Seit ich vor fünf Jahren auf dem Fachforum „food & drink“ des Bochumer Gastro-Großhändlers Niggemann den Vertreter des französischen Geflügelzüchter-Kooperative „Fermiers Landais“ Hendrik Huijser und seine Marensin-Hähnchen kennen gelernt hatte (klick hier), wollte ich so ein Hähnchen zubereiten. Die Marensin-Hühner sind sozusagen das südwestfranzösisches Gegenstück zu den Bresse-Hühnern aus Ostfrankreich. Auch sie sind eine besondere Rasse, können sich in großzügigen Außengehegen ihr Futter selbst suchen und werden zusätzlich mit Mais gemästet. Mit marensin werden die mobilen Ställe bezeichnet, mit denen die Nackthalshühner von den Geflügelzüchtern im Departement Landes an der Atlantikküste in die Wälder gebracht werden, um dort mit mindestens 88 Tagen ein doppelt so langes und vor allen Dingen artgerechteres Leben wie die Masthähnchen aus konventioneller Massentierhaltung zu führen. Die Marensin-Hähnchen sind mit dem französischen Gütesiegel „Label Rouge“ ausgezeichnet.
Vertriebsmanager Hendrik Huijser von der Kooperative "Fermiers Landais"
An diesem Pfingsten war es endlich soweit. Das Marensin-Hähnchen besorgte ich mir aber nicht bei Niggemann in Bochum, sondern beim Mitbewerber FrischeParadies in Essen; beide Großhandlungen befinden sich mittlerweile unter dem Dach des Schweizer Handelsriesen Transgourmet. Das FrischeParadies rühmt sich, als erster die Marensin-Hähnchen für den deutschen Markt entdeckt zu haben. Zudem verkauft es seine Profiprodukte auch an Endverbraucher, und so war der Feinkostsupermarkt mit seinem eleganten Bistro auf dem Essener Großmarkt (klick hier) ideal für meinen Einkauf.
Das schöne mais-gold-gelbe Marensin-Hähnchen , das ich dort erstand, war 1,5 Kilogramm schwer und kostete 22,95 Euro; leider war es ohne Innereien. Zubereiten wollte ich es nach einem Rezept aus einem meiner alten Kochbücher, „Die Bistro-Küche – Die 200 besten Rezepte der traditionellen französischen Küche“ von Patricia Wells (klick hier). Für das poulet rôti aux herbes eines Pariser Bistros wird das Hähnchen komplett in einen Kräutermantel eingehüllt und dann im Rohr gebraten. Hauptbestandteil des Mantels ist neben Petersilie, Dill und Estragon der frische Sauerampfer, der für die nötige Säure sorgt, die das Hähnchenfleisch bekanntermaßen so liebt. Dazu sollte es klassische Frühlingsgemüse geben, die man hierzulande auch als Leipziger Allerlei kennt: Erbsen, Möhren, Spargel und Morcheln, und gebackene Kartoffeln. Eine Kohlrabi schaffte es auch aufs Zutatenfoto ganz unten, wurde aber nicht verwendet.
Das Hähnchenrezept las sich leicht, hatte es aber in sich. Die Kräuter hackte ich nicht, wie im Rezept empfohlen, mit einer Küchenmaschine, sondern mit dem Messer – aus Furcht, sie könnten sich in ein musartiges Pesto verwandeln. Ob das Ergebnis dann so fein wurde wie gedacht, möchte ich bezweifeln. Um die Kräuter am Hähnchen festzukleben, sollte es nach dem Pfeffern und Salzen mit verquirltem Eigelb eingestrichen werden. Das funktionierte erst einmal ganz gut. Auch die Furcht, die applizierten Kräuter könnten bei einer Temperatur von 220 Grad verbrennen, war unbegründet.
Was jedoch nicht funktionierte war, das Hähnchen beim Braten immer wieder zu begießen. Es trat nämlich kaum Bratensaft aus. Also rührte ich etwas Instant-Gemüsebrühe an und begoss es damit. Knusprig wurde das Hühnchen dennoch nicht, denn es brauchte kaum ein Stunde um gar zu werden, und nicht die eineinhalb Stunden, wie das Rezept prophezeite.
Laut Rezept sollte der Bratensatz mit dem nicht vorhandenen eigenen Saft los- und dann zu einer Sauce eingekocht werden, die durch herabgefallene Kräuter ein schönes Aroma bekommen sollte. Doch weil ich die Brühe zum Begießen zu sorglos angerührt hatte, war der Bratensatz viel zu salzig, um ihn noch einmal einkochen zu können. Außerdem hatte ich zu wenig Mühe beim Trennen der Eier walten lassen, so dass mit dem Eigelb viel zu viel Eiweiß an das Huhn gekommen war. Das war in den Bratensatz gelaufen und zu einer Art Eierstich geronnen. Das sah ganz und gar nicht schön aus, und so verzichtete ich darauf, überhaupt eine Sauce zu machen.
Und dennoch, das fertige Brathähnchen schmeckte ausgezeichnet. Das Huhn ergab vier gehörige Portionen Fleisch. Es war saftig und zart, hatte dennoch viel Kraft und Biss, und die ganze Angelegenheit war angenehm würzig. Und mit dem dazu gereichten Gemüse kam auch genügend Flüssigkeit dazu. Der westlichste Wein, den mein Keller zur Begleitung bot, war ein Chåteau d’Agassac aus der Bordeaux-Appellation Haut-Médoc. Er war aus dem Jahr 2005 und stand nach 18 Jahren in der besten bekömmlichen Reife.
Den versalzenen Bratensatz mit den Eierstich-Stippen und das bisschen Saft wollte ich dennoch nicht entsorgen. Wenn man ihn schon nicht einkochen konnte, sollte man ihn dann nicht einfach verlängern und so entsalzen? Also zupfte ich sämtliche verbliebenen Fleischreste von der Karkasse, was noch einmal ein hübsches Portiönchen ergab, das ich beiseite tat. Die Karkasse gab ich mit einem Bund Suppengemüse, den übriggeblieben Kräutern und ein paar Gewürzen zum Satz, goss alles mit Wasser auf und kochte daraus eine schöne Hühnerbrühe. Das Versalzene verwandelte sich in angenehme Würze, und auch der Eierstich erwies sich noch als sehr segensreich. Als Ich die fertige Brühe durch ein Sieb goss, wirkte er wie ein Filter, und heraus kamen fast zwei Liter sonnenklare Hühnerbrühe, ideal für ein Hühnerfrikassee-Risotto als Resteessen.
Rezept: Marensin-Hähnchen im Kräutermantel mit Frühlingsgemüsen
Hähnchen im Kräutermantel:
1 Marensin-Hähnchen, ca. 1,5 kg und küchenfertig
100 g frische Sauerampferblätter
40 Petersilie
je 20 g frischer Estragon, Dill, Kerbel
2 Eigelb
2 EL Butter
Salz, Pfeffer
Rapsöl
Den Backofen auf 220 Grad vorheizen.
Das Hähnchen waschen und trockentupfen.
Sauerampfer und Kräuter von dicken Stängeln befreien und fein hacken. Stängel zur weiteren Verwendung aufbewahren.
Hähnchen reichlich mit Salz und Pfeffer würzen.
Eigelbe vom Eiweiß trennen und verrühren.
Hähnchen überall mit Eigelb einpinseln. Die Kräuter gleichmäßig darüber streuen und andrücken.
Etwas Rapsöl in einem Bräter verteilen. Das gekräuterte Hähnchen hineinlegen und in den vorgeheizten Ofen stellen. Je nach Größe und Qualität 60 bis 90 Minuten braten. Dabei alle 10 Minuten mit Bratensaft oder kochendem Wasser begießen. Das Hähnchen ist gar, wenn beim Anstechen klarer Saft austritt.
Gares Hähnchen aus dem Bräter nehmen und ruhen lassen. Den beim Ruhen ausgetretenen Saft zurück in den Bräter geben. Entweder damit den Bratensatz loskochen und alles zu einer dicken Sauce einkochen. Oder alles zur weiteren Verwendung aufbewahren.
Frühlingsgemüse:
1 dicke Möhre
1 kleiner Blumenkohl
Mehrere Stangen Spargel
100 g Morcheln
100 g Erbsen, aus der Schote gebrochen oder TK
Kartoffeln
Salz oder gekörnte Gemüsebrühe
Butter, Rapsöl, Zitronensaft
Möhre schälen und in Stifte schneiden.
Frische Erbsen aus den Schoten brechen.
Blumenkohl von grünen Blättern befreien und den Strunk kürzen. Morcheln gut abbürsten und mehrere Male waschen.
1 ½ l Wasser zum Kochen bringen, salzen. mit gekörnter Brühe würzen. Möhrenstifte darin blanchieren; sie sollten noch Biss haben. Mit einem Schaumlöffel ehrausheben und kalt abschrecken.
Erbsen kurz blanchieren, herausheben und abschrecken.
Dämpfeinsatz in den Topf setzen, den Blumenkohl darauf setzen und nicht zu weich dämpfen. Kalt abschrecken, in Röschen zerteilen.
Morcheln kurz in das heiße Wasser tauchen und herausheben.
Geschälte und halbierte Kartoffeln fünf Minuten in dem Gemüsewasser blanchieren. Herausnehmen und abschrecken. Kartoffeln 2 Millimeter breit einschneiden, mit Öl bestreichen und in eine Bratreine setzen. Pfeffern und salzen und zum Hähnchen in den Ofen geben und 30 Minuten mitbacken.
Spargel schälen. Blanchierte Gemüse und rohen geschälten Spargel in Butter oder Rapsöl in einer Pfanne braten. Mit Pfeffer, Salz, Zucker und Zitronensaft würzen.
Anrichten:
Hähnchenschenkel und –Brust von der Karkasse lösen und in Portionsstücke zerteilen. Auf vorgewärmten Tellern mit den Gemüsen und Kartoffeln anrichten. Evtl. mit Sauce beträufeln.
Alle genießbaren Fleischreste von der Karkasse zupfen und aufbewahren.
Hühnerbrühe:
Hähnchenkarkasse und Knochen
Bratensatz und -saft
1 Dicke Möhre, in Stücken
1 Stück Sellerie, in Stücken
1 Zwiebel
2 Knoblauchzehen
2- 3 Nelken, 1 TL Pfefferkörner, 1 EL Fenchelsamen
2 Lorbeerblätter
Stängel und Reste der Kräuter
Alle Zutaten in einen gr0ßen Topf geben, mit Wasser aufgießen und 1 Stunde köcheln lassen. Wenn nötig, abschäumen. Ausgekochte Karkasse aus der fertigen Brühe nehmen. Brühe durch ein Sieb gießen. Evtl. Mit Pfeffer und Salz abschmecken.
Hühnerfrikassee:
1 Tasse Risottoreis
1 Zwiebel
1 Knoblauchzehe
5 Champignons
1 Schuss Weißwein
etwas Butter oder Öl
1 l Hühnerbrühe
1 kl. Dose Erbsen und Möhren
Abgezupftes Hühnerfleisch
20 g Blauschimmelkäse
3 EL geriebene Parmesan
1 Stück Butter
frisch gemahlener Pfeffer
Hühnerbrühe zum Kochen bringen.
Zwiebel und Knoblauchzehe in feine Würfel schneiden. Champignons in Scheiben schneiden.
In einem Topf Butter auslassen und Zwiebel- und Knoblauchwürfel darin anschwitzen. Champignonscheiben dazu geben und mitschwitzen lassen. Reis dazu geben und kurz mitschwitzen lassen. Einen Schuss Weißwein dazu geben und verdampfen lassen.
Jetzt nach und nach die kochende Hühnerbrühe zugeben und den Reis in ca. 17 Minuten gar kochen. Die Dose Erbsen und Möhren abgießen und dazugeben. Abgezupftes Hühnerfleisch dazugeben. Topf vom Herd nehmen, Butterstück, Blauschimmelkäse und Paremsan unterrühren. Mit Pfeffer aus der Mühle würzen und mit gehackter Petersilie bestreuen.
Weitere Brathähnchen-Rezepte:
Westfälisches Bresse-Huhn auf provençalische Art (klick hier)
Westfälisches Bresse-Huhn auf burgundische Art mit Pilzen, Möhrchen, Zwiebeln und Sahne geschmort (klick hier)
Poulet à la Bretonne – Hähnchen mit Roscoffzwiebeln, Champignons und Karotten in Cidre geschmort (klick hier)
Coq au vin bourgignonne (klick hier)
Gedämpftes Hühnchen nach Art
von Jean Vignard mit Makkaroni- und Spargel-Gratin (klick hier)
Pochiertes Zitronenhähnchen mit Pastinaken-Möhren-Gemüse nach Vincent Klink (klick hier)
Hähnchenschenkel auf Zucchinibett mit Knoblauch nach Katrin Rüegg (klick hier)
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