Donnerstag, 7. Juli 2005

Aus dem Archiv: La Cena - Eleganz mit Aroma

Das Restaurant ist geschlossen. Der Text erschien erstmalig in "Essen geht aus 2006".

Der erste Eindruck, den meine Nase hatte, als wir das im Souterrain liegende La Cena betraten, erinnerte mich an einen Szene-Spanier in Bochum. Die gesamten Aromen der Küche schlugen uns entgegen, besonders die vom Grill. Das wollte so gar nicht zu dem gediegenen Ambiente des kleinen Lokals passen, dessen orange-ockerfarbenen Wände und dezente Beleuchtung den ganzen Gastraum in ein warmes, mediterranes Dämmerlicht tauchten. Zudem ließen sich seltsame Geräusche vernehmen, die kaum von den eleganten Gästen des Hauses stammten, obwohl die Küchenleistungen von Patron Rui Biscaia da Costa durchaus zu Freudenschreien animieren könnten. Stattdessen kamen sie aus der benachbarten Martial-Arts-Schule, deren Besucher sich gegenseitig lautstark bei Judo und Jiu-Jitsu auf die Matte legten. Doch der menschlichen Natur ist die Fähigkeit zur Adaption eigen, und so konzentrierten sich unsere Sinne schon bald ganz auf das Wesentliche.

Selten habe ich in einem Ruhrgebietsrestaurant so ein elegantes Publikum gesehen. Die Damen top, aber unaufdringlich gestylt, die Herren im lässig-unkomplizierten Freizeitlook, spiegelten die Gäste genau das wieder, was Rui auf den Teller zauberte. Die im Grunde einfach zubereiteten Speisen erhielten durch eine phantasievolle Präsentation den letzten Pfiff.

Ich hatte mich nur allzu gern hinreißen lassen, den Tagesempfehlungen der Bedienung zu folgen, während meine Begleitung sich an die Vorgaben der großformatigen, aber übersichtlichen Karte mit teils klassischen, teils kreativen mediterranen Gerichten hielt. Enttäuscht wurden wir beide nicht. Das „Vitello Tonnato“ (EUR 9,70) sah aus wie ein monochromes Gemälde in hellem Ocker. Die feinen Kalbfleischscheiben verschwanden ganz in der Thunfischsauce, so wie es sich gehört. Doch dabei handelte es sich nicht um eine jener schweren Fischmayonnaisen, mit der man anderswo das Fleisch ertränkt, sondern um einen leichten, tomatisierten Dip, auf dem einige wenige verstreute Kapern für den farblichen Kontrast sorgten. Meine Vorspeise bestand aus einem kunstvoll gestapelten Türmchen aus kräftig gegrillten Kaisergranaten, das auf einem Fundament aus raffiniertem Kartoffelsalat mit Zucchini und roten Zwiebeln ruhte (EUR 14). Optischen und olfaktorischen Kontrast zu den roten Riesenscampi bildeten einige grüne Kleckse eines hocharomatischen Pestos.

Die darauf folgenden Hauptgänge waren ebenfalls ein Hochgenuss, bestens ergänzt durch die offenen Weine des Hauses (Sangiovese EUR 5, Sauvignon blanc EUR 3,50 pro Glas). Basis für des „Lammcarrée provençale“ (EUR 20,50) und den gemischten Fischteller (EUR 29) war eine Art Ratatouille, ein mit mediterranen Kräutern wohl gewürzter Gemüsemix, ergänzt durch herrliche gebratene Kartoffelwürfel und das obligatorische Pesto. Das Lammcarrée war himmlisch zart und innen rosa. Hatte man es in seine Koteletts zerteilt, konnte man das Fleisch vom Knochen lutschen als wär’s ein Eis am Stiel. Und selbstverständlich war auch der Fischteller seine Empfehlung wert. Kaisergranat, Jakobsmuschel, Lotte, Steinbutt und Lachs gaben sich in großen, scharf gegrillten Stücken ein Stelldichein, und jedes Stück schmeckte tatsächlich anders - auch wegen seiner individuellen Würzung. Dass „Panna Cotta auf Beerenfrüchten“ (EUR 8) und „Tiramisu“ (EUR 6) als Desserts einen würdevollen Abschluss von „la cena“, der Mahlzeit, bildeten, bedarf keiner Erwähnung. Das Tiramisu war so pikant, dass ich dachte, es wäre mit Chili gewürzt - was sowohl zu den Erdbeeren als auch zu dem Kakaopulver, womit es garniert war, gepasst hätte.
-kopf

Essen-Rüttenscheid, Haumannplatz 32

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