Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2007/2008".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.
Es gibt Restaurants, die sollte man unbedingt im Hellen besuchen, und die „Schönebecker Schweiz“ gehört unbedingt dazu. In fröhlichem Sonnengelb strahlt die Einrichtung das frisch renovierten alten Gasthauses im dörflichen Essener Stadtteil Schönebeck, und wenn an langen Sommerabenden die Sonne tief steht, schimmert das Laub der Bäume goldgrün durch die Fenster, die dann wie impressionistische Gemälde wirken.
Diese Bilderbuch-Atmosphäre passt zur Karl Schirmachers südfranzösisch inspirierter Küche, als sei sie extra dafür geschaffen – und sie ist es auch. Bis zum Frühjahr hatte Schirmacher mit seiner Frau Roswitha den „Stop-Club vis à vis“ im innenstadtnahen Westviertel betrieben, der unter den Freunden der mediterranen Küche als Geheimtipp galt, bis die beiden das lieb gewonnene Domizil verlassen mussten. Doch der Umzug an den Stadtrand war ein Volltreffer. Zweimal stand ich vor dem gastlichen Haus und musste wieder gehen, weil alles besetzt war. Beim dritten Mal wollte ich reservieren, aber es war zum Wunschtermin nichts frei, und erst beim vierten Mal ergatterte ich am frühen Abend einen der hellen Holzstühle. Denn nicht nur die alten Stammgäste haben den Umzug mitgemacht, auch die Schönebecker sind vom neuen Gewand ihres alten Dorfgasthofs begeistert.
Wohlweislich hat Karl Schirmacher das erfolgreiche Konzept seiner Küche nicht verändert. Mit verschiedenen Aktionen wie dem siebengängigen Tapasmenü (16,50 Euro), das nicht nur ein Potpourri von Vorspeisen aus Spanien, sondern auch aus anderen Mittelmeerländern bringt, monatlich wechselnden Saisongerichten oder dem Sonntagsmenü erfüllt er alle Urlaubssehnsüchte auf kulinarische Weise. Dass er die Duft- und Kräuterküche des Mittelmeeres aus dem Effeff beherrscht, zeigt er immer wieder. So war der Vorspeisenteller, den ich mir aus zwei kleinen Portionen von der Vorspeisenkarte zusammenstellen ließ, eine beglückend herzhafte Sache. Die gebratene Chorizo (2,80 Euro) war scharf wie die Sünde, und die französische Landpastete (3 Euro) herrlich abgeschmeckt. Pfiffig auch die Beilagen zum bretonischen Fischspieß. Das Linsen-Apfelgemüse war in Calvados geschmort, und das Couscous mit Minze orientalisch aromatisiert. Der Fischspieß selbst, eine Art Schaschlik aus verschiedenen Fischsorten, war tadellos gegrillt, doch leider entsprachen die weiteren maritimen Beilagen, die das Gericht rein optisch zu einem Augenschmaus machten, nicht ganz den Erwartungen, die sie erweckten. Die beiden Pfahlmuscheln waren zäh, und bei den ungeschälten Scampi war der Darm nicht entfernt. So sehr ich mich über den äußerst fairen Preis von 14,40 Euro für das Gericht freute – ich wäre bei der gelungenen Präsentation durchaus bereit gewesen, für edlere Zutaten ein paar Euro mehr zu bezahlen.
-kopf
Essen-Schönebeck, Schönebecker Str. 30
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen