Dienstag, 21. Juni 2022

Neu in Herdecke: Rilasso

Pasquale Oppido und Luca Palmieri relaxt im neuen Rilasso

Den Dortmunder Süden auf der Wittbräucker Straße zu „erfahren“, ist für den kulinarisch orientierten Kurzreisenden ein faszinierendes Erlebnis. Wie Perlen an der Kette reihen sich an der kilometerlangen Landstraße hochwertige Ausflugslokale und Hotels aneinander, die man nur mit dem Mut zur Lücke alle aufzählen kann. Vorbei geht es z. B. am l’Arrivée (mit den Restaurants Vivre und Rustique), an Überacker, Overkamp, Dieckmann’s, dem Thai-Restaurant Blue Elephant und den Bonsmann’s Hof, bis man schließlich in Herdecke ist und sich an der dortigen Dortmunder Landstraße abrupt entscheiden muss, ob man links oder rechts weiter fährt. Der erfahrene Genießer weiß natürlich genau, dass er sich rechts halten muss. Schließlich residierte hier nach knapp einem Kilometer in einer Art Relais-Station fast zwanzig Jahre lang Raffaele Micelli mit seinem „Da Raffaele“, nachdem er zuvor in Dortmund-Wichlinghofen, natürlich an der Wittbräucker Straße, seinen Ruf als exklusiver Edel-Italiener begründet hatte.


Eleganz in grau und violett

Als Raffaele Anfang des Jahres in den Ruhestand trat, dauerte es nicht lange, bis ein würdiger Erbe gefunden war: Pasquale Oppido von der Dortmunder Gastro-Institution Rilasso. Das Stammhaus dieses Namens befindet sich Do-Aplerbeck, wo Pasquale schon seit Jahren populäre italienische Küche anbietet. Doch sein Herz schlägt auch für die feine Küche, und so entschloss er sich vor fünf Jahren, in Do-Hohensyburg im Schatten der Spielbank mit dem damaligen Sternerestaurant Palmgarden (und, nebenbei bemerkt, über einen Abzweig von der Wittbräucker Straße aus zu erreichen) ein weiteres Rilasso zu eröffnen, dort aber auf die allseits beliebte Pizza und überbackene Lasagne zu verzichten. Sein Stiefsohn Luca Palmieri, der damals im Palmgarden im Service arbeitete, stieg in den Betrieb ein. Das kam so gut an, dass Pasquale sich jetzt entschloss, mit diesem Edel-Rilasso umzuziehen und in die Fußstapfen vom Da Raffaele in Herdecke zu treten.


Wieder dabei: Audrey Hepburn

Vorfreude aufs Essen


Pasquale und Luca stehen bereit

Pasquale und Luca verbreiten auch im neuen Domizil jene Relaxtheit, die der italienische Name des Restaurants bedeutet. Die Räume wurden nach dem Vorbild in Hohensyburg neu gestylt und wirken in ihrer violett-grauen Farbgestaltung sehr elegant. Auch die Foto-Porträts von Marlon Brando als Pate und Audrey Hepburn als Holly Golightly wurden mitgebracht. Von der Terrasse aus hat man einen weiten Blick fast bis ins Ruhrtal mit Hengstey- und Harkortsee, und in der landschaftliche Idylle ahnt man kaum etwas von der noblen Wohngegend rund um den Golfplatz in der Nachbarschaft.

Feine Weine im Rilasso

Vor allem Lucas weltläufige, in der Sternegastronomie geschulte Ansprache der Gäste trägt zu der lockeren Atmosphäre bei. Wenn er Weine empfiehlt, tut er das mit Wissen und Eleganz. Überhaupt ist die Weinauswahl gar nicht so italienlastig, wie man denken sollte. Vielmehr gibt es, wie in der Spitzengastronomie überhaupt, internationale Weine, viele aus Übersee, aus Kalifornien oder Chile.


Feinste Produkte

Beim Plaudern vor unserem Pressemenü mit drei Kollegen zeigte uns Pasquale stolz einen Hummer, der mit Linguine und dem Thunfisch-Rogen Bottarga auf der Tafel mit den Tagesgerichten stand, und erzählte von der Küche seiner Heimat Kalabrien, die ihn so inspiriert. Doch bei den Gängen, die er dann auffahren ließ, musste ich meine dabei eintstandenen Erwartungen umswitchen. Es waren nicht die Perlen der italienischen Regionalküche, die auf den Tisch kamen, sondern jene Edel-Standards, mit denen Italien die internationale Küche bereichert hat und bei denen luxuriöse Produkte wie Rinderfilet oder Trüffel auf betörend einfache Art präsentiert werden. Die Herausforderung für die Küche besteht dann darin, die Erwartungen des Gastes zu erfüllen und gleichzeitig den Gerichten einen unerwarteten Kick zu geben – etwas, das Pasquale und seinem Koch ausgezeichnet gelang. Entweder bekamen die Gänge durch raffiniertes Abschmecken oder herrliche Saucen eine Note jenseits des Erwartbaren, oder sie waren in der Präsentation farblich auf die Einrichtung des Restaurants abgestimmt. In dieses Konzept passten dann auch die extravaganten Weine aus Italien, Kalifornien, Chile und Deutschland, die Luca dazu servierte.

Noch muss der Juni-Mond über Herdecke zunehmen

So erwies sich die Korrektur meiner Erwartungen als ein luxuriöses Pseudo-Problem, das Paquale als aufmerksamen Gastgeber allerdings nicht verborgen blieb. So überraschte er uns am Ende, zum zweiten Dessert sozusagen, noch mit einer Portion soulfood alla mamma: Pulpo mit weißen Bohnen und Tomatensauce.
 


Presse-Menü „Rilasso“
9.6.2022


Wilder Spargel, Vitello Tonnato und
Thunfisch-Tatar mit Barläuch-Crème

Das frühsommerartige Farbenspiel in grün-rosa spiegelte die geschmackliche Vielfalt der einzelnen Komponenten. Der elegante zartgrüne wilde Spargel, eigentlich die Blütenstaude des Pyrenäen-Milchsterns, hatte knackige Spargelnoten. Der Kalbfleisch-Anteil am Vitello-Tonnato war ein gehöriger Brocken, der dem Antipasti-Klassiker eine ganz andere Textur gab als die normalen dünnen Scheiben. Überzeugend frisch abgeschmeckt war das Thunfisch-Tatar, dem die hellgrüne Barlauch-Crème auch noch einen optischen Kick gab.

2021 Terlaner, Kellerei Terlan, Südtirol
Die frische Cuvée aus Weißburgunder, Chardonnay und Sauvignon blanc mit ihren hellen Frühsommer-Aromen war ein ideale Ergänzung.


Carpaccio mit Taglierini und Trüffeln
Carpaccio ist eine Erfindung von Giuseppe Cipriani von Harry’s Bar in Venedig als Diät-Gericht für eine reiche Stammkundin. Im Rilasso wurde den dünn aufgeschnittenen rohen Rinderfiletscheiben die nötige Umami-Dosis durch darüber gehobelten Trüffel und Parmigiano Reggiano verpasst – und durch ein Pasta-Röschen Taglierini, die mit einer wunderbaren Trüffelsauce getränkt waren. Eine betörende Variante des Klassikers.

2019 Bourbon Barrel Aged Chardonnay,
Weingut Robert Mondavi, Kalifornien

Der in Whisky-Fässern gereifte Chardonnay ist ein überbordendes Beispiel dafür, wie in der Neuen Welt mit dem Fassausbau experimentiert wird. Die rauchige Note steigerte die Umami-Charakteristik des Gerichts exponentiell.


Zitronensorbet mit Prosecco


Adlerfisch mit Zitronengrassauce und violettem Blumenkohl
In den letzten Jahren hat das feine weiße, dem Wolfsbarsch ähnliche Fleisch des Adlerfischs auch die Speisekarten der gehobenen Gastronomie in Deutschland erobert. Das Rilasso präsentierte es manchmal recht glasig gegart ganz klassisch mit Zitrusaromen in der Sauce. Ein optisches Highlight war der Blumenkohl in Rilasso-Violett.

2021 Samas Isola dei Nuragi, Cantina Agricola Punica, Sardinien
Der sardischen Chardonnay spiegelten die cremige Textur des Fisches, der sahnigen Sauce und der Pioppino-Pilze. Die tropischen Aromen ergänzten die Zitrusnote der Sauce.



Rinderfilet mit Kartoffelpüree, wildem Broccoli und Rotweinsauce
Ein solider Fleischgang wie aus dem Bilderbuch. Wilder Broccoli gab den italienischen Touch. Der Clou: Die Kapern in der Rotweinsauce, die fast wie Rosinen wirkten.


2018 Galantas Cabernet Franc Gran Reserva,
Weingut Haras de Pirque, Chile

Die an klassische Bordeaux-Weine erinnernde Gran Reserva aus Cabernet Franc und etwas Carmenère, ein Joint Venture mit Antinori, war der ideale Begleiter zum Fleischgang.



Mascarponecrème mit Obstsalat und Amarenasauce
Eine italienische Nachtisch-Freude.


Auslese Nachtgold, Peter Mertens, Mosel
Ein zum Dessert passender süßer Eiswein.



Nachschlag
Pulpo auf weißen Bohnen

Ein Teller Soulfood, das auf der Zunge zerging. 
 
 
Ristorante Rilasso. Dortmunder Landstraße 45, 58313 Herdecke. Tel: 02330/9269926. Do -Mo ab 17:30 Uhr. rilasso.de

Der Genießer bedankt sich für die Einladung.
Dank auch an Michael Alisch für die Organisation.

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