"Allez"-Chefs Boris Geigenmüller und Florian Lange
Ein wenig betroffen machte es ja schon, als im August letzten Jahres das Café „Königsallee 1“ unter der gleichlautenden Adresse im Bochumer Ehrenfeld schon wieder schließen musste. Nicht ganz anderthalb Jahre hatten Sieglinde und Sina Pagel durchgehalten, das Mutter-Tochter-Gespann, das mit so viel Mut und Engagement für die Realisation ihres charmanten Projektes in dem denkmalgeschützten 50-er-Jahre Bau zwischen Schauspielhaus und Bermudadreieck ins kalte Wasser der Gastronomie gesprungen waren. (Zum Genussbereit-Bericht klick hier).
Erst standen die Räumlichkeiten unter der markanten Neon-Reklame der alten Foto-Marke „Agfa“ einfach leer, doch dann begann hinter den abgetünchten Schaufensterscheiben plötzlich ein emsiges Umbau-Treiben. Am 19.Februar 2025 war es schließlich so weit: das neue Bistro „Allez“ feierte sein Debut.
Denkmalgeschützte Moderne
Hinter dem genauso lässigen wie ambitionierten Restaurant-Projekt stecken diesmal aber zwei erfahrene Veteranen der Bochumer Bermudadreieck-Gastronomie. Florian Lange hat für die verschiedenen Konzepte der BJW Essen und Trinken Gastronomie GmbH von Christan und Anne Bickelbacher gearbeitet (Tucholsky, Tapas, Three Sixty u.a. sowie Forsthaus im Weitmarer Holz). Boris Geigenmüller war bis 2021 acht Jahre lang Küchenchef im Livingroom von Lukas Rüger und Seran Bahtijari und in dieser Zeit auch am Erfolg der zur Restaurant-Familie gehörenden kleinen Schwester Restaurants Five beteiligt. (Zu einem Porträt von 2013 klick hier). Ab 2021 kochte er dann in Bar „La Bas“, dem kurzzeitigen Nachfolgeprojekt des legendären Café Treibsand in dem umgebauten Bunker am Moltke Markt.
Der Restaurantname ist natürlich eine Anspielung an die exklusive Adresse. Den Namen des Vorgängerlokals wollten sie aber nicht übernehmen, erklärt Boris Geigenmüller, u.a. auch um irgendwelche Düsseldorf-Assoziationen zu vermeiden. So kam man dann auf das neuen Aufbruch versprechende „Allez“. Die Räumlichkeiten wurden neu eingerichtet; zur Zeit wartet man noch auf einige Akustik-Elemente, die den Schall im großen Saal schlucken sollen. Auch der Neon-Namenszug ist noch nicht über dem Eingang angebracht, nicht zuletzt, weil man sich bei dem historischen Gebäude mit der Denkmalschutzbehörde auseinander setzen muss.
Die Speisekarte zeigt deutlich, hier geht's ums Essen
Seit der Eröffnung ist das „Allez“ von den Gästen gut angenommen worden, trotz der Fehlmeldung der WAZ, dass es sich bei dem Bistro um eine „Weinbar“ handeln würde. Boris kann gar nicht verstehen, wieso die WAZ so etwas schreiben konnte, hatten sie doch im Gespräch ausgiebig das Bistro-Konzept erklärt, bei dem das Essen im Mittelpunkt steht. „Jetzt kommen die Leute zu uns, um etwas zu trinken, und haben vorher schon woanders gegessen“, kann er seinen Ärger nicht unterdrücken.
Natürlich hat das „Allez“ eine umfangreiche Weinkarte mit einer feinen Auswahl, schließlich hat Bochum in den letzten Jahren eine schöne Entwicklung vom reinen Fiege-Revier zu einer Wein-Stadt gemacht. So arbeitet das „Allez“ mit der Weinhandlung „Terroir Unlimited“ von Daniel Mariano zusammen, die, ursprünglich in Bochum-Weitmar gelegen, nach einem kurzen Zwischenspiel in Witten ebenfalls an die Königsallee gezogen ist, direkt gegenüber. Und in der „Garage“ des „Allez“ wird ein separater Verkostungsraum eingerichtet,
Bei aller Weinkultur, ins „Allez“ sollte man hauptsächlich zum Essen gehen. Denn das, was von Boris und seiner Köchin Johanna auf den Tisch gebracht wird, gehört zum Besten, was die Bochumer Innenstadt im neuen kulinarischen Spannungsfeld zwischen Five, Grünem Gaul und Kantine.wtf zu bieten hat. Das konnte ich jedenfalls mit meinen Freunden von Slow Food Bochum feststellen, als wir am letzten Freitag dem „Allez“ einen Antrittsbesuch abstatteten. Zwar waren auch wir ursprünglich von der Falschmeldung „Weinbar“ angelockt worden, aber so, wie sich der Abend dann gestaltete, stellte sich schnell Begeisterung ein. Die Küche lud uns zu einem kleinen Streifzug durch die Speisekarte in Vorspeisengröße ein, so dass wir vieles probieren konnten, um dann die Hauptgericht à la Carte bestellen zu können.
„Wir wollen uns nicht auf eine bestimmte Richtung festlegen“, erklärte Boris Geigenmüller das Konzept. So gibt es auch keinen asiatischen oder mediterranen Schwerpunkt, sondern von überall her werden sich die Ideen geholt, die mit handwerklichem Können umgesetzt werden. Im Mittelpunkt stehen die Produkte und deren respektvolle und dennoch professionelle Zubereitung, eine Herangehensweise, die besonders die italienische Küche auszeichnet. Dass wir als Slowfoodies uns wünschen würden, dass der Ursprung der Produkte regionaler wäre, sei einmal als Anregung in den Raum gestellt.
Auffällig ist, wie unprätentiös die Gerichte angerichtet sind, ohne großartige Finessen oder Chichi. Manch ein Teller sieht aus wie eine unkomplizierte Mahlzeit in einer Berghütte. Geschmacklich gab es keine Ausreißer, eher konnte man in Verzückung geraten.
Was mich persönlich allerdings irritierte, war das Beleuchtungskonzept. Die Räumlichkeiten werden in ein leicht düsteres, nikotin-gelbes Licht getaucht, so dass sie Speisen völlig ihrer Farbigkeit beraubt werden. Die einzigen Lichtquellen in den Räumlichkeiten des „Allez“, die natürliches Licht produzieren, sind auf das große Gemälde an der Wand gerichtet ist. So bringen die Fotos der Gerichte, die ich hier zeigen kann, leider nicht ihre Appetitlichkeit auf den Punkt. Schade eigentlich, denn auch bei nicht fotografierenden Gästen gilt doch die Regel „Auch die Augen essen mit.“ Und die Gerichte haben es allemal verdient.
Das Slow-Food-Antrittsessen
Allez, 28.2.2025
Allez, 28.2.2025
Sauerteigbrot und Butter aus der Normandie
Das Brot stammt aus der Blond Bakery in Essen-Rüttenscheid. Die Sauerteigmanufaktur ist mittlerweile zum Aushängeschild für die Kunst des Brotbackens im Ruhrgebiet.
Deviled Kneibel-Ei
Der Kneibel-Hof in Hattingen hat durch geschicktes Marketing seine Eier von 1300 freilaufenden Hühner zu einer einzigartigen Marke gemacht. Im „Allez“ wird es pikant gewürzt angerichtet. Aber keine Angst, teuflisch scharf ist es nicht, wie man bei der Bezeichnung denken könnte.
Tigermilch oder leche de tigre ist ein säuerliche Limonen-Fisch-Sauce, die bei der Herstellung von Ceviche zum Garen von rohem Fisch verwendet wird. Hier ergibt sie mit üppigen Tranchen von der Gelbflossenmakrele ein erfrischendes Gericht.
Radicchio Tardivo di Treviso geschmort │
Fourme d’Ambert AOP │ Walnüsse
Fourme d’Ambert AOP │ Walnüsse
Piemont und Venetien treffen Frankreich:
Bittersüße Eleganz für die Zunge
Bittersüße Eleganz für die Zunge
Fried Cornichons │ BigM-Sauce
Witzige Weinbegleitung: Gürkchen im Teigmantel, dazu eine dem Fastfood nachempfundene Cocktailsauce
Hauptgänge
Cremige Tessiner Polenta, Rote Bete,
Sonnenblumenkerne, Hefe (20 Euro)
Sonnenblumenkerne, Hefe (20 Euro)
Ein Gericht wie vom Südhang der Alpen. Urwüchsig, erdig, schmackhaft und sättigend. Nicht zum Fotografieren, sondern zum Essen.
Gnocchi Sardi, geangelter Calamar, Limonen-Beurre-Blanc (24 Euro)
Mediterranes Pasta-Gericht vom Feinsten. Nudeln in Gnocchi-Form und Calamar, beides samtweich, buttrig- schmelzend abgerundet.
Maitake-Pilze gegrillt, Gemüsejus, Schalottenknusper (22 Euro)
Hm – der Maitake-Pilz wird auch „Gemeiner Klapperschwamm“ genannt. Gekonnt zubereitet, ergibt er ein köstliches Gericht. Darüber hinaus ist er auch besonders gesund.
Kotelett vom Sattelschwein, Stängelkohl, Sawsawan (33 Euro)
Das Sattelschwein ist eine gefährdete Haustierrasse, und in seiner schleswig-holsteinischen Varietät ist es sogar Passagier der Slow-Food-Arche. Das Kotelett war tadellos gebraten und in Knochen und Tranchen zerlegt, so dass es einfach zu essen war. Dazu gab es Stängelkohl, d.h. Stielmus (oder war es das italienische cima di rapa?), und als besondere Umami-Note den südostasiatischen Soja-Dip Sawsawan in einem Extra-Schälchen.
Desserts
Weiße Schokolade, Yuzu, Rosmarin
Blutorangensorbet, Brioche, Kondensmilch
Coulommiers, eingelegte Feige
Coulommiers ist ein Camembert-ähnlicher Weichkäse
Allez. Königsallee 1, 44789 Bochum. Tel 0234/61009985. Mi- Sa ab 18 Uhr, geplant ist auch nachmittags. Infos bisher nur auf Instagram
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