Sonntag, 11. Juni 1995

Aus dem Archiv: Da Daniele

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.

Daniele delle Vedove ist ein vorsichtiger Mann. Nichts scheint ihm schlimmer, als dass ein Gast durch eine zu überschwängliche Restaurantkritik in sein Lokal gelockt wird und dann enttäuscht wieder geht. Der Gastronom aus dem Venezianischen verfolgt nicht die Philosophie des lukullischen Paukenschlags, sondern der sukzessiven Entwicklung. Er will zufriedene Kunden, die Vertrauen in seine Küche haben. Danieles Ziel: am Ende seines Gastronomielebens einem Lokal vorzustehen, das drei, vier Gerichte anbietet, die von den Gästen blind gebucht werden. Das sei in Italien so üblich, erklärt er, während der an den Überfluss gewohnte Deutsche immer eine immense Auswahl an Gerichten fordert. Als Beispiel nennt er eine Gruppe von neun Leuten, die bei ihm einmal 23 verschiedene Gerichte bestellt haben. Da sei die Küche fast verrückt geworden, und da musste die Qualität einfach leiden.

Dass Daniele delle Vedove uns seine Küchenphilosophie so ausgiebig darlegen konnte, hat seine Vorgeschichte. Bei unserem ersten Besuch für die diesjährige Ausgabe von „Ausgehen im Ruhrgebiet“ im Frühjahr stand seine Frau kurz vor der Niederkunft, und der hintere Restaurantraum, der auch als Weinlage benutzt wird, wurde gerade renoviert. So bat er uns, als wir nach dem Essen kurz mit ihm sprachen, nach den Sommerferien wieder zu kommen. Und da begrüßte er uns mit einem quiekenden Bambino auf dem Arm, zeigte uns stolz sein geschmackvoll renoviertes Lokal, eine geräumige ehemalige Eckkneipe an der Steeler Straße in Essen-Huttrop, und lud uns zu einem hervorragenden Essen eine. So viel italienische Familiarität fanden wir überaus sympathisch, doch von einem unvoreingenommenem Test ist hier natürlich nicht mehr zu sprechen.

Ob sich die Küche diesmal besondere Mühe gegeben hatte, sei dahingestellt. Das Carpaccio als Vorspeise war jedenfalls wundervoll aromatisch, ebenso die herrliche Salami, und das einfache gegrillte Kalbskotelett war saftig und zart und über alle Zweifel erhaben. Alles war jedenfalls mit mehr Konzentration als beim ersten Besuch im Frühjahr zubereitet, als wir anonym von der Karte „Gnocchi mit Salbei und Schinken“, „Saltimbocca alla Romana“ und gegrillten Lachs bestellt hatten. Dass uns diese Gerichte nicht besonders imponieren konnten, wollen wir den oben beschriebenen Umständen zuschreiben. Die zweite Reise nach Essen-Huttrop hatte sich auf alle Fälle gelohnt.

„Da Daniele“ verfügt übrigens über eine der größte Pasta-Karten, die mir bei meinen Recherchen untergekommen ist. Sie ist in Spaghetti (10 Gerichte), Rigatoni (8 Gerichte) und Tagliatelle (19 Gerichte) unterteilt, wobei die letzte Kategorie noch andere Pasta wie Cannelloni, Lasagne und Gnocchi umfasst. (Anm. 2025: Ob das der Tribut an die Erwartungen der deutschen Kundschaft war?)

Daniele delle Vedove ist auch engagierter Weinimporteur. Besonders aus seiner geliebten Heimat Venetien bezieht er Weine, die direkt für ihn und sein Ristorante abgefüllt sind. Für Weinfreunde veranstaltet er Degusationsabende. Entweder man wünscht sich den Wein, und er macht ein passendes Gericht dazu, oder man ordert ein Menü, und er schlägt die Weine dazu vor.

-kopf


Essen-Huttrop, Steeler Straße 279/Hilgenborn 2
Fon 0201. 27 27 11
Di-So 11.30-14.30 & 17-22 Uhr, Mo geschlossen
https://www.dadaniele.de/

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