Sonntag, 31. Mai 2020

Pfingst-Vergnügen: Zitronen-Orangen-Carpaccio mit gebratenen Butter-Sardinen

Enthält unbezahlte WERBUNG für Wein und Sardinen.

Die Rezepte in der Süddeutschen Zeitung sind immer sehr inspirierend, und die Idee für ein Zitronencarpaccio mit Sardinen, Gurken und Fenchel (klick hier) fand ich so bestechend, dass ich es gleich ausprobieren musste. Doch ich wollte keine frischen Fische dazu braten, sondern die wunderbaren mit Butter eingedosten Sardinen, die ich aus der Bretagne kannte. Auch fand ich Zutatenliste etwas überladen, und so beschloss ich, auf den zerzupften Mozzarella zu verzichten.

 Zedratzitrone aus Amalfi und Bitterorange aus Sizilien

Fenchel und Gurke fand ich hingegen ziemlich passend, denn ich hatte das Glück, neben Zedratzitronen von der Amalfiküste (genau: jene, aus denen dort der Limoncello hergestellt wird) und Bitterorangen aus Sizilien (genau: jene, aus denen die Engländer ihre Orangenmarmelade machen) zu bekommen. Und da ist der Fenchel eine unübertroffen Ergänzung, während die Gurke gebraucht wird, um die Bitternote der Zitrusschalen, die mitgegessen werden, elegant abzumildern. Und etwas Zwiebelwürze schadet auch nichts.

Erbstück Elektromesser im 70er-Jahre-Design

Die „kochtechnische“ Herausforderung dieses Gerichts ist es, die Zutaten in wirklich hauchdünne Scheiben zu schneiden. Während das bei Gurke und Zwiebel mit der Mandoline mühelos gelingt, bieten die harten Schalen der Zitrusfrüchte aber ziemlichen Widerstand. Und gerade hier ist die die durchscheinende „Dünne“ unumgänglich, sonst schmeckt die Schale nicht. Ein gutgeschliffenes langes Messer ist da die erste Wahl, doch der trickreiche Genießer griff auf ein altes Erbstück zurück, ein auch noch nach langen Jahren voll funktionsfähiges Elektromesser im chicen 70-er-Jahre Design. Damit fabrizierte er die schönsten kompletten Sonnenscheiben.

 Buttersardinendose im Kreise der Zutaten

Die Buttersardinen bereitete ich ganz nach Vorschrift zu. Die geschlossene Dose badete ich eine Zeitlang in heißem Wasser, damit die darin enthaltene Butter flüssig wurde und kippte die dann mitsamt der vier schönen Sardinen in eine Pfanne. Die Sardinen bestreute ich mit einer Prise Paniermehl und briet sie leicht knusprig braun.

Ein legendärer Rosato aus Süditalien

Heraus kam bei der ganzen Sache ein wunderbar fruchtig-säuerlicher Salat, der das südliche Mittelmeer auf den Balkon des Genießers brachte. Dazu schmeckte dann auch ein entsprechender Wein. Der „Five Roses“ aus dem Salento gilt als der erste Rosato aus Italien. Marchese de Castris kreierte ihn der Legende nach für einen amerikanischen General, der während des zweiten Weltkriegs in seinem Schloss einquartiert war.





Rezept: Zitronen-Orangen-Carpaccio mit gebratenen Butter-Sardinen
Ergibt 2 Vorspeisen-Portionen

1-2 kleine Bio-Zitronen, vorzugsweise Zedratzitronen von der Amalfiküste
1-2 kleine Bio-Orangen, vorzugsweise Bitterorangen aus Sizilien
½ Fenchelknolle mir Grün
Saft einer Orange
1 rote Zwiebel
½ Schlangengurke
1 Dose Sardinen in Butter mit 4 Sardinen
1 Prise Semmelbrösel
1 EL grob gehackte Pistazienkerne, vorzugsweise aus dem sizilianischen Bronte
Olivenöl
Fleur des Sel
Pfeffer aus der Mühle

Zwiebel schälen, Fenchel und Gurke gründlich waschen. Zitronen und Orangen mit kochend heißem Wasser abwaschen, anschließend noch einmal mit Wodka oder anderem hochprozentigem Alkohol abreiben.
Fenchel in 5 mm große Würfel schneiden und mit Orangensaft marinieren. Zwiebel und Gurke auf der Mandoline fein hobeln. Zitronen und Orangen mit einem scharfen Messer oder einem Elektromesser in hauchdünne Scheiben schneiden. Dabei müssen sie nicht unbedingt ganz bleiben, wichtiger ist, dass sie wirklich dünn sind. Alle Zutaten auf getrennten Tellern zwischenlagern.
Pistazien und Fenchelgrün hacken.
Geschlossene Dose mit Buttersardinen mit heißem Wasser begießen und etwas warten, damit die Butter in der Dose flüssig werden kann. Dose öffnen und den Inhalt in eine Pfanne geben. Sardinen mit einer Prise Semmelbrösel bestreuen. Sardinen braten, bis sie eine leichte Bräunung annehmen.
Zum Anrichten Zitronen-, Orangen-und Gurkenscheiben auf flache Teller geben. Fenchelwürfel darübersteuen. Alles mit dem Orangensaft des Fenchels und etwas Olivenöl beträufeln und etwas ziehen lassen. Die gebratenen Sardinen darauf legen und Zwiebelringe darauf verteilen. Mit etwas Fleur de Sel und Pfeffer aus der Mühle bestreuen. Mit gehackten Pistazien und Fenchelgrün garnieren.

Geht auch mit Ölsardinen.

Freitag, 29. Mai 2020

Nelson Müller in Essen-Rüttenscheid: Ein Jahr „Schote“ am neuen Standort, sechs Jahre „Müllers auf der Rü“ und erneut ein Michelinstern

Mummenschanz: Trotz grimmiger Corona-Masken empfangen
Nelson Müller und sein Team die Gäste charmant und herzlich.

Fast hätte es Nelson Müller im Corona-Dilemma vergessen. Im diesjährigen Mai konnte der TV-Koch gleich mehrere Jubiläen feiern. Seit sechs Jahren betreibt er am Rüttenscheider Stern im gleichnamigen Essener Stadtteil sein Bistro „Müllers auf der Rü“, und ein Jahr ist es jetzt her, dass er mit seinem Michelin-besternten Restaurant „Schote“ in die gleichen Räumlichkeiten zog. „Trotz der Lockerungen im Corona-Shutdown hätten wir das sowieso nicht mit einer großen Party feiern können“, meinte Nelson bei einem kleinen Empfang für ein paar ausgesuchte Pressevertreter. Auch gab es keine großartigen Feierlichkeiten zur Verleihung der diesjährigen Michelinsterne. Die Plaketten zu der begehrtesten Auszeichnung in der Gastronomie wurden diesmal ganz einfach per Post verschickt.

 Herr Müller auf der Rü:
Auch 2020 gibt es einen Michelin-Stern für die "Schote".

Dabei hätte der Umzug der „Schote“ aus der Emmastraße (klick hier) an den Rüttenscheider Stern dem Restaurant durchaus den Michelinstern kosten können, doch die Tester waren nach wie vor von der Küchenleistung überzeugt. „Die Verlagerung des Restaurants war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte“, freut sich der vielbeschäftigte TV-Koch. Das Pendeln zwischen den beiden Lokalen sei früher immer sehr anstrengend gewesen, betont er. Dazu noch sein umfangreiches Fernsehengagement, das ihn häufig zu Dreharbeiten verpflichtet. „Jetzt schaffe ich es viel besser, trotzdem so gut wie jeden Abend in den Restaurants zu sein“, erklärt Nelson.




Seit einem Jahr am neuen Standort: Restaurant "Schote"

Dass das alles so wunderbar klappt, liegt nicht zuletzt an seiner 25-köpfigen Crew, allen voran Küchenchef Christofer Kokoszka, Sommelier at large Justin Leone und sein Nachfolger David Baumann sowie Restaurantchefin Katrin Lohmann. 36 Plätze in der Brasserie „Müllers auf der Rü“ mit ihrer hochwertigen Hausmannskost, 36 Plätze in der „Schote“ mit ihren aufwendigen Gerichten, ein Imbiss und eine geplante Tagesbar erfordern engagierten Einsatz. Vorbereitet werden die Gerichte in einer Küche im Untergeschoss, fertig gekocht und vom Chef abgenommen werden sie in einer Showküche inmitten der Gäste. Der neuste, aus der Corona-Not geborene Hit sind die die Genussboxen, die Leckereien für Zuhause enthalten und deutschlandweit ausgeliefert werden.

Nelson und sein Küchenchef Christofer Kokoszka

Dass die lässige Truppe trotz grimmiger Corona-Maskierung die Läden mit Charme und Herzlichkeit schmeißt, konnten der Genießer und seine Kollegen dann an einem langen Abend in der „Schote“ erleben. Nelson und Küchenchef Christofer ließen fast alle Gänge ihres derzeitigen Sterne-Menüs auffahren. Erwartet hatten wir ein paar Probierhäppchen. „Doch wir haben aber so viel Lust am Kochen, das wir gleich das ganze Programm auffahren wollten", lachte Nelson übers ganze Gesicht. Einen besonderen Kick lieferte die Weinbegleitung von Sommelier Justin, der aus dem Münchener Gourmettempel „Tantris“ nach Rüttenscheid gekommen ist. Eigentlich ist er in der Musikszene zu Hause, und so vergleicht er die Weine gern mit den stilistischen Eigenschaften klassischer Rock-Größen.


Schenkten ein: Sommelier at large Justin Leone,
der die neue Weinkarte schrieb, ...

...und sein Nachfolger David Baumann.


Die Gänge selbst hatten natürlich, wie konnte es anders sein, Sterne-Niveau. Mit höchstem handwerklichen Aufwand und z.T. filigraner Präzision waren die verschiedensten Komponenten zusammengesetzt, Saucen wurden meist er ganz zum Schluss dazu gegossen. „Ich tue mich immer schwer, meinen Stil auf einen einfachen Nenner zu bringen“, gesteht Nelson. „Ich würde sagen, es sind klassisch französische und deutsche Wurzeln mit mediterranem Einschlag, modern interpretiert“, erklärt Nelson, „wenig asiatisch.“ Der Genießer würde sagen, es ist bei aller Raffinesse eine sofort zugängige, farbenfrohe Popküche, die auf einer fast konservativen Basis steht.

Das Sterne-Menü aus der „Schote“ 


Sylter Brot von Bäcker Gaues
mit Frankfurter Sauce und Gesalzener Butter
unter einer signierten Oblate als Aufstrich.




Kleinigkeiten vorweg
Nachgebautes Ei | Cornetto im Hackfüllung |
Spargelspitzen in essbarer Erde


Einstimmung
Graupenrisotto | Schnittlauchblüten | Gebackenes Kalbsbries | Kalbszunge 
Graupensuppe, nicht wie bei Oma


Terrine und Essenz vom Kaninchen
Gänseleber | Frankfurter Sauce | Alblinsen | Löwenzahn
Gewürztraminer Orange by Nature, Nahe
Vorn auf dem Brioche ist Aprikosengelee.
Klassisch, filigran und dennoch bodenständig


Zur Terrine gab es noch eine
kräftige Brühe als Shooter.


Konfierter Kabeljau
Lauwarmer Nudelsalat mit Bohnenragout Sepia | Gulaschsud
Recanati Roussanne/Marsanne, Israel
Ein paprikalastiger Gulaschsud als Sauce zum Fisch. Lustig: Die Tigerenten-Nudeln obendrauf. Stehen in einem von Nelsons Kochbüchern.


Sautierter Steinbutt
Yuzubéchamel | Pommes Souflées | Stauder
Sauvignon blanc Zeitspiel2, Südsteiermark 
Küchenintern auch Fish'n'Chips genannt. Herrliche Biersauce. Ein Favorit des Genießers. 


Kartoffel Ravioli
Frühlingstrüffel | Mimolette | Trauben | Bio Ei
Chardonnay Wild Yeast, Südafrika 
Noch ein Favorit des Genießers. Er verspürte den unwiderstehlichen Drang zur Zweitnudel. Mimolette heißt der Käse, aus dem das knusprige Sptzendeckchen hergestellt wurde, das den Raviolo abdeckt. Der war mit wachsweichem Eigelb gefüllt.


Crépinette vom Stubenküken
Erbsen und; Möhren | Erdnussjus | Couscous Crusta Nova Garnele
Tondonia »Viña Gravonia« Blanco Crianza, Rioja
Der Mama-Klassiker Erbsen und Möhren, mit einer lila Urkarotte elegant interpretiert, traf in Garnelen-Couscous und Erdnusssauce auf einen Gruß aus Nelsons Geburtsland Ghana.


Heißer Sud wurde über Couscous
und Garnelen gegossen,
die in der Kokotte gar zogen.

Zwischengang
Tacos mit Popcorn und Avocado
Albariño do ferreiro, Rias Baixas 



US Roastbeef
Geschmorte Mairübchen | Zwiebelconfit Sauce Bourguignonne
Nebbiolo Chiara Boschis, Langhe 
Und noch ein Favorit des Genießers

Im Glas kullerte ein wunderbarer Nebbiolo Langhe.


Rhabarberzeit
Yuna Edelweiß Original Beans Schokolade 37% | 
Ziegenfrischkäse | Mandeln
Graf Adelmann „Das Lied von der Erde“ Riesling Spätlese, Württemberg



Süßes zum Schluss
von Chefpâtissière Florentine Fleuringer
Kaffee


Restaurant Schote. Rüttenscheider Straße 62, 45130 Essen. Tel: 0201/78 01 07. Di bis Sa ab 18:30 Uhr, Küche bis 23:00 Uhr. So. und Mo. geschlossen. www.restaurant-schote.de

Der Genießer bedankt sich für die Presseeinladung

Dienstag, 26. Mai 2020

Bochum: Wagyu-Fleisch im „La Mesa“

Das ehemalige Gesundheitshaus des Bochumer Vereins an der Bessemer Straße ist ein Juwel der 50-er-Jahre-Architektur in Bochum. Dass es als „Bessem-Carré“ stil- und denkmalgerecht restauriert wurde, ist der Verdienst des Bauplaners Werner Boxbücher, der auch schon andere Projekte dieser Art realisiert hat. Zur Zeit ist er mit der Erschließung der säkularisierten Antonius-Kirche direkt gegenüber beschäftigt.


Spanisches Ambiente im 50-er-Jahre Haus 

Ein Zelt auf der Terrasse

Werner Boxbücher legte viel Wert darauf, dass es im Bessem-Carré auch ein Restaurant geben sollte, und so konnte der Gastronom Babak Jawaheri im Jahr 2016 im dazugehörigen Flachbau das spanische Restaurant „La Mesa“ eröffnen (klick hier und hier). Anfang 2020 stieg Boxbücher in das Restaurantprojekt ein. Wie alle Restaurants wurde auch das „La Mesa“ vom Lockdown der Corona-Pandemie kalt erwischt, doch Boxbücher nutzte die Gelegenheit, den Betrieb umzubauen. Zur Unterstützung von Babak Yawaheri wurde Marco Mansutti von der ehemaligen Vinothek Eppendorf (klick hier) engagiert, die sonnendurchflutete Terrasse hinter dem Haus wurde mit einem großen Zelt beschattet, ein Drive-In für das Mitnahme-Geschäft eingerichtet. Und das „La Mesa“ setzt jetzt auf eine ganz besondere Spezialität. 







Cuts vom eigenen Wagyu

Als leidenschaftlicher Fleisch-Afficionado hat Werner Boxbücher ein Herde von 45 Wagyu-Rindern bei Salzkotten im Paderborner Land und im westfälischen Ahaus. Wagyu gilt als eine der edelsten Rinderrassen, stammt es doch vom Legenden umwobenen japanischen Kobe-Rind ab. Damit sie eine ideale Fettmarmorierung bekommt, stehen Boxbüchers Wagyus drei Jahre auf der Weide, wo sie sich frei bewegen können. Dann werden sie mit einer Diät aus Mais und Gerste für ein halbes Jahr gemästet. Das Fleisch hängt dann 4 Wochen im Dry-Age-Verfahren ab.

Werner Boxbücher legt Hand an 

 Ideal marmoriert

 Voilà!

Das Ergebnis ist phänomenal. Der Genießer hatte das Glück, dass der Meister ihm eigenhändig ein Wagyu-Steak zubereitete: nur kurz auf dem sehr heißen Teppan yaki angebraten, bis das Fett karamellisierte, dann zum Ruhen ein bisschen in den Konvektomaten (sprich Backofen), mit Fleur de Sel betreut, fertig war der ultimative Fleischgenuss, saftig, zart und aromatisch. Auf der Karte des „La Mesa“ stehen immer wieder Wagyu-Gerichte je nach Verfügbarkeit. Aber auch für die Zubereitung zu Hause kann man sich das kostbare Fleisch mitnehmen.



Von der Karte (Fotos: La Mesa)

Man hat den Eindruck, dass Werner Boxbücher am liebsten ein paar Wagyu-Rinder auf der Wiese hinter dem Haus stehen hätte. Immerhin, eine kleine Stallanlage steht da, mit ein paar flinken Berkshire-Duroc-Schweinen und einem Völkchen glücklicher Hühner für frische Eier. Wenn die Radwege, die hier gerade mit viel Aufwand gebaut werden, fertig sind, wird das ein wunderbares Idyll, keinen Steinwurf entfernt von der Alten Arbeitersiedlung Stahlhausen.

Glückliche Hühner

 Flinke Schweine

Fleischgenuss Corona Style



La Mesa. Bochum, Bessemer Str. 30. Tel: 0234/45930572. Täglich ab 12 Uhr. Infos hier.

Der Genießer bedankt sich für die Presseeinladung.