Dienstag, 13. Juni 1995

Aus dem Archiv: La Conchiglia

Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant steht seit 2018 unter neuer Leitung (klick hier).


Wenn Antonella Boi, die Chefin von „La Conchiglia“, mit ihrem umwerfenden Claudia-Cardinale-Lächeln die Gäste begrüßt, bekommt die „Ausgehen“-TOP TEN Italien alla mamma eine Bedeutung, an die gar nicht gedacht war. Wenn alle italienischen Mammas so wären, mamma mia!

Auf Sardinien geboren, in Oberhausen aufgewachsen, betreibt Antonella seit über sechs Jahren das Ristorante mit der Muschel, erst zusammen mit Schwester und Schwager im Service, dann allein. Das Kochen hat sich die gelernte Schneiderin selbst beigebracht. Heute stellt sie Karte zusammen und erklärt ihren Köchen, was sie wie zu kochen haben.

Die Karte nennt allein 28 verschiedene Pizzen, kross gebacken und fantasievoll belegt, und 25 Nudelgerichte, davon zehn mit hausgemachter Pasta und fünf überbacken. Zahlreiche Fleisch- und Fischgerichte laden zum Schlemmen ein, doch wir entschieden uns für die Spezialitäten der „Toskanischen Wochen“, die im Frühsommer anstanden. Im Herbst will sich Antonella der piemontesischen Küche widmen.

Die gemischte Vorspeisenplatte als einziger Tribut an die Standardkarte war einfach eine Wucht. Jedes einzelne der eingelegten, gegrillten oder gebratenen Gemüse schmeckte anders, die gefüllte Aubergine war einfach Spitze. „Das machen wir immer so“, meinte Antonella mit einer Bescheidenheit, die selbst dem Papst als Beichtvater ein gnädiges „Bene, bene“ entlocken würde. Vielleicht sollten „Ausgehen“-Leser das „immer“ einmal überprüfen.

Die „Pappardelle ai Porcini“, hausgemachte Bandnudeln mit Steinpilzen, brachten den waldigen Duft der toskanischen Hügel nach Oberhausen. „Coniglio alla Toscana“ war so zart, dass das Kaninchenfleisch sich schon bei leichter Berührung vom Knochen löste, und wurde von einer Kapern-Oliven-Sauce aromatisch überzeugend unterstrichen. „Ossobuchi“, die Schweinshaxe in der klassischen Florentiner Zubereitung mit Rosmarin und Fenchel, brachte Feiertagsstimmung. Dazu wurde ein 1992-er Chianti empfohlen, der nichts zu wünschen übrig ließ.

Wie jede Hausfrau und jeder Hobbykoch, holt sich Antonella die Inspirationen aus verschiedenen Kochbüchern. Dann wird dies und jenes abgewandelt, bis das herauskommt, was sie sich vorstellt. „Ich glaube schon, dass ich die toskanische Küche getroffen habe“, meint sie, „obwohl ich noch nie in der Toskana war.“

Ihre persönliche Handschrift zeigt sich auch in der Ausgestaltung der Gasträume. Der alte Eckkneipenbau an der Hermann-Albertz-Straße ist eigentlich viel zu groß, doch Antonella weiß den Raum zu nutzen. Fast schon edel sind die Tische eingedeckt, individuell ausgesuchte Lampen und andere Accessoires verbreiten eine angenehme elegante Atmosphäre.

Übrigens: Den Tipp , „La Conchiglia“ zu testen, bekamen wir von einem aufmerksamen Gast. Der wunderte sich, dass ausgerechnet sein Lieblingslokal nicht erwähnt wurde. Der Tipp war klasse. Und die Rechnung für immerhin vier Personen war gerade einmal so hoch wie andernorts für zwei.
-kopf

Hermann-Albertz-Str. 141. 46045 Oberhausen
Fon 0208/806445
Di-Sa 18-22.30 Uhr, So 12-14.30 Uhr und 18-22.30 Uhr.
https://la-conchiglia.de/

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