Der Text erschien erstmals in „Ausgehen im Ruhrgebiet 1996“.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.
Es gibt so kleine Tricks, mit denen ein Restauranttester sein Testobjekt neckt. So ist es zum Beispiel bekannt, dass man in das Casino der Spielbank Dortmund ohne Krawatte nicht eingelassen wird. Testfrage: Bekommt man im „La Table“, dem Gourmettempel im Hohensyburger Spielerparadies, ohne Krawatte auch etwas zu essen?
Antwort: Man bekommt.
Und zwar vom Edelsten. „La Table“ gehört zweifellos neben der „Résidence“ in Essen-Kettwig und „La Provence“ in Duisburg zur Spitze der Spitzengastronomie im Revier. Küchenchef Thomas Bühner weiß seine Gäste zu verwöhnen. Seine Kreationen sind reich an kulinarischem Witz und geschmacklicher Vielfalt – obendrein erwecken sie den Nachhall eines glückseligmachenden Gesättigtseins, das noch lang in den nächsten Tag hinein anhält. Allein das Amuse gueulle, zwei üppige Hummer-Tortellini, wären woanders schon ein Menügang gewesen.
Die Vorspeisen tummeln sich irgendwo zwischen Ostasien, Mittelmeer und klassischer Grande Cuisine. „Lasagne vom Atlantikhummer mit gedämpftem Lauch im Ingweraroma“ zum Beispiel, oder „Confit vom Kaninchen mit Gemüsespaghetti an Curry-Balsamico-Sauce“. Die „Variation vom Norwegischen Lachs mit zweierlei Kaviar“ verblüffte durch ihre Geschmacksvielfalt, das „Gratinierte Kalbsbries auf Pfifferlingsrisotto mit Rosmarinschaum und Parmesan“ versetzte mit seinen Aromen in die Wälder Norditaliens.
Ein weiterer alter Tester-Trick ist, die verschieden großen Bestecke falsch zu benutzen um dann zum Herunterfallen nah auf den leeren Teller zu legen, bloß um zu sehen, ob der Service damit fertig wird.
Der Service wurde.
Leicht und locker wurden die Speisen gebracht und mit einem gewinnenden Lächeln aufgetragen, zum Dessert, einem „Gazpacho von der Erdbeere mit Waldbeeren und Pistazieneis“, wurde auf Nachfrage ohne Umschweife das Küchengeheimnis gelüftet, die Erdbeeren nicht nur mit Pfeffer zu würzen, sondern sogar mit Tabasco. Das junge Kellner-Team aus Südafrika war von gewinnender Professionalität. Dass man nur gebrochenes Deutsch sprach, gab der Situation ein weltoffenes Flair, verstanden wurde jedes Wort. Angenehm wirkte sich auch die Weitläufigkeit des Gastraumes aus. Der Service hatte Platz genug, sich zu bewegen und den Käse- und Digestiv-Wagen elegant zwischen den Tischen hin und her zu schleusen.
Doch zu den Hauptgängen. Bei den Fischgerichten fiel die Wahl schwer. „Filet vom weißen Heilbutt auf Gemüsefondue in Fenchelschaum mit Forellenkaviar“, „Gegrillter Loup de Mer auf Safranrisotto im Bouillabaissesud mit Ricard“ oder „Seeteufel im Curry-Blätterteigkissen mit jungem Lauch in Limonen-Butter-Sauce“ ließen wir lässig links liegen, um uns dem „Steinbuttfilet und Hummer im Brickteig an Sud orientalischer Aromen mit Cashewkernen und Pimento“ zu widmen. Um es auf den Punkt zu bringen: Es schmeckte, wie es sich liest!
Auch wenn es den Tierschützern unter den „Ausgehen“.Lesern bös aufstößt: Beim Fleischgericht konnte ich nicht umhin, „Medaillon vom Rehbockrücken mit zart gebratener Gänsestopfleber und glacierten Kirschen in Wacholderjus“ zu ordern. Das Stopfen der Gänse ist sicherlich nicht jedermanns Sache, aber wenn man schon den dekadenten Tafelfreuden frönt, dann richtig!
Tiefaromatisch ergänzten die Kirschen das Wildfleisch, und die sechs eleganten Kartoffelstäbchen, die auf dem Beilagentellerchen sorgsam zu einem kleinen Gitter aufegstapelt waren, glichen fast einer Parodie der berühmten Portion Pommes aus der Bude. (Anm. 2025: Heute weiß ich, dass es sich um in der Pfanne gewendete Schupfnudeln handelte.) Es war der Abglanz des Feudalen, der an diesem Gericht gefiel und der die Motive eines barocken Speisesaales, die bühnenbildgleich auf die raumhohen Wandbespannungen gemalt waren, trefflich ergänzte. Dazu die zwischen lachsfarben und apricot changierenden Orangetöne von Vorhängen und Teppich, und man hatte das Gefühl, in der Kulisse eines Peter-Greenaway-Films zu speisen.
Von den knapp 700 Weinen zwischen 38 DM (ein Riesling von Schloss Reinhartshausen Erbach) und 2500 DM ( ein 1894-er Bordeaux-St. Emilion), die die Weinkarte auflistete, ließen wir uns nicht imponieren, sondern ergaben uns dem Rat von Sommelier Ludwig Vogel, der uns mit seinen Glasofferte um die 10 Mark recht gut bediente.
Auf einen Besuch der Spielbank nach dem Essen verzichteten wir, nicht nur wegen der fehlenden Krawatte. (Anm. 2025: Der Service hätte Leihkrawatten bereitgehalten.) Trotz der Gutscheine, die wir als werbewirksame Beilage zur Rechnung serviert bekamen, wäre spätestens da der Spesensatz von „Ausgehen im Ruhrgebiet“ gesprengt worden.
-kopf
Hohensyburger Str. 200, 44265 Dortmund
Freitag, 9. Juni 1995
Aus dem Archiv: La Table
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