Samstag, 1. November 2014
Genussführer von Slow Food erschienen
Bereits zum zweiten Mal erschien in diesem Jahr der Genussführer Deutschland der Genießervereinigung Slow Food. Vorbild für das 450 Seiten starke Kompendium ist der Trattoria-Führer von Slow Food Italien. Da wie dort geht es nicht um die Gourmet- und Sternerestaurants, sondern um Gasthäuser, die regionale Gerichte aus regionalen Produkten auf der Speisekarte haben. Darüber hinaus sollte es sich um inhabergeführte, wenn möglich alteingesessene Familienbetriebe handeln, in denen ohne Convenience-Produkte handwerklich gekocht wird.
Über 400 Gasthäuser wurden von den Slow-Food-Mitgliedern deutschlandweit getestet. Im Ruhrgebiet schafften es neben Schnitzler’s Restaurant die Gasthäuser Zum Neuling (Bochum), lecker werden (Essen), Rotisserie du Sommelier (Essen) und Auf dem Brink (Sprockhövel) in den Genussführer.
Dass es nur so wenige Restaurants sind, hat verschiedene Gründe. Erstens handelt es sich, was Slow Food angeht, beim Ruhrgebiet weitgehend um eine Diaspora. Denn die regionale Küche und die regionale Lebensmittelproduktion sind in der Industrieregion an Rhein und Ruhr nicht sehr ausgeprägt, vergl. hier. Und drittens hängt es davon ab, wie engagiert die einzelnen Ortsverbände von Slow Food, die sog. Convivien, den Genussführer bearbeiten. Im Ruhrgebiet gibt es die Convivien Bochum, Dortmund und Essen, von denen die Essener am rührigsten sind.
Das Restaurant-Testen ist für die Mitglieder eine teure Angelegenheit. Sie zahlen ihre Testessen selbst, ein Honorar für die Autoren gibt es nicht. Beides gibt ihnen ein Höchstmaß an Unabhängigkeit, die sich positiv in den Wertungen niederschlägt. Für den Oekom-Verlag, in dem der Genussführer erscheint, ist das eine schöne Geschäftsidee. Er kommt ohne die Investitionen, die ein unabhängiger Restaurantführer erfordert, an kompetenten Content für ein bestseller-verdächtiges Produkt. Denn der Erfolg des ersten Genussführers, auf den Ursula Hudson und Wieland Schnürch von Slow Food Deutschland in ihren Vorworten mit Stolz hinweisen, zeigt, welch kommerzielles Potential in dem Projekt steckt.
Slow Food Deutschland e.V. (Hrsg.)
Slow Food Genussführer Deutschland 2015
448 Seiten, Preis: 19,95 Euro (D), 20,60 Euro [A]
Verlag: Oekom-Verlag, München
ISBN: 978-3-86581-663-4
Montag, 20. Oktober 2014
Herbstvergnügen: Aufgebratenes Enten-Confit mit Bratkartoffeln und Rotkohl-Walnuss-Salat
Enten-, Gänse- oder auch Kaninchenfleisch in Schmalz zu konfieren, sprich einzumachen, ist eine alte Methode, das Fleisch haltbar zu machen. Gegart und mit Fett bedeckt, hält es sich mehrere Monate und bekommt mit der Zeit sogar eine besondere Reife. Besondere Angst braucht man vor dem Fett jedoch nicht haben. Beim Aufbraten tritt alles aus und bleibt so in der Pfanne. Beim vorherigen Einsalzen muss man aufpassen, dass man nicht zu viel Salz nimmt.
Rezept: Enten-Confit
6 Entenschlegel mit Rückenteil
ca. 1 kg Gänse- oder Schweineschmalz oder gemischt
2 EL Salz
1 El gehackte Thymianblättchen
2 gehackte Lorbeerblätter
Variante vom 26.10.2018:
zusätzl.
1/2 EL Beifuß
abgeriebene Schale einer Orange
6 Einmachgläser
Entenschlegel vom Rückenteil trennen, eventuell die Hacken abschlagen, damit sie in die Einmachgläser passen. Salz mit den Kräutern mischen. Entenschlegel in einen Tiefkühlbeutel geben, das Salz dazu geben, zubinden und ein wenig durchkneten, dass sich das Salz verteilt. Nicht zu viel Salz nehmen. Einen Tag in den Kühlschrank legen. Öfter wenden.
Je einen fertig gegarten Entenschlegel und ein Rückenstück in ein Einmachglas geben, mit dem heißen Schmalz aufgießen, bis alles bedeckt ist. Aufpassen, dass der Glasrand sauber bleibt. Mit Einmachring, Deckel und Klammer luftdicht verschließen und auskühlen lassen. Mindestens eine Woche ziehen lassen.
Zum Servieren die Entenschlegel aus dem Glas holen, Schmalz etwas abwischen und in einer Pfanne bei hoher Temperatur braten, bis die Haut goldgelb und knusprig ist.
Für die Bratkartoffeln in Scheiben geschnittene Salzkartoffeln vom Vortag in etwas übrig gebliebenem Entenschlegel-Schmalz goldgelb braten. Mit Pfeffer und ev. Salz wurzen.
Rezept: Rotkohlsalat mit Walnüssen
1 kleiner Rotkohl (ca. 500 g)
Walnusskerne
Rotweinessig
Dijonsenf
Walnussöl
Pfeffer, Salz
Rotkohl fein hobeln. Mit heißem Wasser übergießen und ca. 2 Minuten blanchieren, damit er etwas weich wird.
Aus Rotweinessig, Dijonsenf, Walnussöl, Salz und Pfeffer eine Salatsauce herstellen, über den blanchierten Rotkohl gießen und zwei Stunden marinieren. Vor dem Servieren die Walnusskerne unterheben.
Sonntag, 12. Oktober 2014
„Ein Menü aus Heimat & Leidenschaft“ bei Diergardts in Hattingen
Vor etwa zwei Jahren kehrte Junior Philipp Diergardt in das über 110 Jahre alte Haus am Sprockhöveler Bach in Hattingen-Welper zurück, nachdem zuvor u.a. bei Sternekoch Hans-Stefan Steinheuer in Bad Neuenahr das Kochen und auf dem Weingut Meyer-Näkel das Wein-Machen gelernt hat. Unter dem Motto „Heimat und Leidenschaft“ krempelt er die Küche des Betriebs behutsam um. Volkstümliche Schnitzelküche, deftiges Familienfest-Catering und Ausflüge in die Gourmetküche bilden da die Eckpunkte, verbunden mit einer Vorliebe für regionale Produkte.
Welch elegantes, zukunftsweisendes Potential in diesem Spagat steckt, konnten sieben Mitglieder vom Slow-Food-Convivium entdecken, für die Philipp Diergardt ein achtgängiges Degustationsmenü kreierte. Abwechselnd gab es vier Gänge „Heimat“ mit neu interpretierten Hausmannskostgerichten aus dem westfälischen Ruhrgebiet und vier Gänge „Leidenschaft“ mit köstlichen Beispielen aus der sterne-inspirierten Gourmetküche. Alles war handwerklich top zubereitet, geschmacklich überzeugend und mit Witz angerichtet. Die Bochumer Slowfoodies jedenfalls waren begeistert, und als Senior-Chef Friedel Diergardt zum Digestif noch ein paar edle Schnäpse einschenkte und dabei Schnurren und Anekdoten aus seiner langjährigen Gastro-Karriere zum besten gab, wollte der Abend kein Ende nehmen.
Sonntag, 5. Oktober 2014
Auf dem Balkon: Pfaffenwürger nach Hurenart für den gereiften Herrn
Eigentlich hätte der Genießer diesem Wein nicht mehr als sieben Jahre gegeben. Dann nämlich läuft der Salice Salentino Riserva von Taurino zu Höchstform auf, wie ich in jetzt zwanzig Jahren intensivem Studium herausbekommen habe. Und um ehrlich zu sein, älter ist auch keine Flasche jemals bei mir geworden. Doch als ich diesen 2001er öffnete, der seit Jahren im Kellerregal vor sich hin staubte und immerhin 13 Jahre auf dem Buckel hatte, war ich positiv überrascht. Statt ungestümen Violetts leuchtete mir ein nicht weniger attraktives Alters-Ziegelrot entgegen, und der Wein gab sich im Glas wie ein eleganter Gentleman, etwa wie eine Art Sean Connery oder Cary Grant. Ein gepflegter Duft nach Zeder und Tabak, eine frische Säure mit ironischen Spitzen und eine dezente portweinähnliche Fruchtigkeit von karamellisierten Dörrpflaumen sorgten für gelassenen Genuss. Wobei ich mich erinnere, dass die Fruchtigkeit des Weines auch in jungen Jahren eher zurückhaltend war.
Dazu gab es, wie könnte es anders sein, Strozzapreti alla puttanesca, auf Deutsch Pfaffenwürger nach Hurenart. Strozzapreti sind eine dicke Makkaroni-ähnliche Nudelart, die ihren Namen davon hat, dass die Pfaffen sie schneller essen als sie schlucken können. Und alla puttanesca bedeutet mit süßen kleinen Tomaten, Ölsardinen, Oliven, Kapern, Chili und Knoblauch zubereitet. Der Genießer hat das schon oft beschrieben, z. B. hier. Nur diesmal kam noch ein wenig abgeriebene Orangenschale dazu.
Was Besseres kann es nicht geben.
Donnerstag, 2. Oktober 2014
Auf dem Balkon: Zweifarbige Brandade mit gebratenen Garnelen
Kennengelernt hatte ich den eingesalzenen und getrockneten Kabeljau bzw. Dorsch vor Jahren in Portugal, wo er in Plastiktüten verpackt in den Lebensmittelgeschäften in hohen Stapeln lag wie hierzulande das Fladenbrot beim türkischen Bäcker. Eigentlich stammt der Stockfisch ja aus Norwegen, aber schon in Mittelalter hatte das haltbare Nahrungsmittel den Weg bis in den Mittelmeerraum gefunden, wo er sogar wesentlich billiger als der frisch gefangene Fisch war. Bacalhau auf Portugiesisch, baccalà oder stoccafisso auf Italienisch oder bakaliaros oder stokfisi auf Griechisch – überall gibt es ihn. Für die Zubereitung muss man ihn mehrere Tage wässern.
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Damit eine komplette Mahlzeit daraus wurde, gab’s auf dem Balkon noch gebratene Riesengarnelen dazu. Und natürlich einen schönen Rosé, den „Five Roses“ aus dem süditalienschen Salento. Der Legende nach gilt der leichte fruchtige Schmeichler als erster Rosé Italiens, den Graf Leone de Castris für einen amerikanischen General kreierte, der während der Invasion der Alliierten im zweiten Weltkrieg in Italien bei ihm einquartiert war.
Montag, 29. September 2014
Genuss 3.0 auf der DELINALE
Freitag, 26. September 2014
Herbstvergnügen: Blätterteig-Crostini mit Hähnchen- oder besser noch Kaninchenleber
Bei den Apfel-Tartelettes aus dem Kochkurs „FranzösischesBistro II“ kam der Genießer auf die Idee, die Blätterteigtörtchen mit einer pikanten Füllung zu versehen. Dafür griff er auf ein Rezept von Vincent Klink zurück, und so entstand dieses entzückende kleine Schmankerl.
Dienstag, 23. September 2014
Genießers Kochkurs: Französisches Bistro II
Gab es beim ersten Kochkurs über das französische Bistro in diesem Semester zum Hauptgang Kaninchen, so drehte sich der zweite um das Hühnchen. Dreizehn Damen und zwei Herren hatten somit das Vergnügen, am letzten Mittwoch u.a. zwei klassische Bistro-Gerichte mit dem Geflügel zuzubereiten: Coq au vin bourgignonne und Huhn Mistral, die provenzalische Spezialität mit vierzig Knoblauchzehen. Und auch bei den Vorspeisen gab es einen Brotaufstrich mit Hühnerleber. Dazu gab’s typische Vor- und Nachspeisen, meist aus der Provence.
Die Pissaladière ist ein provenzalischer Zwiebelkuchen. Im Rezept war ursprünglich ein selbstgemachter Brotteig aus Mehl und Hefe vorgesehen. Um den Kursteilnehmerinnen das kontemplative Erlebnis, einem Hefeteig stundenlang beim Gehen zuzusehen zu ersparen, ersetzte der Genießer ihn durch fertigen Pizzateig. Rezept hier.
Anstelle eines Pinot noir aus dem Burgund kam ein Spätburgunder von der Ahr zum Einsatz, genauso gut, aber viel preiswerter. Ahnlich wie beim Kaninchengericht im letzten Bistro-Kurs das Kassler, sorgte hier durchwachsener Speck für die Geschmacksabrundung. Zu Bindung wurde pürierte Hähnchenleber eingesetzt.
Montag, 8. September 2014
150 Jahre Haus Stemberg in Neviges
Es war ein Fest der Superlative. Mit einem dreitägigen „Food & Wine Festival“ feierte das Haus Stemberg in Velbert-Neviges vom 5. bis zum 7. September sein 150-jähriges Jubiläum. Walter und Sascha Stemberg sowie ihre Frauen Petra und Coren hatten dafür insgesamt 15 Spitzenköche aus ganz Deutschland eingeladen, davon die meisten mit Michelin-Sternen. Jeweils fünf kochten an jedem Abend für ca. 200 Gäste. Auf einer Wiese hinter dem schmucken Landgasthaus war dafür mit viel Aufwand ein entsprechend großes Partyzelt aufgebaut, zahlreiche Sponsoren und Unterstützer sorgten für ein geradezu mondänes Ambiente, und die anwesenden Gäste sorgten für gesellschaftlichen Glanz.
Für den Genießer war der Besuch der drei Abende sehr lehrreich, konnte er schließlich in kürzester Zeit die Kreationen der Köche-Elite aus ganz Deutschland probieren. Hier also Kurz und knapp die Parade dessen, was es zu Essen gab.
Nudeln aus dem Parmesanlaib mit Burgundertrüffel
Aus dem Archiv: 150 Jahre Haus Stemberg
Was da auf dem Wiesenhang in
Velbert-Neviges stattfand, war eine Geburtstagsparty der Superlative. An drei
Tagen hatte die Familie Stemberg zu einem Food & Wine Festival eingeladen,
um das 150-jährige Bestehen ihres Landgasthauses mit Michelinstern zu feiern.
15 Spitzenköche tischten auf - und 500 Gäste aßen.
Von Peter Krauskopf
Donnerstag, 4. September. Der Tag davor. Ähnlich knisternd muss die Atmosphäre gewesen sein, als vor vierhundert Jahren die Türken vor Wien lagen. Die weißen Spitzen der eleganten Pagodenzelte strahlen in der Sonne, und eine Heerschar von helfenden Händen sorgt für die letzten Aufbauarbeiten vor dem großen Sturm. Und mittendrein zwei Feldherren, die überall sind, wo sie gebraucht werden. Walter Stemberg (63), mit fröhlichem Zwirbelschnäuzer und gemütlichem Spitzbauch das Urbild eines Kochs, gibt wie einst der Großwesir Kara Mustafa die letzten Anweisungen, während sein Sohn Sascha (35) immer wieder wie Prinz Eugen, der edle Ritter, als Retter eingreift, wenn irgendwo Not am Mann ist. Und auch die Gattinnen der beiden Strategen sind voll bei der Sache. Während Walters Frau Petra sybillinisch lächelnd fürs „Ruhe Bewahren“ zuständig ist, packt Schwiegertochter Coren zahlreiche Sponsorengeschenke in Papiertaschen, die jeder Gast beim Abschied in die Hand gedrückt bekommen wird.
Noch immer bewundert Walter die logistische Meisterleistung, die die Firma Grothoff beim Aufbau des 700 Quadratmeter großen Partyzeltes geleistet hat. Das Gelände auf der steilen Wiese zwischen Gasthof, Hubschrauberlandeplatz und Golfplatz erwies sich als ziemlich schwierig. „Die haben extra dafür eine Rampe am steilen Hang gebaut und drei Tonnen Erde bewegt“, staunt er. Und die Stadtwerke Velbert haben eigens die nötigen Stromleitungen gelegt, um die fünf Messeküchen-Elemente von Pallux mit der nötigen Energie zu versorgen und die Feuerwehr die Abwasserleitungen der Toilettenlangen.
Ein Jahr Vorbereitung brauchte es, bis das Mammutprogramm des dreitägigen „Food & Wine Festivals“ stand. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Geschichte, die im Jahr 1864 ihren Anfang hatte. Damals eröffnete an der vielbefahrenen Kuhlendaler Straße in Neviges, auf der die Kohlen aus dem nahen Ruhrgebiet ins Bergische Land transportiert wurden, der Schmiedemeister Heinrich Stemberg einen Schmiede mit Gasthof. Damit das Bier für die Fuhrleute immer schön kühl blieb, ließ er einen Gewölbekeller in den Fels hauen – eine Tat, die noch heute ihre Früchte trägt. Während der Geburtstagsfeierlichkeiten machten sich die Küchenjungen ein Jux daraus, mit einem Golf-Caddy durch die Botanik zu düsen und aus den Kellern den kalten Champagner-Nachschub zu holen.
Freitag, 5. September, 1. Tag. Schon Stunden, bevor die ersten Gäste eintreffen, tummelt sich eine neugierige Schar von Journalisten auf dem Partygelände. Der WDR hat ein ganzes Aufnahmeteam mitgebracht und dreht für die „Aktuelle Stunde“ einen Beitrag mit den beiden Damen Marita und Nicole Koch, die als Gäste eingeladen sind. Mit diesen beiden Hobbyköchinnen hatte er im letzten Jahr eine Folge für die TV-Sendung „Kochalarm“ gedreht, als ihn der Anruf erreichte, dass dem Haus Stemberg ein Michelinstern verliehen worden sei. Als auch der Senior ein paar Worte sagen soll, versteckt er sich ganz bescheiden hinter dem breiten Rücken des Juniors: „Sascha ist hier der Sternekoch, nicht ich.“
Dabei baut Saschas Erfolg auf dem Konzept auf, das Walter konsequent verfolgt, seit er im Jahr 1975 die Verantwortung im Haus Stemberg übernahm. „Zwei Küchen von einem Herd“ lautet die griffige Formel und bedeutet, dass die bodenständige Hausmannskost des Landgasthauses gleichberechtigt neben den artifiziellen Gerichten der Gourmetküche auf der Karte steht. Ein Konzept, das anfänglich als unentschieden belächelt wurde, dann aber immer mehr auf Akzeptanz stieß, weil es sich als glückliche Verbindung aus kochkünstlerischem Anspruch und geschäftlichem Erfolg erwies. Heute überzeugt es sogar die puristischen Geschmacksrichter des Michelin.
Von seinem Vater hat Sascha aber auch das große Talent zum Kommunikator geerbt, das bei Gästen wie Kollegen gleichermaßen gut ankommt und Professionalität und Herzlichkeit miteinander verbindet. Vielleicht liegt es daran, dass die beiden als Duo auftreten, aber kaum jemand in der Branche ist so gut vernetzt wie die Stembergs. Ohne das wäre es ihnen sicherlich nicht gelungen, fünfzehn Spitzenköche, darunter zwölf mit aktuell einem Michelinstern und zwei mit ehemals zwei Sternen, aus ganz Deutschland nach Neviges zu holen, damit sie jeweils ein Gericht für die Stemberg-Gäste kochen. Bei Peter Nöthel in seinem damaligen „Hummerstübchen“ Günter Maushagen von der Düsseldorfer Confiserie hat Sascha u.a. gelernt, andere Köche kennt er von den Jeunes Restaurateurs d’Europe. Selbstverständlich ist auch Nelson Müller mit dabei, der Nachbar aus dem nahen Essen. Er hat seinen Küchendirektor, den hochdekorierten Henri Bach, mitgebracht, dessen Sohn Philip zurzeit bei Stemberg lernt.
Der erste Abend entwickelte sich dann schließlich zu einem ersten Höhepunkt des Festivals. An den Kochstationen bewegten sich Stefan Prüssmann, Nelson Müller und Henri Bach, Michael Kammermeier, Georg Maushagen, Ralf Bos und Thomas Macyszin. Für die dezente Beschallung sorgte die Foss Doll Lifestyle Music. Als Moderator führte Max Schautzer durch den Abend, der sich allerdings etwas unterfordert fühlte. Als ihm Sascha Stemberg das Mikrofon aus der Hand nahm, erwies er sich als Entertainer vor dem Herrn und machte den alten Fernsehhasen arbeitslos.
Samstag, 6. September, 2. Tag. Auch heute konnte sich die Köche-Parade sehen lassen. Christoph Schmah, Oliver Röder, Marcel Schiefer, Joachim Kaiser und Lothar Buss tischten auf. Musik machte Das Duo. Die Moderation hatte die gewiefte WDR-Frau Martina Esser inne, die aus dem Schaden von Max Schautzer klug geworden war und das Mikrofon nicht aus der Hand gab. Aber es schien, als hätten diesmal die Gäste ihre große Stunde.
Wie am Abend zuvor feierten eine bunte Mischung aus Stammgästen aus der Nachbarschaft und der großen weiten Welt und anderen Freunden des Hauses, und selbstverständlich gab sich auch der Velberter Bürgermeister Dirk Lukrafka die Ehre. Manche hatten keine Mühen und Kosten gescheut hatten, um an dem denkwürdigen Fest teilzunehmen. Andere wurden sogar an allen drei Tagen gesichtet. Am heutigen Samstagabend war für viele Gäste große Gala angesagt, und viele Damen verbreiteten mit ihren Cocktailkleidern und Stöckelschuhen auf der Nevigeser Festwiese jene Düsseldorfer oder Sylter Eleganz, die die Stembergs so lässig bedienen können. Damit die Herrschaften sicher zu ihren Unterkünften kommen konnten, hatte Mercedes Lueg einen eigenen Shuttle-Dienst eingerichtet, und einen ambulanten Taxistand gab es auch. Seit jeher haben die Stembergs für die Verkehrsgünstigkeit ihres Hauses gesorgt. Dem Fortbewegungsmittel des 19. Jahrhunderts entsprechend, war es als Hufschmiede gegründet worden, später kam einen Bahnstation dazu, die heute eine Bushaltestelle ist, in den 1920-er Jahren eine Tankstelle, und schließlich der legendäre Hubschrauberlandeplatz, der aber in letzter Zeit eher weniger genutzt wird. „Die Unternehmen sind sehr sparsam geworden“, meint Walter Stemberg.
Sonntag, 7. September, 3. Tag. Das, was heute über die Bühne ging, könnte man eher als Brunch bezeichnen. Morgens um elf trudelten die ersten Gäste ein, um einen entspannten Sonntag im Festzelt zu verbringen. Die Damen waren wieder in bequeme Outfits geschlüpft, die Herren hatte es, dem guten Wetter sei Dank, an allen drei Tagen nicht in Schlips und Kragen gehalten. Fürs Essen sorgten Daniel Fehrenbacher, Peter Nöthel, Benjamin Peifer, Anton Schmaus und Michael Quendler, fürs Easy Listening sorgte die Köstritzer-Band, die Moderation besorgte die routinierte Reporter-Legende Manni Breuckmann, und der Varietékünstler Charlie Martin und seine Kollegen sorgten für allerlei Schabernack.
An allen drei Tagen hatten exquisite Winzer für die Getränke gesorgt. Am ersten Abend waren Harald Poss von der Nahe, mit dem das Haus Stemberg einen eigen Weinlinie herausgibt, und Conte Tasca d‘ Almerita aus Sizilien da, am zweiten Tag wurden Weine vom Gut Freiherr von Gleichenstein und dem Importeur „Alpina – die Wein-Referenz“ ausgeschenkt, am dritten von Brogsitter. Der Champagner stammte vom Reimser Haus Lanson, das gleich die Champagnertheke mitlieferte.
„Das sind alles alte Geschäftsfreunde von uns“, meinte Walter Stemberg. „Ich halte nichts davon, ständig die Lieferanten zu wechseln, sondern man muss zuverlässige Geschäftskontakte aufbauen. Dann findet man auch die notwendige Unterstützung, wenn man so eine Mammutveranstaltung wie unseren Geburtstag stemmen will.“ Neben den Feinkostlieferanten wie Rungis Express oder Bosfood gehören auch die Windrather Höfe dazu, ein Zusammenschluss von Bio-Bauernhöfen in der Nachbarschaft, die die regionalen Produkte liefern und auf der Party mit ihren Brotspezialitäten, Käse und Butter vertreten waren.
Am späten Sonntagnachmittag neigte sich der Kulinarik-Marathon langsam dem Ende entgegen. Während Sascha Stemberg seine Köchefreunde verabschiedete, saß Walter mit einigen Stammgästen an einem der Tische und aß – eine hausgemachte Currywurst, die jeden Abend den Abschluss der Party versüßte. Müde, aber glücklich ließ er die geschlagene Schlacht Revue passieren. Die Bestandsaufnahme ein paar Tage später sollte folgende Statistik ergeben: 1 Jahr Vorbereitung, 14000 Geschirrteile, 15 Köche, 5 Winzer, 1200 Austern, 4800 Gerichte, 700 Flaschen Wein und Champagner, Blumen ohne Ende, 3 Bands, 3 Künstler, 500, Gäste, hunderte helfende Hände.
Eigentlich wäre das jetzt der richtige Zeitpunkt für den Senior, sich in den Ruhestand zurückzuziehen und den Laden komplett dem Junior zu übergeben. Der 65. Geburtstag ist nicht weit. „Fest eingeplant ist es“, sagt er. Aber glauben tut es ihm keiner – wohl nicht einmal er selbst.