Sonntag, 1. Oktober 2023

Herbstvergnügen: Panhasfest in Hattingen

Das Schwarze ist kein Pumpernickel, sondern Panhas

Ich weiß nicht, ob es nicht etwas voreilig war, als ich die diesjährige Gourmetmeilensaison nach der Veranstaltung auf Zollverein Ende August (klick hier) für beendet erklärte. An diesem Wochenende fondet nämlich noch das Panhasfest in Hattingen statt.

Apfelwein vor der Kirche St. Georg

Das Alte Rathaus

Zugegeben, als kleiner Bruder des Kulinarischen Altstadtmarktes (KAM) ist das Panhasfest keine ganz richtige Goumermetmeile. Erstens ist es der deftigen westfälisch-bergischen Spezialität Panhas gewidmet, quasi das Rote aus der Blutwurst mit Gries angedickt, und das ist nicht jeden Gourmets Sache. Und dann sind von den insgesamt sieben KAM-Wirten nur fünf dabei: Diergardt, Gasthaus Weiß, Haus Kemnade, An de Krüpe und Eggers aus Sprockhövel. Und auch das Angebot ist nicht so groß. Stehen bei einer Gourmetmeile meist sechs bis acht verschiedene Gerichte pro Teilnehmer auf der Speisekarte, sind es hier nur zwei oder drei. Nicht bei allen ist dem Motto gemäß eines davon dem Panhas gewidmet, das zweite meistens ein herbstliches Wildgericht, und der ein oder anderer bietet auch noch ein süßes Dessert an.

Frühschicht für den Nachtwächter

Parallel-Veranstaltung Französischer Markt

Und dennoch bietet das Panhasfest den vollen Gourmetmeilen-Genuss, was vielleicht daran liegt, dass der eigentliche, im Sommer sattfindende Kulinarische Altsadtmarkt auch nach der Corona-Zwangspause in diesem Jahr nicht in die Puschen gekommen und ausgefallen ist. So scheinen die Hattinger große Lust zu haben, die verpasste kulinarische Großaktion nachzuholen, zumal das Panhasfest auch noch im Rahmen des allgemeinen Herbstmarktes stattfindet, bei dem besonders der Französische Markt dem Gourmet auch noch die ein oder andere zusätzliche Attraktion bietet.

Regenschauer zum Start

Kam das Panhsfest am Freitag nach dem heftigen Regenschauer, der pünktlich zum Start um 17 Uhr auf dem idyllischen Kirchplatz niederprasselte, nur zögerlich in die Gänge, verwandelte am gestrigen Samstag die ganze Hattinger Altstadt bei herrlich blauem Herbsthimmel und nicht zu heißen 20 Grad in eine kulinarische Freiluft-Landschaft. Und der heutige Sonntag wird das wohl noch einmal toppen.

Bei zwei Besuchen widmete sich der Genießer (beim ersten Mal unterstützt durch liebe Freunde) dem kulinarischen Angebot. Zweimal wurde dabei das titelgebende Panhas-Gericht verzehrt, sehr lecker mit Bratkartoffeln angerichtet. Wobei allerdings festzustellen ist, dass die ausgewogen süß-pikante Version mit Preiselbeeren und Meerrettich von Diergardt dem Genießer besser mundete als die doch recht scharfe mit Apfel-Senf-Dip von Eggers. Was aber in erster Linie daran lag, dass bei Diergardt der Panhas saftig und die Bratkartoffeln „resch“ waren, wie wir bajuwarischen Ruhrgebietler sagen, während bei Eggers der Panhas eher knusprig-trocken und die Bratkartoffeln weich und fettig.

Hier die gesamte Ausbeute in Wort und Bild. Wobei ich gestehen muss, dass es die schönen Reibekuchen mit Apfelkompott von Haus Kemnade nicht auf ein Foto gebracht haben. Da war der Appetit schneller als der Finger am Auslöser.


Panhasfest
Hattingen St.-Georgs-Kirchplatz, 29. und 30.9.2023




Diergardt
Diergardts hausgemachter Panhas
mit Preiselbeeren, Apfel-Meerettich und Rübenkraut, dazu frische Bartkartoffeln 9,50 Euro

So lecker kann Panhas sein.



Eggers
Sprockhöveler Panhas kross gebraten
mit Bratkartoffeln, Röstzwiebeln und Apfel-Senf-Dip 9,50 Euro

Auch sehr lecker, aber ein bisschen senfig.


Dazu ein Apfelwein



Gasthaus Weiß
Sauerbraten vom Hirsch
mit Rotkohl und deinem Kloß 13,50 Euro

Löffelweicher Braten schön süß-sauer, wie bei Muttern


Dazu ein St. Laurent



An de Krüpe
Wildragout
mit hausgemachten Spätzle und Preiselbeeren 12,50 Euro

Soulfood à la Germany



An de Krüpe
Karamellisierter Kaiserschmarrn
mit Apfelkompott und Rosinen 7,50 Euro

Ein wahrlich kaiserlicher Abschluss


Panhasfest, Hattingen, St.-Georgs-Kirchplatz. Geht noch bis 1. Oktober 2023. Zum Programmheft hier klicken.

Sonntag, 24. September 2023

Dortmunder Saarlandstraßenviertel: Brunch im Tapa



Tanja und Pawel sind "Tapa".


Als Nicht-Dortmunder erinnert mich die Borussenstadt von allen Ruhrgebietsstädten am meisten an Berlin. Das mag daran liegen, dass ich den Eindruck habe, dass hier die Bausubstanz von vor dem Zweiten Weltkrieg mehr als anderswo im Revier erhalten geblieben ist. Jedenfalls haben hier die die Vor- und Nachkriegsbauten eine geradezu hauptstädtische Höhe, mindestens gefühlte fünf Stockwerke, während es z.B. in Bochum gerade einmal drei zu sein scheinen. Das gilt sowohl für das glamouröse Kaiserstraßenviertel wie für die von urbanen Mythen umrankte Nordstadt, aber auch für das Saarlandtraßenviertel.




Chic im Saarlandtraßenviertel


Hier betreiben Tanja Gorodynska und ihr Mann Pawel das „Delikat Essen“, wo Pawel als Küchenchef eine temperamentvolle Küche zelebriert, die von ihrer Heimatstadt, dem legendären ukrainischen kulturellen Schmelztiegel Odessa und einem unverstellten Blick auf die Urlaubsküchen der Welt inspiriert ist. (Zum Bericht über das „Delikat essen“ klick hier). Im November letzten Jahres haben die beiden als weiteres Standbein das „Tapa“ in der Nachbarschaft eröffnet. Der Name des neuen Restaurants ist programmatisch. Er ist die Zusammenziehung der ersten Silben ihre Vornamen Tanja und Pawel und bekennt sich somit zu einer individuellen Autorenschaft des Angebots, bezeichnet aber auch jene international gewordene Häppchen-Küche, die in den südspanischen Ferienregionen ihren Ursprung hat.



Im goldenen Oktober sollte man noch die schöne Terasse nutzen.

In diesem Herbst starten sie mit einem Brunch, der an jedem Sonntag ab 12 Uhr eine auf einer speziellen Karte eine Auswahl von kleineren Speisen bietet, die man als spätes Frühstück oder auch als Mittagessen genießen kann. Der Genießer konnte letzten Sonntag schon vorab mit den Kollegen Silke, Tom und Michael schon die Kreation probieren. Pawel bringt da ein ganzes Feuerwerk von Aromen auf die Teller, allesamt Gaumenschmeichler, die beweisen, dass gute Laune über die Zunge geht. Alles ist natürlich hausgemacht. Na gut, manchmal hat man eine andere Erwartung, wenn man die die Bezeichnungen der Gerichte liest, aber dann begreift man, was der Begriff Soul Food wirklich bedeutet. So muss sich der junge Elvis gefühlt haben, als ihm seine Mama nach einem anstrengenden Auftritt eine Bananenbrot gemacht hat. Nur dass hier pochierte Eier, Smörrebröd, Arme Ritter und Blinis viel raffinierter sind.

Eigentlich könnte man ja von zwei verschiedenen Portionen satt sein, doch die die Gerichte sind so verführerisch, das es dabei nicht bleibt.


Soul Food zur Mittagszeit
Brunch im Tapa Dortmund, 17.9.2023




Ei Benedict:
Brioche, selbstgemachte Hollandaise, pochiertes Bio-Ei, Graved Lachs



Ei Florentine:
Brioche, selbstgemachte Hollandaise, pochiertes Bio-Ei, Spinat


Blumenkohlrösti, Steinpilzcreme


Smörrebröd, Meerrettich-Frischkäse, kaltes Roastbeef,
Pfifferlinge, geräucherte Créme fraîche


Schakschuka mit 2 Bio-Eiern und Burrata


Arme Ritter, Bergkäse, Birnen-Mostarda


Quesadilla, Kidney Bohnen-Creme, Guacamole



Syrniki: Käsepfannkuchen, confierte Feigen, Créme fraîche


Spezial:
Ceviche – neu auf der Abendkarte


TAPA. Dortmund, 44139 Chemnitzer Str. 95. 0231/47415169 od. 0172-9705551. Di-Fr 16-23 Uhr, Sa 12-23 Uhr, So 12-21 Uhr. Mo Ruhetag. www.tapa-dortmund.de

Der Genießer bedankt sich für die Einladung.
Dank an Silke Albrecht für die Organisation.

Samstag, 16. September 2023

Neu in der Bochumer Nachbarschaft: Kleene Tocke

Biotop für sich: Das Tor zum Ehrenfeld

Drei Jahre hat es gedauert, bis die Baustelle auf der Hattinger Straße im Bochumer Ehrenfeld in diesem Sommer endlich fertig war. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Nicht nur, dass man am Schauspielhaus endlich wieder die Stadt problemlos in Richtung Hattingen verlassen kann. Auch die Kanalisation wurde auf den neusten Stand der Technik gebracht, mit dem den immer häufiger auftretenden erwartenden Klimawandel-Erscheinungen Starkregen und Hitzesommer getrotzt werden kann. Durch ein wegweisendes System wird das Regenwasser nicht einfach in die Kanalisation abgeleitet, sondern in unterirdischen Rigolen und oberirdischen Mulden gesammelt, so dass es bei ansteigenden Temperaturen für Verdunstungskühle und für die noch zu pflanzenden Straßenbäume als Bewässerung genutzt werden kann. Damit wird das Ehrenfeld zu einem der ersten Schwammstadt-Biotope Bochums.


Dolce Vita auf schmalem Bürgersteig

Ein gastronomisches Biotop, das durch die neu angelegten Radwege und die Fußgängerquerung über die breite Hattinger Straße noch besser erschlossen wird, ist der Kiez rund um den Hans-Ehrenberg-Platz schon lange. Im Restaurantführer „Bochum geht aus 2024“ berichte ich in einer großen Reportage darüber. Eine der ältesten Locations am Platze und sozusagen das Tor zum Ehrenfeld ist das Haus Hattinger Straße 10, in dem sich 35 Jahre lang die Pizzeria „Rimini“ der Familie Tribuzio befand. In den 1980-er Jahren konditionierten wir uns hier hungertechnisch für überlange Schauspielhausabende oder zogen uns nach den diskussionsintensiven Redaktionssitzungen des Stadtmagazins MARABO zum geselligen Pizza-Essen zurück; später allerdings muss ich gestehen, habe ich das Ristorante aus den Augen verloren. Dass vor zwei Jahren nach dem Ende von „Rimini“ hier unter dem Label „Paco’s Tacos“ mexikanische Ketten-Kost angeboten wurde, ging dann völlig an mir vorbei - was sicherlich auch daran lag, dass die allgegenwärtigen Baustellenabsperrungen den Weg dorthin versperrten und die Corona-Lockdowns einem den Besuch von Gaststätten jeglicher Couleur sowieso vergällten.

Hell und luftig


Treffpunkt unter'm goldenen Fahrrad


Und jetzt das: „Kleene Tocke“ statt „Paco’s Tacos“. Unter diesem Namen hat sich in den letzten drei Wochen in kürzester Zeit der altmodische 60-er-Jahre Kubus mit den plakativen Grafittis zu einer wahren Blüte der Nachbarschaftsgastronomie entfaltet. Bei schönem Sommerwetter drängen sich schon tagsüber die Gäste an den Außentischen auf dem auch nach der Neugestaltung des Straßenraums immer noch viel zu schmalen Bürgersteig und verwandeln die Hattinger Straße in eine Art Via Veneto voller dolce vita. Hier trifft sich alles von den Fridays-for-Future-Kids bis hin zur forever jungen Generation Pedelec. Die zur Seite klappbaren Panorama-Scheiben lassen Luft und Licht ins Lokal, und der modische grüne Grasteppich an der Wand, auf dem demonstrativ ein vergoldetes Fahrrad hängt, wirkt wie ein Spiegelbild des wuchernden Pflanzenwuchses in den Wassermulden in der Mitte der Straße.

Hayri Nargili und Bilal Balyemec

Gemütlichkeit in der Kleenen Tocke

Geschichts-...
 
... und herkunftsbewusst

Hayri Nargili und Bilal Balyemec scheinen ein Händchen dafür zu haben, ruhrgebietstypische Nachbarschaftlichkeit in ein modernes Gastrokonzept zu verwandeln. Die beiden Philosophiestudenten haben schon im Wohngebiet auf der gegenüberliegenden Seite der Hattinger Straße mit dem Kiosk „Zum Philosophen“ einen ganz besonderen Treffpunkt realisiert, indem sie die ruhrgebietstypische Büdchen-Nostalgie mit der modernen Intellektualität des Hochschulstandortes Bochum und der türkischen Gartenhäuschen-Kultur verbanden. Auch der Plan, das legendäre „Biercafé“ auf dem Shakespeare-Platz an der Königsallee neu zu beleben, wird weiter verfolgt. Der Name „Kleene Tocke“ hört sich zwar ein wenig Berlinerisch an, ist aber eine alte mundartliche Bezeichnung für den Stadtteil Ehrenfeld. Auf diese Idee brachte sie der Lokalhistoriker Dirk Ernesti, der auch die Fotos aus dem alten Ehrenfeld für eine Galerie beisteuerte, die eine Glaswand des Lokals ziert. Diese historischen Reminiszenzen ergänzen sich wie selbstverständlich mit den türkischen Versatzstücken, die ebenfalls für Atmosphäre sorgen. Schöner lässt sich die von den Einwanderungskulturen geprägte Geschichte des Ruhrgebiets nicht auf den Punkt bringen.

Gerichte von der Schwiegermutter

Man isst mit goldenem Besteck

Und dazu gehört natürlich auch die Küche, die in der „Kleenen Tocke“ angeboten wird. Die ist natürlich wie bei Muttern – und stammt hier von Hayris Schwiegermutter. Die z.T. klassischen türkischen Gerichte der Karte werden von ihr vorbereitet: Tava Börek z.B., knusprig gebratener Blätterig mit Spinat-Füllung oder Kisir Salt mit Bulgur und Granatapfelkernen. Nachmittags gibt’s zu verschiedenen Kaffee-Spezialitäten hausgemachte Kuchen, z.B. Schoko oder Cheesecake, mit einer Auswahl ebenfalls hausgemachter Toppings. Eine umfangreiche Getränkekarte mit selbstgemachten Eistees, Limonaden und Cocktails und eine schön ausgewählte Weinkarte runden das Angebot ab.

Hausgemachter Eistee

Zwei nachmittägliche Besuche überzeugten den Genießer davon, auch in Zukunft in der „Kleenen Tocke“ einzukehren. Die beiden Gerichte, die ihm zu dieser nicht ganz typischen Zeit serviert wurden, waren einfach lecker: schön gewürzt, sättigend, farbenfroh angerichtet. Einmal gab’s dazu eine Apfelschorle, das andere Mal ein hausgemachter Holunder-Limetten-Eistee. Das Dessert war dann fast experimentell: einen Kuchen mit Olivenöl habe ich, so glaube ich, vorher noch nie gegessen.


Nachmittägliche Mittagessen
Kleene Tocke, 12. Und 13.9.2023




Oma’s Dolma
Geschmorte Paprika mit einer würzigen Tomaten-Reis-Füllung,
serviert mit einem Joghurt-Knoblauch-Dip 10,90 Euro



Kleener Salat
Bunter Beilagensalat mit Rucola, Feldsalat, Babyspinat, Cherrytomaten, frischen Kräutern und einem hausgemachtem Dressing 5,90 Euro



Icli Köfte
Bulgur-Klöße, gefüllt mit würzigem Hackfleisch und Walnüssen, serviert mit einem frischen Joghurt-Knoblauch Dip 11,90 Euro



Olivenöl-Pistazien-Zitronenkuchen mit Pistaziensauce 4,80 Euro

Cappuccino 3,40 Euro

Kleene Tocke Café und Bar. Hattinger Str. 10, 44789 Bochum. So, Di-Do 12-22 Uhr. Fr, Sa. 12-24 Uhr. Mo Ruhetag. Im Internet nur auf Instagram.