Montag, 11. Juli 2005

Aus dem Archiv: Landhaus Schnitzler - Herzlich und familiär

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2005/2006".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Jeannette und Peter Schnitzler betreiben seit 2017 "La pettite cave ... de Jeannette" in Essen Rüttenscheid,


Im Essener Stadtteil Byfang, hoch über der Ruhr, treffen sich dörfliche Idylle und kulinarische Fröhlichkeit. Das Landhaus Schnitzler liegt direkt neben der Kirche, eine Tatsache, auf die Jeannette und Peter Schnitzler auf ihrer wohlgepflegten Website mit einem Wink besonders für Brautpaare hinweisen. Denn bei Schnitzlers geht es familiär zu. Jeanette steht mit einem Azubi in der Küche, Peter macht den Service, und gelegentlich hüpft auch das Töchterchen zwischen den Tischen herum. Einst war das Landhaus Schnitzler ein normales Ausflugslokal, doch vor ein paar Jahren änderten Jeannette und Peter Schnitzlers die Ausrichtung im elterlichen Gasthaus und reihten sich damit in jene Tradition des gastronomischen Strukturwandels im Ruhrgebiet ein, für die etwa auch der Kölner Hof in Frohnhausen oder der Gasthof Brendel in Duisburg-Rheinhausen stehen. Doch anders als die ambitionierten Kollegen praktiziert Jeannette Schnitzler eine kreative Küche, die ganz unprätentiös bodenständig bleibt.

Die schmale Terrasse vorm Haus war gut besetzt an diesem sommerlichen Samstagabend. Rundum in der botanischen Umfriedung sprossen allerlei mediterrane Kräuter, die auch Eingang in die Gerichte fanden wie zum Beispiel den „Lammrücken mit hauseigenem Lavendel-Jus“ (EUR 19) oder die „Kalbsleber mit Rosmarin auf Barolosauce“ (17 EUR). Überhaupt kocht Jeannette Schnitzler gern mediterran, wenn auch die Freunde eines schönen Wiener Schnitzels (groß EUR 16, klein, d.h. normal EUR 12) bei ihr voll auf ihre Kosten kommen. Wir hielten uns jedoch an die Angebotstafeln, von denen eine noch von den Köstlichkeiten des allwöchentlich freitags stattfindenden Barbeques kündete (all you can eat EUR 17,50. In den kühleren Jahreszeiten gibt es andere Aktionen, auf der Website nachschauen.) Die andere war jedoch voll mit Jeannettes Wochenangeboten wie etwa „Salatauswahl in Sherryessigvinaigrette mit Heilbuttwürfeln im Tempurateig“ (EUR 8) oder „Neue Matjes mit einem Preiselbeer-Meerrettichschmand“ (EUR 7,50). Uns interessierten zwei Gerichte besonders. „Wildlachs mit Lakritzsauce und Reis“ (EUR 17) und „Maispoularde im Parmesanmantel mit Zuckerschoten“ (EUR 16). Beides war handwerklich tadellos und wurde ohne großes Chichi auf dem Teller präsentiert. Als Vorspeise gab es eine Tapasplatte (EUR 8), die allerlei leckere Kleinigkeiten bot. Die Poulardenbrust war rundum mit dem Käsemantel wie mit einer Tonschicht umschlossen, so dass das Fleisch zart und sogar saftig blieb. Zusammen mit den süßlichen Zuckerschoten bildete der würzige Parmesan eine angenehm kontrastreiche Geschmackskombination. Die Lakritzsauce war keineswegs schwarz, wie man annehmen könnte, sondern gelb und hatte einen Anis-Ton, der ganz entfernt an Salmiakpastillen erinnerte und durch die Zugabe von Lakritzpulver entstand. Zu Lachs und Reis war sie eine herzhafte Ergänzung. Zu allen Gerichten empfahl Peter Schnitzler einen körperreichen Weißburgunder aus dem Badischen, den er glasweise ausschenkte. Seine Weine bezieht er übrigens von der Weinhandlung Rolf Kaspar, mit der er auch gelegentlich Degustationsmenüs veranstaltet.

Zum Abschied plauderte Peter Schnitzler noch ein wenig mit uns, und seine Frau kam aus der Küche, um uns ihre Freude darüber mitzuteilen, dass es uns geschmeckt hatte. Noch lange mussten wir an die Herzlichkeit und das leckere Essen dieses Abends denken.

-kopf

Essen-Byfang, Nöckersberg 65

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