Mittwoch, 18. September 2013

Aus dem Archiv: Strätlingshof - Ganz schön was zu kauen

Der Text erschien erstmals in "Bochum geht aus 2014".
Seit sich Diana Stratling aus dem Tradtionshaus zurückgezogen hat und es zeitweise an die Livingroom-Family übergeben hatte, ist die Zukunft des Hauses Ende 2024 ungewiss.

Nicht weniger in Mode als der Trend zum Vegetarischen ist in letzter Zeit der Trend zum ausgefallenen Fleisch und seiner extravaganten Zubereitung. High-End-Traum eines jeden Grill-Aficionados ist dabei der 800-Grad-Infrarot-Grill, und es gibt im Ruhrgebiet nur wenige Restaurants, die über so ein Gerät verfügen. Eines davon ist der Strätlingshof, und dieser letzte Schrei der Küchentechnik passt gut in das schmucke Anwesen in Altenbochum. Denn wie bei kaum einer anderen Gastronomie der Stadt verbindet Diana Strätling in dem aufwendig renovierten historischen Fachwerkhaus mit seinen verschiedenen Veranstaltungsräumen und der großen Terrasse so etwas wie westfälische Tradition mit dem weltläufigen Metropolen-Chic, auf den die Bochumer Szene so stolz ist.

Neben der kreativen Crossover-Küche von Küchenchef Dennis Schwind, die auch ein vegetarisches und sogar veganes Angebot umfasst, dem Sonntagsbrunch, dem freitäglichen Überraschungsmenü für ca. 25 Euro und dem Schnitzelmontag ist die Steakkarte die Hauptattraktion des Hauses – kein Wunder bei dem Spitzen-Grill, der saftiges Fleisch mit karamellartigen Röstaromen verspricht. Sie umfasst nur wenige häufig wechselnde Posten, dafür aber Spitzenfleisch. Bei meinem Besuch waren sogar Steaks vom Wagyu im Angebot, jenem illegitimen Abkömmling des hochedlen japanischen Kobe-Rindes. Dessen Verbreitung ist allerdings etwas inflationär geworden und es wurde als Hackfleisch auf den diesjährigen Gourmetmeilen der Region sogar als Burger verbraten. 37,50 Euro kostete eine Portion aus zwei insgesamt 200 Gramm schweren Fleischscheiben samt Beilagen aber noch immer. Ganz schön üppig – aber wann sollte ich das teure Fleisch probieren wenn nicht jetzt und hier?

Ich hatte mich auf der Terrasse niedergelassen, auf der an einer langen Tafel noch eine Familienfeier stattfand – ein Umstand, der die Servicecrew so nervös zu machen schien wie mich die spätsommerlich ausschwirrenden Wespen, die mich schließlich dazu veranlassten, im Innern des Hauses weiter zu essen. Wenn ich schon das teuerste Fleischgericht bestellt hatte, hätte ich mich darüber gefreut, auch eine kompetente Weinberatung zu bekommen und nicht nur die kurze Gegenfrage „Trocken?“, als ich mich nach einem Rotwein erkundigte. Schließlich bekam ich dann doch einen passenden chilenischen Cabernet Sauvignon (0,2l-Glas 6,90 Euro), der viel Spaß machte und zum Grillfleisch wunderbar passte.

Zum Einstieg hatte es selbst gebackenes Brot mit einem pikanten Dip aus exotischen Früchten gegeben, und als Vorspeise hatte ich die kalte Variante der Paprika-Orangensuppe ausgesucht (6,90 Euro). Sie wurde in einem hohen Cocktailglas serviert, war von einem appetitanregenden Orange und gemeinsam mit einem großen Parmesan-Chip ein köstlicher Tribut an den scheidenden Sommer.

Dann kamen die Wagyu-Steaks. Aus der Beilagenliste hatte ich mir Flageolet-Bohnen in Rahm, die auf der Zunge vergingen, Chorizo-Bratkartoffeln, die ein wenig fettig waren, und die Strätlingshofbutter ausgewählt, eine grüne Kräuterbutter mit ganz eigenem Geschmack. Dazu gab es noch Salzflocken, die auf dem Fleisch wie die Butter zerschmolzen. Das war alles tadellos. Doch vom Fleisch war ich leider, ich kann es nicht anders sagen, enttäuscht. Es war beileibe nicht so zart, wie ich es bei dem Preis erwartet hatte, ich hatte ganz schön was zu kauen. Und auch der Karamellgeschmack des 800-Grad-Grills kam mir eher wie angebrannt vor. Als ich meine Enttäuschung kundtat, bekam ich sogar noch eine dritte Scheibe Wagyu, die mich aber auch nicht wirklich aufmunterte. Trost brachte erst der Nachtisch, ebenfalls mit 800 Grad gegrillte Ananas mit Kirsch-Schoko-Eis und Honig (8,90 Euro).

Im Nachhinein dachte ich, es wäre vielleicht besser gewesen, ich hätte das mit Preiselbeeren und Brie de Meaux überbackene Altenbochumer Schnitzel mit Senf und Bratkartoffeln für 15,90 Euro probiert. Ich hätte wahrscheinlich keine falschen Erwartungen gehabt und mich darüber gefreut, was man im Strätlingshof für leckere, preiswerte Gerichte essen kann.

-kopf

44803 Bochum-Altenbochum, Altenbochumer Str. 64

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