Montag, 16. September 2013

Aus dem Archiv: Da Mario in der Birschel-Mühle - Italienische Raritäten

 
Der Text erschien erstmals in "Bochum geht aus 2014".
Mario Cappa verstarb 2014. Das Restaurant wird von Leonora Cappa weiter betrieben und ist is  die Hattinger Innenstadt umgezogen. Die Restauranträumlichkeiten werden nach dem Jahrhunnderthochwasser an der Ruhr von der Birschel.Mühel selbst betrieben.


Verkehrsknotenpunkt, Ausflugsziel, Industriekultur – die Birschel-Mühle an der Hattinger Ruhrschleuse wirkt wie ein Brennpunkt für die historische Entwicklung des Ruhrgebiets. Anfang des 20. Jahrhunderts auf dem Grund eines mittelalterlichen Ritterguts im trutzigen Tudorstil erbaut, beherbergt der Industriebau heute ein Hotel, zu dem eines der schönsten italienischen Restaurants der Gegend gehört. Aus einem der stilvoll renovierten Gasträume hat man durch Panoramafenster einen herrlichen Blick auf die Bucht, die bei der Verlegung der Ruhr Ende der 1950er Jahre entstanden ist. Von der Terrasse am Leinpfad blickt man über die ewig rauschenden Kaskaden der Schleusenanlage übers Wasser hinweg auf die neue B51-Brücke samt Campingplatz von Jutta Stolle, und die Blätter der dekorativen Olivenbäumchen glänzen silbrig mit den Weiden am Ruhrufer um die Wette.

Gerichte aus allen italienischen Regionen verspricht Mario Cappa seinen Gästen, doch ich habe den Eindruck, dass er eine Vorliebe fürs Piemont hat. Beim Blick ins Weinregal stechen die Barolos ins Auge, und auch die Standardkarte, die die die üblichen Pizza, Pasta, Salate , Fleisch- und Fischgerichte aufweist, überrascht bei vielen Gerichten mit Walnüssen als Zutat. Bei der Tageskarte, die als Tafel auf einem Notenständer an den Tisch gebracht wird, gerät jeder Italo-Fan in Entzücken. Nur fünf, sechs Gerichte stehen darauf. Darunter sind hausgemachte Nudelspezialitäten und exklusive Fleisch- und Fischgerichte, die allerdings ihren Preis haben. Die „Feinbandnudeln mit frischen Steinpilzen“ kosten immerhin 17,90 Euro, die 500 Gramm schwere Seezunge in Salbeibutter sogar 33,60 Euro.

Mich begeistert jedoch, dass ich ein Ossobuco Mailänder Art auf der Karte finde, ein Gericht, das mir in letzter Zeit kaum untergekommen ist und mit 20,60 Euro auch gar nicht so teuer ist. Und ich werde nicht enttäuscht. Löffelweich geschmort sind die beiden Kalbsbeinscheiben, die ich auf dem Teller finde, in der Mitte der Röhrenknochen, aus dem ich das fast flüssige Mark gabeln kann wie eine Auster aus der Schale. Dazu gibt es eine gelbe, vielleicht sogar zu kräftig mit Safran gewürzte Sauce, geschmorten Mangold und geröstete Kartoffeln, ein köstliches und unprätentiöses Mahl. Marios Weinberatung ist kompetent. Leider ist kein Barolo offen, aber der toskanische Morellino die Scansano (ordentlich eingeschenkte 0,2 l 7,60 Euro) ist wunderbar weich und würzig.

Als Vorspeise hatte ich mir von der Tageskarte eine Nudelspezialität ausgesucht, die ich in dieser Form auch noch nicht gegessen hatte: Zitronenteignudeln mit Sommertrüffeln, Butter und Parmesan. In der Tat schmeckte der Teig intensiv nach Sommer, Sonne und Zitrone, gefüllt waren die Ravioli mit einer Ricottafüllung, Käse und Trüffel waren üppig darüber gehobelt. Etwas mehr flüssige Butter hätte die Sache saftiger gemacht. Handarbeit und Zutaten hatten ihren Preis. Die Vorspeisenportion kostete 14,80 Euro, als Hauptgang hätte ich 18,80 Euro berappen müssen.

Auch beim Dessert hebt sich Mario vom Pannacotta-Tiramisu-Einerlei der meisten italienischen Restaurants ab. Er hat auch den etwas aus der Mode gekommenen Klassiker Cassata im Programm und serviert die sizilianische Eistorte mit Amarenakirschen – ein würdiger Abschluss für das wunderbare Menü auf der spätsommerlichen Terrasse.

-kopf


45525 Hattingen

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