Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2007/2008".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.
Es soll ja Köche geben, die glauben, gutes Essen habe etwas mit Fußball zu tun. Marco Henschel ist da jedoch ganz anderer Meinung. Auf die Fußball-WM ist er überhaupt nicht gut sprechen, und auch heute, beim Freundschaftsspiel Deutschland-England, bin ich gegen 19 Uhr der einzige Gast im Haus. Das schadet aber gar nichts, denn so kann ich mich der ungeteilten Aufmerksamkeit des charmanten Servicemannes erfreuen. Freundlich plaudert er aus dem Nähkästchen des ambitionierten Familienbetriebes. Seine Mutter Leonore steht mit viel Leidenschaft in der Küche, und wenn viel Betrieb ist, kommt seine Schwester zum Aushelfen. Bereitwillig zeigt er einen Topf mit dem kleinblättrigen Basilikum vor, das dem Hummersalat des Amuse bouche den letzten aromatischen Schliff gibt, oder bringt in Erfahrung, dass die Bisonlende, die Leonore Henschel mit Rotwein-Schalotten und Macaire-Plätzchen (38 Euro) zubereitet, frisch aus Kanada kommt – was ich innerlich ganz Winnetou-like mit einem lobenden „Uff uff“ honoriere.
Allein diese Auskunftsfreudigkeit hat den Ausflug nach Dorsten gelohnt, jener Gemeinde, die mit „Rosin“ und dem „Goldenen Anker“ die höchste Dichte an Sterne-Restaurants im Ruhrgebiet hat und mit dem Restaurant Henschel einen Top-Kandidaten für einen Stern. Was macht diesen Ort bloß zum Baiersbronn des Reviers?
Leonore Henschels Küche orientiert sich eindeutig an den Erwartungen, die man an den globalisierten Luxus der Sterneküche stellt. So findet man selbstverständlich Jacobsmuscheln (mit Langostinos auf einer Curry-Kokos-Crème, 19 Euro), Gänsestopfleber (als Terrine mit Aprikosen, 19 Euro), oder Valrhona-Schokolade zum Dessert auf der Speisekarte, und die Weinkarte wartet mit großen Namen von Diel bis Gaja auf. Preislich spielt das Restaurant sowieso in der ersten Liga.
Aber beginnen wir ganz von vorn. Als Vor-Amuse-bouche stellte mir Marco Henschel zwei Mini-Windbeutel mit pikanten Käsefüllungen auf den Tisch, um dann rasch den eigentlichen Gruß aus der Küche folgen zu lassen, eine Art Trilogie aus einer Hirschterrine (wunderbar ergänzt durch leicht mit Zimt abgeschmeckte Preiselbeeren), dem mit Basilikum verfeinerten Hummersalat und einem Paprikaschäumchen in der Espressotasse. Als Vorspeis hatte ich mir die bereits oben genannte Gänsestopfleberterrine bestellt, und das war auch richtig so. Handwerklich tadellos zubereitet, ergänzt durch eine in Pumpernickelkrümeln gewälzte normale Leberpraline und kandierte Aprikosen, war ein Gedicht. Selbst die Garnitur aus nicht gewürzten grünen Spargelspitzen hatte ein unnachahmliches Aroma. Ein Gläschen Chardonnay Beerenauslese 2005 von Karl Johner (0,1l 9,80 Euro) machte den Genuss perfekt. Allen politisch korrekten Skrupeln zum Trotz: Keine liebevoll gemästete Gans kann ein schöneres Schicksal haben, als in Leonore Henschels Küche zubereitet zu werden und dann über meine Zunge in meinen Magen zu gelangen.
Dann der Hauptgang: bretonischer Steinbutt mit dicken Bohnen auf Thymian-Rahm (32 Euro). Der Fisch war mit jener Sorgfalt gebraten, die seiner exklusiven Qualität als Wildfang gebührt, außen goldbraun, innen perfekt à point, weiß und saftig, von der Textur her in idealer Harmonie mit dem Thymian-Rahm-Kartoffelpüree. Die köstlichen dicken Bohnen waren verdauungsfreundlich von den Häuten befreit, eine überaus edle Zubereitungsart, die Freunden von deftiger Regionalküche allerdings nur ein Kopfschütteln bereitet. Lediglich die zu einem Päckchen zusammengebunden drei weißen Spargelspitzen sträubten sich eine wenig dagegen, von meinem Fischmesser zerteilt zu werden und ich musste sie ganz verschlingen. (Wo kam der Spargel eigentlich her, jetzt Mitte August?). Auch zum Hauptgang war Marco Henschels Weinempfehlung ein Treffer. Er goss den knackig mineralischen Riesling „Loess Gewanne“ 2006 von Schneider aus der Pfalz (9 Euro) immer wieder nach, was viel Freude bereitete. Zum Nachtisch probierte ich eine Käseauswahl vom Affineur Waltmann (ab 10,50 Euro), bei der mich besonders ein mit Walnusslikör aromatisierter Rohmilchkäse und ein Ziegenkäse mit Lavendel begeisterten.
So, wie mein Mahl begonnen hatte, endete es auch, mit einem überraschenden kleinen Gruß, diesmal aus der Patisserie. Zum Espresso (3,20 Euro) gab’s himmlischen Apfel-Quark-Kuchen.
Am Ende war ich froh und bereute nicht, dass ich das Fußballspiel Deutschland-England verpasst hatte, obwohl Deutschland mit 2:1 gewonnen hatte. Allerdings: Es wäre ein wesentlich billigeres Vergnügen gewesen.
Das Restaurant gibt es nicht mehr.
Es soll ja Köche geben, die glauben, gutes Essen habe etwas mit Fußball zu tun. Marco Henschel ist da jedoch ganz anderer Meinung. Auf die Fußball-WM ist er überhaupt nicht gut sprechen, und auch heute, beim Freundschaftsspiel Deutschland-England, bin ich gegen 19 Uhr der einzige Gast im Haus. Das schadet aber gar nichts, denn so kann ich mich der ungeteilten Aufmerksamkeit des charmanten Servicemannes erfreuen. Freundlich plaudert er aus dem Nähkästchen des ambitionierten Familienbetriebes. Seine Mutter Leonore steht mit viel Leidenschaft in der Küche, und wenn viel Betrieb ist, kommt seine Schwester zum Aushelfen. Bereitwillig zeigt er einen Topf mit dem kleinblättrigen Basilikum vor, das dem Hummersalat des Amuse bouche den letzten aromatischen Schliff gibt, oder bringt in Erfahrung, dass die Bisonlende, die Leonore Henschel mit Rotwein-Schalotten und Macaire-Plätzchen (38 Euro) zubereitet, frisch aus Kanada kommt – was ich innerlich ganz Winnetou-like mit einem lobenden „Uff uff“ honoriere.
Allein diese Auskunftsfreudigkeit hat den Ausflug nach Dorsten gelohnt, jener Gemeinde, die mit „Rosin“ und dem „Goldenen Anker“ die höchste Dichte an Sterne-Restaurants im Ruhrgebiet hat und mit dem Restaurant Henschel einen Top-Kandidaten für einen Stern. Was macht diesen Ort bloß zum Baiersbronn des Reviers?
Leonore Henschels Küche orientiert sich eindeutig an den Erwartungen, die man an den globalisierten Luxus der Sterneküche stellt. So findet man selbstverständlich Jacobsmuscheln (mit Langostinos auf einer Curry-Kokos-Crème, 19 Euro), Gänsestopfleber (als Terrine mit Aprikosen, 19 Euro), oder Valrhona-Schokolade zum Dessert auf der Speisekarte, und die Weinkarte wartet mit großen Namen von Diel bis Gaja auf. Preislich spielt das Restaurant sowieso in der ersten Liga.
Aber beginnen wir ganz von vorn. Als Vor-Amuse-bouche stellte mir Marco Henschel zwei Mini-Windbeutel mit pikanten Käsefüllungen auf den Tisch, um dann rasch den eigentlichen Gruß aus der Küche folgen zu lassen, eine Art Trilogie aus einer Hirschterrine (wunderbar ergänzt durch leicht mit Zimt abgeschmeckte Preiselbeeren), dem mit Basilikum verfeinerten Hummersalat und einem Paprikaschäumchen in der Espressotasse. Als Vorspeis hatte ich mir die bereits oben genannte Gänsestopfleberterrine bestellt, und das war auch richtig so. Handwerklich tadellos zubereitet, ergänzt durch eine in Pumpernickelkrümeln gewälzte normale Leberpraline und kandierte Aprikosen, war ein Gedicht. Selbst die Garnitur aus nicht gewürzten grünen Spargelspitzen hatte ein unnachahmliches Aroma. Ein Gläschen Chardonnay Beerenauslese 2005 von Karl Johner (0,1l 9,80 Euro) machte den Genuss perfekt. Allen politisch korrekten Skrupeln zum Trotz: Keine liebevoll gemästete Gans kann ein schöneres Schicksal haben, als in Leonore Henschels Küche zubereitet zu werden und dann über meine Zunge in meinen Magen zu gelangen.
Dann der Hauptgang: bretonischer Steinbutt mit dicken Bohnen auf Thymian-Rahm (32 Euro). Der Fisch war mit jener Sorgfalt gebraten, die seiner exklusiven Qualität als Wildfang gebührt, außen goldbraun, innen perfekt à point, weiß und saftig, von der Textur her in idealer Harmonie mit dem Thymian-Rahm-Kartoffelpüree. Die köstlichen dicken Bohnen waren verdauungsfreundlich von den Häuten befreit, eine überaus edle Zubereitungsart, die Freunden von deftiger Regionalküche allerdings nur ein Kopfschütteln bereitet. Lediglich die zu einem Päckchen zusammengebunden drei weißen Spargelspitzen sträubten sich eine wenig dagegen, von meinem Fischmesser zerteilt zu werden und ich musste sie ganz verschlingen. (Wo kam der Spargel eigentlich her, jetzt Mitte August?). Auch zum Hauptgang war Marco Henschels Weinempfehlung ein Treffer. Er goss den knackig mineralischen Riesling „Loess Gewanne“ 2006 von Schneider aus der Pfalz (9 Euro) immer wieder nach, was viel Freude bereitete. Zum Nachtisch probierte ich eine Käseauswahl vom Affineur Waltmann (ab 10,50 Euro), bei der mich besonders ein mit Walnusslikör aromatisierter Rohmilchkäse und ein Ziegenkäse mit Lavendel begeisterten.
So, wie mein Mahl begonnen hatte, endete es auch, mit einem überraschenden kleinen Gruß, diesmal aus der Patisserie. Zum Espresso (3,20 Euro) gab’s himmlischen Apfel-Quark-Kuchen.
Am Ende war ich froh und bereute nicht, dass ich das Fußballspiel Deutschland-England verpasst hatte, obwohl Deutschland mit 2:1 gewonnen hatte. Allerdings: Es wäre ein wesentlich billigeres Vergnügen gewesen.
-kopf
Dorsten-Holsterhausen, Borkener Str. 47
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