Der Text erschien erstmalig in „Essen geht aus 2006“. Das Restaurant steht mittlerweile unter neuer Leitung.
Der fröhliche Kellner strahlt übers ganze Gesicht. „Wir würzen nur mit Oregano“, weiht er uns verzückt in die Geheimnisse von Küchenchef und Patron Diego Palermo ein, „bei allen Gerichten nur ein bisschen Oregano.“ Dabei untermalt er diese apodiktische Behauptung mit jener bekannten Geste, als ließe er Feingemahlenes durch die Finger rieseln. Und dennoch: Die Tagliolini, die superschmalen hausgemachten Bandnudeln mit einem halben Hummer (EUR 14), überzeugen neben der eindeutigen Knoblauchnote mit einem Anis-artigen Aroma, das auf ein Ablöschen mit Pernod oder auf eine Zugabe von Fenchel schließen lässt – beides zum Hummer durchaus nicht falsch. Bei soviel Besserwisserei der Gäste gibt der kluge Kellner schließlich nach. „Ich frag mal in der Küche nach“, tut er kund und kommt schließlich mit Diegos Botschaft zurück, dass es Fenchelsamen sei, was unsere Gaumen so umschmeichelt. „Da ist ihm halt die Hand ausgerutscht“, räumt der Kellner gönnerhaft ein.
Zuvor hat er uns statt einer Speisekarte eine Tafel an den Tisch gebracht, auf der vielleicht fünfzehn verschiedene Gerichte verzeichnet sind, Antipasti, Nudelgerichte, Fleisch- und Fischgänge. Das spricht für die Qualität des Angebots, denn bei dieser Übersichtlichkeit kann alles frisch und hausgemacht sein. Und typisch italienisch, denn gerade die italienische Küche setzt viel mehr auf die Güte der Waren als auf eine komplizierte Zubereitung. So ist es kein Wunder, dass Diego Palermos elegante, in dunkelrotem Holz und mit allerlei Spiegeln ausgestattete Trattoria Trüffel schon seit Jahren zu den italienischen Spitzenrestaurants in Essen gehört.
Nachdem der Kellner unsere Bestellung aufgenommen hat, empfiehlt er uns eher schmeichelnde Weißweine, doch wir haben uns schon längst für einen kernigen Vernaccia di San Gimignano (EUR 19,50) von der umfangreichen Weinkarte entschieden. Um dessen „herben Abgang“ kennen zu lernen, bekommen wir ein Probegläschen vorab - und sind begeistert, denn er ergänzt die ausgewählten Speisen vorzüglich. Als Amuse gueulle wird uns eine traditionelle Bruschetta mit Tomatenwürfeln, einem Hauch Zwiebel, Oregano (!) und Olivenöl serviert. Der gemischte Vorspeisenteller (EUR 10) ist ein aromatisches Potpourri an Gemüsen und Meeresfrüchten, hätte in Anbetracht des Rufes des Lokals allerdings ein wenig phantasievoller sein können. Auch die Kalbsleber auf Rucolasalat (EUR 9,20), die andere Vorspeise, ist von klassischer Einfalt: der Salat dezent abgeschmeckt, die Leber außen kross, innen saftig und rosa. Der halbe Hummer, der die die bereits erwähnten Tagliolini krönt, gehört zu Diegos Spezialitäten und ist auf der alljährlichen Essener Gourmetmeile „Essen verwöhnt“ die Attraktion – hier wäre er jedoch besser mit Hummergabel serviert worden. Knackig, saftig und mit Biss kommen die drei großen Lotte-Schnitzel unseres zweiten Hauptgangs (EUR 19,50) daher. Zum Würzen des Fischs stehen der Salzstreuer und eine halbe Zitrone zwischen den frischen Beilagen bereit. Nicht zu süß dann die Desserts zum Abschluss: eine duftige Zabaglione und ein luftiges Tiramisu.
Was allerdings von dem angenehmen Abend übrig blieb, war der Nachhall der Tagliolini. Knoblauch und Fenchel hielten lange vor.
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Trattoria Trüffel. Essen-Rüttenscheid, Rüttenscheider Str. 114. Tel. 0201/721110. Tgl. 12-15 & 18-23 Uhr. https://www.trattoria-trueffel.de/ (Daten vom 20.6.2024)