Sonntag, 29. September 2013

Aus dem Archiv: Restaurant Harmonie - Der neue Herr B.

Der Text erschien erstmals in "Bochum geht aus 2014".
Das Restaurant steht unter neuer Leitung.


Bevor im Sommer die Schließung der „Orangerie im Stadtpark“ den Bochumer Feinschmeckern den begrenzten kulinarischen Horizont der Stadt offenbarte, war es kurz zuvor der Abschied von Daniel Birkner, der die Gourmets wie ein Schlag in die Magengrube traf. Als es Ende 2012 hieß, die Gesellschaft Harmonie wolle ihre Villa am Stadtpark aufgeben, hatte sich der Bochumer Spitzenkoch in Richtung Hong Kong umorientiert, und nach einer rauschenden Küchenparty endete im Sommer 2013 auch die Ära des Restaurants „Herr B. in der Gesellschaft Harmonie“. Damit waren die beiden höchstdekorierten Restaurants der Stadt von heute auf morgen verschwunden.

Mittlerweile hatte sich die Gesellschaft Harmonie jedoch entschlossen, die Villa weiter zu führen, und präsentierte im September einen Nachfolger. Der neue Herr B. heißt Andreas Birk und betreibt mit seiner Frau nun das neu benannte „Restaurant Harmonie“. Rein äußerlich hat sich nur wenig verändert. Noch immer knarren die Dielen heimelig, wenn man die Villa mit der großbürgerlichen Atmosphäre betritt, und noch immer hat man das Gefühl, gleich kämen Churchill, Stalin und Truman mit qualmenden Zigarren die Treppe herunter, um einen Marshallplan für das darbende Bochum zu verkünden. Neu ist der Bartresen in der Eingangshalle, oder besser gesagt, im Vestibül, und auch die beiden Restauranträume erstrahlen frisch gestrichen. Und die schöne Loredana, die jetzt den Service erledigt, verbreitet mit Charme und Schlagfertigkeit nur gute Laune.

Allerdings: die Küche hat sich verändert. Während sich der alte Herr B. mit juvenilem Temperament, unbekümmerter Sorglosigkeit und forschem Mut zum Fehlgriff auch preislich in den Regionen der Gourmetküche tummelte, geht es bei Andreas Birk bodenständiger zu. Der gebürtige Thüringer entdeckte in Salzburg seine Liebe zur österreichischen Küche, übernahm dann die Gastronomie des Bochumer Golfclubs im Mailand, um jetzt in die Gesellschaft Harmonie zu wechseln. Bei ihm findet man keine ambitionierten Kunstwerke auf dem Teller, sondern Gerichte, die aussehen, wie Essen nun einmal aussehen muss, und auch preislich bleibt er auf dem Boden der Tatsachen. Die knappe Weinkarte gibt sich entsprechend solide und weist Klassiker wie Dr. Loosen und Von Winning bei dem Weißen oder den Super-Toskaner Tignanello bei den Roten auf.

Das September-Menü, das wir kurz vor Redaktionsschluss noch testen konnten, war vielversprechend (4 Gänge 39,90 Euro). Kräftige, eindeutige Aromen schmeichelten dem Gaumen ohne große Irritation. Überraschend war der „Erdapfelkas“ zum Brot vorweg, ein österreichischer Dip aus Kartoffeln und Quark. Österreichisch weiter ging es mit dem Rahmsüppchen vom Muskatkürbis mit steirischem Kernöl (einzeln 5,90 Euro), eine herzhaft süßsaure Sache. Es folgten gebratene Jakobsmuscheln mit Blumenkohl-Kokospüree und Kapernvinaigrette (einzeln 10,80 Euro), die dem Menü eine leicht asiatische Note gaben. Handwerkliche Spitze war der Hauptgang, ein Filetsteak mit sautierten Steinpilzen und Kräuterseitlingen, das so nicht als Einzelgericht auf der Karte stand. Das Fleisch war butterzart, die Pilze waren auf dem Punkt. Zum Nachtisch gab es einen geeisten Capuccino mit Apfelragout und Mandelsahne (einzeln 6,90 Euro), eine Kombination aus Kaffee- und Fruchtaromen, die durchaus überraschte. Als Wein hatte Loredana den offenen Tempranillo (0,2l-Glas 5 Euro) empfohlen, der sich als schöne, angenehme Begleitung zum Rinderfilet entpuppte.

Eigentlich sollte man über ein Restaurant eine Woche nach der Übernahme noch nicht endgültig urteilen, aber es war ein schönes, solides Menü, das Andreas Birk da kreiert hatte. „Wir wollen hier kein Düsseldorf machen“, hatte er einmal im Vorfeld der Übernahme gesagt, und kalkulatorisch ist das sicherlich ein richtiger Ansatz. Aber dennoch: Wir würden uns für die Zukunft etwas mehr Mut wünschen, etwas mehr Exklusivität, etwas mehr Gourmetlastigkeit. Die Villa der Gesellschaft Harmonie wäre dafür ein passender Rahmen. Und die Stadt Bochum braucht so etwas mehr denn je.

-kopf

44781 Bochum-Grumme, Gudrunstr. 9
http://gesellschaftharmonie.de/

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