Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Seitdem hat die Gastronomie viele verschiedene Phasen durchgemacht. Heute (2025) firmiert das Restaurant im Schlosshotel Hugenpoet unter dem Namen „1831“.
Ein kurzer, flüchtiger Augenblick. Die Tische im Bankettsaal sind abgedeckt, wahrscheinlich seit gestern Abend, nach dem großen Bankett. Die Holzdielen erholen sich von den Tritten der Gäste und Kellner, das Fenster steht offen, um den Dunst von Zigarren und Rotwein entfliehen zu lassen, und gibt den Blick frei auf den Schlosspark, so, als hinge da ein Gemälde von William Turner an der Wand. Ein Bild, zum Sterben schön.
„Das ist also der hässlichste Ort des Ruhrgebiets“, meint Jürgen Neumann, seit 35 Jahren noch immer Chef von „Schloss Hugenpoet“, mit spitzer Ironie und hat nur vernichtende Worte für die journalistische Zunft der Restaurantkritiker übrig. In der Tat, im letztjährigen „Ausgehen im Ruhrgebiet“ hatte unser Tester mit deftigen Worten seiner Frustration darüber Luft gemacht, dass nach seiner Ansicht bei Hugenpoets auch nur mit Wasser gekocht wird. Und auch in den bundesweit erscheinenden renommierten Gastroführern hat das Haus mit der Zeit seine Dekorationen verloren. Die Antwort darauf, so scheint es, gibt Jürgen Neumann selbst, wenn er mit Stolz erklärt, täglich bis zu „200 Couverts“ ausgeben zu können, wenn das Hotel ausgebucht ist, ein Festbankett stattfindet und noch Gäste kommen, sie à la carte speisen wollen. Dass bei dieser Anzahl von Essen, die mit einer Betriebskantine konkurrieren kann, eher rationell als kreativ gearbeitet werden kann, liegt auf der Hand.
„Schloss Hugenpoet“ ist zweifellos das großbürgerlichste Haus im Ruhrgebiet. Als der Weltwirtschaftsgipfel in Essen stattfand, wurde dort getafelt, die Spitzen der Revier-Wirtschaft und –Politik pflegen in dem Barockschloss ihre Festlichkeiten auszutragen. Entsprechend sind die Preise, schließlich will so ein Schloss erhalten werden. Repräsentativ bis zur Einschüchterung ist die Atmosphäre im Haus, und das mag auch der Grund sein, warum ein Besuch im Restaurant eher spaltet als versöhnt und sich der ein oder andere dazu provoziert fühlt, den Klassenkampf mit Messer und Gabel auszutragen. „Warum kann der Deutsche nicht einfach genießen?“, wundert sich Neumann.
Allein die Weinkarte ist ein regelrechtes Buch und weist 500 Positionen auf, die zu kommentieren mir schwerfallen würde. Werfen wir also einen Blick auf das Menü: „Perlhuhnterrine an sommerlichen Salaten mit Quittengelee“, „Gebratene Gänseleber auf Apfelkonfit“, „Gefüllte Seezunge mit Krebsen und Rieslingsauce“, „Entrecôtescheiben rosa gebraten, Kräutersauce, Bohnengemüse, Lyoner Kartoffeln“, „Fränkischer Weinkäse“ und „Vanilleparfait mit frischen Erdbeeren“, diese Zusammenstellung hat ihr Niveau. Das getestete „Lammrückenfilet mit Olivenkruste“ war tadellos, genauso wie das „Millefeuille von Gänseleber in Tokajergelee“, eine handwerklich wie geschmacklich gelungene Gänseleberkreation. Bei einem Fischgericht – war es „Gebratener St. Pierre auf Limonen-Paprika-Vinaigratte“ oder „Sautierte Seezungenstreifen mit Artischocken und Tomaten“? – schienen mir die einzelnen Fischstücke unterschiedlich gar und gewürzt. Bei „Kaninchenrücken mit Gambas gefüllt auf Tomatennudeln“ konnte mich das Fleisch begeistern, während ich die Sauce zu den Nudeln zu sehr in Richtung Bratenfonds und zu wenig in Richtung Tomaten interpretiert fand.
Jürgen Neumann, ein Unternehmer der alten Schule, bildet selbstverständlich aus. So wurden bei unserem Testbesuch unter der sachkundigen Anleitung des Oberkellners zwei Azubis auf uns losgelassen, die zwar tapfer und aufmerksam ihren Dienst versahen, die Genussfreude aber leider nicht steigerten. Die spannende Frage war: Kann ein Azubi den berühmten Klecks Sahne auf den Teller mit der „Krebssuppe mit kleinen Klößchen und Gemüseperlen“ locker aus dem Handgelenk platzieren, ohne dass die Suppe spritzt und einem die weiße Hose bekleckert? Er konnte.
Seitdem hat die Gastronomie viele verschiedene Phasen durchgemacht. Heute (2025) firmiert das Restaurant im Schlosshotel Hugenpoet unter dem Namen „1831“.
Ein kurzer, flüchtiger Augenblick. Die Tische im Bankettsaal sind abgedeckt, wahrscheinlich seit gestern Abend, nach dem großen Bankett. Die Holzdielen erholen sich von den Tritten der Gäste und Kellner, das Fenster steht offen, um den Dunst von Zigarren und Rotwein entfliehen zu lassen, und gibt den Blick frei auf den Schlosspark, so, als hinge da ein Gemälde von William Turner an der Wand. Ein Bild, zum Sterben schön.
„Das ist also der hässlichste Ort des Ruhrgebiets“, meint Jürgen Neumann, seit 35 Jahren noch immer Chef von „Schloss Hugenpoet“, mit spitzer Ironie und hat nur vernichtende Worte für die journalistische Zunft der Restaurantkritiker übrig. In der Tat, im letztjährigen „Ausgehen im Ruhrgebiet“ hatte unser Tester mit deftigen Worten seiner Frustration darüber Luft gemacht, dass nach seiner Ansicht bei Hugenpoets auch nur mit Wasser gekocht wird. Und auch in den bundesweit erscheinenden renommierten Gastroführern hat das Haus mit der Zeit seine Dekorationen verloren. Die Antwort darauf, so scheint es, gibt Jürgen Neumann selbst, wenn er mit Stolz erklärt, täglich bis zu „200 Couverts“ ausgeben zu können, wenn das Hotel ausgebucht ist, ein Festbankett stattfindet und noch Gäste kommen, sie à la carte speisen wollen. Dass bei dieser Anzahl von Essen, die mit einer Betriebskantine konkurrieren kann, eher rationell als kreativ gearbeitet werden kann, liegt auf der Hand.
„Schloss Hugenpoet“ ist zweifellos das großbürgerlichste Haus im Ruhrgebiet. Als der Weltwirtschaftsgipfel in Essen stattfand, wurde dort getafelt, die Spitzen der Revier-Wirtschaft und –Politik pflegen in dem Barockschloss ihre Festlichkeiten auszutragen. Entsprechend sind die Preise, schließlich will so ein Schloss erhalten werden. Repräsentativ bis zur Einschüchterung ist die Atmosphäre im Haus, und das mag auch der Grund sein, warum ein Besuch im Restaurant eher spaltet als versöhnt und sich der ein oder andere dazu provoziert fühlt, den Klassenkampf mit Messer und Gabel auszutragen. „Warum kann der Deutsche nicht einfach genießen?“, wundert sich Neumann.
Allein die Weinkarte ist ein regelrechtes Buch und weist 500 Positionen auf, die zu kommentieren mir schwerfallen würde. Werfen wir also einen Blick auf das Menü: „Perlhuhnterrine an sommerlichen Salaten mit Quittengelee“, „Gebratene Gänseleber auf Apfelkonfit“, „Gefüllte Seezunge mit Krebsen und Rieslingsauce“, „Entrecôtescheiben rosa gebraten, Kräutersauce, Bohnengemüse, Lyoner Kartoffeln“, „Fränkischer Weinkäse“ und „Vanilleparfait mit frischen Erdbeeren“, diese Zusammenstellung hat ihr Niveau. Das getestete „Lammrückenfilet mit Olivenkruste“ war tadellos, genauso wie das „Millefeuille von Gänseleber in Tokajergelee“, eine handwerklich wie geschmacklich gelungene Gänseleberkreation. Bei einem Fischgericht – war es „Gebratener St. Pierre auf Limonen-Paprika-Vinaigratte“ oder „Sautierte Seezungenstreifen mit Artischocken und Tomaten“? – schienen mir die einzelnen Fischstücke unterschiedlich gar und gewürzt. Bei „Kaninchenrücken mit Gambas gefüllt auf Tomatennudeln“ konnte mich das Fleisch begeistern, während ich die Sauce zu den Nudeln zu sehr in Richtung Bratenfonds und zu wenig in Richtung Tomaten interpretiert fand.
Jürgen Neumann, ein Unternehmer der alten Schule, bildet selbstverständlich aus. So wurden bei unserem Testbesuch unter der sachkundigen Anleitung des Oberkellners zwei Azubis auf uns losgelassen, die zwar tapfer und aufmerksam ihren Dienst versahen, die Genussfreude aber leider nicht steigerten. Die spannende Frage war: Kann ein Azubi den berühmten Klecks Sahne auf den Teller mit der „Krebssuppe mit kleinen Klößchen und Gemüseperlen“ locker aus dem Handgelenk platzieren, ohne dass die Suppe spritzt und einem die weiße Hose bekleckert? Er konnte.
-kopf
August-Thyssen-Str. 51, 45291 Esasen-Kettwig
Fon 02054/12040
Restaurant 1831: Mi-Sa 18-23 Uhr
https://www.hugenpoet.de/
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