Mittwoch, 9. Juli 2025

Landpartie mit dem Dortmunder Restaurant „Labsal“. Auf einer Hühnerwiese in Herdecke.

Die überwältigendste Darstellung einer Landpartie, die ich kenne, befindet sich in Luchino Viscontis Verfilmung des Mitte des 19. Jahrhunderts spielenden Romans „Der Leopard“ von Giuseppe Tomasi di Lampedusa, wenn die komplette Familie des sizilianischen Aristokraten Don Fabrizio zur monumentalen Filmmusik von Nino Rota in ihrer Karosse bei flirrender Hitze durch die gelb-glühenden Weizenfelder der Mittelmeerinsel in die Sommerfrische fährt. Vielleicht sind solche Assoziationen ja ein Grund, weshalb man als Slow-Food-Romantiker glaubt, Erfahrungen von regionaler Küche in erhabener Form könne man nur woanders erleben, nur nicht in der kulinarischen Diaspora, wie sie das Ruhrgebiet nun einmal ist. Doch auch hier gilt das ewige Goethe-Wort: „Warum denn in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah.“

Zugegeben, blau war der Himmel über der Hühnerwiese in Herdecke nur bei der ersten Ausgabe der Landpartie des Dortmunder Restaurants „Labsal“ vor zwei Wochen. Beim zweiten Termin letzten Sonntag, den ich besuchen konnte, war der Himmel grau, es regnete z.T. heftig, und manchmal pfiff der Wind über die Höhen des Ardeygebirges, wie man es sonst nur aus dem Westerwald kennt. Und trotzdem war die ganze Sache ein Ereignis, wie ich es mir in meiner Eigenschaft als genussbereiter Genießer nicht schöner wünschen konnte.



Jessica Pahl



Florian Kohl

Schon seit 2017 betreiben Jessica Pahl und Florian Kohl das „Labsal“ in Dortmund an der Rheinischen Straße, und eigentlich hätte ich das Restaurant als überzeugter Freund des Regionalen schon längst einmal besuchen sollen – zumal ich durch die Beiträge in der Facebook-Gruppe „Mein kulinarisches Dortmund“ schon oft darauf hingewiesen wurde. Aber wahrscheinlich irritierte mich, dass man sich im „Labsal“ der schwäbischen Küche hingibt und nicht der westfälischen oder der Ruhrgebietsküche – das kommt davon, wenn man in Schubladen denkt. Zumal „regional“ für Jessica und Florian vor allen Dingen auch bedeutet, dass sie für ihre Gerichte Zutaten und Produkte von regionalen Produzenten verwenden – für Gastronomen, die logistisch und wirtschaftlich scharf kalkulieren müssen, eine Herausforderung, die nur mit Engagement und Leidenschaft zu meistern ist.



Benjamin und Luise Bernhardt
und ihre glücklichen Hühner




Eier und Geflügel sowie Wild beziehen sie von Benjamin und Luise Bernhardt, die in Herdecke unter dem schönen Firmennamen „Bernhardt & Söhne“ eine Hühnerfarm betreiben. Wobei man sich darunter keineswegs endlose Legebatterien vorstellen muss, sondern eine Art Almwiese am Rand der zivilisierten Welt im Hochland zwischen dem Wittener Schnee und Herdecke. Hier stehen ein paar an Bauwagen erinnernde mobile Hühnerställe, in denen ein aus verschiedensten Rassen buntgemischtes Hühnervolk wie eine geflügelte Hippiekommune haust. Ein glücklicheres Leben als hier kann kein Huhn haben. Die Tiere haben auf der großen Weide so viel Auslauf, wie es in der edlen französischen AOP Bresse nicht besser vorgeschrieben sein kann. Sie können nach Herzenslust scharren und Sandbäder nehmen, ihre Hackordnung ausfechten und sich an allerlei Insekten als natürliche Protein-Spender gütlich tun.


Grauer Himmel - gute Stimmung

Und diese Hühnerwiese war der der Austragungsort der Landpartie des „Labsal“. Zwei Partyzelte waren aufgebaut. Eines war mit Bierzeltgarnituren ausgestattet, die durchaus mit einer gewissen Eleganz eingedeckt waren, und bot den 30 Gästen kuscheligen Schutz vor den Regengüssen. Das andere wurde als Feldküche genutzt. Strom zum Betrieb eines Herdes gab es nicht. Wie für ein Picknick üblich, waren eine Reihe von kalten Gängen vorbereitet mitgebracht worden, für den warmen Teil der Mahlzeit sorgte ein Schwenkgrill, auf dem Fleisch und Gemüse gegart und mit Röstaromen versehen wurde.


Der Grill für den warmen Teil der Mahlzeit

Das Menü war dann gar nicht so schwäbisch, wie man annehmen sollte, sondern sogar richtige Ruhrgebietsküche. Dafür sorgte schon die Zubereitung auf dem Grill. Fast wollte ich glauben, man hätte sich an den Gastküchen orientiert, die ich einmal als Säulen der Ruhrgebietsküche in diesem Blog postuliert hatte (klick hier): Es gab polnische, türkische und italienische Gerichte, aber auch spanische und sogar australische Einflüsse waren spürbar. Und die Zutaten waren natürlich alle von hier. Eier, Geflügel und das Wildfleisch für die Bratwürste stammten von den Bernhardts, Gemüse vom Biohof Woeste in Lüdenscheid, Milch von Hof Sackern in Witten und Brot von der Naturbäckerei Kreis in Dortmund und aus dem eigenen Backofen des „Labsal“. Und nicht zu vergessen ist, dass fast der gesamte wohlsortierte Weinkeller des Restaurants herangekarrt worden war. 


Im Glas ein Südtiroler: Misto Mare von Lageder


Da lacht der Genießer

Fast sechs Stunden dauerte das Gelage auf der Hühnerwiese. Trotz oder vielleicht wegen des Regens wurde es im Zelt richtig gemütlich. Vor allem aber auch, weil die Gänge als „Sharing Menü“ serviert wurden, d.h. auf Platten, von denen sich jeweils vier Leute ihre Portion nehmen konnten. So rückte man zusammen und kam ins Gespräch mit netten und erstaunlich gut informierten Leuten. Und der Genießer vergaß dabei glatt, dass er als mittlerweile in die Jahre gekommener arthrosegeplagter, zwei Meter großer Zwei-Zentner-Mann die niedrigen unbequemen Bierzelt-Garnituren eigentlich als Sitzgelegenheit zum Teufel wünschen wollte.



Landpartie auf der Hühnerwiese
Sharing Menü vom Labsal
6. Juli 2025, 75 Euro





Chłodnik Litewski

Die polnisch-litauische Rote-Bete-Suppe, auch Kalter Borschtsch genannt, war ein erdig süßer, aromatischer Einstieg und sehr erfrischend – trotz des kühlen Regenwetters.




Gefüllte Eier
Der Klassiker der deutsch-osteuropäischen Oma-Küche war mit den aromastarken Eiern des Hühnerhofes ein Gedicht. Hartgekocht, wurde das Eigelb gehackt und, ich nehme an, mit Rahm vermischt wieder in das Eiweiß gefüllt. Oben drauf etwas Forellenkaviar – köstlich!



Zucchini Carpaccio





Zwiebelgewächse & Romescosauce
Die gegrillten Lauchzwiebeln verbanden pikante Süße mit Röstaromen, das Lauch selbst wurde durch das Grillen etwas strohig. Verführerisch die Romescosauce, eine katalanische Spezialität. Sie wird u.a. aus Tomaten , Paprika, Knoblauch und Mandeln zubereitet und ähnelte dem sizilianischen Pesto trapanese.



Gegrillte Pfirsiche & Burrata
Ein herrliches Sommergericht, das bei Sonnenschein noch besser geschmeckt hätte. Die Pfirsiche hätten etwas reifer sein können.



Pulpotacos
Was für ein Zufall: Letzten Samstag konnte ich im Duisburger „Laufhaus“ einen „Pulpodog“ essen, also Pulpo im Hotdog-Brötchen (klick hier). Hier gab es Pulpo im Taco, aber nicht in ganzen Tentakeln, sondern als eine Art Ragout, versteckt unter einem Koriander-Petersilen-Pesto.



Adana-Spieß & Labneh
Türkisches Streetfood vom Feinsten: Gegrillte Lammhack-Spieße. Dazu als Dip Labneh, abgetropfter quarkähnlicher Joghurt.



Bratwurst vom Sika Hirschkalb

Sika ist eine kleine, aus Ostasien stammende Hirschart, die auch in Deutschland gehalten wird. Die köstlichen Würstchen waren hausgemacht, das Fleisch stammte aus der eigenen Jagd von Benjamin Bernhardt.



Wiesenhähnchen
Was für ein Hähnchenfleisch! Einfach nur gegrillt ein wahrer Hochgenuss, saftig und aromatisch.



Panzanella
Als Beilage gab es den klassischen Brot-Tomaten-Salat aus der Toskana.



Pavlova mit frischen Beeren
Sabayone, Gegrillte Ananas & Popcorn

Drei Spezialitäten zum Dessert. Die Baiser-Torte Pavlova ist eine australisch-neuseeländische Spezialität, die nach einer russischen Tänzerin benannt wurde.



Zum guten Schluss
Darauf einen Eierlikör. Natürlich von hauseigenen Eiern.

Labsal. Rheinische Straße 12, 44137 Dortmund. Tel. 0231. 13 75 88 52. Di-Fr 17-22 Uhr, Sa 12-14.30 und 17-22 Uhr. labsal-dortmund.de
Bernhardt & Söhne. Kontakt auf Instagram

Montag, 7. Juli 2025

Slow Food beim Bio-Mobil in Bochum


Patrick Jabs (mit Kollegin) von "lecker werden" kochte mit Bio-Produkten.

Bioland und Slow Food informierten über gutes Essen.

Noch bis zum 15. Juli gastiert das Bio-Mobil des Erzeugerverbandes Bioland in der Bochumer Bongardstraße im Rahmen des EU-Projekts „Grenzenlos Regional – Bio in Europa“. Im Rahmen des großen Programms rund um Bio, Umwelt und Nachhaltigkeit unterstützen regionale Lebensmittelproduzenten und Initiativen die Aktion.



CV-Leiterin Wiebke wird interviewt.

Am Freitag, den 4., und Samstag, den 5. Juli waren die Slow Food Convivien Bochum (klick hier) und Essen (klick hier) mit einem Stand vertreten. Die Bochumer CV-Leiterin Wiebke Rieck informierte über Ziele und Tätigkeit der der weltweit agierenden Genießerorganisation, während aus Essen das Mitglied der Slow Food Chef Alliance Patrick Jabs von der Kochschule und dem Feinkostladen „lecker werden“ (klick hier) angereist war, um in mehreren Kochshows zu zeigen, wie einfach und schmackhaft man mit regionalen Bioprodukten kochen kann. Die Zutaten für die Gerichte stammten vom Bochumer Bio-Vertrieb Flotte Karotte, die ebenfalls mit einem Stand vertreten war, und dem Klosterberg-Hof in Essen-Steele.



Zur Begrüßung ein Rote-Bete- Smoothie



Urgetreide-Gemüserisotto mit würzigem Bergkäse


Sommerliches Alblinsengemüse mit buntem Mangold und Pilzen


Die Speisekarte


In dieser Woche finden noch weitere Termine mit Betrieben, die Slow Food verbunden sind, statt. Am Donnerstag, den 10. Jul, kommt Hendrik Peek von der „Mausefalle“ in Mülheim (klick hier), ebenfalls ein Mitglieder Slow Food Chef Alliance, und gibt eine Kinder-Kochkurs mit 11 bis 12.30 Uhr. Am Freitag 11.7., gibt es eine Verkostung mit Produkten des Speiseölproduzenten „Pottmühle“ aus Herne und am Samstag, 12.7., sind der Demeter-Betrieb Wünnerhof aus Hattingen (klick hier) und die Solawi Hevener Feld aus Witten zu Gast.

Bio-Mobil, 1.-15. Juli. Bochum, Bongardstraße 24–28, tägl. 11-18 Uhr. geöffnet. Vollständiges Programm unter: https://regionalbio.eu


Die Moderatoren



Spaß beim Melken





Stand der Flotten Karotte




Gemüsekiste


Slow-Food-Stand


Patrick Jabs


Freitag, 4. Juli 2025

Gourmetmeilen 2025: „Essen verwöhnt“ schlägt sich tapfer

Kein Hitzefrei für die Gastronomen und Sponsoren von "Essen verwöhnt". Foto: Sascha Perrone

Ruhiges Plätzchen im Schatten des Doms.

Mit viel Engagement war es dem Gastronomen-Verein „Essen genießen“ und seinem Vorstand Rainer Bierwirth gelungen, mit ihrer Gourmetmeile „Essen verwöhnt“ im Jahr 2023 aus der Corona-Zwangspause herauszukommen und eine beeindruckende Renaissance hinzulegen (klick hier und hier). Doch in der nächsten Saison ging es dann leider nicht mehr so richtig weiter. 2024 konnte „Essen verwöhnt“ nicht stattfinden, weil überraschend der Verleiher der Pagodenzelte ausgefallen und kurzfristig kein Ersatz zu bekommen war. Doch dieses Malheur hinderte die Gastronomen nicht daran, für dieses Jahr ein zweites Comeback vorzubereiten. Dass die Eröffnung am 2. Juli 2025 dann ausgerechnet auf den bislang heißesten Tag des Jahres mit fast 40 Grad fallen würde, konnte niemand voraussehen. Die vorgesehene „Lange Tafel“, ein gemeinsames Essen an den zusammengschobenen Tischen auf der Kettwiger Straße, dass die Gourmetmeile eindrucksvoll eröffnen sollte, musste ausfallen.

Geselliger Ersatzttermin für die Lange Tafel am Stand vom Suvai. 
Foto: Michael Alisch



Vino und Sulax vom Suvai

So kam es, dass ich am eigentlichen Eröffnungstag hitzefrei machte und erst am gestrigen Donnerstag zusammen mit Kollegin Silke vom Magazin „Rurpott erleben“ den Ersatztermin für die Lange Tafel wahrnehmen konnte. Am Stand des Restaurants Suvai wurde uns von Vino und Sulaxsanan Puthisigamany ganz individuelle ein viergängiges Menü serviert, das einen Querschnitt durch die südindische Küche bot.  Auf die sozialen Kontakte, die das Essen an einer „Langen Tafel“ so faszinierend machen, brauchten wir nicht zu verzichten, denn wir trafen auf eine weiteres Paar, das den Ersatztermin ebenfalls wahrnahm und mit dem wir angeregt plaudern konnten.



Der Kaiser im Champagnerglas
(Bollinger, Hannappel)



Das Team vom Hannappel

Den Rest des Abends frönten wir dann dem schieren Luxus. Zu Glanzzeiten von „Essen verwöhnt“ waren drei Sternerestaurants auf der Gourmetmeile vertreten (Résidence, Schote und Hugenpoet), die aber aus verschiedenen Gründen nicht mehr dabei sind. Doch dieses Jahr strahlt wieder ein Michelinstern über der Kettwiger Straße: Das Restaurant Hannappel ist unter der neuen Leitung von Tobias Weyers und René Silva Sampaio nach längerer Unterbrechung nach „Essen verwöhnt“ zurückgekehrt. Wir nutzten die Gelegenheit, quasi zu Sozialpreisen absolute Spitzenküche zu genießen. Umso mehr wunderte ich mich, dass ich soviele Gäste sah, die Hamburger zu ihren Sitzplätzen trugen. Etwas wehmütig fühlte ich mich an die Glanzzeiten von „Essen verwöhnt“ erinnert, als die Veranstaltung  sich den Beinamen „Königin der Gourmetmeilen“ verdient hatte.  

Rino Frattesi und die Köche Hatim Srour 
und Alessandro d'Amico vom La Grappa


Eigentlich wollten wir am Stand von Rino Frattesis La Grappa nur einen Absacker nehmen, doch der alte Charmeur fuhr sofort die ganz große Nummer auf: Wilde Riesengarnelen mit Kaviar und Champagner. 

 

Essen verwöhnt
3.7.2025


Das Lange-Tafel-Menü
Suvai


Aromenreise
Thunfisch-Cutlet, Mini Dosai Kartoffel-Masala, Dattel Tamarinden-Dip
Panierte Kartoffelbällchen mit Thunfisch

Onion Pakoda
Knusprig ausgebackene Zwiebeln mit Cashew und Curryblättern


Chicken Biriyani
Exotische Hähnchen Reispfanne, Chicken Chukka, Safran-Raita, Nuss Crunch



Wattalappam
Cremiger Kokosmilch-Pudding Karamell Jaggery, Kardamom
Tee

Der Genießer bedankt sich für die Einladung.

 

Die Luxus-Tour


Hannappel
Pilz Terrine
Pfirsich Estragon (8 Euro)
Vegetarische Neuinterpretation des legendären „Dominosteins“, mit dem das Restaurant Hannappel in früheren Zeiten auf „Essen verwöhnt“ Furore machte. Die damals zubereitete Gänseleber wurde durch Pilze ersetzt.



Hannappel
Hummer
Erdbeeren, Bärlauch
(28 Euro)
Die Kreation von recht salzig mariniertem Hummer und Erdbeersauce war eine pikant-süße Kombination. Bestechend die Qualität des Grundproduktes.





La Grappa
Carabinieros
Wilde Riesengarnelen auf Gorgonzolacrèm mit grünem Pfeffer
30 g Kaviar Imperial
1 Glas Champagner Frerejean Freres

Das Fleisch der Tiefsee-Wildgarnele ist nussig, würzig und von feiner Süße und war perfekt gegrillt. So etwas isst man nicht jeden Tag.

Der Genießer bedankt sich für die Einladung.

 


Schuss und Gegenschuss

Champagner Frerejean Freres


„Essen verwöhnt“ geht noch bis zum 6.7.2025. Essen, Kettwiger Straße. Alle Infos hier.