Donnerstag, 31. Juli 2003

Aus dem Archiv: Restaurant Frintrop - Revier-Idyll und feine Küche

Das Restaurant schließt Ende Dezember 2024.
Der Text erschien erstmalig in „Essen geht aus 2003/2004“

Weit weg von den Verkehrsachsen des modernen Ruhrgebiets A40 oder A42 liegt Oberhausen-Dümpten wahrlich nicht, und dennoch glaubt man, in einer anderen Welt zu sein. Nachdem man durch einige Wohnstraßen gefahren ist, versetzt einen die Inschrift „Restaurant – Frintrop – Fremdenzimmer“ an einer Hausfassade vom Beginn des 20. Jahrhunderts in die Vergangenheit zurück. Ein Gasthaus, das als Kulisse für eine Ruhrgebiets-Fernsehserie dienen könnte, zwar immer wieder renoviert, aber typisch Revier eben. In den großen Sälen, die heute als Restaurant dienen, mag einst so mancher Stahlkocher Hochzeit oder Kommunion gefeiert haben; im alten Kneipenraum, heute als ‚Bistro’ bezeichnet, so mancher Kumpel sein Bierchen gezischt. Betritt man den Hof, will einem das Herz stehen bleiben. Auf der Wiese, auf der heute einladend Tische und Stühle unter Sonnenschirmen stehen, mag früher so manche Mutti die Wäsche getrocknet haben.

Hier kocht Hermann Frintrop schon seit Jahrzehnten, doch seine Küche hat nichts mit den Eigen- bzw. Unarten der Kumpelküche gemein. Frintrops feine Küche erwartet in dieser Umgebung eigentlich niemand, doch man bekommt sie. „Entenbrust in Himbeeressigsauce mit Schlosskartoffeln“ (EUR 21) oder „Lammrücken in Senf gebraten mit Kartoffelgratin“ (EUR 23) sind zwei von Frintrops Klassikern, die den Weg immer wieder auf die Karte finden. Dass sie nach altem Geld gut und gern um die 40 Mark kosten, mag ein schlichtes Kumpelgemüt echauffieren. Hermann Frintrop ficht das jedoch nicht an. „Nicht die gehobenen Restaurants sind teurer geworden“, weiß er, „sondern die angeblich preiswerten haben mit der Euro-Einführung überdurchschnittlich aufgeschlagen.“

In den Zeiten der Schnäppchenjagd weiß Frintrop seine Kundschaft mit einem Frühbucherrabatt zu ködern. Wer einen Werktag vor seinem Besuch das reguläre Tagesmenü zu EUR 44 bucht, spart satte EUR 11. Dann munden beispielsweise „marinierte Spargel mit Krebsschwänzen, Consommé mit gefüllten Crêpes, Lammnüsschen mit Meerrettichkruste, gefüllte Zucchini, Pestonudeln und Erdbeeren mit bayrischer Crème“ umso mehr.

Wer mittags nicht so ausgiebig tafeln möchte, kann auch auf kleinere Tagesspezialitäten wie die vegetarische „Wirsingroulade mit Nüssen in Kümmelcrème“ (EUR 9) oder „Gebratene Blutwurst mit Salat und Kartoffeldressing“ (EUR 9) zurückgreifen. Zum schönen Sommerwetter beim Testbesuch passte hingegen die „Daurade provençale“ (EUR 21). Der filetierte Fisch war herrlich kross angebraten, und dazu gab es eine der Ratatouille ähnliche Gemüsekombination. Auf südfranzösisches savoir vivre eingestellt, wollte ich mir ein Glas Rosé empfehlen lassen, bekam aber nur einen deutschen Weißherbst (EUR 5), der mir etwas zu lieblich erschien. Dabei rühmte schon der Gault Millau die hervorragend sortierte Weinkarte, und auch das Überraschungsmenü (EUR 66 p.p.), bei dem der Kunde sich einen Wein aussuchen kann, zu dem passend sieben Gänge zubereitet werden, wird immer wieder gern gewählt.

Die Empfehlung zum Dessert war ein Volltreffer. Die frischen Erdbeeren (EUR 8) kamen direkt vom Bauernhof nebenan und waren von köstlicher Süße.
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Oberhausen-Dümpten, Mühlenstr. 116, Fon 0208.870975. Mo-Sa 17-22 Uhr, So und feiertags 12-14 & 17-22 Uhr. Di Ruhetag. www.restaurant-frintrop.de

Aus dem Archiv: Schote - Eleganz und Harmonie

Der Artikel erschien erstmalig im Restaurantführer „Essen geht aus 2003/2004“.

Wenn der Name eines empfehlenswerten Restaurants In Rüttenscheid fällt, dann ist es immer wieder die „Schote“. Seit 1995 wird das Restaurant an der Emmastraße von Monika und Hans Klapdor geführt, und für den gelernten Metzger, Koch und Betriebswirt und seine Frau ist die Schote Sinnbild für Frische und Qualität, wie sie auf ihrer schönen Internetseite erklären.

Einst mögen die Räumlichkeiten des Restaurants eine der typischen Ruhrgebietseckkneipen gewesen sein, heute beeindrucken sie durch ihr farbenfrohes Design, das in gewissen Abständen immer wieder neu dekoriert wird. Der schwarze Tresen, schwarze Säulen und das dunkle Bistromobiliar heben den Kontrast zu den dominierenden Farben Blau und Grün hervor. Das modisch-mediterrane terracotta-orange, das zur Zeit allenthalben vorherrscht, suchten wir bei unserem Besuch vergebens. Eine gepflegte Stammkundschaft aus Rüttenscheid und auch von weiter weg beherrschte das Bild, häufig elegante Damen im modischen Outfit – die Rüttenscheiderin ist bekanntlich die Pariserin Essens.

Die Speisekarte gab sich so wenig mediterran wie die Ausstattung. „Zanderfilet in einer Kartoffelkruste“ (EUR 16,50), „Filetwürfel in Senf-Rübenkrautsauce mit frischem Wirsing“ (EUR 15,50), „Entenbrust auf Steinpilzsauce“ (EUR 18) – die Hauptgerichte kündeten eher von einer mitteleuropäischen Kochtradition und verbreiteten eine herbstliche Atmosphäre, obwohl es bei unserem Test-Besuch Frühsommer war. Kein Wunder, dass auf der Tageskarte Spargel angesagt war: „klare Spargelsuppe mit Flusskrebsen und Schinken“ (EUR 5,50) als Vorspeise oder „Schweinefilet mit frischem Spargel“ (EUR 19,50) als Hauptgericht.

Auch das Menü, das wir wählten, hatte Festtagsqualität und erinnerte irgendwie an Weihnachten, obwohl viele Elemente der Gänge saisonbedingt waren. Als amuse bouche gab es eine Variation von „Himmel und Erde“, die die Bestandteile Kartoffeln und Äpfel elegant miteinander kombinierte. Dem folgte als erster Gang eine Rehterrine mit marinierten Pfifferlingen, herzhaft und rustikal und dennoch in seiner feinen Säuerlichkeit angenehm appetitanregend. Der Lachs mit Spargel und Schnittlauchsauce kam eher leicht daher, obwohl es sich dabei um eine ordentliche Portion handelte. Als Höhepunkt gab es schließlich ein Lammcarrée mit Steinpilzen, bei dem sich die würzigen Aromen des Lamms mit den waldigen der Pilze perfekt ergänzten. Der Nachtisch war dann Sommer pur: Panna Cotta mit weißer Pfirsichsauce.

Auf die Getränkeempfehlungen von Monika Klapdor war Verlass. Als Aperitif hatte uns ein „Bellini“ (Champagner mit weißem Pfirsichmark EUR 7,70) prächtig auf das Menü eingestimmt. Zum Lachs war ein cremiger 2001er Chardonnay Jean Belmont von der Loire (0,2l EUR 4,90) mehr als passend, während das Lamm von einem 2000er Barco Reale di Carmignano aus der Toscana (0,2l EUR 6) perfekt begleitet wurde.
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Essen-Rüttenscheid, Emmastr. 25

Mittwoch, 23. Juli 2003

Aus dem Archiv: Bei Gino - Überraschung, Überraschung

Der Text erschien erstmalig in "Essen geht aus 2003/2004"
Heute (2024) befindet sich ein Restaurant "Bei Gino" im Alten Stiftshaus.

Von außen könnte man „Bei Gino“ glatt für eine Mitnahme-Pizzeria halten. Und auch innen ist es eng, doch wenn man die die dunkle Theke inmitten des Gastraums umgangen hat, kommt man in einen hübschen, hellen Wintergarten, der sich im Sommer zu einem idyllischen Hinterhof öffnet. Eine Terrasse mit Goldfischteich und fest gemauertem Grill, der allerdings schon länger nicht in Betrieb war, wie die Kletterpflanzen zeigen, und im Hintergrund ein Holzpavillon, in dem man auch bei schlechtem Wetter sitzen kann, überraschen den Gast. Auf den Balkonen der Nachbarhäuser recken sich zahlreiche Schüssel-Antennen nicht nur nach Berlusconi-Land. Aus dem Garten links hört man den Rasenmäher rattern, rechts spielen Kinder Fußball, und wenn der Ball über dem blickdichten Gartenzaun sichtbar wird, wartet man nur darauf, dass er herüber hüpft in die Suppe oder Spaghetti.

„Bei Gino“ trifft sich der ganze Stadtteil. Die meisten Gäste werden mit Handschlag begrüßt, der Hausherr mit grauem Bärtchen schlägt dabei häufig militärisch elegant die Hacken zusammen. Die Tagesangebote, die er freundlich und mit Stolz annonciert, wenn er der Speisekarte überreicht, sind überraschend umfangreich. Da dominieren zahlreiche Fischgerichte, die ich mir kaum merken kann, doch ich nehme mir vor, nach Lektüre der Standardkarte darauf zurückzukommen.

So übergehe ich „Carpaccio Fiorentino“ (zarte Rinderfiletscheiben, mariniert mit Parmesankäse, EUR 8,70), den „Insalata della Casa“ mit Thunfisch, Krabben und Mozzarella (EUR 6,70), die zahlreichen Pizze wie etwa „Tre Funghi“ mit Austernpilzen, Steinpilzen und Pfifferlingen (EUR 9,40) und Nudelgerichte wie „Pappardelle al Gambero“ mit Hummerfleisch in Knoblauchsauce (EUR 8), „Filetti d’Agnello al pepe“ (Lammfilet mit Pfefferkörnern in Sahnesauce, EUR 16,10) oder „Coda die Ropso alla Chef“ (Seeteufel mit Krabben und Estragon in Sahnesauce, EUR 15) und bestelle mir eine Vorspeisen-Portion Spaghetti mit Babymuscheln und eine gegrillte Dorade.

Und ich werde wieder überrascht, denn das Bestellte ist erstaunlich gut und schmeckt herrlich. Die Babymuscheln schwimmen in einem kräftigen Sud, bei dem – überraschenderweise - Lauch dominiert und der auch als Sauce fungiert. Die gegrillte Dorade erinnert mich an Fischplatten, die ich allerdings nicht in Italien, sondern auf den Kanarischen Inseln zu mir genommen habe. Der komplette Fisch, an den Seiten tief eingeschnitten, mit Kräutern gewürzt und Lauch garniert, wartet auf dem einen Teller darauf, verzehrt zu werden, auf einem anderen wird ein reichhaltiges, mit Käse überbackenes Gemüse- und Kartoffelgratin serviert. Die Stimmung steigt sofort ins Elysische, als die Leckereien vor mir stehen, zumal der offene Weißwein (EUR 4) ganz hervorragend dazu passt. Auch die Panna cotta mit Schokoladensauce (EUR 4,30) schmeckt fantastisch, kommt jedoch in ungleiche Scheiben geschnitten auf einem viel zu kleinen Dessertteller optisch nicht richtig zur Geltung.

Als ich die Rechnung bekomme, werde ich noch einmal überrascht. Die kleine Portion Muschel-Spaghetti ist mit EUR 7 in etwa so teuer wie andere Vorspeisen auf der Karte auch. EUR 20 für die Dorade bezahlen zu müssen, finde ich allerdings etwas happig. Doraden gibt es in anderen italienischen Restaurants in Essen zwischen EUR 16 und 18 preiswerter, ganz zu schweigen auf den Kanarischen Inseln. Da war die Portion doppelt so groß und halb so teuer.

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Essen-Stadtwald, Frankenstr. 263

Montag, 14. Juli 2003

Aus dem Archiv: Ange d’Or Junior - Flottes Zeitgeistmuseum

Der Text erschien erstmals in "Essen geht 2003/2004".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Junior ist gut. Seit 1990 gibt es das Ange d’Or Junior bereits, und die Vorgeschichte des skurrilen Edelrestaurants im Ruhrtal ist schon fast eine vergessene Legende. 1965 gründete Claude Huppertz das Ange d’Or und erkochte sich mit der Zeit zwei Michelinsterne. 1990 schließlich gab er die Sterne freiwillig zurück und überließ die Küchenhoheit seinem Sohn Claude junior. Aus dem Gourmettempel wurde ein modisch flottes Szenerestaurant, das nach wie vor einer fantastischen gehobenen Küche frönte, jedoch nicht mehr auf die kaum noch kalkulierbaren Qualitätsstandards der Sternetester schielen musste. Das war für das Publikum im Ruhrgebiet schon damals einfach zu teuer.

Seit 13 Jahren gibt sich das Ange d’Or Junior nun so wie es ist. An allen Ecken und Enden atmet der Laden den postmodernen Zeitgeist der End-Achtziger Jahre, als die Frauen pinkfarbene Kostüme mit Schulterpolstern trugen, bei Ikea schwarze Billy-Regale der Renner waren und sich sogar im Ruhrgebiet eine japanische Zubereitung von rohem Fisch namens “Sushi” und “Sashimi” durchzusetzen begann. Eine güldene Engelsputte weist auf dem hauseigenen Parkplatz mondänen Limousinen den Weg. Der Kamin steht für Gemütlichkeit, der Dielenboden ist abgelatscht wie in einer Studentenkneipe, aber die Theke lebt vom Kontrast von dunkler Farbe und metallischem Chrom. An den Wänden hängt eine kleine Ausstellung von Bildern wie aus jenen Tagen.

Ganz avantgardistisch gab es im Ange d’Or Junior schon damals eine asiatisch inspirierte Cross-Over-Küche, die heute immer noch modern ist. Die Karte wechselt monatlich. Sie liest sich wie ein multikulturelles Sammelsurium und wirkt in ihrer kulturellen Sorglosigkeit von geradezu kalifornischer Lässigkeit. Da steht das rheinisch-westfälische Nationalgericht “Himmel und Erde - gebratene Entenleber auf caramelisierten Äpfeln & Kartoffelschnee” (EUR 13) neben “Saté Spießen & Frühlingsrollen auf asiatischem Gurkensalat mit spicy Saucen” (EUR 11), “Oktopus ’Mykonos style’ auf Linsensalat” (EUR 11,50) neben “6 Weinbergschnecken ’Bourgogne style’ im Häuschen serviert” (EUR 8), “Ente aus dem Wok mit asiatischem Gemüse & Kartoffelstäbchen” (EUR 19,50) neben “Original Wiener Schnitzel mit Sauce Remoulade, Walbecker Spargel & Pommes rissolées” (EUR 21).

Selbst innerhalb der Gerichte gibt es einen Clash der Esskulturen. Die ganz italienisch “Involtini” genannte kleinen Rouladen waren ganz bodenständig mit Senf, Speck und Zwiebeln gefüllt, so wie man es von zu Hause kennt, dazu gab es knackiges Sommergemüse, natürlich aus dem Wok, und Kartoffelgratin (EUR 19,50). Auf ähnliche Art wurden beim “Crazy Birma Huhn”, einem Ange-d’Or-Junior-Klassiker, asiatische und italienische Geschmackskomponenten raffiniert miteinender verbunden. Zusammen mit “Scampi und Gemüsenudeln” hätte man das köstlich pikante Curry-Hühnchen auch als “mare e monte” anbieten können.

Was wahre Begeisterung hervorrief, war der der Vorspeisenteller “Sashimi Deluxe” (EUR 17,50), der gut und gerne für zwei Personen reichte. Es gibt wohl keinen Japaner im Ruhrgebiet, bei dem man die “rohen Edelfische aus dem Atlantik” in solcher Qualität bekommt. Die dazu gereichte Meerrettich-Sauce Wasabi und besonders der Rosen-Ingwer waren von umwerfend zarter Pikanterie; und mit einem 2002er Gavi di Gavi von Gemma wurde ein Weißwein dazu empfohlen, der nicht besser hätte passen können. Überhaupt bietet die Weinkarte, passend zur Cross-Over-Ausrichtung der Küche, ein hervorragende Auswahl aus aller Herren Länder.

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Essen-Kettwig, Ruhrtalstr. 326-328

Aus dem Archiv: Oase - Melancholie auf hohem Niveau

Der Text erschien erstmalig in "Essen geht aus 2003/2004".
Das Restaurant nennt sich heute (2024) "Oase Uno".


Haben Sie vielleicht den Film “Solino” gesehen? Darin wird die fiktive Geschichte der ersten Pizzeria im Ruhrgebiet geschildert. Die gab es angeblich in Oberhausen; der Film versetzte sie nach Duisburg. Ich musste dabei sofort an die “Oase” denken, jenem Italiener in der Friederikenstraße, der seit 40 Jahren das Essener Südviertel mit seiner fantastischen Küche beglückt. In den 60er Jahren eröffnete Luigi Stefanuto eine Eisdiele, der er jedoch bald in eine Pizzeria umwandelte. Jahre lang hatte das Lokal den Charme eines Eiscafés, und noch heute erinnert der bunte Neonschriftzug über dem Eingang daran. Mittlerweile hat Fabrizio Stefanuto und seine Frau die Leitung von seinem Vater übernommen. Zwischenzeitig hatte er die “Oase Due” in Rüttenscheid aufgebaut, die jedoch längst unabhängig ist.

Ich weiß noch, wie es vor ein paar Jahren noch unmöglich war, eine Platz im Lokal zu bekommen. Wer unangemeldet kam, konnte nur mit Glück an einem Katzentisch untergebracht werden, und der Laden erinnerte an einen Stadtviertel-Treffpunkt auf höchstem kulinarischen Niveau. Allein die drei oder vier verschiedenen Sorten selbstgebackenes Brot, die sofort unaufgefordert auf dem Tisch standen, machten einem den Mund wässrig.

Lag es an dem heißen Sommertag, an unserer persönlichen Indisposition oder ganz einfach an der allgemeinen wirtschaftlichen Depression, dass beim jetzigen Besuch so eine melancholische Stimmung über dem nur an zwei Tischen besetzten Lokal lag? Am Essen jedenfalls konnte es nicht liegen.

Wie immer beim guten Italiener lohnt es sich, auf die wechselnden Tagesgerichte zu achten. Die sind in der “Oase” auf Tafeln annonciert, und so bestellten wir als Vorspeise gegrillten Montasio-Käse mit Radicchio (EUR 8,50), und als Hauptspeisen Kalbsnieren Trifolati (EUR 14) und Schweinefilet mit getrüffelter Zucchinisauce (EUR 16). Auch hätte mich das “Büffelfilet mediteranea” (EUR 19) gereizt, doch ich wollte keinen kulinarischen Crossover, sondern etwas Italienisches, und eine Dorade (EUR 18) gab es erst gestern. Auf der Standardkarte wären wir natürlich auch fündig geworden. Klassiker wie “Carpaccio” (EUR 8,70) oder “Vitello Tonnato” (EUR 8,70) als Antipasti, selbstgemachte Nudelspezialitäten (zwischen EUR 6,50 und EUR 10,50), eine bescheidene, aber prachtvolle Pizzaauswahl (zwischen EUR 4,50 und EUR 8 für eine Pizza mit Carpaccio und Trüffelöl) und einige schöne Fleisch- und Fischgerichte hätten uns sicherlich glücklich gemacht.

Anders als früher gab es nur profane Pizzabrötchen zum Entrée, doch die waren wirklich frisch und aus dunklem, herzhaftem Mehl gebacken. So einfach die folgende Vorspeise, die gut und gerne für zwei Personen reichte, war, sie schmeckte ausgezeichnet. Der gegrillte Montasio-Käse war mild und herzhaft zugleich, von halbflüssiger Konsistenz und harmonierte herrlich zu dem bitteren, gebratenen Radicchio-Salat. Die getrüffelte Zucchinisauce war ein Traum und erinnerte fast an eine pikante Art von Marzipan. Und die Kalbsnieren, in ihrer Festigkeit erstaunlich zart und angenehm säuerlich, glichen einer kultiviert-bürgerlichen Variante des rustikalen Innereien-Gerichtes. Zum Abschluss dann eine leichte, süße Creme Caramel (EUR 5) - perfekt!

Gern hätten wir Frau Stefanuto, die den Service leitet, am heutigen Abend etwas mehr Arbeit auch an anderen Tischen gegönnt. Dann hätten wir sicherlich den Abend bei einem Glas 93er Barbaresco (EUR 4,50) oder einer Flasche Pinot Grigo von Pighin (EUR 19) stimmungsvoll ausklingen lassen können. Doch wir machten uns auf den Heimweg. So brauchte der hübsche Bursche, der uns bediente, nicht länger die buntscheckigen Terrazzo-Fliesen zu zählen, die mich, je nach Ausfertigung, immer an große, mit Schinken gespickte Mortadellascheiben oder an eine aufgeschnittene Cassata mit ihren kandierten Früchtestückchen erinnern.
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Essen-Südviertel, Friederikenstr. 45-47
Fon 0201. 77 07 91
Di-So 12-14.30 & 18-23 Uhr, mo geschlossen
https://www.oase-essen.de/

Sonntag, 6. Juli 2003

Aus dem Archiv: La Barca - Chic in der Vorstadt

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2003/2004".

Dass Vorstadt-Italiener ausstattungsmäßig nicht unbedingt den Ruhrgebietskneipen-Charme der frühen 70er Jahre konservieren müssen, dafür ist “La Barca” in Holsterhausen ein ansehbares Beispiel. Allein die Terrasse, die vor zwei Jahren angebaut wurde, ist ein Musterbeispiel moderner Architektur und erinnert gleichermaßen an ein Schwimmponton und an eine Loft-Veranda. Zwischen den Häusern der Rühlestraße, allesamt graue soziale Wohnungsbauten von Ende der 50-er Jahre, bietet das dem Auge fast exotische Erholung. Innen sitzt man unter einem riesigen Kronleuchter, der allerdings nichts Barockes an sich hat, sondern ganz postmodern wirkt.

Die Speisekarte zum Mitnehmen zeigt deutlich, dass wir uns nicht in einer Schickimicki-Wohngegend befinden, sondern unter ganz normalen Menschen. So kommt denn auch so manche junge Mutti herein, die, des Kochens müde, eine Ration Pizza für die ganze Familie bestellt. 18 verschiedene Sorten gibt es, von der klassischen Pizza Margherita (EUR 4,30) über eine Pizza Vegetariana mit Spinat, Broccoli, Pilzen, Zwiebeln und Artischocken (EUR 6,90) bis hin zur Pizza Emilia-Romagna mit Tomaten, Mozzarella, Rucola, Parmaschinken und Parmesankäse (EUR 8,30). Die meisten Pizzen gibt es zum Mitnehmen auch als kleine Portion.

“Neue Pizza, neue Pasta, neue Preise!” steht groß auf der Speisekarte, und die im letzten “Essen geht aus” als zu teuer empfundenen Spaghetti Bolognese zu EUR 8,50 sind nirgends zu finden. Das preiswerteste Pastagericht “Spaghetti Aglio, Olio, Peperoncino” kostet EUR 5,90, das teuerste “Tagliatelle alla Pietro” mit Schweinfilet, Pfifferlingen und Chardonnaysauce EUR 8,90. Fleisch- und Fischgerichte wie “Saltimbocca alla romana” (EUR 13,90) oder mit Käse überbackenes “Seezungenfilet mit Spinat und Knoblauch” (EUR 13,90)runden das Angebot ab. Neben der Standardkarte gibt es noch eine monatlich wechselnde Spezialitätenkarte, die ganz besondere Schmankerln bietet. Zum Testen hielten wir uns jedoch an das Standardangebot. Nach wie vor ist die Tomatencremesuppe ein Hit (EUR 3,50); allerdings hätte man auch etwas anderes als Salz zum Würzen nehmen können. Prächtig mundeten dann die “Penne Puttanesca” (EUR 6,90). Die nach mit Tomaten, Oliven und Sardellen zubereiteten kurzen Röhrennudeln waren schön scharf - nach “Art der Huren” eben, wie der Name schon sagt.

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Essen-Holsterhausen, Rühlestr. 2,
Fon 0201. 77 74 59
Di-Sa 17-22 Uhr. So, Mo Ruhetag
https://labarca-essen.de/

Aus dem Archiv: G'nau im alten Stiftshaus - Duftende Schönheit

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2003/2004"
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Im Alten Stiftshaus befindet sich heute unter anderer Leitung  (2014) "Bei Gino".

Dass die Augen mitessen, ist eine alte Gastronomen-Weisheit. Und dass die Nase das wichtigste Geschmacksorgan ist, wissen nicht nur die Physiologen. Das "G'nau im alten Stiftshaus" bedient beide Sinnesorgane und bietet höchsten Genuss für Auge und Nase. Allein das Ambiente ist betörend. Das über tausend Jahre alte Gemäuer ist ein wunderbares Beispiel, wie mittelalterliche Architektur mit moderner Nutzung verbunden werden kann. So, wie das Haus ausgestattet ist, atmet es geradezu italienische Eleganz. Im Winter lässt Eigentümer Reiner Ziedorn häufig den mächtigen Kamin im Festsaal einheizen, im Sommer ist die geschmackvoll mit beeindruckenden Teakholz-Möbeln ausgestattete, bis zu 200 Plätze umfassende Terrasse mit ihren großen, schattenspendenden Bäumen eine ruhige Oase an der vielbefahrenen Rellinghauser Straße. Im Keller gibt es noch einen kleineren Raum in edlem Klosterdekor mit separater Bar, wo man nach einem Geschäftsessen dem umfangreichen Spirituosen- und Zigarrenangebot des Hauses ungestört zusprechen kann.

Die italienisch-mediterrane Küche bringt sämtliche Wohlgerüche des Mittelmeeres auf den Tisch. Ob Basilikum, Rosmarin oder Thymian, eine unaufdringliche und dennoch intensive Kräuterseligkeit umgibt den Gast. "Rucolasalat in Balsamicovinaigrette mit Tomaten, Oliven, Paprika und Croûtons" (EUR 7), "Carpaccio vom geräucherten Schwertfisch mariniert mit Thymianöl, dazu Raukesalat und bunte Bohnenkerne" (EUR 8,50) oder der "Toskanische Vorspeisenteller mit luftgetrocknetem Schinken, gegrilltem Sommergemüse und geräuchertem Lachs" (EUR 9) sind Vorspeisen, die auf der kleinen Standardkarte zu finden sind, "Rotbarbenfilet vom Grill mit Fenchel-Safrangemüse, Kräutersauce und buntem Reis" (EUR 17,50), "Saltimbocca vom Ochsenroastbeef mit luftgetrocknetem Schinken und Salbei gebraten, dazu Pinienkernspinat und Linguini" (EUR 18) oder "Rosa gebratene Barbarie-Entenbrust mit zweierlei gerösteten Paprika und Rosmarinkartoffeln" (EUR 18,50) die Hauptspeisen, die das schmackhafte, aber unkomplizierte Küchenkonzept eindrucksvoll illustrieren. Ein dreigängigiges Menü kostet EUR 28 pro Person.

Das kleine Abendmahl, das ich mir von der Tageskarte zusammenstellte, glich einer olfaktorischen Schulstunde. Der "provencalische Fischsuppe mit geriebenem Käse, Sauce Aioli und Croutons" (EUR 6,50) entströmten Düfte, die kaum eine Bouillabaisse in Marseille aufweist; besonders der Knoblauch der Aioli-Sauce kam mit pikantem Schmelz. Bei der "geschnetzelten Poulardenbrust mit Gnocchi, Paprika, Oliven, Tomatensauce und geriebenem Parmesan" (EUR 12,50) erfreute ebenso: Teilte man die Knödelchen mit der Gabel, kam ein wunderbar duftender Kern aus Basilikum zum Vorschein. Abgerundet und leider beendet wurde der Duftrausch durch die Aprikosensauce, mit der das "Trüffeleistörtchen mit Früchten der Saison" (EUR 5) serviert wurde. Es war, als schwebte man auf einer Wolke von Marillen-Seligkeit österreichischer Provenienz.

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Essen-Rellinghausen, Stiftsplatz 1