Wie kommt es, dass eine Frau, die am 1. März 1801 in Wengern an der Ruhr geboren wurde und am 3. April 1876 in Dortmund starb, mit so wenig Enthusiasmus fürs Ruhrgebiet reklamiert wird? Schließlich ist ihr 1845 erschienenes „Praktische Kochbuch“ eine Pionierleistung für die moderne Küche, genauso wie der nahtlose Stahlreifen von Friedrich Krupp für die Stahlindustrie.
Es mag vielerlei Gründe dafür geben. Zu Davidis‘ Zeiten gab es den Begriff Ruhrgebiet noch gar nicht, man sprach höchstens vom „rheinisch-westphälischen Industriebezirk“. Und häufig wird ja auch bestritten, dass es überhaupt eine Ruhrgebietsküche gibt. Zu jung scheint die Region zu sein, zu entwurzelt von Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion, als dass man eine eigenständige kulinarische Tradition wahrnehmen könnte. Doch das heißt ja nicht, dass es sie nicht gibt. Die Ruhrgebietsküche ist nur moderner, oder besser gesagt, dialektischer als die traditionellen Küchen und deswegen nicht so einfach zu fassen. Sie ist eine Metropolenküche, deren Haupteigenschaft der rasante Wandel ist, basierend auf den Produkten der Arbeitergärten und den Kochtraditionen des Rheinlands und Westfalens sowie der Einwanderer aus Polen, Italien, der Türkei und anderen Ländern. Einfach, unkompliziert und sättigend muss sie sein, sprich ökonomische herzustellen.
Und genau hier treffen sich Henriette Davidis und die Ruhrgebietsküche. Die Pfarrerstochter war nämlich in erster Linie Hauswirtschaftslehrerin, und das in ihrem „Praktischen Kochbuch“ zum Ausdruck gebracht zu haben, ist ihr großer Verdienst. Dass ihre Adressatin die bürgerliche Hausfrau war, tut dabei nichts zur Sache. Die Frauen der Kumpels hatten das ökonomische Kochen nur schon längst drauf. Für den Genießer ist klar: Henriette Davidis „Praktisches Kochbuch“ ist das Kochbuch zur industriellen Revolution, und damit ist sie die „Mutter der Ruhrgebietsküche“.
Zu lesen ist das „Praktische Kochbuch“ hier.
Zur Internetseite des „Henriette Davidis Museum“ in Wetter-Wengern geht es hier.
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Sehr schön, hätte auch noch länger lesen können, bau das doch zu einem Essay aus...
AntwortenLöschenSteht alles länger (und etwas anders gewichtet) im "Manifest zur Ruhrgebietsküche".
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