Montag, 2. September 2013

Aus dem Archiv: Diergardts Kühler Grund - Betörende Heimat

Der Text erschien erstmals in "Bochum geht aus 2014"

Natürlich lässt es sich Friedel Diergardt nicht nehmen, auf der Gourmetmeile „Bochum kulinarisch“ oder beim Panhasfest in Hattingen die Gastronomie seiner Heimatstadt auf ganz eigene Art zu vertreten. Mit weißer Kochjacke und Schnauzbart mimt er auf dem Boulevard oder dem Kirchplatz den verschmitzten Patron, den er auch in seinem prächtigen Gasthof am Hattinger Büchsenschütz gibt. 2014 kann Diergardts Kühler Grund seinen 110. Geburtstag feiern, Urgroßvater Julius hatte ihn 1904 als Gasthof mit Milchwirtschaft gegründet. Heute ist das immer wieder renovierte und vergrößerte Anwesen eines der repräsentativsten Lokale im ganzen Ennepe-Ruhr-Kreis. Verschiedene Säle, eine schöne Terrasse und ein Gewölbekeller eignen sich für ideal nicht nur für Familienveranstaltungen. Die großzügige Holzvertäfelung der Räume lässt manchem Tischlermeister das Herz höher schlagen.

Die gutbürgerliche, gleichwohl anspruchsvolle Küche ist ganz auf der Höhe der Zeit und geht bei den verarbeiteten Produkten im Regionalen auf. Eine Liste von „Freunden“ macht transparent, wo eingekauft wird, etwa auf dem Hühnerhof Burggräfe in Sprockhövel, dem Spargelhof Schulte-Scherlebeck oder auch der Obstkelterei Van Nahmen in Hamminkeln. Rindfleisch kommt aus der eigenen Charolais-Zucht von Küchenchef Fritz Berghoff. Auch die Weinkarte ist gut sortiert. Deutsche Spitzenweingüter wie Klumpp, Nelles und Meyer-Näkel u.a. finden sich da, und es gibt eine extra Bordeaux-Karte mit exklusiven Grand Crus. Bei einem solch attraktiven Angebot ist es kaum verwunderlich, dass sogar an einem Dienstagabend in den Sommerfreien alle Tische im geräumigen Haus besetzt sind. Wie die Bedienung verrät, steht heute der Junior-Chef Philipp am Herd.

Regionalität bestimmt sogar die mediterranen Vorspeisen, die wir uns gönnen. Das hausgemachte, als „vegetarisch“ ausgezeichnete Tomatensüppchen besteht aus echten San-Marzano-Tomaten, ist klassisch mit Basilikum-Pesto gewürzt und wird mit einem extra Schlag Sahne und einer knusprigen Bruschetta serviert, die hier Mozzarella-Crouton genannt wird (6 Euro). Mozzarella ist auch der Hauptbestandteil der anderen Vorspeise, einer Caprese-Variante. Verwendet wird dafür Burrata, ein Mozzarella-Säckchen, das mit einer mit Sahne verfeinerten Mozzarellacrème gefüllt ist. Diergardts Burrata (11 Euro) stammt aus der Waltroper Käserei Saporita, ist mit bunten Kirschtomaten, Basilikum und gehacktem Eis garniert und von einer Frische, die ein importiertes Produkt aus Italien nicht haben kann.

Großartig ist der Rostbraten mit Pfifferlingen (22 Euro) aus der Zucht des Küchenchefs. Die große Scheibe Fleisch ist außen knusprig und innen rosa und saftig, was überrascht, weil sie recht dünn ist. Belegt ist sie mit den frischen Pfifferlingen und einer schönen Portion Salat, dazu gibt es mit Kräuterbutter überkrustetes Stangenweißbrot statt Kartoffeln – eine schöne Idee. Diesem Gericht steht das sog. „Stammsteak“ in nichts nach, ein tadellos rosa gebratenes Stück Roastbeef, das mit einer Kruste aus Schwerter Senf überbacken ist. Dazu gibt es einen Ballen Kräuterbutter, Bratkartoffeln und einen gemischten Salat (22 Euro). Zu den Fleischgerichten schmeckt der offene halbtrockene Spätburgunder (0,2l-Glas 6,50 Euro) vortrefflich.

Die Desserts sind schließlich ein krönender Abschluss. Zum marinierten Pfirsich (8 Euro) wird passend eine Kugel Mandeleis serviert, und die nach dem Tennisclub nebenan benannten „Vier süße Sünden aus dem Ludwigstal“ halten das, was sie versprechen. Crème brulée, Beeren mit Vanillesauce, Mousse au chocolat und Vanilleeis mit Nusslikör sind einfach betörend.
-kopf

45527 Hattinger-Welperm Am Büchsenschütz 15
Fon 0 23 24. 9 60 30
Mi--Fr 18-23 Uhr, Sa 12-23 Ur, So 12-22Uhr. Mo, Di geschlossen
https://www.diergardt-hattingen.de/

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