Der Text erschien erstmals in "Essen ghet aus 2005/2006".
Mein Gott, ist das ein Trubel. Fast alle Tische sind vollbesetzt, auf den wenigen freien stehen Reserviert-Schildchen mit präziser Uhrzeit im Halbstundentakt. Ein Trüppchen Arbeitskolleginnen auf Betriebsausflug tut sich an seinen Nudeln gütlich, ganze Familien stehen an, um auf ihre Mitnahmepizzen zu warten. Dauernd drängelt sich der Pizzabote mit seinen grünen Warmhaltekisten aus Styropor zur Tür, neue Gäste werden abgewimmelt weil alles voll ist, und nur ein fein gemachtes Liebespärchen wirkt mit seinen romantischen Blicken wie eine entrückte Insel der Ruhe. Sieht man bei Dämmerung in die festlich illuminierten Schaufenster, kommt einem Dario Botteris Kupferdreher Osteria Lo Spuntino wie ein New Yorker In-Lokal zu Weihnachten vor.
Zum Jahresbeginn 2005 hat Dario den Betrieb in dem kleinen engen Häuschen an der Kupferdreher Straße eingestellt, wo er seit eh und je die Bevölkerung des Stadtteils mit vorzüglicher italienischer Kost versorgt hatte, und zog komplett in die Räumlichkeiten seiner Mitnahme-Pizzeria Lo Spuntino gegenüber. Leider ging damit die hübsche Terrasse verloren, doch das neue Domizil hat dafür zwei Hinterräume, in denen kleinere Gesellschaften bedient werden können.
Darios große Beliebtheit liegt sicherlich an den knapp dreißig fantastischen Pizzen, die er anbietet. In wagenradgroßen 28 (EUR 3,50-8) oder diskuskleinen 20 Zentimetern (EUR 2-5,50) kann man sie vor Ort essen, mitnehmen oder sich nach Hause bringen lassen. Der dünn ausgerollte, knusprig sanft gebräunte Teig ist farbenfroh und reichhaltig belegt. Die Pizza Spuntino mit Parmaschinken, Krabben und frischem Blattspinat glich einem köstlichen kulinarischen Sonnenrad (groß EUR 6,50). Aber auch die Nudelgerichte mit obligatorischen Klassikern wie Spaghetti Bolognese (EUR 4), Lasagne (EUR 5,50) oder Gnocchi in Gorgonzolasauce (EUR 6)) sind nicht zu verachten.
Höhepunkt des Angebots ist jedoch die Tageskarte, die handgeschrieben und fotokopiert der Standardkarte beiliegt. Drei Vorspeisen, zwei Nudelgerichte und fünf preiswerte Fisch- und Geflügelgerichte standen diesmal darauf. Das Carpaccio mit Rucola und Parmesan (EUR 7,50) sah so aus, wie ich es mir wünschte. Das rohe Rindfleisch hatte jene tiefe Röte, nach der das Gericht benannt ist, und war dezent vom gelben Parmesan gesprenkelt. In der Mitte thronte eine angemessene Portion Rucola. Dass das hübsche Gericht kaum angemacht war, schob ich auf die Hektik im Laden zurück, zumal ich dieses minimale Manko mit ein paar Tropfen Aceto balsamico und Olivenöl aus den Karaffen auf dem Tisch mühelos beheben konnte. Doch auch die Beilagengemüse zum Seeteufel „Primavera“ vom Grill mit Kräutern (EUR 10,50) kamen mir nicht zu Ende gebracht vor und waren nicht angewärmt. Aber vielleicht war das aber Absicht, denn sie schmeckten auch bei Zimmertemperatur vorzüglich. Der Fisch jedenfalls war tadellos gegrillt und mit einer pikanten Sauce hauptsächlich aus Frühlingszwiebeln überzogen. Die Zabaione (EUR 4) zum Nachtisch bewies dann, dass man in der Küche trotz aller Hektik im Laden genügend Muße zur Zubereitung dieses klassischen Desserts aufbrachte. Das Ei war mit der nötigen Geduld im Wasserbad schön schaumig geschlagen und bildete mit dem untergehobenen Marsala eine Bescherung, die ich nur allzu gern auslöffelte.
-kopf
Essen-Kupferdreh, Kupferdreher Str. 184,
Fon 48 69 91
Mi-Fr und So 12-15 Uhr und 17.30-22.30 Uhr, Sa 16.30-22.30 Uhr. Mo, Di geschlossen
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