Kompetente Information: Angela Kühn
2015 in der Weinzeche Essen
Der alljährliche Frühjahrsausflug an den Rhein verschlug den Genießer gestern zuerst nach Linz, wo auf dem großen Flohmarkt unter den Arkaden der Rheintal-Bahnstrecke eine schöne kupferne Auflaufform erstanden wurde. Dann ging es weiter vorbei an Loreley, Niederwalddenkmal und Rüdesheim in den Rheingau nach Oestrich-Winkel ins
Weingut Peter Jakob Kühn, wo uns der erste Frühjahrsschauer in diesem Jahr überraschte. Was aber nichts machte, denn Angela Kühn präsentierte uns die schon fertigen Weine des Jahrgangs 2010 und einige fruchtsüße Preziosen, die das kleine Frühjahrsstürmchen draußen schnell vergessen machten. Hausherr und Winzerindividualist Peter Jakob war damit beschäftigt, ein angemeldetes Grüppchen von Weininteressierten mit Informationen zu versorgen und erschien immer wieder gutgelaunt am Kühlschrank, um neue Flaschen für die Gäste zu besorgen.
Winzer-Individualist: Peter Jakob Kühn
Aber was wäre ein Familienbetrieb, wenn die eine (im „Innendienst“) nicht ganz genau wüsste, was der andere (in Weinberg und Keller) tut. Angela Kühn hatte auf jede Frage eine kompetente Antwort, Information übers Produkt ist bei solch individuellen Erzeugnissen die halbe Miete. Nach wie vor sind die Kühn’schen Weine im Rheingau einzigartig. Nicht nur, dass Peter Jakob Kühn mit der Spontanvergärung ganz andere Wege als die auf Effizienz getrimmten Mehrheitsweine der unübersehbar großen Nachbarschaft, er arbeitet auch konsequent auf ökologische Art. „Das war nur eine logische Folge unseres Qualitätssdenkens“, sagt Angela Kühn. Das neue Biosiegel der EU sucht man bei Peter Jakob Kühn allerdings vergebens, dafür ist die Arbeitsweise auf dem Weingut zu gut. „Bei den Richtlinien für das Siegel hat man sich nicht auf die für die Arbeit im Keller einigen können“, erklärt Angela Kühn. Deshalb signalisiert bei Kühn das alte, wabenförmigen Signet weiterhin Bio im Weinberg, während der Demeter-Schriftzug für die komplett hohen Qualitätsansprüche beim gesamten Weinmachen auch im Keller steht.
Direkt am Oestricher Lenchen: Weingut Peter Jakob Kühn
Doch das entscheidende ist natürlich die Qualität im Glas, und die zu entdecken ist bei Peter Jakob Kühn immer ein Abenteuer. Zu Probe kamen Jacobus (9,20 Euro), Rheinschiefer (12,70 Euro), Quarzit (14,70 Euro) und Hallgarten Hendelberg (16,40 Euro), alle Jg.2010, die in der Regel trocken-mineralische Noten zum Ausdruck brachten, die sich in nächster Zeit zu großer Tiefe und Vielschichtigkeit harmonisieren werden. Geradezu begeistert war der Genießer von den fruchtsüßen Weinen aus der Lage Oestricher Lenchen direkt vor der Gutstür: Lenchen Kabinett (11,30 Euro), Spätlese (18,30 Euro), Auslese (25,30 Euro 375 ml) und Beerenauslese (65,30 Euro 375 ml). Wies schon der Kabinett eine wunderbar animierendes Süß-Säure-Spiel auf, gipfelte das bei der Beerenauslese in einer balsamischen Tiefgründigkeit. Auf einen Eiswein wird übrigens verzichtet, weil die Bio-Richtlinien den Einsatz von Pestiziden verbieten, die die überreifen Trauben bis zur Lese in der Frostzeit vor Verderben schützen würden. Da bliebe der Ertrag zu gering.
Panorama-Wintergarten: Gutsschänke von Schloss Johannisberg
Den Abschluss fand der Rheingau-Ausflug in einer ganz anderen Umgebung, in der
Gutsschänke von Schloss Johannisberg, das alljährlich als glanzvolle Kulisse für das Rheingau-Festival fungiert. Leider war im modernen gläsernen Panorama-Wintergarten kein Platz mehr, der eine weite Aussicht über den Rhein bis nach Ingelheim gewährt, wo nicht nur
Arthurs Tochter kocht, sondern einst auch Karl der Große mit sicherem Blick die Qualitäten des Johannisberges als Weinbergslage erspähte.
Dennoch gab’s zur Labung ein kaltes Apfelsüppchen mit Lachstatar (6,50 Euro) und ein herzhaftes Wiener Schnitzel mit exotisch wirkenden Preiselbeeren, Salat und Bratkartoffeln (21,50 Euro). Der Riesling Rotlack des Hauses (11,20 Euro 0,2l) rann dabei mühelos und ohne Irritation durch die Kehle, ein bequemes Gegenstück zu den Herausforderungen bei Peter Jakob Kühn.