Sonntag, 5. Juni 2022

Neu In Hattingen: Café Bistro Mara

Das Restaurant ist seit Anfang 2023 geschlossen.

Sizilien im Fachwerk-Kleid

Ich glaube, so mancher meiner Leser runzelt die Stirn, wenn ich gelegentlich die verschiedenen Regionen des Ruhrgebiets mit legendären europäischen Landschaften vergleiche. So nenne ich gern den niederrheinischen Kreis Wesel im Nordwesten des Reviers die „Bretagne“ bzw. „Normandie des Ruhrgebiets“, weil es dort fantastischen Cidre gibt, oder die Stadt Hagen im Südosten den „Balkan des Ruhrgebiets“, weil sich dort die Schnaps- und Whiskybrennereien in den tiefsten Schluchten der nördlichen Ausläufer des wilden Sauerlandes verstecken. Jetzt kann ich mit Fug einen neuen Stirnrunzler formulieren. Hattingen, das idyllische Fachwerkstädtchen am sonnigen Südufer der Ruhr, ist das „Sizilien des Ruhrgebiets“.

Lichtdurchflutete Atmosphäre


Trinacria, das Symbol Siziliens

Sizilianische Keramiken

Dabei weist der Name des neuen „Cafés Bistros Mara“ in den verwinkelten Gassen gar nicht direkt auf die süditalienische Insel hin. An der Fassade des prächtigen Fachwerkhauses in der Sankt-Georg-Straße prangt sogar noch in großen Lettern der traditionsreiche Schriftzug „Löwen-Apotheke“; bis vor kurzem gab es hier noch eine Tapas-Bar. Betritt man das lichtdurchflutete Ecklokal, umfängt einen die Eleganz einer südlichen Gastronomie. Vielleicht wäre die Bezeichnung „Trattoria Bar“ treffender, denn die Deko mit der Trinacria, dem dreibeinigem Gorgonenkopf, Tellern mit Zitronendarstellungen, und den Kopfskulpturen Teste di Moro in einer chic ausgeleuchteten Wandnische verbreiten sofort sizilianischen Zauber.


Michelangelo und Catena Pintaudi

Vor allem sind es die Dolce, die Süßigkeiten und Torten in einer Vitrine, die einem ins Auge fallen: Babà con Crema (luftiger Hefeteig, getränkt in Zuckerwasser und Rum mit Patisseriecreme), Tortino Ricotta e Crema (Törtchen mit Birnen-Ricotta, Haselnüssen und Keksstückchen). Pasticciotto di Crema (Mürbteig gefüllt mit Zitronencreme) und natürlich die legendären sizilianische Cannoli (Keksrollen gefüllt mit Ricottacreme) und anderes sind die hausgemachten Spezialitäten von Catena Pintaudi, die mit ihrem Mann Michelangelo seit Ende April 2022 das „Café Bistro Mara“ betreibt. Zuvor waren sie in Dortmund beheimatet, wo sie die „Oespeler Deele“ führten, doch haben sie dieses Restaurant im letzten Jahr nicht zuletzt wegen Corona verkauft und jetzt in Hattingen einen Neustart gewagt.



Hausgemachte Dolci

Dabei gehen sie den mutigen Weg, nicht auf die Pizza-und-Pasta-Konventionen des gängigen taste of Italy zu setzen, sondern wollen ihren Gästen die Küche ihrer ursprünglichen Heimat Sizilien nahebringen. Die ist aufgrund der ihrer Lage an der Schnittstelle vom europäischen zum arabisch-nordafrikanischen Kulturkreis sogar unter den Regionalküchen Italiens einzigartig. Mara ist der Name von Michelangelos Großmutter (und der Tochter), von der eine Menge der Rezepte stammen, die in der Küche realisiert werden. Während Catena dort die Chefin ist, macht Michelangelo den Service bei den Gästen. Seine große Erfahrung in der Gastronomie – Michelangelo arbeitete u.a. für Marco Mansutti in Bochum – und vor allem als Fremdenführer, der deutschen Touristen die Schönheit Siziliens näher brachte, machen ihn zu einem faszinierenden Storyteller. So plaudert er gerne über Pistazien aus Bronte, Mandeln aus Avola, Kapern von den Liparischen Inseln, die Schwierigkeiten, die tollen sizilianischen Orangen verkaufen zu können oder das Couscous-Festival in San Vito lo Capo. Und auch die Filmszene aus dem Mafia-Epos „Der Pate III“, in der die Schwester des Paten einen Widersacher mit einem Cannolo vergiftet, erklärt er mit dem traditionellen Streich, auf Familienfesten Peperoncini in die Süßigkeiten zu stecken, um böse Onkels zu ärgern.



Im Sizilien des Ruhrgebiets

Es war die Empfehlung eines meiner Blog-Leser, die mich auf das „Café Bistro Mara“ aufmerksam machte. Also fuhr ich an einem sonnigen Nachmittag nach Hattingen. Ab 17 Uhr gibt es, genauso wie über die Mittagzeit, ein Wochenmenü, bestehend aus je zwei Antipasti, erstem und zweitem Gang sowie Dessert, die man alle einzeln bestellen kann. Den ganzen Tag über gibt es Kleinigkeiten wie Salate, Bruschettona (Landbrot mit Tomaten, Büffelmozzarella und Basilikum), Couscous mit Gemüse, Parmigiana (Aubergine, Tomatensauce, Mozzarella, Parmesan und Basilikum) und häufig auch die frittierten Reisbällchen Arancini. Und natürlich die oben erwähnten Dolci und das Halbgefrorene Granita. Besonders hübsch sind die „Stuzzichini per aperitivo“, kleine Häppchen, die wie Tapas auf einem Tellerchen serviert werden, die z. B. ein Glas Aperol Spritz abdecken.


Ich bestellte als Antipasti „Moscardini alla Diaviola“. Die Primi Piatti, „Risotto Montanaro“ mit Speck und Pistazien oder schwarze Bandnudeln mit Garnelen, Dorade und Tomaten, übersprang ich. Als Secondo nahm ich „Baccalá alla Messinese“, und zum Dessert gab es ein Cannolo mit Espresso. Als Weinbegleitung empfahl mir Michelangelo einen Diantha Bianco aus Grecanico und Malvasia Bianco vom Weingut Carlo Pellegrini (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Mineralwasser), ein fruchtig erfrischender Weißer, der schön mit den süßsauren Aromen der Gerichte harmonierte.


Nach dem Essen war ich nicht nur gesättigt, sondern hatte auch einiges Neues erfahren. Der Nachmittag hatte schon sonnig begonnen, aber im Laufe des Abends war das Wetter immer schöner geworden. An den Tischen vor dem Haus hatten sich einige Gäste eingefunden, darunter eine temperamentvolle italienische Familie, die sichtlich Spaß hatte. Doch als ich um die Ecke bog, erschrak ich fast. Der Außenbereich des benachbarten westfälischen Schnitzel-Steak-Schweinshaxen-Wirtshauses war dagegen voll besetzt. Das ist ja etwas Wunderbares, aber, liebe Michael-Corleone-Verehrer, Andrea-Camilleri- und Tommasi-di-Lamedusa-Leser sowie sonstige Freunde der italienischen Oper – das muss im „Mara“ genauso werden!


Kleines Sizilianisches Menü
2.6.2022


Moscardini alla Diavola
Baby-Octopus in scharfe Tomatensauce (11 Euro)
Die kleinen Tintenfischchen waren von der Größe her kaum von den Dattel-Tomaten in der Sauce zu unterscheiden. Schön scharf abgeschmeckt, boten sie ein wunderbares Kau- und Geschmackserlebnis nach Meer und Tomaten. Dazu geröstetes Brot mit Petersilien-Pesto. 
 



Baccalà alla Messinese
Frittiertes Kabeljaufilet mit Zwiebeln, Oliven, Weißwein und Minze
(24 Euro)

„Agrodolce“ heißt im Italienischen die süßsaure Zubereitungsart, die hier zum Tragen kam. Das panierte und schön auf den Punkt gegarte Kabeljaufilet war mit karamellisierten roten Tropea-Zwiebeln belegt, deren schwere Süße durch die Minze konterkariert wurde. Als Beilage gab es, neben Kartoffeln, eine Caponata, ein klassisches süßsaures Gemüsegericht aus Auberginen, Tomaten, Zwiebeln, Paprika, Kapern und Oliven. Sehr stimmig. 
 

Cannolo mit Espresso
Der Ricotta der Cannolo-Füllung war aus Schafsmilch hergestellt, sehr sanft und fein.

Mandelgebäck
Das Plätzchen bestand aus gemahlenen Mandeln mit Orange, die Füllung ist eine Maraschinokirsche. 
 
 
Mittagessen
14.6.2022 
 
Reissalat als Gruß aus der Küche 
 
Stuzzichini per aperitivo
Eigentlcih keine Vorspeise, sondern Häppchen zum Wein
Von rechts nach links: hausgemachte Kartoffelchips, Brot mit scharfer Zucchinipaste, frittierte Reis-, Käse- und Fischbällchen, Kartoffelkrokette, Caponata, Gemüsesalat, Frikadelle aus Blumenkohl und Speck
 

Couscous alle verdure

Couscous mit Gemüse und Promosale, sehr frischem Pecorino, gefüllt

Granita aus Melone

Café Bistro Mara. Sankt-Georg-Straße 13, 45525 Hattingen. Tel. 02324/9213215. Do-Di 10-22 Uhr. Küche 12-14:30 Uhr und 17-22 Uhr. Mi Ruhetag. cafe-bistro-mara.de

6 Kommentare:

  1. Ich wohne in Hattingen und war schon dort. War mega enttäuscht. Kein Sandwich, kein Baguette... Frühstück sehr schwierig. Kein Bier vom Fass. Da gibt es in Hattingen mindestens 5 geilere Locale. Sorry, ist aber meine Meinung.

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    1. Als Bochumer würde ich für ein Bier vom Fass nicht nach Hattingen fahren. Das würde ich hier auch kriegen.

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    2. Stupider Kommentar. Einfach mal richtig lesen. Es geht um die besondere Küche Siziliens und nicht um Baguette und Bier was ich überall hinterhergeworfen bekomme.

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  2. Danke für den Tipp. Sehr leckere Dolci. ☺️

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  3. Wir waren am gestrigen Sonntag in diesem Lokal und haben uns mit Tapas, Wein usw verwöhnen lassen. Die Gerichte sind landestypisch sizilianisch und werden frisch zubereitet. Zu jedem Gericht gibt es eine Erläuterung und der Wein war auch sehr lecker. Die Atmosphäre ist sehr angenehm. Wir waren sehr angetan und würden jederzeit wieder herkommen. Freundlich, zuvorkommend . So macht es Spass und muss es sein.

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  4. Wir sind begeistert, da nicht das übliche Pizza-Pasta-Einerlei bei sehr sympathischen "echten" italienischen Gastgebern! Das ist nix für die Gäste, für die Pizza Hawaii und Spagghetti Bolognese die Krönung der italienischen Küche ist! Authentische sizilianische Küche - hier kann man sie wirklich geniessen! Zwar liegt der Schwerpunkt auf sizilianischen Backwaren, aber es gibt Abends eine kleine, jedoch sehr feine und interessante Speisekarte mit sizilianischen Köstlichkeiten, auch wöchentlich wechselnde Tageskarte! So stellt man sich vor, wie die Mamas in Sizilien für die Familie kochen! Vorsicht: die Portionen sind nicht zu unterschätzen! Die Qualität der sizilianischen Köstlichkeiten und die symphatische Art der Gastgeber ist auch daran zu ersehen, dass Stammgäste aus der damaligen Dortmunder Location "Oespeler Deele" in Hattingen anreisen, um die sizilianische Gastfreundschaft und das Essen zu geniessen. Bravissimo Michelangelo und Catena Pintaudi! Weiter so!

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