Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.
Alla mamma wäre sowieso falsch, den „Il Piccolo“ wird nun schon seit 17 Jahren von zwei „Pappas“ geleitet. In der Küche zaubert ildebrando Pais konzentriert und mit grimmigem Blick, während Padrone Alfred Heger mit genauso grimmigem Blick, Kellnerschürze, Pferdeschwanz und Doktor-Caligari-Brille, dafür aber ohne Socken in den Mokassins, den Service „schmeißt“. Lange Wege hat er dabei nicht zurückzulegen, denn die mit allerlei Barockspiegeln und –putten ausstaffierte Gourmethöhle ist, wie der Name schon sagt, nicht groß.
Rühmten wir im letzten Jahr das kleine, aber feine Pizzaangebot und die hausgemachte Pasta, so finden wir diese Gerichte dieses Jahr auf der Karte gar nicht wieder. Das heißt aber nicht, dass man diese Hausmannskost nicht bekommt. Geradezu liebenswert wurde ein junges Pärchen, das anscheinend das erste Mal gemeinsam groß Essen war, in die hohe Kunst der italienischen Pastaküche eingewiesen, als es nach der Lektüre der Speisekarte ganz verschämt fragte, ob es auch Nudelgerichte gebe. Der Padrone schoss gleich eine ganze Batterie von Vorschlägen ab, von Fettuccine mit Krabben und Lachs oder Ravioli mit Steinpilzen über mit Trüffelpatè gefüllte Tortelloni bis hin zur Lasagne. Mit diesem Wort konnte der lukullische Nachwuchs endlich etwas anfangen und meinte, das wolle man haben, und über des Padrones Gesicht huschte ein verständnisvolles Lächeln.
Auch ich wurde von ihm überzeugt, als Vorspeise einen Salat aus dem Tagesangebot zu wählen. Es war ein kleines Kunstwerk aus schönem grünen Rucola und schönen grünen Bohnen, garniert mit schönen roten Pfefferkörnern sowie schönen rosa Scampi und angemacht mit einer unsichtbaren, aber umso aromatischeren Vinaigrette. Als Hauptspeise wählte ich eine Spezialität des Hauses, die auf der Karte aufgeführten „Sardine Ripiene“, mit Ricotta und Basilikum gefüllte überbackene Sardinen auf Tomatenwürfeln. Diese, um es banal auszudrücken, Fischfrikadellen waren in ihrer Einfachheit ein sinnenbetörendes Erlebnis.
Dazu ein hervorragender sardischer Rotwein, und ich wollte gar nicht mehr gehen. Mittlerweile hatte sich nämlich ein äußerst charmantes Völkchen im „Il Piccolo“ eingefunden, das zu beobachten ungeheuren Spaß machte. Ein Herr über 70, mit dem man ohne Probleme in einem Hollywoodfilm die Rolle eines Malers auf dem Montmartre hätte besetzen können, brachte mit seiner kaum jüngeren Dame mit Strohhütchen, Blümchenkleid und kirschroten Lippen einen Hauch französisch-mediterrane Lebensart ins Haus: mehrere Akademiker diskutierten über die Lage des Massenmedien in NRW; und „Piccolo“-Chef Alfred Heger versuchte durch permanentes Abspielen einer CD mit italienischen Mandolinen-Schnulzen gegen die Deutsch-Pop-Musikanten in der Kneipe im Haus nebenan musikalisch anzutönen.
-kopf
Tiergartenstr. 8, 47503 Duisburg-Hochfeld
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen