Freitag, 29. April 2022

Urbane Landhausküche: Ragout vom westfälischen Bio-Schaf mit rheinischen Schnibbelbohnen und Bottroper Spargel. Dazu ein 17 Jahre alter Cru bourgeois aus dem Keller.


Hof Heidbauer in Castrop-Rauxel hat nicht nur Ziegen, sondern seit einiger auch Schafe, und so konnte ich nicht widerstehen, als ich vor Ostern dort das Zickleinfleisch für meinen Schmortopf „Mont Ventoux“ (klick hier) besorgte, auch eine Portion von dem Schafsgulasch mitzunehmen, das Alut Brinkmann empfahl. Vakuumiert wie es war, konnte es sicherlich noch ein paar Tage im Kühlschrank liegen. Und tatsächlich, als ich die Tüte schließlich öffnete, war das Fleisch noch wunderbar frisch. Es war auch keinerlei Hammel-Odeur vorhanden, und so vermutete ich, dass die Bezeichnung „Schaf“ eigentlich nur zur Unterscheidung von den „Ziegen“ diente, die eigentlich das Angebot von Hof Heidbauer ausmachen. Anderswo wäre das Gulasch wohl problemlos als „Lamm“ durchgangen.

Schafsgulasch, vakuumiert

Alle Zutaten fürs Ragout

Ein klassische Beilage zum Lammfleisch sind Bohnen, und so kam ich auf die Idee, ganz ruhrgebietslike zum westfälischen Bio-Schaf rheinische Schnibbelbohnen zu machen. Im Rheinland sind die gekochten, in kleine Stücke geschnibbelten und milchsäurevergorenen grünen Bohnen eine alte Spezialität, an die sich die von antiautoritärem Bewusstsein geleitete ältere Feinschmecker aufgrund so erschütternden Erziehungsmaximen wie „Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt“ eher nur mit Schauder erinnern, während die jüngere kulinarische Start-Up-Generation mit der Wiederentdeckung des Fermentierens wahrscheinlich eine unbändige Freude daran hat. Und gesund ist die ganze Sache auch.

Schnibbelbohnen

Grüne Bohnen selbst zu fermentieren, kam leider nicht in Frage, denn das dauert mindestens drei Wochen, und so lange würde sich das Fleisch nun doch nicht halten. Also beschloss ich, auf ein Fertigprodukt zurückzugreifen; die entsprechenden Plastikbeutel hatte ich gleich neben zahlreichen Sauerkrautangeboten im Supermarkt schon mal gesehen. Lag es nun daran, dass zur Zeit keine Saison für Bohnen war oder ganz einfach an der mangelnden Nachfrage an milchsäurevergorenen sauren Bohnen, es war in den von mir frequentierten Supermärkten nicht zu bekommen. Da mein Fleisch aber nicht warten konnten, griff ich ganz einfach auf ein Glas Schneidebohnen, blanchiert, in gesalzenem Wasser eingelegt und mit Zitronensäure konserviert, zurück, so wie ich es aus der Mama-Küche kannte. (Slowfoodies mögen weghören – es hat am Ende auch geschmeckt…)


Spargel aus Bottrop

Entschädigt wurde ich dafür durch ein paar Stangen des superfrischen Spargels von Hof Umberg in Bottrop-Kirchhellen, den es ebenfalls im Supermarkt gab. Zusammen mit den Resten meines Bärlauchpestos von neulich und einigen frisch gekochten Kartoffeln wurde das dann eine wunderbare Beiliage.


Château de Pey von 2005

Wie die grünen Bohnen ist auch ein schöner Bordeaux-Wein ein unabdingbarerer Begleiter zum Lammfleisch. Manchmal bin ich ja überrascht, welche Schätze mein Keller so offenbart, wenn ich einmal betre. Hier war es ein Château de Pey von 2005, ein Cru bourgeois aus dem Médoc, den ich aus einer jener Holzkisten holte, von denen ich vor 15 Jahren so begeistert war. Die Cabernet Sauvignon-Merlot Assemblage hatte nach all den Jahren immer noch eine wunderschöne bläulich-rote Farbe, leicht vanillige Aromen von Beerenfüchten und eintwickelte nach guter Belüftung eine immer intensiver werdende florale Nase.
 


Rezept: Ragout vom westfälischen Bio-Schaf mit rheinischen Schnibbelbohnen und Bottroper Spargel


Ragout vom Schaf:
500 g Schafs- bzw. Lammgulasch
50 g Speck
1-2 Zwiebeln
2 Knoblauchzehen
2 geschälte Tomaten aus der Dose
Pfeffer, Salz
1 TL Senfsamen
1 Zweig Rosmarin
1 EL Mehl
300 ml Lammfond
200 ml Rotwein, vorzugsweise aus Bordeaux
1 guter Schuss Orangensaft
Schmalz

Speck und Zwiebeln in Würfel schneiden, Knoblauch in dünne Scheiben. Dosentomaten in Stücke schneiden.
In einem Schmortopf Schmelz erhitzen und das Schafsgulasch portionsweise anbraten, bis es schön braun ist und aus dem Topf nehmen.
Speckwürfel in den Topf geben, glasig braten. Zwiebeln dazugeben und weich schmoren. Das Fleisch wieder in den Topf geben, pfeffern und salzen. Tomaten und Knoblauch dazu geben, mit einem Schuss Orangensaft ablöschen und etwas schmoren lassen. Senfkörner und Rosmarin zugeben, alles mit Mehl und umrühren. Lammfond und Rotwein dazu gießen, den Rosmarinzweig dazu geben. 1 Stunde köchelnd garen, bis das Fleisch weich ist. Rosmarinzweig herausfischen.

Rezept: Schnibbelbohnen:
100 g Schnibbelbohnen, vorzugsweise Milchsäure vergoren oder aus dem Glas
20 g Speck
Rapsöl
1 Zwiebel
Bohnenkraut

Speck und Zwiebel fein würfeln. Speck in Rapsöl auslassen, die Zwiebelwürfel mit dem Bohnenkraut darin weich dünsten. Abgegossene Schnibbelbohnen aus dem Glas oder fermentierte Schnibbelbohnen dazugeben und durchschmoren.

Bottroper Spargel und Kartoffeln:
4 dünne Stange weißer Spargel, vorzugsweise aus Bottrop
Salz, Rapsöl, Orangesaft
Bärlauchpesto
6 Kartoffeln
Salz, Kümmel

Spargelschälen und in Salzwasser mit etwas Orangensaft und Rapsöl bissfest kochen.
Kartoffel schälen und in Salzwasser mit Kümmel gar kochen.

Anrichten:
Schnibbelbohnen mit den gekochten Kartoffeln auf vorgewärmte Teller geben. Schafsragout aruf geben und mit Spargelstangen und Bärlauchpesto garnieren.

Weitere Lammragout-Rezepte:
Lammragout mit Frühlingsgemüsen nach Roger Vergé klick hier
Ragout vom Eifeler Urlamm mit Erbsen, Mairübchen, Spargel, Karotten klick hier

Montag, 25. April 2022

Neu in Essen-Kettwig-Vor-der-Brücke: Kunstraum Xilin Café & Bar

Update April 2024: Café und Galerie sind dauerhaft geschlossen.

Die chinesische Malerin Lin Wang vor ihren Werken.

 Blick aus der Bar über die Ruhr nach Kettwig

Es muss so zwanzig Jahre her sein, da fuhren meine Schwester Inge und ich häufig mit meiner schon damals hochbetagten, aber immer noch rüstigen Mutter zum sonntäglichen Mittagessen nach Kettwig. Eine unserer bevorzugten Anlaufstellen war die Terrasse eines italienischen Restaurants am südlichen Ruhrufer direkt an der Kettwiger Brücke, von der man eine herrliche Aussicht über den Fluss hinweg auf die schmucke Altstadt des eigenständigen Essener Stadtteils hatte. Meine Schwester bestellte sich gern die gegrillten Sardinen, denn sie erinnerte sich dann an ihre Urlaube in Portugal, wo sie dieses Gericht kennen gelernt hatte, aber in ganz anderen Portionsgrößen.




Treffpunkt für Kunstinteressierte und
Cocktailfreunde in Kettwig

Den Italiener gibt es schon längst nicht mehr. Die Lokalität beherbergte in jüngerer Zeit ein Steakhaus im Cowboystyle, das sich jedoch auf den Trail nach Rüttenscheid gemacht hat, und stand dann eine Weile leer. Nun aber haben die chinesische Künstlerin Lin Wang und ihr Mann Rui Shan, ein Logistikfachmann und Importeur, daraus eine bezaubernde Station auf der Neuen Seidenstraße gemacht. Die 35-jährige Lin Wang ist Malerin, hat an der Qindao University in China und am Caspar-David-Friedrich-Institut der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald studiert und 2018 eine Malschule in Kettwig gegründet. Schließlich konnte sie das Lokal am Ruhrufer nach ihren Vorstellungen umbauen, erst als eine wunderbare, lichtdurchflutete Galerie, dann auch in ein Café mit Bar. 


Barkeeper Henning Riecken


Neben den Signature Cocktails gibt es
auch welche ohne Alkohol.


Chinesischer Likör Bamboo Green aus Bambus,
Erbsen und Sorghumhirse


Seit Kurzem ist der Kunstraum Xilin als ein Treffpunkt für Kunstinteressierte, Freunde von Kaffee und Kuchen und vor allem von guten Cocktails fürs Publikum geöffnet. Die Bar führt der Spirituosen-Spezialist Henning Riecken, bekannt als Mastermind von solchen Barlegenden im Ruhrgebiet wie dem Fcuk Yoga in Essen-Rüttenscheid, dem Pearl’z im Bochumer Bermudadreieck oder den Faces Bars in Essen. Für den Kunstraum Xilin hat er eine ganze Reihe von Signature Cocktails kreiert, bei denen er vorzugsweise chinesische Spirituosen vermixt – eine sehr stylishe Erweiterung des gastronomischen Angebots in Kettwig und vor allem eine öffentlichen Wiederbelebung einer ziemlich exklusiven Adresse am Ruhrufer. Gute Weine und gepflegte Biere gibt es natürlich auch, genauso wie Kaffee und Kuchen.




Gemälde von Lin Wang

Bis Ende Mai zeigt Lin Wang im Kunstraum Xilin noch die Ausstellung BIAS mit eigenen Gemälden, in denen sie den Eigenschaften ihrer Lieblingsfarben Schwarz und Weiß nachgeht, aber auch in der Ornamentik von Webfehlern in den Strukturen von Stoffen eine Art Sinnbild sieht.

Kunstraum Xilin Café & Bar. Landsberger Str. 2b, 45219 Essen. Tel. 02054/9387521. Mi-Do 10-0 Uhr, Fr-Sa 9-1 Uhr, So 9-0 Uhr. Beratung in der Galerie: Mi-So 10-16 Uhr. xilin-art.com

Donnerstag, 21. April 2022

Neu in Dortmund-Eichlinghofen: Taste of Italy


Die Weinauswahl ist nicht schwer: rot oder weiß (hier weiß).

Bei den Restaurant-Empfehlungen, die ich hier auf meinem Ruhrgebiets-Blog „Genussbereit“ gebe, sollte es sich in der Regel um Läden handeln, für die es sich lohnt, auch einmal in die Nachbarstadt zu fahren. Zum Pizza-Essen ist das normalerweise nicht nötig, denn in jeder der 53 Städte und Gemeinden der Region gibt es irgendwo einen Geheimtipp und Lieblingsitaliener, den jeder kennt. Dennoch ist Dortmund in dieser Hinsicht eine Reise wert, denn die Westfalenmetropole hat sich in den letzten Jahren zur Hauptstadt der neapolitanischen Pizza im Ruhrgebiet mit mehreren Anlaufstellen entwickelt. Einer dieser Backofen-Hotspots ist die „Pizzeria De Rosa“ im Schatten des Dortmunder U’s, die Dario de Rosa vor zweieinhalb Jahren eröffnet hat (klick hier). Dario gehört zu einer bekannten italienischstämmigen Dortmunder Gastronomen- und Unternehmerfamilie, Schwester Laura und Vater Gerardo betreiben z.B. das Restaurant Vabene in der Thier-Galerie.

Zusammen haben die drei nun vor Ostern ihr neustes Ei gelegt, mit dem schönen Namen „Taste of Italy“. Auf der einen Seite gibt es kaum einen Laden, auf den die Bezeichnung „Vorstadtitaliener“ besser zutrifft. Denn das Restaurant mit seiner schönen Terrasse befindet sich an der kilometerlangen Stockumer Straße in Dortmund-Eichlinghofen, einem Stadtteil, der im Strukturwandel des Ruhrgebiets beim Sprung von der überkommenen Agrar- zur zukunftsweisenden Hochschullandschaft die für die Region so typische Schwerindustrie anscheinend glatt übersprungen hat.

Familienbetrieb: Laura, Gerardo und Dario de Rosa

Auf der anderen Seite haben die de Rosas hier ein gastronomisches Konzept realisiert, das Papa Gerardo schon lange beschäftigt hat, ein sog. Tasting-Restaurant. Der Gast bestellt nicht eine oder auch vielleicht zwei Gerichte, sondern ihm werden im Laufe seines Aufenthalts viele kleine Teller gebracht, von denen er nach Herzenslust die gesamte Speisekarte rauf und runter probieren kann – quasi ein All-you-can-eat-Konzept, bei dem der Kellner für den Gast die Lauferei zum Büffet übernimmt. Die einzelnen Gerichte werden in Portionen serviert, die der jeweiligen Gästegruppe angepasst sind, die sie sich untereinander aufteilen kann. Ganz nach dem in der Gastronomie z.Zt. so angesagten Sharing-Prinzip.

Zugegeben, eine Reise durch die vielseitigen italienischen Regionalküchen bieten die Tasting Menüs nicht. Hier geht es allerdings auch nicht um historisch-kritisches Essen, sondern um das, was international den Spaß an italienischer Küche ausmacht: Pizza und Pasta. Und die werden handwerklich optimal zubereitet. Die Pizzen stammen zwar nicht aus einem original neapolitanischen Pizzaofen, stehen aber denen in der „Pizzeria de Rosa“ bei der Qualität von Teig und Belägen kaum nach. Ebenso sind die Nudeln der Pastagerichte perfekt gegart, die klassischen Saucen haben alle ihren eigenständigen Pfiff. Dazu kommt ein sensationeller Preis. Das reine Pizza Tasting, bei dem man bei gutem Appetit bis zu 16 verschiedene, zum Teil vegane Pizzen probieren kann, kostet 16,90 Euro, die große „Taste of Italy“-Reise, bei der auch noch 12 Pasta-Gerichte, weitere Antipasti, Salate und Desserts zur Auswahl stehen, 24,90 Euro. Aber keine Angst, wer eine Pizza für sich ganz alleine haben möchte, kann die natürlich auch bestellen.


Der aufmerksame Service bringt die Speisen an den Tisch.

Bei einem kleinen Presse-Tasting mit den Kolleg*innen von „Dortmund geht aus“ konnte ich den „Taste of Italy“ ausprobieren. Drei Salate, drei Pasta-Gericht, zwei Pizzen und zwei Desserts wurden uns gebracht – einfach herrlich. Natürlich war dabei etwas Selbstdisziplin angebracht, doch die Portionen waren hervorragend bemessen. Und wenn der Hunger größer gewesen wäre, hätte man ja problemlos nachordern können.

Tasting im Taste of Italy
6.4.2022


Antipasti Gesund und munter Plus
Babyspinat, Rucola, Cherrytomaten, Oliven, rote Zwiebeln, gegrillte Paprika, Zucchini und Aubergine, Olio d’Oliva extra vergine, Crema di Balsamico

Antipasto Burrata
Burrata, Cherrytomaten, Rucola, Olio d’Oliva extra vergine, Basilikum, Pesto verde

Bruschetta
Kross geröstetes Brot, Cherrytomaten, Knoblauch, Basilikum, Olio d’Oliva extra vergine

Antipasto Pulpo
Oktopussalat, Rucola, Olio d’Oliva extra vergine, Crema di Balsamico, Zitrone

Pasta Napule
Linguini, Sauce aus sonnengereiften Tomaten, beste Sardellen aus Cetara, Oliven, Kapern, Basilikum

Pizza Burratina
Sauce aus sonnengereiften Tomaten, Mozzarella, Burrata, Parmigiano Reggiano DOP, Cherrytomaten, Olio d’Oliva extra vergine, Basilikum

Pasta Avocado meets Scampi
Fettucini, Avocado-Ricotta-Crème, Riesengarnelen, Basilikum

Pizza Solo Amore
Sauce aus sonnengereiften Tomaten, Mozzarella, Prosciutto di Parma DOP, Parmigiano Reggiano DOP, Cherrytomaten, Rucola, Olio d’Oliva extra vergine

Gnocchi Gorgon Zola
Gnocchi, Gorogonzolasauce, Babyspinat, Walnusscrunch

Dessert
Macarponecrème und Panna Cotta

Taste of Italy. Stockumer Str. 398, 44227 Dortmund. Tel. 0231/13788121. Di-Sa 17-22 Uhr. www.taste-of-italy.de

Der Genießer bedankt sich für die Einladung.

Dienstag, 19. April 2022

Osteressen 2022: Schmortopf Mont Ventoux nach Genießerart. Mit dreierlei Fleisch von Zicklein, Lamm und Kaninchen. Dazu ein 20 Jahre alter Gigondas.


Das Schöne am Rentnerdasein ist, dass man in einem Alter ist, in dem einem Dinge passieren, von denen man früher nur träumen konnte. Zum Beispiel, dass man im Keller Weine findet, die man eigentlich schon längst vergessen hatte. Immerhin 20 Jahre hatte der Gigondas von der Domaine Grand Romane auf dem Buckel, auf den ich stieß, als ich ein adäquates Getränk für das diesjährige Osterfest suchte. Im Keller lag die edle Flasche, so glaube ich, seit sechs oder sieben Jahren, aber der Lesejahrgang 2002 versetzte mich zurück in die Zeit, als ich mich immer intensiver mit gutem Wein und gutem Essen auseinandersetzte. Mitte der 1990er Jahre ging das los, südfranzösische Weine begeisterten uns damals sehr, und ich begann, meine Kochkünste zu kultivieren. Wie schon an anderer Stelle gepostet (klick hier), hatten mich die Kochsendungen von Alfred Biolek besonders inspiriert, und so gehörte sein berühmter „Schmortopf Mont Ventoux“ mit dreierlei Fleisch zu den bevorzugten Gerichten, mit denen ich meine Weinfreunde bei gemeinsamen Gelagen zu traktieren pflegte.

Der Genießer 1990 auf dem Mont Ventoux.

Beim Anblick des Gigondas kam ich auf die Idee, mich endlich wieder einmal an diesem Rezept zu versuchen, schließlich hatte ich es für den Blog noch nie realisiert. Allerdings ging es auf gar keinen Fall, dass ich mich an die Vorlage hielt, sondern mir war sofort klar, dass ich die drei Fleischsorten verändern wollte. Rind und Schwein ersetzte ich durch Zicklein und Kaninchen, und nur das Lamm übernahm ich aus dem Original. Diese Kleinvieh-Kombination schien mir äußerst passend für die karge Gebirgslandschaft rund um den mythischen Mont Ventoux, der so beeindruckend die Provence überragt, keine 25 Kilometer Luftlinie von der Weingemeinde Gigondas entfernt.

Zickleinhaxe, Kaninchenläufe, ausgelöste Lammschulter

Eine Ziegenkeule besorgte ich mir auf dem Ziegenhof Heidbauer in Castrop-Rauxel (klick hier), Kaninchenläufe und ausgelöste Lammschulter stammten von Felix Bontrup auf dem Bochumer Wochenmarkt (klick hier). Von dieser Fleischkombination war ich schließlich ziemlich begeistert. Schon beim Schmoren erfüllte ein wunderbarer Duft die Küche, die Fleischsorten erwiesen sich als äußerst schmackhaft. Um die Sauce zu verfeinern, verwendete ich übrigens nicht wie Alfred Biolek Sahne, sondern Ziegenfrischkäse. Dadurch bekam die Sauce zwar eine säuerlich Note, die ich allerdings als sehr angenehm empfand, zumal ich sie mit etwas Orangensaft konterkarierte.


2002 Domaine Grand Romane, Gigondas


Und der Wein? Zuerst dachte ich ja, nach 20 Jahren wäre er ziemlich über den Berg, aber weit gefehlt. Zwar hatte er eine rostrote Altersbräune, aber der typische Grenacheduft nach dunklen Beeren und Leder war immer noch fulminant, und die Oliven- und Pfeffer-Aromen ergänzten die Zutaten der Sauce perfekt. Erst als der Wein länger offen stand, kam eine vorwitzige Säure zum Vorschein, die den Trinkgenuss aber nur mäßig schmälerte. 

Weitere Zutaten

Der Schmortopf


Rezept: Schmortopf Mont Ventoux nach Genießerart

Das Originalrezept stammt aus Alfred Biolek: Meine Rezepte. München 1995.

250 g Zickleinfleisch, Keule und Haxe
250 g Lammfleisch, ausgelöste Schulter
250 g Kaninchenfleisch, Läufe
150 g Speck geräuchert
1 große Zwiebel
Öl zum Braten
1 Handvoll grüne Oliven
1 Handvoll schwarze Oliven
5 Zehen Knoblauch
Thymian
½ Tasse Korinthen
½ l Rotwein
Salz
1 EL grüner Pfeffer
1 EL Cognac
1-2EL Orangensaft
3 EL Ziegenfrischkäse

Entsprechend viel Fleisch vom Knochen der Ziegenhaxe und –keule lösen. Fleisch der Kaninchenläufe ebenfalls vom Knochen lösen. Fleisch von den Häuten und Sehnen befreien und würfeln. Den Speck und die Zwiebel würfeln. Den Backofen auf 160°C vorheizen.
Das Fleisch und die Knochen portionsweise in heißem Öl anbraten, bis alle Seiten gebräunt sind und jeweils aus dem Bräter nehmen. Speck- und Zwiebelwürfel ebenfalls anbraten, bis sie glasig sind. Fleischwürfel und Knochen zurück in den Bräter geben. Oliven und Knoblauchzehen, Thymian und Korinthen zum Fleisch geben und alles mit dem Rotwein ablöschen.
Den Schmortopf zugedeckt in den vorgeheizten Backofen schieben. Nach 45 Minuten probieren, ob das Fleisch gar ist. Wenn nicht, nochmals 15 Minuten oder kürzer oder länger im Ofen lassen. Wenn es fertig ist, aus dem Bräter nehmen. Fleisch zur Seite stellen. Knochen entsorgen.
Die Sauce nun auf dem Herd einkochen lassen, bis sie etwas gebunden ist, mit dem Ziegenfrischkäse verrühren und mit Salz, grünem Pfeffer, Orangensaft und Cognac abschmecken. Das Fleisch wieder in die Sauce geben und 15 Minuten ziehen lassen. Die Sauce darf nicht mehr kochen, sonst wird das Fleisch zäh. 

Dazu gab es Salzkartoffeln, deren Kochwasser mit Lorbeerblättern und Kurkuma aromatisiert und gefärbt war. 

Frohe Ostern
 
Für weitere Rezepte mit Ziege bitte hier klicken

Freitag, 15. April 2022

Karfreitagsessen: Kartoffelsalat von der blauen Vitelotte mit Bärlauchpesto, grünem Spargel, roten Zwiebeln und geräucherter Goldforelle aus dem Muttental in Witten


Für die Idee zu diesem Karfreitagsessen – also was mit Fisch – waren zwei Ereignisse ausschlaggebend, die mir in der letzten Woche widerfuhren. Einmal brachte mir neulich Silke von der Facebookseite „Mein (kulinarisches) Dortmund“ (klick hier) einen großen Sack voll Bärlauch mit, und so bleib mir nichts anderes übrig, holterdipolter die grünen knofeligen Blätter zu meinem bewährten Barlauch-Minze-Limetten-Pesto mit Cashewkernen zu verarbeiten (klick hier). Zwei ordentliche Gläser kamen dabei heraus, und das erste landete sofort auf den Nudeln, so wie es sich gehört. Das zweite kam für Ostern in den Kühlschrank.

Zutaten fürs Pesto

Dann las ich auf der Facebookseite von Vera Gebauer, dass man ihrem wunderschönen Bioladen in Witten (klick hier) die Forellen aus dem Muttental für Ostern bestellen könnte. Das Muttental mit seinem romantischen Bergbauwanderweg ist von jeher eines meiner liebsten Spaziergeh-Reviere (klick hier, hier und hier), und schon oft hatte ich, als ich die dortigen Fischteiche passierte, den Gedanken, die Forellen einmal zu probieren. Getan hatte ich es jedoch nie. Als ergriff ich jetzt die Gelegenheit und bestellte bei Vera einen Saibling und eine Goldforelle, beide geräuchert. Denn ich hatte ein Rezept aus meinem heißgeliebten Bistro-Kochbuch von Patricia Wells (klick hier) im Hinterkopf, das den schönen französischen Titel „Tartine  de pistou et poisson fumé“ trug, auf Deutsch geröstetes Weißbrot mit Pesto und Räucherfisch. Das passte ja perfekt.

Räucher-Saibling und Räucher-Goldforelle

Doch simples Brot unter die regionalen Forellen und mein tolles Barlauchpesto  zu schieben, schien mir dann doch zu profan. Also beschloss ich, einen Kartoffelsalat zu machen, der zu beidem passte. Ich modifizierte das Altwiener Rezept, das ich vor einiger Zeit schon einmal etwas anders mit Bamberger Hörnchen realisiert hatte (klick hier), griff aber diesmal zu den blauen Vitelotte-Kartoffeln, die eine wunderschönen Kontrast zum grünen Pesto und orange-farbenen Forellenfleisch gaben. Ergänzt um etwas grünen Spargel, entstand so dieses schöne Karfreitagsgericht, das Auge und Zunge gelichermaßen höchsten Genuss bescherte.


Rezept: Kartoffelsalat von der blauen Vitelotte mit Bärlauchpesto, grünem Spargel, roten Zwiebeln und geräucherter Goldforelle aus dem Muttental in Witten

Kartoffelsalat von der blauen Vitelotte:
500 g Vitelotte oder andere blaue Kartoffeln
1 TL Kümmel
Salz
3 EL Essig
250 ml Gemüsebrühe
etwas Zucker
2 TL Senf
1 Tropea- oder andere rote Zwiebel
Rapsöl
Pfeffer, Salz
gehackte Petersilie

Blaue Kartoffeln  in gut gesalzenem Wasser mit Kümmel gar kochen. Heiß pellen und in dünne Scheiben schneiden.
Für die Marinade Gemüsebrühe mit Essig, Senf und etwas Rapsöl verrühren. Tropeazwiebel in kleine Würfel schneiden und in Rapsöl weich schmoren. Marinade dazugeben und heiß werden lassen. Über die Kartoffelscheiben gießen, pfeffern und salzen und gehackte Petersilie unterheben. Ziehen lassen. Noch einmal abschmecken.

Bärlauch-Petersilien-Pesto
Zum Rezept hier klicken, nur je zur Hälfte Bärlauch und Petersilie nehmen.

Grüner Spargel
Pro Portion 3 Stangen grüner Spargel
Zironensaft
Zucker, Salz
Zucker, Salz und Zitronensaft zu einer Marinade verrühren. Spargelstangen der lange nach halbieren und darin marinieren. In einer Grillpfanne braten, bis sie leicht gebräunt sind.,

Anrichten:
1 geräucherte Forelle (Regenbogen-, Saibling oder Goldforelle)
1 kleine Tropea- oder andere rote Zwiebel, in hauchdünne Scheiben gehobelt
Petersilien-, Barlauch- und Blutampfeblätter, ggf. klein gezupft.
Pfeffer aus der Mühle

Portionsweise die Kartoffeln aus der Marinade heben, abtropfen lassen und auf Teller verteilen. Räucherforelle von Kopf, Schwanz, Haut und Gräten befreien, Das Fleisch zerzupfen und auf die Kartoffeln geben. Gebratene Spargelstangen dazutun. .Pesto mit etwas übrig gebliebener Marinade evtl. verdünnen und über die Teller tröpfeln. Mit Petersilien-, Bärlauch- und Blutampferblättern und den dünn gehobelten Zwiebelscheiben garnieren. Dazu gibt es geröstetes Landbrot.

Hier ein ähnliches Gericht mit Nudeln: Räucherforelle mit Pesto-Spaghetti und geschmorten Oliven-Kapern-Tomaten. Klick hier.

Montag, 11. April 2022

Zicklein zu Ostern

Ziegenlämmer auf Hof Sondermann in Dorsten

Denkmal der Bergmannskuh in Herne. Foto: Arnoldius/wikipedia

Vor ein paar Jahren hatte ich in einem Facebook-Post beklagt, dass es im Ruhrgebiet keine Tradition für Ziegenbarten gibt, obwohl das gehörnte Haustier als „Bergmannskuh“ zur allgemeinen Folklore der Region gehört und ihm in Herne deshalb sogar ein Denkmal gesetzt wurde. Umso erfreuter war ich, als ich heute Morgen entdeckte, dass mein Rezept „Zicklein nach Genießerart“ auf Platz 1 der meistbesuchten Rezepte in meinem Blog geklettert war. Hat sich da etwas im Bewusstsein der Ruhris geändert? Immerhin, die Anzahl der Ziegenhöfe in der Region, in denen man neben Käse aus Ziegenmilch auch Fleisch bekommt, scheint in den letzten Jahren gestiegen zu sein. Und Ostern ist ja die Zeit, in der der es genug Ziegenlämmer gibt.

Aus diesem Anlass bringe ich hier noch einmal eine Übersicht über die Ziegenfleischgerichte im Blog Genussbereit und eine Liste mir regionalen Bezugsquellen.

Zicklein nach Genießerart im Heumantel klick hier

Zicklein mit Knoblauch und Majoran an Leipziger Allerlei aus der Grillpfanne klick hier

Leber vom Bio-Zicklein mit Portweinzwiebeln und Feigen auf Sahnepolenta klick hier

Leberknödelsuppe von der Ziege klick hier. Statt Geflügelleber Ziegenleber nehmen.

Schmortopf Mont Ventoux mit Zicklein, Lamm und Kaninchen klick hier
 

 

 

Karree von der Castroper Ziege mit Majoran-Knoblauch-Kruste, Winterspinat und Morcheln in Ziegenbechamel klick hier

Kanarisches Ziegenragout „Ropa Vieja“ im Kiefernduft mit Kichererbsen, Bärlauch-Spinat, Pimientos de Padrón, Papas Arrugadas und roter Mojo-Sauce. Nach einem Rezept von einem Träger des Grünen Michelin-Sterns klick hier 

 

Ein nachösterliches Menü vom Zicklein bei Slow Food Bochum. Mit zahlreichen Beilagenrezepten klick hier

Pfefferpotthast von der Bergmannskuh, würziges Kastenpickert-Küchlein und Stielmus von Julius Meimberg klick hier

Bezugsquellen:
Regionales Ziegenfleisch zu bekommen ist nicht einfach. Die meisten Ziegenhöfe produzieren Käse und andere Milchprodukte. Fleisch ist meist nur auf Bestellung und im Frühjahr zu bekommen. Also nachfragen. In guten Metzgereien bekommt man importiertes Ziegenfleisch z.B. aus Frankreich.

Bioland Schäferei & Ziegenhof Lamberti, Velbert klick hier

Hof Heidbauer, Castrop-Rauxel klick hier

Hof Hohenstein, Witten klick hier

Hofkäserei Andres, Dorsten klick hier

Ziegenhof Sondermann, Dorsten klick hier

Zur lachenden Ziege, Neukirchen-Vluyn klick hier