Das Bresse-Huhn und die San-Marzano-Tomate haben gemein, dass ihre Namen doppeldeutig sind. Einmal steht die Bezeichnung für die Rasse oder Sorte, und einmal für die Herkunftsregion, aus der sie ursprünglich stammen. Die Hühnerrasse oder Tomatensorte kann überall auf der Welt gehalten oder angebaut werden, aber will man Produkte aus der betreffenden Region haben, so müssen sie das Siegel der entsprechenden französischen AOC bzw. der italienischen DOP kommen. Die strengen Bestimmungen der Appellation bzw. Denominazione legen die kontrollierte Herkunft und Produktionsregeln genau fest und bürgen für höchste Qualität.
Die äußeren Merkmale der Bresse-Huhn-Rasse sind das weiße Gefieder, der rote Kamm und die grau-blauen Füße, in denen man die Farben der französischen Trikolore wiederfinderfinden kann. Die wichtigsten AOC-Regeln der Bresse, einer Landschaft im französischen Burgund, besagen, dass pro Huhn 10 qm Auslauf im Freien auf Weiden und in Maisfeldern gewährleistet ist, wo sich das Huhn sein Futter selbst suchen kann. Vor der Schlachtreife von mindestens vier Monaten werden sie mit einem Mais-Molke-Gemisch eine gewisse Zeit gemästet.
Bresse-Hühner im Ennepe-Ruhr-Kreis (Archivbild)
Ob die Bresse-Hühner, die Sonia Gehlen-Bremer auf ihrem Archehof auf einer Alm im Ennepe-Ruhr-Kreis hält, alle AOC-Regeln erfüllen, weiß ich nicht. In Burgund liegt der Hof jedenfalls nicht. Aber von der Lebensqualität, die die Hühner genießen, können sich die Züchter in der Bresse eine Scheibe abschneiden. Die Tiere laufen frei auf dem Hof und den umliegenden Bio-Schafsweiden herum, können sich nach Gusto an Grünzeug und Insekten gütlich tun und ihr Sozialverhalten ausleben. In Maisfelder können sie nicht hinein, denn hier gibt es keine – aus ökologischer Sicht ein großes Glück. Nur selten gelangen diese westfälischen Bresse-Hühner in den Verkauf, Sonia Gehlen-Bremer geht es mit ihrer Zucht nicht um den Vertrieb, sondern um die Erhaltung und Pflege der alten Rasse. Wer Glück hat, kann vielleicht bei den Marktterminen von Manufactum in Waltrop, bei denen sie gelegentlich vertreten ist, eines ergattern.
Bresse-Huhn mit Innereien
Ich konnte neulich eines der seltenen Exemplare erstehen, zu 23 Euro für das 1,5 Kilogramm schwere Huhn. Im Vergleich zu den Preisen, die Feinschmecker für ein Stück industriell aufgepimptes Edelrindfleisch bezahlen, ein Klacks. Um den individuellen Eigenschaften des Huhnes die Ehre zu erweisen, suchte ich nach einem Rezept, das dem Eigengeschmack des Fleisches entgegenkam und wurde in einem hübschen Filmchen auf YouTube fündig: Bresse-Huhn geschmort mit Zwiebeln, Möhrchen, Pilzen und Sahne. Auffällig war, dass bei diesem Rezept untypischer Weise dem Hühnchen keinerlei Schärfe zugewürzt und vor allem völlig auf Säure verzichtet wurde. Andere ähnliche Rezepte schmorten in Weißwein und benutzten Crème fraîche, hier wurden Hühnerbrühe und Schlagsahne verwendet. Zusätzliche Würze bekam das Fleisch nur durch ein dickes Kräuterbund aus Thymian, Rosmarin und Lorbeerblatt, dem ich auch noch ein paar Stengel Estragon zugab, der auf meinem Balkon vor sich hin wuchert.
Kräuterbund vom Balkon
Vorgegart: z.T. gekocht, z.T. gebraten
Dass im Rezept auch völlig aufs Anbraten und somit auf eine schöne Farbe und Röstaromen verzichtet wird, irritierte mich dann doch. Die Hühnerstücke sollten vor dem Schmoren nur ein wenig in Brühe gekocht werden. Ich kam auf die Idee, nur einen Teil der Stücke auf diese Art vorzugaren, die anderen briet ich in Butter schön kross braun an.
Mit geschmort: Pilze, Zwiebeln, Möhrchen
Überhaupt Butter, die kam gehörig zum Einsatz: beim Anbraten des Schmorgemüses und beim Anbraten der Austernpilze, die ich um eine Handvoll Pfifferlinge ergänzte. Und auch die Schlagsahne, die alles krönte, war nicht gerade unfettig. Aber wenn ich mir betrachtete, wie wenig eigenes Fett das Huhn dank stetem Auslauf und Freilanddiät aufwies, kam ich zu dem Schluss, dass beides nicht schaden konnte. Und Butter ist schließlich ein 1a-Geschmacksbringer.
Die Sahnehaube
Um auf die Erdigkeit des Hauptgerichts hinzuführen, gab es als Vorspeise eine Gelbe-Bete-Carpaccio mit Ziegenfrischkäse und ein paar übrig gebliebenen Pfifferlingen (Rezept hier). Als Nachtisch hätte die Aprikosen-Ziegenfrischkase-Tarte von letzter Woche (Rezept hier) gemundet, wenn noch ein Stück dagewesen wäre.
Rezept: Westfälisches Bresse-Huhn, mit Pilzen, Möhrchen, Zwiebeln und Sahne geschmort
1 Bresse-Huhn, 1,5 kg
250 g Möhrchen
250 g Zwiebeln
¼ l Hühnerbrühe
Butter
Pfeffer
Salz
Kräuterbund aus Thymian, Rosmarin und Estragon
500 g Austernpilze und Pfifferlinge
500 g Schlagsahne
Ofen auf 170 Grad vorheizen.
Bressehuhn in sechs bis acht Teile zerlegen. Leicht pfeffern und salzen.
Möhrchen und Zwiebeln in kleine Stücke schneiden und in einer genügend großen Kasserole in Butter anbraten. Kräuterbund und die Hälfte der Hühnerteile dazugeben. Heiße Hühnerbrühe dazugeben und langsam einkochen lassen.
In der Zwischenzeit die anderen Hühnerteile in Butter kusprig braun anbraten. Ebenfalls in die Kasserole geben.
Mit geschlossenem Deckel in den vorgeheizetn Ofen geben und 25 Minuten schmoren lassen.
In der Zwischenzeit die Pilze in gleich große Stücke schneiden, pfeffern, salzen und in Butter anbraten.
Sahne steif schlagen.
Nach 25 Minuten Kasserole aus dem Ofen nehmen. Falls nötig, etwas Flüssigkeit nachfüllen. Pilze und geschlagene Sahne dazugeben und noch einmal 20 Minuten im Ofen fertig schmoren.
Nun die Kartoffelplätzchen zubereiten.
Rezept: Kartoffelplätzchen
3-4 mehlig kochende Kartoffeln
1 halbe Tasse Milch
2-3 EL Mehl
1 Ei
Pfeffer, Salz
Muskat
Kartoffeln schälen, reiben und mit den anderen Zutaten zu einem flüssigen Teig verrühren. Mit Salz, Pfeffer und geriebener Muskatnuss würzen.
In einer Pfanne aus jeweils 1 EL Teig in heißer Butter kleine Küchlein backen.
Wenn das Huhn fertig ist, aus dem Ofen nehmen, etwas ruhen lassen. Hühnerteile mit etwas Schmorgemüse und Sauce gemeinsam mit den Kartoffelküchlein auf vorgewärmten Tellern anrichten.
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