Als ich Anfang des Jahres begann, quasi als Sicherung meines „Lebenswerks“ meine alten Gastrotexte aus Vor-Blogger-Zeiten hier ins Archiv von „Genussbereit“ zu integrieren, fiel mir auf, dass es viele Restaurants gibt, die ich in den letzten Jahren viel zu wenig besucht hatte. Eines davon war das “Waldhaus“ in Bochum-Stiepel, von dem ich beim Wiederlesen eines Textes aus dem Jahr 2011 (klick hier) geradezu entzückt war. Und ich hatte das Gefühl, dass ich meine Rentner-Behäbigkeit doch einmal überwinden müsste, um es noch einmal zu besuchen, bevor es vielleicht zu spät sein könnte. Schließlich betreiben Ardita und Lan Demiri das Haus seit über 30 Jahren in eigener Verantwortung; Lan arbeitet sogar schon seit 1986 in der Küche der Bochumer Gastro-Institution. Andere Gastronomen geben ihre Häuser nach einer so langen Zeit schon gern einmal in jüngere Hände.
Jetzt ergab sich eine unerwartete Gelegenheit für einen Besuch, der alle meine Rentner-Befürchtungen zerstreute. Die PR-Fachfrau Isabella Marohn plant, nach dem Ableben des Veranstaltungsmagazins „Coolibri“ ihr Internetportal „Ruhrpott erleben“ (klick hier) um eine Print-Ausgabe zu erweitern und hat sich für die Betreuung des Gastro-Teils mit meiner lieben Kollegin Silke Albrecht von der Facebook-Gruppe „Mein kulinarisches Dortmund“ (klick hier) zusammen getan. Als ich hörte, dass die beiden Damen für eine Medien-Kooperation einen Besuch im „Waldhaus“ planten, äußerte ich nur ein verzagtes „Och, das würde mich auch interessieren“, und prompt kam ein paar Tage später die Einladung: „Komm doch einfach mit!“
Sicherlich, die Anfahrt durch die bewaldeten Schluchten des Stiepeler Ruhrtals zur versteckt liegenden Adresse Am Bliestollen 44 hatte schon etwas Abenteuerliches. Alles atmet Industriegeschichte. Hier entdeckte einst der Schweinehirt Jörgen die Steinkohle, und ein steinerner Malakowturm aus vergangenen Zeiten zeugt noch heute vom einstigen Abbau des schwarzen Goldes.
Doch das traditionsreiche Gasthaus zeigt sich tip-top in Schuss. Die hübsche Terrasse liegt an dem kühl-verregneten Frühjahrstag zwar etwas verwaist da, doch im Sommer macht es bestimmt viel Spaß, in dieser grünen Umgebung draußen zu essen. Der Gastraum erstrahlt mit seinem schwarzen Fachwerkgebälk und den weißen Wänden in gemütlicher und gepflegter Pracht. Der überreiche Bilderschmuck und die beeindruckenden Kronleuchter erinnern mich an die goldenen 19980-er Jahre, als der Besuch des Flohmarktes vor dem Bochumer Schauspielhaus ein cooles Muss gewesen war. Und die mit schweren Leinentischtüchern und glitzernden Weingläsern klassisch eingedeckten Tische versprechen stilvolle kulinarische Gediegenheit.
An Ardita und Lan Demiri scheint die Zeit spurlos vorbei gegangen zu sein. Die beiden empfangen uns mit einem geradezu jugendlichen Elan. Ja, erklärt Lan seine Küchenausrichtung, manchmal koche er für Stammgäste auch ein wenig Französisch oder bereite deutsche Klassiker wie Sauerbraten zu, aber das Herz seiner Küche sei italienisch. Wichtig sei für ihn, frische Produkte zu verarbeiten und auf Covenience-Produkte zu verzichten. „So wissen meine Gäste und ich genau, was in meinen Gerichten drin ist“, erklärt er. Allerdings finde er es schwierig, direkt auf den Höfen in der Umgebung einzukaufen. Da sei die Versorgungslage doch sehr unzuverlässig. So sei er froh, im Niggemann Food Frischemarkt eine Einkaufquelle zu haben, in der er erstklassige Ware bekäme. Doch als Lan das erzählt, kommt bei ihm doch der Koch-Veteran zum Vorschein, und er schwärmt von jener Zeit, als Niggemann noch ein inhabergeführtes Familienunternehmen war und noch nicht zum Schweizer Handelsriesen Transgourmet gehörte.
Für den Videoclip über das „Waldhaus“, den Isabella und Silke für den Instagram-Account von „Ruhrpott erleben“ produzieren wollen, tischen uns Lan und Ardita einen kleinen Streifzug durch ihre aktuelle Speisekarte auf – vier Vorspeisen und drei Hauptgange, natürlich immer auch mit einer vegetarischen Variation, und vier Desserts. Alles Gerichte, die einem Fine-Dining-Italiener zu Ehre gereicht hätten, raffiniert und bodenständig zugleich. Zwischendurch gibt es noch Süppchen in der Espressotasse zum Probieren, und als luxuriösen Höhepunkt Pasta mit frisch darüber geriebenen Trüffeln. Als Getränkebegleitung bekommen wir einen weißen Lugana und einen roten Primitivo aus dem offenen Weinangebot. Zu den Desserts gibt es als Süßwein einen französischen Sauternes. (Obwohl – zum Trüffel hätte auch der 1952-er Barolo von Borgogno für 750 Euro aus dem hervorragend bestückten Weinschrank gut gepasst. Aber wir mussten ja noch fahren…)
Influencerinnen bei der Arbeit: Silke und Isabella von "Ruhrpott erleben"
Nach wie vor war ich davon überrascht, wie schnell die Isabella und Silke mit ihren Videoaufnahmen fertig waren, indem sie ganz einfach ein wenig ihre Smartphones über dem Tisch kreisen ließen. Wenn ich noch dran denke, was es für ein Aufwand war, einen Clip zu drehen, als ich Anfang der 1970-er Jahre ein Praktikum beim WDR-Fernsehen machte, mit Regisseur, Kameramann, Tonmann, Beleuchter und einem Lieferwagen voll Equipment...
Das „Ruhrpott erleben“-Erlebnis
24.4.2025, Waldhaus, Bochum
Vorweg
Vorspeisen
Im Glas: Lugana
Überbackene Jakobsmuschel
In dem köstlichen Sahne-Käse-Sud befinden sich nicht nur kleine, intensiv schmeckende Jakobsmuscheln, sondern auch einige Garnelen.
Tadellos gebratene Doradenfilets, begleitet von sanft süß-saurer Caponata, der typisch sizilianischen Gemüsepfanne.
Perfekt zubereitetes Lammfleisch mit einer tagelang eingekochten Sauce.
Auberginen in Tomatensauce
Der vegetarische Hauptgang kam mir wie einen üppigere Ausgabe der entsprechenden Vorspeise vor und schmeckte hervorragend.
Desserts
Im Glas: Sauternes
Frische Datteln in Butter-Sancerresauce mit Vanilleeis
Beständigkeit auf der Karte: Schon vor 13 Jahren hatte ich mich von dieser Sünde verführen lassen. Nach wie vor ein Genuss.
Göttlicher Teller (Vanilleeis, Sahne, Früchte, Zabaione)
Der Name des Desserts ist Programm.
Mousse au chocolat
Tiramisu
Waldhaus. Am Bliestollen 44, 44797 Bochum. Tel. 0234. 47 53 52. Mi-Sa ab 15.00 Uhr, So ab 12.00 Uhr. Mo, Di geschlossen. https://waldhaus-bochum.de/
Der Genießer bedankt sich für die Einladung.
Dank auch an Isabella Marohn und Silke Albrecht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen