfamileinhäusern gefunden und sich schließlich an einem wunderschönen Fachwerkhaus vorbeigeschlängelt hat, erreicht man den Neubau, der, so die Inhaber Maria und Harald Mintrop, „das Raumschiff Enterprise mit der herzlichen Gemütlichkeit Burgaltendorfs“ verbindet.

Der Designer Dirk Obliers hat den Restaurantsaal mit viel Mut zu postmodernen Effekten ausgestattet. Tische mit Glasplatten, unter denen neonbeleuchtete Stillleben aus Sand, Muscheln und Perlen arrangiert sind, bizarre, aber doch bequeme Stühle, stählerne Spieß an der Wand, Trennwände aus hellem Holz und die moderne Halogenbeleuchtung verbreiten eine Atmosphäre wie in einem Fantasyfilm.

Doch auch das Speisenangebot reizt zu einem Ausflug nach Burgaltendorf und stellt nicht nur die Hotelgäste zufrieden. Werfen wir einen Blick auf die monatlich wechselnde Karte. „Kaninchenleber rosa gebraten in Cassisessig an Rapunzelsalat und Cherrytomaten“ als Vorspeise, „Curry-Lotte an marinierten Passe-Pierre“ als Zwischengericht, „Rendezvous von Edelfischen an grüner Senfsauce und mit Kräuterisotto gefüllten Wirsingsäckchen“ oder „Barberie-Entenbrust auf sahnigem Wirsing, rosa Pfeffer und Pariser Kartöffelchen“ stehen zum Beispiel auf dem Programm.

Bei einem Testbesuch überzeugt ein pikanter angemachter „Herzsalat“ mit allerlei Meeresgetier, „in Weinteig gebackene Sardinenfilets auf Ragout von dreierlei Paprika und Salbei“ und Kalbszünglein auf Wirsingmus, Steinplizsauce und Kartoffelpuffer“. Die Teller waren ebenso fantasievoll angerichtet wie das Ambiente des Restaurants. Als die blauen Glasteller auf die von unten beleuchteten Tischplatten gestellt wurden, brach sich das Licht in der Riffelung. Zum Glück lenkten diese Effekte nicht von der Qualität der Speisen ab. Es machte einfach Spaß, beim „Mumm zu Schwarzenstein“ zu Essen.

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Zur Website klick hier.
45289 Essen
Schwarzensteinweg 81
02 01. 57 17 10
tägl. ab 12 Uhr

Sonntag, 11. Juni 1995

Aus dem Archiv: Click am See

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Auch wenn das „Click am See“ einen sehr schönen Gastraum mit Kamin und edel eingedeckten Tischen aufweisen kann, im Sommer ist die Hauptattraktion des kulinarischen Ablegers des Szene-Cafés „Click“ im Essener Südviertel der herrliche Biergarten am Baldeneysee. Lässig, locker und mediterran ungezwungen geht es hier zu. Die Wellen des in Kupferdreh schon recht schmalen Baldeneysees glucksen an die Wiese mit den Tischen und Stühlen. Die im Wasser dümpelnden Boote der Yachtschule Nautico verbreiten Urlaubsatmosphäre, eine Boulebahn erinnert an Südfrankreich, junge Leute und neugierige Hunde versprühen Lebensfreude. Die todchice Bedienung vollführt mit ihren hohen Absätzen auf der huckeligen Grasnarbe eine aufregende Service-Akrobatik.

Auf vielen Tafeln ist das sommerliche leichte Speisenangebot annonciert, gegrillte Fisch- und Fleischspezialitäten, die, wenn man an den vollbesetzten Biergarten denkt, gar nicht übel sind. Die Gnocchi, die ich dort gegessen habe, waren die besten, die mir bei meinen Recherchen untergekommen sind.

Im Restaurant selber, besonders im Herbst und im Winter, pflegen der neue Küchenchef Andreas Stüber und sein Mitarbeiter Alberto Woyticzka, ehedem im jetzt geschlossenen „Schwan“ am Herd, eine französische Küche. Zwei Suppen, sechs kalte und warme Vorspeisen, fünf Hauptgerichte und drei Desserts bilden das Angebot, aus dem man sich ein eigenes Menü zusammenstellen kann; empfehlenswert sind auch die kompletten Menüvorschläge. „Steinpilzconsommée unter einer Blätterteighaube“, „Rapunzelsalat mit gebratener Taubenbrust in Himbeervinaigrette“, „Dialog von Edelfischen auf Blattspinat und wildem Reis“, „Entenbrust auf Rotweinbutter mit Kartoffelrösti“ und „Gebackenen Feigen auf einer Cocossauce mit Nüssen“ geben für knapp 90 Mark einen gelungenen Überblick über die Leistungen der Küche und haben schon manchen fast-food-gewöhnten Szenegänger von den Wonnen der Gourmandise überzeugen können.
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An der Kampmannbrücke 33, 45257 Essen-Kupferdreh

Aus dem Archiv: Da Daniele

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.

Daniele delle Vedove ist ein vorsichtiger Mann. Nichts scheint ihm schlimmer, als dass ein Gast durch eine zu überschwängliche Restaurantkritik in sein Lokal gelockt wird und dann enttäuscht wieder geht. Der Gastronom aus dem Venezianischen verfolgt nicht die Philosophie des lukullischen Paukenschlags, sondern der sukzessiven Entwicklung. Er will zufriedene Kunden, die Vertrauen in seine Küche haben. Danieles Ziel: am Ende seines Gastronomielebens einem Lokal vorzustehen, das drei, vier Gerichte anbietet, die von den Gästen blind gebucht werden. Das sei in Italien so üblich, erklärt er, während der an den Überfluss gewohnte Deutsche immer eine immense Auswahl an Gerichten fordert. Als Beispiel nennt er eine Gruppe von neun Leuten, die bei ihm einmal 23 verschiedene Gerichte bestellt haben. Da sei die Küche fast verrückt geworden, und da musste die Qualität einfach leiden.

Dass Daniele delle Vedove uns seine Küchenphilosophie so ausgiebig darlegen konnte, hat seine Vorgeschichte. Bei unserem ersten Besuch für die diesjährige Ausgabe von „Ausgehen im Ruhrgebiet“ im Frühjahr stand seine Frau kurz vor der Niederkunft, und der hintere Restaurantraum, der auch als Weinlager benutzt wird, wurde gerade renoviert. So bat er uns, als wir nach dem Essen kurz mit ihm sprachen, nach den Sommerferien wieder zu kommen. Und da begrüßte er uns mit einem quiekenden Bambino auf dem Arm, zeigte uns stolz sein geschmackvoll renoviertes Lokal, eine geräumige ehemalige Eckkneipe an der Steeler Straße in Essen-Huttrop, und lud uns zu einem hervorragenden Essen eine. So viel italienische Familiarität fanden wir überaus sympathisch, doch von einem unvoreingenommenem Test ist hier natürlich nicht mehr zu sprechen.

Ob sich die Küche diesmal besondere Mühe gegeben hatte, sei dahingestellt. Das Carpaccio als Vorspeise war jedenfalls wundervoll aromatisch, ebenso die herrliche Salami, und das einfache gegrillte Kalbskotelett war saftig und zart und über alle Zweifel erhaben. Alles war jedenfalls mit mehr Konzentration als beim ersten Besuch im Frühjahr zubereitet, als wir anonym von der Karte „Gnocchi mit Salbei und Schinken“, „Saltimbocca alla Romana“ und gegrillten Lachs bestellt hatten. Dass uns diese Gerichte nicht besonders imponieren konnten, wollen wir den oben beschriebenen Umständen zuschreiben. Die zweite Reise nach Essen-Huttrop hatte sich auf alle Fälle gelohnt.

„Da Daniele“ verfügt übrigens über eine der größte Pasta-Karten, die mir bei meinen Recherchen untergekommen ist. Sie ist in Spaghetti (10 Gerichte), Rigatoni (8 Gerichte) und Tagliatelle (19 Gerichte) unterteilt, wobei die letzte Kategorie noch andere Pasta wie Cannelloni, Lasagne und Gnocchi umfasst. (Anm. 2025: Ob das der Tribut an die Erwartungen der deutschen Kundschaft war?)

Daniele delle Vedove ist auch engagierter Weinimporteur. Besonders aus seiner geliebten Heimat Venetien bezieht er Weine, die direkt für ihn und sein Ristorante abgefüllt sind. Für Weinfreunde veranstaltet er Degusationsabende. Entweder man wünscht sich den Wein, und er macht ein passendes Gericht dazu, oder man ordert ein Menü, und er schlägt die Weine dazu vor.

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Essen-Huttrop, Steeler Straße 279/Hilgenborn 2
Fon 0201. 27 27 11
Di-So 11.30-14.30 & 17-22 Uhr, Mo geschlossen
https://www.dadaniele.de/

Aus dem Archiv: Haferkamp

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Gibt es den Begriff „jungbürgerlich“? Zumindest gibt es den Begriff „gutbürgerlich“, mit dem eine gewisse Küchenrichtung beschrieben wird: nicht allzu experimentell, wie gewohnt, aber nicht gewöhnlich, schmackhaft und zufriedenstellend – aber vielleicht etwas spießig und miefig.

Die beiden letzten Eigenschaften treffen auf „Haferkamp“ garantiert nicht zu. Bis Anfang 1995 war das Haus noch eine typische Ruhrgebietskneipe mit Mittagstisch für die Anwohner im idyllischen Mühlbachtal in Essen Frohnhausen und Umgebung. Doch dann haben Frank David, vormals Koch im „Click am See“, Beate Kleinschmidt und Jan Michael Richter das Haus übernommen und einer radikalen Verjüngungskur unterzogen. Licht, Luft und Sonne wurden ins Lokal gelassen. Die hellen Wände, mit wenigen modernen Accessoires geschmackvoll geschmückt, passen gut zu den einfachen, weiß eingedeckten Tischen. Das Hinterzimmer ist mittlerweile auch renoviert und wurde im Herbst mit einer Comic-Ausstellung eröffnet; immerhin ist „Haferkamp“-Wirt Jan-Michael Richter unter dem Namen Jamiri selbst ein begnadeter Comic-Zeichner.

„Gutbürgerlich“ ist das Angebot für die Stammkundschaft immer noch, die Parade schöner Schnitzelgerichte zeugt davon. Doch was den Alten und Provinzellen das panierte Schweine-oder Kalbfleisch, ist den Jungen und Weltoffenen die Mediterrane Frischeküche. Die wird auf der wöchentlich wechselnden Karte und auch tagesfrisch angeboten. „Lachsterrine mit Langusten in grüner Sauce“, „Rucolasalat mit gebratener Entenleber“ oder „Gebratenes Meerbarbenfilet an Pourriersalat mit Zitronendressing“ sind kleiner Gerichte, „Kalbsfilet in Schafskopfpilzsauce mit Mangoldgemüse“, „Papageienfisch in roter Crevettensauce, Sepianudeln und Romanescogratin“ oder Lammhüfte in Slabei-Senf-Kruste, Kartoffelgratin und Tagesgemüse“ die großen Angebote. Alle Gerichte sind so dimensioniert, wie sie das junge Publikum mag. Man braucht sich kein Menü zusammenzustellen, um satt zu werden.

Das Angebot im separaten Kneipenraum mit Theke schafft ebenfalls den Spagat zwischen „gut-“ und „jungbürgerlcih“. Neben den üblichen Pils-und-Korn-Gedecken werden internationale Aperitifs und allein 15 verschiedene Espresso-Arten angeboten.

Im Sommer wird in dem schönen großen Biergarten auf heißem Lavastein gegrillt. Der Garten mit den hohen alten Bäumen liegt etwas tiefer als das Niveau der vielbefahrenen Wickenburgstraße und wird durch einen Wall vor dem Straßenlärm geschützt, so dass man das Gefühl hat, hinter einem Deich zu sitzen und das Rauschen des Meeres zu hören.
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Wickenburgstr. 60, 45147 Essen-Frohnhausen

Samstag, 10. Juni 1995

Aus dem Archiv: Gasthof Brendel

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Seit 2023 betreibt Dirk Brendel das Restaurant „Frau Specht" In Duisburg.

Bewundernswert, mit welche einer kraftvollen Routine zarte Frauenhände Weinflaschen den Hals brechen können. Ein harter Plopp, und der Korken ist draußen, ein kleiner Schuss in den mit Eiswasser gefüllten Kühler, um eventuelle Korkreste auszuspülen, ein kleiner Schuss in die Kellnerin um festzustellen, ob der Wein auch wirklich nicht umgekippt ist (das alles am Serviertisch hinter den Gästen), und dann mit dem charmantesten Lächeln dem Gast ein Pröbchen eingeschenkt, der den guten Tropfen dann fröhlich riecht, beißt und schmeckt und natürlich auch akzeptiert.

Viel zu tun haben die Bedienungen in ihren rustikal karierten Hemden und weißen Schürzen, wenn freitagabends der „Gasthof Brendel“ brechend voll ist. Der ehemalige Rheinhausener Bahnhofsgastätte erfreut sich, seit er unter der Obhut von Dirk Brendel und seiner Frau steht, bei Leuten, die gern gut essen, größter Beliebtheit. Von der ehemaligen Kneipenatmosphäre ist im Gasthof noch viel erhalten, zwanglos geht man hier zu Tisch.

Die Karte passt auf ein DIN-A-4-Blatt, Tagesspezialitäten werden auf Wandtafeln annonciert. Das Angebot ist klassisch und gut, die Portionen geradezu üppig. Die Vorspeisen mögen manchem reichen, um satt zu werden. Der „bunte Salat mit gebratener Geflügelleber“ war ein Gedicht. Schmackhaft auf einander abgestimmt die verschiedenen Salatsorten, pikant gewürzt mit einer feinen Vinaigrette. Und die gebratene Geflügelleber: außen scharf angebraten, innen cremig weich, dass sie auf der Zunge zerging.

Die Portion Schneckensuppe aus dem Tagesangebot wurde uns in einer schüsselgroßen Terrine serviert, als wollten wir den Löffel am Tisch kreisen lassen. Sie schmeckte jedoch so fein und pikant, dass ich sie komplett allein auslöffelte. Als dann der Hauptgang kam, „Ochsenbrust mit Apfel-Meerrettich-Sauce und Rahmwirsing“, wollte ich das zuerst bereuen. Zwei riesige dicke Scheiben gekochtes Fleisch lagen herausfordernd auf dem Teller, Salzkartoffel, Wirsing und die helle, sämige Sauce – doch es wurde alles alle. Selbst in Wien hätte man einen Tafelspitz nicht besser zubereiten können.

Die Weinkarte war sehr umfangreich, aber viele Weine waren aus. Dass wir uns mit den offenen Weinen begnügen mussten, tat aber nichts. Ein leichter Sancerre und ein kräftiger Chianti Classico brachten beste Qualität ins Glas.
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Kaiserstr. 81, 47229 Duisburg-Rheinhausen

Aus dem Archiv: Costa Azzurra

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr. 2024 ging Giovanni Lattarulo in den Ruhestand.


Giovanni Lattarulo ist einer der erfolgreichsten italienischen Gastronomen Duisburgs. Seit über 15 Jahren betreibt er sein rustikal eingerichtetes Ristorante „Costa Azzurra“, seit einiger Zeit auch das spanische Spezialitäten-Restaurant „El Parador“ und einen gemeinsamen Partyservice, über dessen Reklamehandzettel man in der „Costa Azzurra“ nicht hinwegsehen kann.

Vom Mittag bis zum späten Abend bekommt man in der „Costa Azzurra“ hervorragende italienische Gerichte; im Umfeld der großen Bürogebäude hinter dem Duisburger Hauptbahnhof ist so eine lange Öffnungszeit anscheinend lukrativ. Die besondere Aufmerksamkeit der Küche liegt dabei auf dem „frischen Mittelmeerfisch“, wie ein Aufdruck auf der Rechnung informiert. Lachs, Seewolf, Knurrhahn oder Dorade, Scampi und Gamberoni sind je nach Marktlage im Angebot, werden gegrillt oder zu aromatischen Weißwein- oder Sahnesaucen serviert. Auch die Pizze sind nach wie vor empfehlenswert.

Bei unserem Testbesuch überzeugten die pikanten Antipasti, deren kleine Portion man sich nach eigenem Gusto zu schönen Kombinationen zusammen stellen kann. Da gerade Spargelsaison war, gab es selbstverständlich „Gnocchi asparghi“. Die weißen Kartoffelklößchen, der weiße Spargel, die weiße Sahnesauce – zum Hineinsetzen.

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Danziger Str. 26 (Ludgeriplatz), 47057 Duisburg-Neudorf

Aus dem Archiv: Dettmann’s Restaurant

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Ganz so rot wie auf unserem Bild waren beim diesjährigen Testbesuch die Tische in „Dettmann’s Restaurant“ nicht eingedeckt. Das blaue Leinen der Tischdecken machte im Kontrast zu den gelblichen Wänden und den beigefarbenen Verklinkerungen von Kamin, Theke und Durchgängen einen eher biederen Wohnzimmereindruck; gemütlich sitzt man in dem Hotelrestaurant unweit der Duisburger Seenplatte.

Charmant leitet Susanne Dettmann den Service, während ihr Mann Thomas der Chef in der Küche ist. Lange hat er bei dem hochdekorierten Theo Friedrichs im „La Provence“ (TOP TEN Die Edlen) gearbeitet, und manch ein Stammgast schwört auf seine Küche.

In der Tat, was auf der Karte angeboten wird, liest sich gut, deutlich ist ein regionaler Einfluss auszumachen. „Gebratene Entenbrust in Aceto-Balsamico-Sauce mit Wirsing“ zum Beispiel, oder „Spanferkelrücken mit kleinem Semmelknödel an Honig-Altbier-Sauce“. „Schellfisch auf einem Kartoffel-Lauch-Bett mit Senfschaum“ kann man auch als eine edle Variation eines bekannten Freitagsgerichtes aus Mutters Küche bezeichnen.

Und dennoch: Es wurde etwas dick aufgetragen. Aus einer Zucchinisuppe heraus sah einen die dekorative Meeresgetier-Einlage recht lebendig an, und es war schon etwas schwierig, mit dem großen Suppenlöffel das Fleisch aus der kleinen Muschelschale zu löffeln oder aus den kleinen Krebs zu pulen, der mit seinen kräftigen Scheren das Süppchen tapfer bewachte, das ich mir etwas süßer und pikanter hätte vorstellen können.

Auch der Hauptgang war ganz schön heavy. Sicher, für 42 Mark sollte man etwas auf dem Teller verlangen können, aber zwei dicke Kohlrouladen, halb mit Kaninchen und halb mit Taube gefüllt, dazu noch ein gebratener Taubenbollen, ein Stück gefüllte Crêpe-Torte und Gemüse, das war zu viel. Das letzte Stück Taube schmeckte kaum noch, weil es mittlerweile kalt geworden war. Von dem Gericht die halbe Portion und 10 Mark billiger – man wäre satt und glücklich gewesen.

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Kalkweg 26, 47055 Duisburg-Wedau.

Aus dem Archiv: Mühlenberger Hof

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Manfred Schulte iat 2010 verstorben.


„Wat is besser? Stielmus ‚durchenander‘ oder ‚getrennt‘?“ Wenn Manfred Schulte und seine Frau Gisela sich darüber streiten, welche Zubereitungsart des klassischen Ruhrgebietsgemüses die bessere sei, so ist das schon fast eine kleine Kabarettnummer. Ausgerechnet im linksrheinischen Duisburg-Rheinhausen liegt mit dem „Mühlenberger Hof“ der kulinarische Nabel des Reviers. Im letzten Jahr hatte Patron Manfred Schulte das Revier-Kochbuch „Der Pott à la carte“ veröffentlicht und endlich die verschiedenen Küchenströmungen im Schmelztiegel Ruhrgebiet zu einer Regionalküche erklärt. Schultes Motto: Alles, was der Bergmann in seinem Garten gezogen hat, ist Bestandteil dieser Küche, und was er selbst als kreativer Koch damit macht, auch. Denn als gebürtiger Essener ist er ein Kind des Reviers und damit die maßgebliche Instanz.

Auf seiner Speisekarte lesen sich die Gaumenfreuden dann auch wie Mundart-Lyrik: „Salaate aussen Gaaten mitten gebeiztes Entenbrüsken“ oder „Spinatsüppchen mit Markklößkes“ gibt es z.B. als Vorspeisen. „Duett fonnen Hirsch- und Hasenfilet in Holunder“ oder „Halbe Wildente ‚macht unser Omma so‘ und gefüllte Kohlrouladen“ als Hauptgang.

Das „Kohlenpottmenü is ‚ne Überraschung“. Da kommt dann der Küchenmeister persönlich an den Tisch und bestimmt: „Ich sach dir gezz, watte zu essen kriss!“ In unserem Fall sah das dann so aus:

Als Vorspeise gab es ein Kohlrabi-Carpaccio, eine Delikatesse, die man sich nur einfallen lassen muss. Die hauchdünn geschnittenen Kohlrabischeiben, angemacht mit einer milden Vinaigrette, harmonierten vorzüglich mit den gebratenen, warmen Scampi. (Jawohl, die gehören schließlich auch zur Ruhrgebietsküche, denn welcher Kumpel war im Urlaub noch nie am Mittelmeer, hä?)

Die hausgemachten Nudeln mit Sommertrüffeln als zweiter Gang glichen schon fast einer süßen Mehlspeise und bereiteten den Gaumen auf den Hauptgang vor, „Kaninchen à la Schulte“. Das hieß in diesem Fall gebraten und mit verschiedenen gedünsteten Gemüsen angerichtet, hätte aber auch eine „gefüllte Kaninchenkeule auf Mostertsauce mit gefüllten Kohlkugeln in Farben“ sein können, wie der Meister es in seinem Kochbuch empfiehlt. Für den skeptischen Esser sei das Attribut „in Farben entschlüsselt: grün ist der Wirsing und rot der Rotkohl.

Zum Nachtisch gab es dann eine Kreation von Gisela Schulte. Die Konditorin zauberte ihre Spezialität auf den Tisch: „Rübenkrauteis mit Schattenmorellen“, eine wunderbare süß-saure Aroma-Kombination aus rheinischen Zutaten.

Ruhrgebietsküche, das ist in erster Linie eine Frage der Phantasie, und davon haben Manfred Schulte und seine Frau genug. Dass alles handwerklich überzeugend und mit gewinnender Herzlichkeit serviert wird, macht die kleine Reise nach Rheinhausen nur empfehlenswert.

Im Sommer kommt man sich im Hof des kleinen Hotels vor wie in der Toskana oder auf einer spanischen Hacienda. Im Winter kann man es sich im nostalgisch-biedermeierlich eingerichteten Gastraum gemütlich machen

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Hohenbudberger Str. 88, 47229 Duisburg.

Aus dem Archiv: Il Piccolo

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.

Fand sich „Il Piccolo“ im letzten „Ausgehen im Ruhrgebiet“ noch in der TOP TEN Italien alla mamma wieder, so hat das kleine Ristorante, das so unscheinbar in einer noch unscheinbareren Wohnstraße in Duisburg-Hochfeld liegt, den Sprung in die TOP TEN Italien exklusiv geschafft.

Alla mamma wäre sowieso falsch, den „Il Piccolo“ wird nun schon seit 17 Jahren von zwei „Pappas“ geleitet. In der Küche zaubert ildebrando Pais konzentriert und mit grimmigem Blick, während Padrone Alfred Heger mit genauso grimmigem Blick, Kellnerschürze, Pferdeschwanz und Doktor-Caligari-Brille, dafür aber ohne Socken in den Mokassins, den Service „schmeißt“. Lange Wege hat er dabei nicht zurückzulegen, denn die mit allerlei Barockspiegeln und –putten ausstaffierte Gourmethöhle ist, wie der Name schon sagt, nicht groß.

Rühmten wir im letzten Jahr das kleine, aber feine Pizzaangebot und die hausgemachte Pasta, so finden wir diese Gerichte dieses Jahr auf der Karte gar nicht wieder. Das heißt aber nicht, dass man diese Hausmannskost nicht bekommt. Geradezu liebenswert wurde ein junges Pärchen, das anscheinend das erste Mal gemeinsam groß Essen war, in die hohe Kunst der italienischen Pastaküche eingewiesen, als es nach der Lektüre der Speisekarte ganz verschämt fragte, ob es auch Nudelgerichte gebe. Der Padrone schoss gleich eine ganze Batterie von Vorschlägen ab, von Fettuccine mit Krabben und Lachs oder Ravioli mit Steinpilzen über mit Trüffelpatè gefüllte Tortelloni bis hin zur Lasagne. Mit diesem Wort konnte der lukullische Nachwuchs endlich etwas anfangen und meinte, das wolle man haben, und über des Padrones Gesicht huschte ein verständnisvolles Lächeln.

Auch ich wurde von ihm mündlich  überzeugt, als Vorspeise einen Salat aus dem Tagesangebot zu wählen. Es war ein kleines Kunstwerk aus schönem grünem Rucola und schönen grünen Bohnen, garniert mit schönen roten Pfefferkörnern sowie schönen rosa Scampi und angemacht mit einer völlig unsichtbaren, aber umso aromatischeren und betörenden Vinaigrette. Als Hauptspeise wählte ich eine Spezialität des Hauses, die auf der Karte aufgeführten „Sardine Ripiene“, mit Ricotta und Basilikum gefüllte überbackene Sardinen auf Tomatenwürfeln. Diese, um es banal auszudrücken, Fischfrikadellen waren in ihrer Einfachheit ein sinnenbetörendes Erlebnis.

Dazu ein hervorragender sardischer Rotwein, und ich wollte gar nicht mehr gehen. Mittlerweile hatte sich nämlich ein äußerst charmantes Völkchen im „Il Piccolo“ eingefunden, das zu beobachten ungeheuren Spaß machte. Ein Herr über 70, mit dem man ohne Probleme in einem Hollywoodfilm die Rolle eines Malers auf dem Montmartre hätte besetzen können, brachte mit seiner kaum jüngeren Dame mit Strohhütchen, Blümchenkleid und kirschroten Lippen einen Hauch französisch-mediterrane Lebensart ins Haus: mehrere Akademiker diskutierten über die Lage des Massenmedien in NRW; und „Piccolo“-Chef Alfred Heger versuchte durch permanentes Abspielen einer CD mit italienischen Mandolinen-Schnulzen gegen die Deutsch-Pop-Musikanten in der Kneipe im Haus nebenan musikalisch anzutönen.
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Tiergartenstr. 8, 47503 Duisburg-Hochfeld

Aus dem Archiv: La Vigie

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es in dieser Form nicht mehr. Das Restaurant im Hotel "La Vigie" nennt sich heute "Ristorante Belvedere".


Wie sich die Zeiten ändern. Während sich unten die darbenden Arbeiter das tägliche Brot im Schweiße ihres Angesichts verdienen müssen, schlürfen oben die reichen Kapitalisten Austern und Schampus. Dieses Bild, das früher den Klassenkämpfer auf den Plan gerufen hätte, ist im Zeichen des Strukturwandels im Ruhrgebiet Ausdruck für moderne Erlebnisgastronomie. Hoch über dem Duisburger Hafen, im achten Stock eines Hotels, hat man aus den Fenstern des Restaurants „La Vigie“ eines faszinierende Aussicht auf Deutschlands größten Binnehafen und die von der Montanindustrie geprägten Stadt. Allein der gläserne Außenfahrstuhl, die einen in Windeseile nach oben bringt, ist eine Attraktion.

„La Vigie“-Chef Thomas Nentgens und sein Küchenchef André Schröder bringen ein solide deutsche Frischeküche mit französischem Einschlag auf die Tische ihres elegant eingerichteten Restaurants. Eine geschwungene Bar, ein schwarzer Flügel, ein aufwendiger Champagner-Servierwagen versprechen Genuss in edler Atmosphäre.

Von der übersichtlich in „Vorspeisen“, „Suppen“, „Zwischengerichte“, „Fisch- und Fleischgerichte“ sowie Desserts eingeteilten Karte lassen sich schöne Menüs zusammenstellen. Abends gibt der Küchenchef besondere Menüempfehlungen.

Uns überzeugten der „Hausgebeizte Lachs mit Keta-Sauerrahm an Kartoffelplätzchen“ und die gebratenen Bärenkrabbenschwänze am Salatbouquet mit leichtem Knoblauchdressing“ als Einstieg und „Kalbsfilet mit Feigenconfit auf Gorgonzolasauce mit Pistaziennudeln“ und „Entenbrust auf Pflaumenchutney mit Ingwerchampagnerlinsen und Macaré-Kartoffeln“ als Hauptgang. Was sich so imponirenend exotisch liest, schmeckte ganz bodenständig.

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Kasteelstr. 1, 47119 Duisburg-Ruhrort

Freitag, 9. Juni 1995

Aus dem Archiv: Da Raffaele

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.
Der Besuch musste aus Termingründen am ersten Tag nach der Sommerpause stattfinden , als sich die Restaurantcrew noch nicht wieder auf den Arbeitsalltag eingestellt hatte.


Um den Radiospot eines Großoptikers abzuwandeln: Es gehört nicht viel dazu, sich viel Geld einzustecken, ins „Da Raffaele“ nach Dortmund zu fahren und italienisches dolce vita zu verlangen. Das Ambiente der Villa der langen Wittbräucker Straße passt glänzend zu ihren Gästen mit den italienischen Designerbrillen. Die Wände sind aufwendig postmodern marmoriert (was ungemein gut zu den Wasserflecken in der Herrentoilette passt – oder ist da dem Innenarchitekten nur ein überwältigender Realismus gelungen?) und von kleinen Halogenstrahlern erleuchtet, die mit neckischen Stofffetzen beschirmt sin, die an zerrissene Damenstrümpfe erinnern. Eng stehen die Tische beieinander, der Kellner trällert italienische Volksweisen. Links plaudern zwei Damen mit Brigitte-Frisur und Schneider-Kostümchen miteinander, links turtelt ein verliebtes Pärchen Anfang vierzig, auf dass das karrierebedingte Singledasein wenigstens für den heutigen Abend vergessen wird. Man ist angestrengt heiter, und ich kann nur sarkastisch werden.

Dabei hatte ich mich doch, wie anscheinend alle anwesenden Gäste, auf das Ende der Sommerferien und den Besuch des wieder geöffneten „Da Raffaele“ gefreut. Immerhin stand das Lokal im letzten „Augehen im Ruhrgebiet“ in der TOP TEN Italien exklusiv auf Platz 3, und das schien eine freudige Erwartung durchaus angesagt, Und dennoch geriet der Abend aus den Fugen, denn die Küche schien mit der Vorfreude der Gäste nicht fertig zu werden.

Um es kurz, aber herzlos zu machen: Der „warme Scampi-Salat mit Linsen“ war kaum angemacht; erst, als ich die Linsen beiseite geschaufelt hatte, kam eine Lache Aceto Balsamico zum Vorschein. Der „Meeresfrüchtesalat“ bestand zu 94 Prozent aus sauer eingelegten Tintenfischringen, die in ihrer mächtigen Anhäufung kaum zum Verzehr anregten. Über das „Kalbsfilet in Honigsauce mit Nudeln und Gemüse“ gab’s nicht viel zu meckern, höchstens, dass die Sauce schon ziemlich faltig war – doch das möchte ich der Konsistenz des Honigs zuschreiben. Die Champagnersauce zum Lachsfilet hingegen hatte ein richtige Haut – sie war schlichtweg kalt, während der Fisch lauwarm war und jedes Aroma verloren hatte. Warum diese beiden Mahlzeiten mit ein, zwei Gläschen Wein, Nachtisch und Kaffee knapp 200 Mark kosteten, weiß ich nicht.

Kiebitzige Blicke an die Nebentische verstärkten den frustrienden Eindruck. Die beiden Damen stocherten lustlos in ihren Salaten herum und bemerkten erst, als die eine fragte: „Schmeckt‘s dir überhaupt?“, dass sie eigentlich zum Essen hergekommen waren – dabei sollte man in einem guten Restaurant doch über dem Essen das Reden vergessen. Der Frischverliebte auf der anderen Seite fühlte sich sogar animiert, vor seiner Freundin den Larry rauszulassen und wegen ihres laff gewürzten Nudelteller die Lautstärke im Lokal mit einem noch lauteren „Pfeffer!“ zu übertönen, worauf der Kellner flugs mit einer überdimensionalen Designer-Pfeffermühle kam, aber leider das falsche Gericht bepfefferte.

Musste das alles sein? Mit lockerer Lebensfreude hatte das nichts zu tun.

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Wittbräucker Straße 789, 44265 Dortmund

Aus dem Archiv: Il Golfo

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.

Es war der Prominetentipp des Dortmunder Filmprofessors Adolf Winkelmann aus dem letzten „Ausgehen im Ruhrgebiet“, der uns in die traditionsreiche Pizzeria „Il Golfo“ lockte. Der Tipp war ausgezeichnet.

So gar nicht dem Straßennamen gemäß, säumen graue Häuser im Stil des sozialen Wohnungsbaus der 50-er Jahre das enge, gassenartige Rosental am Rande der Dortmunder Innenstadt. Eher düster wirkt dann auch der mit roten Ziegelklinkern verkleidete Inneraum von „Il Golfo“. Tonnenartige Gewölbenischen erinnern eher an Bergwerksstollen als an den sonnigen Golf von Neapel – eine der Nischen wird konsequenterweise auch als kleiner Weinkeller genutzt, in dem die roten und weißen Tropfen, die man sich allerdings genaustens empfehlen lassen sollte, kühl und dunkel lagern. Doch sobald die Speisen auf dem Tisch stehen, wird es einem glücklich um Zunge, Magen und Gemüt.

Die Batterie von 16 Pizze, die die Karte ausweist, ist ein Tribut an den Massengeschmack, ohne den ein italienisches Restaurant in einer Ruhrgebietsstadt nicht existieren kann – gelungen und empfehlenswert sind sie allemal. Mit weit mehr Enthusiasmus widmet sich die Küche um „Il Golfo“-Chef N. Gargiulo den frischen Pasta-, Fisch- und Fleischgerichten. Die Karte wechselt häufig, so dass sie mit dem Datum versehen wird.

Die Nudeln sind selbstverständlich hausgemacht, und da sollte man der Auswahl des Küchenchefs vertrauen. Zur Zeit unseres Besuches gab es z.B. keinerlei gefüllte Teigwaren, sondern Fusilli, Farfalle und – als besondere Spezialität – Linguine, eine besondere Art der Bandnudel. Die Empfehlung „Linguine all vongole“ konnte getrost gefolgt werden. Leicht und locker kamen die Nudeln mit den Venusmuscheln und den pikant komponierten Kräutern daher.

Rucola, die nussig-scharfe italienische Salatspezialität, in Deutschland auch unter dem Namen Rauke bekannt, war in vielerlei Variationen auf der Karte bestimmend, als Salatteller mit Tomaten und Mozzarella („einfach aber hinreißend“, so mein Testeindruck), als Bestandteil von „Linguine con rucola e gamberi“, als Beilage zum Rumpsteak. Der „Insalata pastorella“, ein gemischter Salat mit Thunfisch, Schafskäse und Oliven überzeugte durch seine liebvolle Mischung. Fenchel findet man nicht immer in gemischten Salaten.

Höhepunkt des Essens war zweifellos „Coniglio alla sorrentina“, eine butterzarte Kaninchenkeule in Tomatensauce geschmort. Die Aromen und Düfte der Kräuter hallten in dem dunklen Sitznischen-Gewölbe geradezu akustisch wider.
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Dortmund-City, Rosental 12
Fon 0231. 57 12 75
täglich 12-15 & 17.30-1 Uhr
http://www.ilgolfo.de/ristorante.html

Aus dem Archiv: Wenkers Brauhaus Krone am Markt

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.

Seit die Kronenpassage fertig ist, hat der Markt in Dortmund deutlich gewonnen. Im Sommer ist er das Biergartenzentrum der Innenstadt mit „Krone am Markt“ und Am Alten Markt“ befinden sich dort zwei Lokale, in denen sich die Bierbrauer-Tradition der Westfalenmetropole manifestiert.

Mit seinen hölzernen Falttüren macht das „Brauhaus Krone am Markt“ von außen fast den Eindruck eines französischen Bistros, innen ist jedoch alles auf Hopfen und Malz ausgerichtet. Sicherlich, das helle Holzmobiliar scheint von der Folklore-Ausstattungsstange der Systemgstronomie zu stammen, aber viele hübsche Details rund um die beiden kupfernen Braukessel verraten individuellen Geschmack. Ausgestopfte Fasane tummeln sich zwischen Getreidegarben und getrockneten Kornblumen.

Die Bierspezialität, die im Brauhaus ausgeschenkt wird, ist „Wenker’s Naturtrüb“, benannt nach dem Dortmunder Braumeister Heinrich Wenker, der von 1825 bis 1905 lebte. Zu diesem Gerstensaft wird allerlei ur-deutsches Ethno-Food gereicht. Allerdings durchaus frisch zubereitet. „Aus Pott und Pann“ oder „Aus dem Suppentopf“ heißen die entsprechenden Kategorien auf der Speisekarte. „Dicke Bohnen mit Bratkartoffeln“, „Speckpfannkuchen“, „Wenker’s Rosenkranz“ sind ein Tribut an die deftige Dortmunder Kochkunst. Vegetarisch eingestellte Biertrinker kommen bei einer „Gemüsepfanne“ oder frischen Salaten auf ihre Kosten.

Ich labte mich an „Schweinshaxe in Biersauce mit Sauerkraut“ , eine Mahlzeit, die nicht nur fünf Minuten nach der Bestellung auf dem Tisch war, sondern mit 15,80 DM auch eine Qualität bot, die nichts zu wünschen übrig ließ.
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Betenstraße 1, 44137 Dortmund
Fon 0231. 52 75 48
täglich ab 11 Uhr, durchgehend warme Küche
https://wenkers.de/

Aus dem Archiv: La Botte

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Die Tische im Ristorante „La Botte“ stehen in diesem Jahr etwas anders, deshalb hat man etwas mehr Platz in der sich über zwei Etagen erstreckenden Pizzeria. Der Staub auf den Flaschen des Rotweinregals indes verheißt Kontinuität in Ambiente und Küchenleistung. Im letzten Jahr sahen wir hier viele Italiener essen; die mochten diesmal ihre Sommerferien in Bella Italia verbringen, wahrscheinlich war es da kühler. Stattdessen feierte am Nebentisch unter dem Mannschaftsfoto von Borussia Dortmund eine Damengruppe anscheinend ihre Teilnahme am Claudia-Nolte-Lookalike-Contest. Die Damen hatten sich wahrlich kein schlechtes Lokal ausgesucht.

Dass der Kellner schlicht und einfach vergaß, unseren Wunsch nach dem gemischten Vorspeisenteller, der uns letztes Jahr in schieres Entzücken versetzt hatte, an die Küche weiterzuleiten und gleich mit den Hauptgerichten ankam: geschenkt. Schließlich war es der schwülste Tag des Jahres, und der Gewitterblitz hatte gerade in einem benachbarten Dortmunder Stadtteil ein Gotteshaus in Brand gesteckt. Das haut auch einen hitzegewohnten Italiener um. Dass er er uns partout nicht die Weinkarte bringen wollte, auf die die Speisekarte so nachdrücklich hinwies, sondern gleich eine zimmerwarme Flasche Chianti Riserva hinstellte, die uns wie Glühwein durch die Kehle rann und dann - welch Überraschung! – mit glatten 50 Mark zu Buche schlug: egal, ging ja auf Spesen.

Bei allem klimatischen Unbill: Das Essen war wieder ausgezeichnet. Pizza, Pasta und Salate überließen wir den Damen nebenan: so enthemmt, wie sie plauderten, mussten sie aphrodisiakisch gut sein. Wir widmeten uns im Schweiße unseres Angesichts dem „Lachs in Champagnersauce“ und dem „Kalbskotelett auf provençalische Art“ und wurden Bissen um Bissen glücklicher. Wenn der Lachs nach Lachs schmeckt, selbst wenn es sich um Zuchtlachs handelt, dann kann man der Küche für die Zubereitung dieses zum Allerweltsgericht mutierten Edelfischs nur gratulieren. Und das Kalbskotelett, in Tomaten mit Rosmarin und Knoblauch geschmort und mit aromatischen Oliven garniert, erwies sich als die zarteste Versuchung, seit es lila Rindviecher gibt. Zum Abschluss brachten dann die gepfefferten Erdbeeren die innere und äußere Hitze in Einklang.

Unser Urteil: „La Botte“ hat den Hitzetest bestanden.
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Beurhausstr. 21, 44137 Dortmund