Wenn auch Duisburg im Binnenland liegt, als Hafenstadt ist die Niederrheinmetropole an der Ruhrmündung selbstverständlich auch die Heimat einer veritablen Fischfabrik. Bei Wilken am Großmarkt werden in Handarbeit feine Fischdelikatessen für Gastronomie, Supermärkte und Endverbraucher produziert, und das sogar in beachtlichen Mengen.
Von Peter Krauskopf
Gerhard Wilken hätte das Zeug, jeden Mitbewerber beim Casting für die Werbefigur eines bekannten Fischstäbchen-Produzenten auszustechen. Ein eisgraues Schifferbärtchen umrahmt das Kinn des 71-jährigen, der schmale Schirm einer Kapitänsmütze beschattet die blitzenden Äuglein mit dem Fernwehblick, und wenn er zum Beispiel von seinem 18-Meter-Boot „Moby Dick“ erzählt, das in Wesel an der Marina liegt, so wirkt das wie ein weitaus dickeres Garn als jenes, das ein Seemann in der Hafenkneipe normalerweise spinnt. „Ich liebe meine toten Fische“, lacht er, und erzählt die Geschichte, wie sein Vater und Onkel einst aus dem nordfriesischen Emden nach Duisburg kamen, um genauso wie ihre zahlreichen Geschwister in norddeutschen Städten, auch in Duisburg einen Fischhandel aufzumachen. Und alles wirkt wie jene Anekdoten, die der amerikanische Schriftsteller John Steinbeck in seinem Roman „Straße der Ölsardinen“ über die kalifornische Fischindustriestadt Monterey erzählt.
Heute hat der Inhaber der Fischmanufaktur Neptun Delikatessen Wilken an die 25 Besucher zu Gast, um ihnen sein Reich zu zeigen. Drei bis vier Mal im Jahr lädt Gerhard Wilken zu einer Führung durch die Produktionshallen auf dem Großmarkt unweit des Duisburger Hafens ein, und diesmal finden sich mitten in der Woche hauptsächlich interessierte Ruheständler ein um zu erfahren, woher das kommt, was sie so gern essen.
Eingehüllt in durchsichtige Folienmäntel, mit Schutzhäubchen auf dem Kopf und Überschuhen an den Füßen, betreten die Gäste die Produktionshallen des 8000 Quadratmeter großen Bereichs der Fischmanufaktur durch eine Hygieneschleuse. Zwar vertreibt Wilken je nach Saison frische Fische aller Art wie Karpfen zu Weihnachten, Skrei im Winter oder Scholle im Sommer, Muscheln und edle Meeresfrüchte von Garnelen bis Hummer, und bis vor Kurzem leitete Gerhard Wilkens verstorbener Bruder Rolf auch das renommierte Fisch-Feinkostgeschäft in der Innenstadt, das jetzt aber verpachtet ist, aber immer noch unter dem Familiennamen weiterläuft. Doch Herzstück ist nach wie vor die 1990 im Stadtteil Hochfeld gegründete und seit 2007 im Großmarkt ansässige Manufaktur, in der Räucherfisch, Backfisch, Fischfrikadellen, Bratheringe, Rollmöpse und allerlei Marinaden, das sind eingelegte Fischspezialitäten, produziert werden.
Und das geschieht mit erstaunlich viel Handarbeit. 30 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beschäftigt Wilken, die präzise die Fische ausnehmen, die Gräten herausschneiden und bei Bedarf filetieren. 250 Tonnen werden hier im Jahr verarbeitet, hauptsächlich Tiefkühlware. „Das Fischfleisch muss fürs Räuchern fett und fest sein“, erklärt Wilken. Und das ist es nur, wenn es in der Saison gefangen wird, wenn die Fische noch keinen Rogen angesetzt oder gar schon gelaicht haben, dann sind sie zur Weiterverarbeitung zu ausgelaugt. Um die Vorräte entsprechend zu lagern, hat Wilken noch extra Kühlhäuser im Stadtteil Rahm.
Geräuchert werden Sommerheilbutt, Lachs oder Makrelen und Sprotten, die Wilken von Lieferanten in Norddeutschland oder Dänemark bezieht, aber auch Forellen. In drei großen Öfen hängen die Fische im Rauch, das Räuchermehl stammt vom Buchen aus dem Harz. Damit sie die wunderbare goldene Farbe bekommen, müssen sie gut vorbereitet und getrocknete sein. Und die Öfen haben selbstverständlich Katalysatoren, um die Abgase zu reinigen. „Das ist bei unserer Größe absolut notwendig“, erklärt Gerhard Wilken. Nur kleinere traditionelle Räuchereien in Norddeutschland dürfen aus Bestandsschutz darauf verzichten.
An großen Fritteusen wird er Backfisch hergestellt. Die dick panierten Seelachsfilets oder auch Heringe werden in reinem Rapsöl ausgebacken. 200 Liter werden davon pro Woche gebraucht – und gehen dann zur Entsorgung in die Kosmetikindustrie, die Hautcrèmes daraus herstellt.
Neben der Produktion der Fischdelikatessen ist der reibungslose Vertrieb der fertigen Produkte die große Aufgabe, die der Betrieb leisten muss. Während der joviale Gerhard die angenehme Aufgabe hat, die Gäste zu betreuen, muss sich sein jüngerer Bruder Jürgen in seiner Eigenschaft als Produktions- und Vertriebsleiter um den kurzfristigen Auftrag kümmern. Die Handelskette Real hat überraschend 300 Kisten Fischfrikadellen bestellt. Und so rotiert ununterbrochen die Frikadellenmischmaschine, und es wird wie am laufenden Band gebacken und verpackt – erst in recycelbare Kunststoffwannen, dann nochmal in besondere Gebindekartons. „Die sind bei Real genormt, denn in ihrem Logistikzentrum im Marl verteilt eine vollautomatische Anlage die Kartons auf die verschiedenen Filialen“, erklärt Wilken.
Im Umkreis von 100 Kilometern und mehr beliefert Wilken mit eigener Wagenflotte seine Kunden, das komplette Niederrheingebiet von Köln im Süden bis ins Holländische im Norden, aber auch nach Osten ins Ruhrgebiet und weiter bis ins Sauerland. Neben Fischfachhändlern gehören auch Handelsriesen wie Real, Rewe oder Edeka dazu, an deren Fischtheken dann die Wilken-Produkte als Fischfeinkost verkauft werden.
Nach der etwa dreistündigen Besichtigung der Produktionsanlagen pellen sich die Besucher aus ihren Hygieneverpackungen und freuen sich auf den kulinarischen Teil der Veranstaltung. In der benachbarten Kochschule von Frank Schwarz hat Fisch Wilken ein kleines Büffet aufgebaut, und so lassen sich Gäste die herausragende Qualität der Bratheringe, Back- und Räucherfische schmecken. Und Gerhard Wilken, der verschmitzte Fahrensmann, hat natürlich noch einige schöne Anekdoten parat. Etwa die, dass die DDR kurz vor ihrem Untergang noch 15 nagelneue Fischtrawler auf der Ostsee in Dienst gestellt hatte. „Die konnten aber nicht in die gesamtdeutsche Fischereiflotte übernommen werden, weil die Toiletten nicht der neuen Norm entsprachen“, meint er kopfschüttelnd. Und dann erzählt er, wie er ein paar Jahre später in Südafrika war, um sich über den dortigen Fischfang zu informieren, und da hätte er genau diese Schiffe wieder entdeckt.
Neptun Delikatessen Wilken e.K.
Auf der Höhe 10, 47059 Duisburg
Telefon: 02 03. 2 89 26 60
Seit 2021 gibt es einen Direktverkauf.
www.fisch-wilken.de
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