Sonntag, 30. April 2023

Buchrezension: Fleisch fürs Klima

Stefan Michel: Fleisch fürs Klima. Ein neuer Blick auf Artenschutz, Tierhaltung und nachhaltige Ernährung.
Oekom Verlag. 280 Seiten. ISBN 978-3-98726-001-8. 22 Euro. Auch als E-Book erhältlich.




Ich erinnere mich noch gut an einen Fernsehbericht über einen Landtagswahlkampf vor ein paar Jahren. Da stand ein Vertreter der Tierschutzpartei auf einem Ziegenhof, umringt von den witzigen behörnten Viechern, die neugierig in die Kamera lugten und geradezu unverschämt Futter und Streicheleinheiten von dem Mann einforderten. Und der postulierte in diesem charmanten Chaos ganz cool ein Ziel seiner Partei: die tierlose Landwirtschaft. Ich fand das nur absurd und wenig überzeugend. Merkte der Politiker gar nicht, dass er damit die Vernichtung genau der Idylle forderte, mit der er warb?

Sicher, dass es mit dem hemmungslosen Fleischkonsum, wie er sich in den letzten Jahrzehnten in unserer Wohlstandsgesellschaft herausgebildet hat, nicht so weiter gehen kann, müsste jedem mittlerweile klar sein. Zu sehr belastet die intensive Produktion von Fleisch als Lebensmittel die Umwelt, zu sehr ignoriert die Massentierhaltung jegliche Ethik und Empathie mit der Kreatur. Doch ich glaube, mit der Forderung, den Nutztieren die Basis ihrer Existenz, den Nutzen für den Menschen als Nahrungsmittel, zu entziehen, tut man ihnen bestimmt nichts Gutes. Tierschutz ist das für mich nicht, ganz im Gegenteil. Eine nachhaltige Tiermast und ein mäßiger Fleischkonsum scheinen mir da für Tierwohl und Klima- bzw. Umweltschutz wesentlich effektiver. Und ganz nebenbei wird damit auch meine romantische Ader befriedigt. Ich mag ganz einfach das Bild von Kühen auf der Weide – Kitsch hin oder her.

Umso mehr freue ich mich über das Erscheinen des Buches „Fleisch fürs Klima“ von Umweltjournalist Stefan Michel. Schließlich liefert es eine ganze Reihe von stichhaltigen Argumenten, die mich in meiner Auffassung bestätigen und darüber hinaus noch zahlreiche Fakten, die ich so noch nicht kannte. Tierhaltung ist, so Michel, für den Klimaschutz geradezu notwendig. Denn nur durch Beweidung lässt sich jenes Grünland erhalten, das für ein ökologisches Gleichgewicht so wichtig ist und um „die Menschheit ernähren zu können, die Artenvielfalt zu erhalten und das Erdklima zu schützen“. Und so hat er auch gegen den Verzehr des Fleisches, das bei dieser nachhaltigen Tierhaltung entsteht, nichts einzuwenden.

Darüber hinaus setzt sich der Autor mit einer ganzen Reihe von Aspekten des Umgangs mit dem Lebensmittel Fleisch ein. Er illustriert seinen Text z.B. mit zahlreichen Porträts von Tierhaltern und ihren Problemen, vom Schlachten mit Kugelschuss bis zur Vermarktung von Wolle und der Sinnhaftigkeit von Bio-Zertifikaten für Wanderschäfereien. Er zeichnet ein kritisches Bild der deutschen und europäischen Agrarpolitik als Wurzel vieler Fehlentwicklungen, schildert drastisch die Zustände in der Massentierhaltung oder geht der Frage nach, ober der Mensch sich wirklich vegan ernähren kann.

Dem Autor ist durchaus bewusst, dass nicht alle Nutztierarten wirklich nachhaltig gehalten werden können. Überraschenderweise sind es gerade die „kleinen“ Tiere wie Hühner, Gänse und anderes Geflügel oder Kaninchen, bei denen es aufgrund ihrer Fressgewohnheiten kaum geht. Oder auch Schweine, die letztendlich das fressen, was auch der Mensch direkt zu sich nehmen könnte. Für die nachhaltige Tierhaltung eignen sich besonders jene Tiere wie Schafe, Ziegen und Rinder, die sich fast ausschließlich von Gras und Pflanzen ernähren, die der Mensch nicht essen kann. Besonders überraschend fand ich, dass ausgerechnet die das Treibhausgas Methan rülpsenden Rinder klimaneutral sind. „Anhänger*innen der These, die Kühe seien für das Methanproblem verantwortlich, verbreiten gefährliche Desinformation“, zitiert Michel den australischen Klimaforscher Walter Jehne. Die wahren Verursacher der Methankrise hätten „Gruppen wie die Veganer für ein fehlgeleitetes Engagement“ vor ihren Karren gespannt und könnten so unbehelligt „ihre dominanten Emissionsaktivitäten“ fortsetzen.

Das Fazit des Buches ist also „Richtig Fleisch essen“. Das bedeutet natürlich keinen Freifahrtschein für die nächste Grillorgie, sondern drastisch geringeren Fleischgenuss aus artgerechter Weidehaltung. Denn nur diese Kombination von Tierhaltung und Grünlandwirtschaft bringt die positiven Effekte fürs Klima mit sich.

Dienstag, 25. April 2023

Gourmetmeilen im Ruhrgebiet 2023

Kulinarischer Treff an der Ruhr Mülheim

Nach der Corona-Zwangspause sind viele der Gourmetmeilen im Ruhrgebiet in diesem Jahr wieder am Start. Groß-Ereignisse wie „Essen verwöhnt“ und „Bochum kulinarisch“, die im letzten Jahr noch ausfielen,  finden wieder statt. Bei der „GourmeDo“ in Dortmund hat es einen Betreiberwechsel gegeben - man wird sehen, wie sich das für die Gäste auswirkt. Leider gibt es das „Spargel-Gourmet-Festival“ in Bottrop-Kirchhellen nicht mehr. Auch Haltern bittet nicht mehr zu Tisch. "Rü Genuss pur" in Essen Rüttenscheid findet ebenfalls nicht statt, genauso wie der "Kulinarische Altstadtmarkt" in Hattingen. 

Letzte Aktualisierung 10.5.2023. Alle Angaben ohne Gewähr.


5.5.2023 - 7.5.2023
Gourmetmeile
Oer-Erkenschwick schlemmt
Oer-Erkenschwick, Hünenplatz
Infos hier
Zum Genussbereit-Bericht klick hier

7.6.2023 - 11.6.2023
Gourmetmeile
Castrop kocht über
Castrop-Rauxel, Am Markt
Infos hier
Zum Genussbereit-Bericht klick hier

8.6.2023 - 11.6.2023
Matjesfest
Duisburg, Innenstadt
Infos hier

8.6.2023 – 11.6.2023
Gourmetmeile
Hattinger Altstadtmarkt
Hattingen, Kirchplatz
Abgesagt. Infos hier

14.6.2023 – 18.6.2023
Gourmetmeile
Essen…verwöhnt
Essen, Innenstadt, Kettwiger Straße
Infos hier
Zum Bericht über die Pressekonferenz klick hier
Zum Bericht über den 14. Juni (Eröffnungstag) klick hier
Zum Bericht über den 16. Juni klick hier

29.6.2023 – 2.7.2023
Gourmetmeile
GourmeDo
Dortmund, Friedensplatz
Infos hier
Zum Bericht über die Pressekonferenz klick hier
Zum Bericht über die Eröffnung am 29. Juni klick hier
Zum Bericht über den 30. Juni klick hier 
Zum Bericht com 1. und 2. Juli klick hier 

30.6.2023 - 2.7.2022
Gourmetmeile
Schermbeck genießen
Schermbeck, Am Rathaus
Abgesagt. Infos hier

20.7.2023 – 23.7.2023
Gourmetmeile
Kulinarischer Treff an der Ruhr
Mülheim, Ruhrufer
Infos hier
Zum Bericht vom Eröffnungstag klick hier

28.7.2023 - 30.7.2023
Stadtparkfest
Food, Wine and Music
Essen, Stadtgarten
Infos hier
Zum Bericht klick hier

2.8.2023 – 6.8.2023
Gourmetmeile
Zu Gast in Recklinghausen
Recklinghausen, Rathausplatz
Infos hier
Bericht vom 3.8.2023 klick hier 

2.8.2023 – 6.8.2023
Gourmetmeile
Dortmund à la carte
Dortmund, Hansaplatz
Infos hier
Zum Bericht vom Eröffnungstag klick hier 

9.8.2023 – 13.8. 2023
Gourmetmeile
Bochum kulinarisch
Bochum, Massenberg Boulevard
Infos hier
Bericht vom Eröffnungstag klick hier
Bericht vom 10.8. klick hier
Bericht vom 12.8. klick hier

24.8.2023 - 27.8.2023
Gourmetmeile Metropole Ruhr
Essen, Zollverein
Infos hier
Bericht vom 25.8. klick hier 

29.9.2023 - 1.10.2023
Panhasfest
Hattingen, St.-Georgs-Kirchplatz
Bericht klick hier

Montag, 17. April 2023

Huckarde hat’s: Kulinarische Aktionen in Kerstins nordisch-westfälischem Restaurant in Dortmund

In Huckarde angekommen: Kerstin Scheufe-Hanken

Knapp anderthalb Jahre ist es her, dass Kerstin Scheufe-Hanken mit ihrem nordisch-westfälischen Restaurant von Wetter-Wengern nach Dortmund-Huckarde umgezogen ist (klick hier und hier). Besonders erfreulich ist, dass das „Kerstins“ von den Leuten am neuen Standort rasch ins Herz geschlossen wurde – schließlich wollten die Huckarder, dass ihre „Alte Mühle“ auch weiterhin ein gastronomischer Anlaufpunkt im Stadtteil sein sollte. Neben Kerstins herzhaft-leckeren, skandinavisch inspirierten Gerichten, die ihr Mann Klaus in der Küche so einvernehmlich umsetzt, ist der „hyggelige“ Mühlenbau von 1872, dessen Ursprünge bis ins 14./15. Jahrhundert zurück gehen, eine beeindruckende Attraktion. Sie steht genauso für Heimatgefühle und regionale Identität wie die bekannte Kokerei Hansa, die man heute gemeinhin mit Huckarde verbindet. 

Traditionsreiche Location

Jetzt hat Kerstin gemeinsam mit dem örtlichen Gewerbeverein, Huckarder Unternehmen, der Kirchengemeinde St. Urbanus und Lokalhistorikern des Historischen Vereins unter dem Motto „Huckarde hat’s“ für das Jahr 2023 eine kulturelle-, historische und vor allem kulinarische Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen. Mit Mühlen- und Kokereiführungen (Motto: Koks und Korn), Atelierbesuchen und Lesungen können die Gäste den Dortmunder Stadtteil kennen lernen, und immer beschließt ein Schmaus im „Kerstins" die unterhaltsamen Tage, entweder das sog. Mühlen- oder das sog. Bachmenü. Dafür ist besonders der Rossbach inspirierend, der für den Antrieb der einstigen Mühle sorgte und reich an Fischen wie Forellen und Hechten, Flusskrebsen und Bachmuscheln war. „Und genau das sind auch Bestandteile meiner nordischen Küche“, freut sich Kerstin.

Blick nach oben: Durch die Glasdecke erkennt man die historischen Apparaturen der Alten Mühle

Start der Veranstaltungsreihe ist Donnerstag, der 27. April 2023 mit dem Besuch der Buchhandlung Seitenreich und des Ateliers der Künstlerin Sabine Oecking. Anschließend gibt es bei „Kerstins“ eine Lesung aus dem Roman „Glückssterne über dem kleinen Café an der Mühle“ mit einem daraus inspirierten Menü. Weiter geht es dann am 30. April mit einer Führung durch die Kokerei Hansa und die Alte Mühle mit dem Mühlen-Menü. Zu den weiteren Terminen und Buchungsmöglichkeiten bitte hier klicken.

Um die Veranstaltungsreihe vorzustellen, hatte Kerstin zu einem kleinen Pressemenü eingeladen, in dem sie Komponenten von Bach- und Mühlenmenü miteinander verband.

Das Huckarde hat’s Presse-Menü
11. April 2023



Der Haus-Aperitif zum Einstieg


Vorweg
Selbstgebackenes Brot nach einem irischen Rezept


Aus dem Bach
Tatar von der geräucherten Bachforelle
trifft Rote-Bete-gebeizten Lachs

Bachforellen gab es vor 200 Jahren in den umliegenden fließenden
Gewässern. Der gebeizte Lachs ist eine Spezialität aus Kerstins nordischer Küche.

Eine feine süß-pikante Vorspeise

Früher wie heute
Fischrahmsuppe mit Muscheln und Flusskrebsen

Die  Einlage fand man früher im Rossbach.
Die sämige Suppe wird am Tisch über die Einlage gegossen.
Ein wahrer Seelentrost.



Aus der Mühle
Teigtaschen gefüllt mit Roter Bete und Meerettich an Balsamico-Gemüse-Sauce (vegan)

Die Teigtaschen sind das Ergebnis der Ravioli Connection mit der „Pasta Passion“ von Sabine Preuten. Die Füllung entsteht in Huckarde,
der Teig in Herdecke.

Aus dem Norden
Kalbsfilet mit Zwiebel-Senf-Kruste und frühlingshaftem Schmorgemüse und Kartoffeldrillingen
Herzhaft und lecker.


Aus der Mühle
Mandel-Rhabarber-Küchlein an Beeren-Ragout mit Kerstins Mousse von weißer Schokolade
Eine kleine Kaffeetafel zum Dessert.

Die Weinbegleitung


Kerstins. Nordisch-Westfälisch in der Alten Mühle. Roßbachstr. 34, 44369 Dortmund-Huckarde. Tel. 01577/1330603. Mo & Do-Sa 18-22 Uhr (Küche bis 21 Uhr). So 10:30-20:30 Uhr (Küche 12 bis 18:30 Uhr) Di & Mi Ruhetag . www.nordisch-westfaelisch-essen.de

Der Genießer bedankt sich für die Einladung.
Dank an Silke Albrecht für die Organisation.

Freitag, 14. April 2023

Osterschmaus 2023: Karree von der Castroper Ziege mit Majoran-Knoblauch-Kruste, Winterspinat und Morcheln in Ziegenbechamel. Dazu ein gereifter Rioja.


Eigentlich sollte Ziegenbraten zur Osterzeit ein Traditionsgericht im Ruhrgebiet sein, wo doch die „Bergmannkuh“ zur Folklore im Revier gehört und ihr in Herne sogar ein Denkmal gesetzt worden ist. Aber das ist nicht der Fall. In den letzten Jahrzehnten hat sich in dieser Hinsicht allerdings das Lammfleisch (also vom Schaf) durchgesetzt, wohl nicht zuletzt, weil es einen mediterranen Urlaubstouch hat und auch die Interessen einer globalen Industrie für die nötige Überzeugungsarbeit sorgen.

Vor Jahren konnte ich einmal ein Biozicklein ergattern und bereitete Ziegenfleisch erstmals im Frühjahr 2013 zu (klick hier). So richtig auf den Geschmack kam ich dann 2017, als ich mit den Freunden von Slow Food Bochum ein nachösterliches Zickleinessen veranstaltete (klick hier). In den letzten beiden Jahre kam dann zu Ostern immer Ziege auf den Tisch (klick hier, hier und hier), nicht zuletzt auch deswegen, weil ich mit dem Hof Heidbauer in Castrop-Rauxel (klick hier) eine Einkaufsquelle für regionales Ziegenfleisch gefunden hatte, bei der man nicht nur ganze oder halbe Tiere kaufen muss, sondern auch Teile, deren Größe für eine Kleinsthaushalt wie meinen passend sind. Umso schöner war es diesmal, dass auch Vera vom Bio-Laden „Gemüse Gebauer“ in Witten (klick hier) zu Ostern Fleisch von Heidbauer im Angebot hatte, so dass ich mir den weiten Ausflug nach Castrop sparen konnte (und nur ein Drittel der Kilometer für den Einkauf fahren musste, nun ja).


Fleisch mit Knochen: Karree von der Ziege

Diesmal wollte ich Ziegenkarree machen. Es wurde mir vom Metzger extra zugeschnitten und stammte nicht von einem jungen Zicklein, sondern von einer ausgewachsenen Ziege. Mit einem Gewicht von etwa einem Kilo war es klein und groß zugleich. Klein, weil nur knapp die Hälfte des Stückes aus Fleisch bestand (der Rest waren Rippenknochen und Rückgrat), groß, weil ich keine Pfanne hatte, in die es zum Anbraten hineingepasst hätte. Es war professionell zuschnitten, aber wer die zierlichen, industriell auf Portionsgröße zurecht gestutzten Lammkarrees aus Neuseeland gewohnt ist, hätte sich vor dem Ding schon erschrecken können. Die Rippenknochen waren nicht freigelegt, und um das harte Rückgrat zu Zerteilen, musste einmal mehr Papas alte Prockelsäge herhalten.


Zum Anbraten halbiert

Fertig gebraten unter der Majorankruste

Als Vorbild für meinen diesjährigen Osterschmaus nahm ich die Lammkoteletts im Kräutermantel, das ich mir vor drei Jahren zu Pfingsten gegönnt hatte (klick hier). Ich befreite das Ziegenkarrer von Scharte und dickem Fett, das durchaus vorhanden war, und zersägte es zum Anbraten in zwei Teile. Das Rippchenfleisch ließ ich natürlich dran. Statt mediterrane Kräuter wie damals nahm ich diesmal nur den bewährten Majoran für die Kräuterkruste. Ich knetete die Blättchen unter etwas zimmerwarme Ziegenbutter, die zwischen zwei Lagen Frischhaltefolie ausrollte und dann im Tiefkühlfach kurz hart werden ließ. Diese Butterplatten legte ich auf das angebratene und mit Knoblauch gespickte Karree und garte es dann im Ofen fertig. Beim Braten hielt ich mich an die Angaben für Lammfleisch aus verschiedenen Rezepten. Mein elektronisches Bratenthermometer schlägt für Lamm medium 62 Grad Kerntemperatur vor, der TV-Schlawiner Alfons Schuhbeck empfiehlt, Lammkarree bei 100 Grad im Ofen zu garen. Also steckte ich den Thermometersensor ins Fleisch und stellte den Backofen auf 100 Grad ein – und siehe da, die 62 Grad waren nach ziemlich genau einer Stunde erreicht. 

Der erste Teller

Danach hätte ich es noch mindestens eine halbe Stunde ruhen lassen sollt, was ich aber bei der kleineren Hälfte nicht tat. Ungeduldig wie ich war, wollte ich einen fertigen Teller schnell für den Post fotografieren. Also schabte ich die Rippen von dem gebarten Fleisch frei, das zum sofortigen Verzehr im Fotografen-Koch landete – es wirkte durchaus etwas zäh. Als ich das Kotelettfleisch anschnitt, trat noch blutiger Fleischsaft aus.


Der zweite Teller

Dieses Malheur passierte bei dem größeren Stück, das in Alufolie eingeschlagen bis zum nächsten Tag ruhen konnte, nicht. Als ich es zu Koteletts zurechtschnitt, war es cremig-zart, wies bei aller Weichheit aber eine gewisse Bissfestigkeit auf. Ich konnte die Koteletts in der Pfanne wieder sanft anwärmen, ohne dass das Fleisch grau wurde. Geschmacklich erinnerte das Ziegenfleisch sehr an Lamm, doch wirkte es metallischer, deftiger und gereifter. Die Ziege war halt schon ausgewachsen.

Winterspinat


Morcheln mit Ziegenfrischkäsefüllung

Jahresezitlich passend wählte ich als Beilagen dazu Spinat und Morcheln. Im FrischePardies in Essen hatte ich kräftigen Winterspinat bekommen, den ich in Ziegenbutter mit angedünsteten Schalotten und Knoblauch zusammenfallen ließ und mit Muskat und Majoran würzte. Aus den kleineren Morcheln stellte ich mit Ziegenbutter und –milch eine Morchelbechamel her, die größeren Pilze füllte ich mit einer Mischung aus Ziegenfrischkäse und gemahlenen Mandeln und briet sie in einer Pfanne an. Als weitere Beilagen gab es Salzkartöffelchen und glasierte Karotten.


Zur Weinbegleitung lichtete ich meine Kellervorräte. Ein gereifter Rioja Reserva Remelluri von 2007 musste dran glauben. Mit viel Luft verlor er nach einiger Zeit seine anfängliche Säure und ergänzte schließlich die kräftig-cremigen Fleischtöne des Ziegenkarrees ganz wunderbar.

Neben dem Teller liegt das Besteck "mono zeug". Hat mir ein Kollege zum Geburtstag geschenkt, Ist ein Design-Stück aus den 60ern, einerseits futuristisch, andrerseits ist das Messer einem steinzeitlichen Faustkeil nachempfunden (hm hm). Kein Wunder, dass damit schon in Kubricks "2001 - Odyssee im Weltraum" gegessen wurde. 


Rezept: Karree von der Castroper Ziege mit Majoran-Knoblauch-Kruste, Winterspinat und Morcheln in Ziegenbechamel

4 Portionen

Ziegenkarree:
1 kg Karree von der Ziege
Pfeffer, Salz
2 Zehen Knoblauch, halbiert
½ Bund Majoran
2 EL weiche Ziegenbutter
Fett zum Anbraten

Majoranblättchen von den Zweigen streifen und mit der weichen Ziegenbutter verkneten. Auf die eine Hälfte eines Stückes Frischhaltefolie streichen, die andre Hälfte darüber schlagen und dünn ausrollen. Ins Tiefkühlfach legen, bis die Butter hart geworden ist.
Knoblauchzehen in halbieren. Ziegenkarree putzen und Fett abschneiden. Zwischen den Rippen tief einschneiden und Knoblauchscheiben hinein stecken. Pfeffern und salzen.
Bratfett in einer Pfanne auslassen. Ziegenkarree auf allen Seiten anbraten. Vom Herd nehmen und die hart gefrorene Majoran-Ziegenbutterscheibe darauf legen. Im Ofen bei 100 Grad eine Stunde fertig (62 Grad Kerntemperatur) garen lassen. 30 Minuten ruhen lassen und in Koteletts zerteilen.

Winterspinat:
800 g Winterspinat
½ Bund Majoran
2 EL Ziegenbutter
2 Zehen Knoblauch
1 Schalotte
Muskat, Pfeffer, Salz

Spinat gründlich waschen und von den dicken Rippen zupfen. Majoranblätter von den Zweigen streifen.
Ziegenbutter in einem großen Topf auslassen und gewürfelte Knoblauchzehen und Schalotten darin anschwitzen. Tropfnassen Spinat dazugeben und zusammenfallen lassen. Majoranblätter dazugeben und kurz mit schmoren. Mit Pfeffer, Salz und geriebenem Muskat abschmecken.

Morcheln in Ziegenbechamel:
16 größere Morcheln
ein paar kleinere Morcheln
4 TL geriebene Mandeln
1/8 l Ziegenmilch
1 EL Ziegenbutter
6 EL Ziegenfrischkäse
1 EL Mehl
Pfeffer, Salz, Muskat
2 Zweige Majoran

Morcheln mindestens fünf Mal mit Wasser waschen. Von den größeren Morcheln die Stiele etwas kürzen.
Etwas Ziegenfrischkäse mit den geriebenen Mandeln und etwas Pfeffer vermischen. In einen Spritzbeutel füllen und die größeren Morcheln damit füllen. Gefüllte Morcheln in Ziegenbutter braten.
Morchelstiele und kleinere Morcheln hacken.
Ziegenbutter in einer Kasserolle auslassen und die gehackten Morcheln darin anschwitzen. Mehl dazu geben und zu einer Mehlschwitze verrühren. Mit Ziegenmilch auffüllen, die Majoranzweige dazugeben und zu einer Bechamel köcheln lassen, bis die Sauce dicklich wird und der Mehlgeschmack weg ist. Dabei ständig mit dem Schneebesen umrühren.
Ausgekochte Majoranzweige entfernen, Ziegenfrischkäse dazugeben und umrühren. Mit Salz, Pfeffer und geriebenem Muskat abschmecken.

Anrichten:
Gekochte Kartoffeln, gewürfelt und evtl angebraten
Kleine bunte Karotten, blanchiert und in Ziegenbutter glasiert

Ziegenkarree in Portionen oder Koteletts schneiden. Mit Spinat, Morchel-Bechamel und gefüllten Morcheln auf Telle geben. Mit Kartoffelwürfeln und Karotten garnieren, bzw. dazu reichen.

Bezugsquellen im Ruhrgebiet für Ziegenfleisch und weitere Rezepte klick hier 

Dienstag, 11. April 2023

Aus dem Archiv: Hackbarth’s Restaurant in Oberhausen (2017)

Hackbarth’s Restaurant am Centro Oberhausen ist seit über 30 Jahren eine kulinarische Institution im Ruhrgebiet. Am 31. März 2023 haben sich Patron Jörg Hackbarth und seine Frau  Uschi Geisinger aus dem Geschäft zurück gezogen und das Restaurant an drei ehemalige Auszubildende übergeben. Ab 13. April 2023 empfangen  Küchenchef Stephan Conze, Restaurantleiter Konstantinos Georgiadis und Geschäftsführer Stefan Kutzner von der Red Door Gastro GmbH die Gäste.
Grund genug, einen Artikel, den ich im Jahr 2017 für den Restaurantführer „Essen geht aus 2018“ zum 25-jährigen Jubiläum de Hauses geschrieben habe, hier unter der Rubrik „Aus dem Archiv“ zu bringen
.


Die rote Tür 2017

Kochen, was den Leuten Spaß macht

Jörg Hackbarth kann in diesem Jahr (2017, Anm. d. Verf.) auf das 25-jährige Bestehen seines Restaurants in Oberhausens Neuer Mitte zurückblicken. Bei der Eröffnung eher skeptisch beäugt, ist es heute zwischen Centro, Gasometer und Schloss Oberhausen der Leuchtturm des kulinarischen Strukturwandels im nordwestlichen Ruhrgebiet.
Peter Krauskopf gratuliert.


Wir schreiben das Jahr 1992. In Amerika wird Bill Clinton zum 42. Präsidenten gewählt, in Bonn hat es sich Bundeskanzler Helmut Kohl in der Mitte seiner dritten Amtszeit mit der FDP gemütlich gemacht. Es soll noch sechs Jahre dauern, bis Gerhard Schröder es schafft, mit der Proklamierung der „Neuen Mitte“ als Standort der SPD seine Partei aus der Opposition und sich selbst zur Kanzlerschaft zu führen.

Doch 1992 haben seine Genossen in Oberhausen die „Neue Mitte“ schon längst für sich entdeckt. Unter diesem Namen wollen die Stadtplaner das riesige Gelände der ehemaligen Gutehoffnungshütte zu einem neuen Stadtteil der Industriestadt machen. Plan ist es, ein riesiges Einkaufszentrum anzusiedeln. Doch das ist gar nicht so einfach. Aus den Nachbarstädten kommt Protest, ein erster kanadischer Investor springt ab, und bis das Centro, wie wir es heute kennen, mit einem neuen Investor endlich eröffnen kann, soll es noch vier Jahre dauern. Erst einmal müssen die alten Industrieruinen abgerissen werden.

Auch vor den Toren der eigentlichen Baustelle wird in diesen Zeiten des Umbruchs investiert. Zwei Geschäftsleute haben im Lipperfeld ein Grundstück gekauft, auf dem früher ein Hochofen stand. Hier bauen sie ein Geschäftshaus, in dessen Erdgeschoss sie gern ein Restaurant eröffnen wollen. Für dessen Betrieb suchen sie einen mutigen Gastronomen und werden in Essen auf der Rüttenscheider Straße fündig. Dort arbeitet in einem Restaurant, das heute nicht mehr existiert, der damalige Mittzwanziger Jörg Hackbarth aus Hamburg als Koch, und der ist zu jedem Abenteuer bereit.

Jörg Hackbarth und der Genießer bei einem Kochkurs im Jahr 2007(!)
Foto: Michael Alisch

„Die Kollegen in Hamburg haben damals den Kopf geschüttelt. Was willst Du in Oberhausen? Da gibt es doch nur Currywurst und Pommes“, erinnert sich der heute 54-Jährige. „Und die in Oberhausen haben darüber gewettet, ob wir an diesem Standort länger als ein Jahr durchhalten. An uns glaubte nur Hermann Frintrop. Naja, und der konnte dann den Gewinn einstreichen.“

Denn dann sollte alles anders kommen. Jörg Hackbarth konnte die Erfahrung machen, dass es sogar „in Oberhausen Leute gibt, die Spaß am Essen haben, Ärzte, Rechtsanwälte, Apotheker“. Das Lokal, anfangs als Restaurant und Bistro konzipiert, kam an. „Allerdings wurde die Bistro-Abteilung nie nachgefragt“, wundert er sich noch heute.

Basis des Erfolges war die unkomplizierte Art des Restaurants. Während seine Frau Uschi Freisinger sich als Gastgeberin und Guter Geist des Hauses um die Gäste kümmerte, stand Jörg in der Küche, am Anfang sieben Tage die Woche. Noch heute passt die Speisekarte auf ein DIN-A-4-Blatt. „Ich habe von Anfang an nur das gekocht, von dem ich meinte, dass es den Leuten Spaß macht“, erklärt er. „Deswegen hat es bei mir auch nie so etwas wie Sterneküche gegeben. In den letzten Jahren war das in meinen Augen ziemlich übertrieben, wenn man nur Pürees und Gelees auf dem Teller bekommt und man gar nicht mehr erkennen kann, was es ist. Das ist nicht mein Stil.“
Aber er immer mit der Zeit gegangen. So hatten seine Gerichte eine Zeitlang einen asiatischen Touch, aber das ist jetzt vorbei. „Wir machen zwar immer noch eine Crossover-Küche, doch wir sehen zu, dass immer die Produkte der Saison auf dem Teller sind. Aber vielleicht etwas frecher als bei unseren Mitbewerber.“ Auch wird nicht mehr so schnell gewechselt. „Wir haben viele Klassiker, auf die die Leute Bock haben. Würde ich z.B. die Blutwurst von der Karte nehmen, würden sich die Leute beschweren. Das ist echt krass.“


Aus dem Geburtstagsmenü 2017

Das Geburtstagsmenü, das noch bis Ende des Jahres auf der Karte steht, bietet ein exemplarischen Streifzug durch die Hackbarth’sche Küche. Probierportionen von fünfzehn Gerichten in fünf Gängen gibt es da, von Bison-Rücken rosa gebraten mit Potatoe Skins, Rucola und Spicy Mayo über gelierte Bouillabaisse mit Safran & Knoblauch bis Ochsenbacke in Portwein auf Gemüse-Risotto und gebackene Zartbitter-Schokolade mit Aprikose und Vanille (klick hier).

Heute kommen Hackbarths Stammgäste aus Bottrop, Duisburg und sogar aus Düsseldorf. 50 Prozent des Umsatzes werden im Restaurant gemacht, die andere Hälfte beim Catering. Kochkurse und Weinverkauf außer Haus runden das Geschäftsmodell ab. Am Herd steht er dabei kaum noch, aber das funktioniert, weil Hackbarth sich auf seine Küchencrew verlassen kann. „Die jungen Leute heute ticken ganz anders“ konnte er feststellen. „Sie kochen viel mehr im Team, jeder muss alles machen, und es klappt super.“

Das liegt nicht zuletzt daran, dass er mit seinen Leuten eine ganz entspannte Absprache über die Arbeitszeiten hat. Dabei hat er aus der Not eine Tugend gemacht. „Als der Mindestlohn und die damit verbundene Bürokratie eingeführt wurde, habe ich geschimpft wie ein Rohrspatz“, gesteht er. „Aber bei aller Mehrarbeit hat er in der Branche viel Gutes bewirkt. Durch die Dokumentationspflicht wissen wir jetzt genau, wieviel Stunden die Leute tatsächlich arbeiten. Und die vorgeschriebenen elf Stunden Nachtruhe stehen ja auch noch im Raum. Ich habe mich mit meinen Jungs auf eine Viertagewoche geeinigt. Wenn sie über ihre Anzahl an Stunden in der Woche kommen und das später nicht ausgeglichen werden kann, bekommen sie die Überstunden bezahlt. Wenn’s gut läuft, partizipieren sie also daran und haben Spaß über beide Backen.“

Anders als vor fünf Jahren zum 20-jährigen Jubiläum, als berühmte Köchefreunde wie Steffen Henssler, Frank Rosin oder auch Nelson Müller, die Hackbarth z.T. seit seinen Anfangstagen kennt, für die Gäste kochten, werden auf der Party zum Fünfundzwanzigsten am 10. September ehemalige Azubis und Mitarbeiter die Bewirtung bestreiten. Das dass den Gästen gefallen wird, daran hat Jörg Hackbarth keine Zweifel. „Die Leute sind in ganz Deutschland verteilt. Einer war Küchenchef bei Frank Buchholz, einer bei Nelson Müller. Da kommen Sie nicht hin, wenn Sie nichts gelernt haben.“

Auch im 25. Jahr sieht Jörg Hackbarth gelassen in die Zukunft. Dass es mit Hackbarth’s Restaurant weiter geht, dafür hat er gesorgt. Seine beiden Gründungspartner sind mittlerweile zwar verstorben, aber er hat sich schon einen jüngeren Teilhaber ins Geschäft geholt und mit einem noch jüngeren ist er in Verhandlungen. Als Familienbetrieb wird er den Laden wohl nicht vererben, seine 15-jährige Tochter Sophie zeigt da wenig Ambition. Aber wer weiß, vielleicht macht er ja noch ein zweites Restaurant auf, bevor er in den Ruhestand geht. Denn eins hat er im letzten Vierteljahrhundert gelernt: „Vielleicht muss man sich seinen Markt einfach selbst schaffen. Das hat von Anfang an funktioniert.“

Hackbarth‘s, Im Lipperfeld 44, Oberhausen. www.hackbarths. de 

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Sonntag, 9. April 2023

Karfreitagsessen: Geräucherte Muttentaler Goldforelle mit Bärlauchpesto │ Kartoffelsalat von der Blauen Vitelotte │ grüner Spargel │ Wachtelei


Kann man schon von Tradition sprechen, nur weil es am diesjährigen Karfreitag das Gleiche gab wie letztes Jahr? Jedenfalls war der Gedanke, bei Gemüse Gebauer (klick hier) wieder einmal die herrlichen geräucherten Goldforellen aus dem Wittener Muttental zu bestellen, zu verführerisch. Und ich bereute es nicht. Die herrlichen Fische waren quasi exklusiv für mich geräuchert worden, infolgedessen superfrisch und zergingen auf der Zunge.

Geräucherte Goldforellen aus dem Muttental in Witten

Zutaten fürs Pesto: Pecorino, Walnüsse, Bärlauch, Petersilie, Rapsöl

Und sie waren mit ihrer gold-orangenen Farbe natürlich auch optisch ein Genuss. So lag es auf der Hand, sie erneut mit grünem Pesto, grünem Spargel und blauen Vitelotte-Kartoffeln zu einem farbenprächtigen Frühlingsgericht zu kombinieren, genauso, wie ich es schon letztes Jahr gemacht hatte (klick hier). Fürs Pesto hatte ich mich damals an mein klassisches Rezept für Bärlauch-Minz-Pesto gehalten mit Cashew-Kernen gehalten (klick hier), diesmal verwendete ich hingegen Walnüsse aus Grenoble, die noch von einem Besuch auf dem letzten Weihnachtsmarkt stammten, und zusätzlich ein Bund Petersilie..



Blaue Vitelotte, ungekocht (oben) und in der Marinade (unten)

Die blauen Vitelotte-Kartoffeln habe ich schon öfters eingesetzt, um optisch ansprechende Teller zu kreieren, oft auch in Verbindung mit den roten bzw. rosafarbenen Tropea- oder Roscoff-Zwiebeln (z.B. mit Sarde in saor, mit Sardinen in Butter, mit Nudeln). Man bekommt sie in gut sortierten Supermärkten. Die Sorte stammt ursprünglich aus Frankreich von der Loire und ist festkochend. Allerdings werden die Kartoffeln beim Garen nicht so schön cremig wie andere, gelbe Sorten und innen ziemlich trocken, so dass die Scheiben gern bröckeln. Trotzdem machte ich mir diesmal die Mühe, kleine Türmchen daraus zu bauen, nachdem ich sie in einer Schalotten, Rapsöl und Balsamico mariniert hatte. Irgendwie erinnerte mich das an das Exzenterhaus in Bochum an der Unistraße. Getrunken wurde dazu ein Apfelsaft von Streuobstwiesen aus dem Mittleren Ruhrgebiet.


Portion zum Angucken


Portion zum Sattwerden

Rezept: Geräucherte Muttentaler Goldforelle mit Bärlauchpesto │ Kartoffelsalat von der Blauen Vitelotte │ grüner Spargel │ Wachtelei
Bitte hier klicken!

Dienstag, 4. April 2023

Michelinsterne 2023 im Ruhrgebiet

Neuer Stern am Himmel über der Ruhr: Kettner's Kamota

Um das Schönste gleich am Anfang zu vermelden: Richtig freuen können sich in diesem Jahr Jürgen Kettner und Wiebke Meier, die mit „Kettner’s Kamota“ in Essen-Werden den verdienten ersten Michelinstern erhalten haben. Der Genießer gratuliert von Herzen!

Aber der Rest: Die Euphorie, die die Gastroszene des Ruhrgebiets in den letzten Jahren beflügelte, als sich etwa ein Michelinstern-Regen über Dortmund ergoss, Sven Nöthel mit seinem Mod die Stadt Duisburg aus dem Dornröschenschlaf riss und vor allem der Essener Veteran Knut Hannappel die schon lange verdiente Auszeichnung einheimsen konnte, scheint verflogen. Dieses Jahr war die Verleihung der begehrten Auszeichnungen für die kulinarische Provinz zwischen Ruhr und Emscher (oder zwischen A2 und A40, wie man will), eher Business as usual. Sogar eine Abstrafung gab es. Der Dorstener Gourmettempel von TV-Tausendsassa Frank Rosin wurde von zwei auf einen Stern hinunter gestuft. Damit hat das Ruhrgebiet sein kulinarisches Leuchtturmprojekte verloren. Grüne Sterne, die an besonders nachhaltig wirtschaftende Restaurants verliehen werden, gibt es hier auch nicht. Bib Gourmands, die lobenden Empfehlungen, nur wenige. Immerhin: Mit der Schließung des „Iuma“ in Dortmund und dem Aufstieg von „Kettner’s Kamota“ haben es immerhin die Revier-Metropolen Dortmund und Essen geschafft, mit je drei 1-Stern-Restaurants gleichzuziehen.
Update: Der Schneider in Dortmund ist seit 13. April 2023 geschlossen.

Hier ein Liste der Michelinsterne-Restaurants im Ruhrgebiet, wie immer in den Grenzen des RVR plus Velbert.

1 Michelinstern

Dorsten:
Goldener Anker
Rosin

Dortmund:
der Schneider (seit 13. April 2023 geschlossen)
Grammon’s Restaurant
The Stage

Duisburg:
Mod by Sven Nöthel

Essen:
Hannappel
Kettner’s Kamota
Schote

Haltern:
Ratsstuben

Velbert:
Haus Stemberg

Xanten:
Landhaus Köpp


BIB Gourmand

Hattingen:
Diergardts Kühler Grund
Fachwerk

Neukirchen-Vluyn
Little John‘s

Waltrop:
Gasthaus Stromberg 

Alle Michelinsterne in Deutschland:
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Alle Bib Gourmands in Deutschland:
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Quelle:Tageskarte

Sonntag, 2. April 2023

Urbane Landhausküche: Nach Wiener Art panierter Blumenkohl auf einem Spiegel von Curry-Bechamel mit Bio-Linda und Zitronen-Champignons (vegetarisch)


So sehr ich auch ein schön paniertes Schnitzel schätze (klick hier oder zum Kochkurs hier), für Geschmack und Mundgefühl dieser wunderbaren Zubereitungsart scheint mir die Panierung fast wichtiger als das Fleisch, was darinnen steckt. Jedenfalls fand die die vegetarischen Versionen, die ich gelegentlich gemacht habe, äußerst gelungen – etwa die mit Aubergine (klickhier), Steckrübe (klick hier) und vor allem die mit Patissonkürbis, letztere vor allem auch wegen der Beilage, einem Altwiener Kartoffelsalat (klick hier). Diese Kunstfleischsorten, die aus fermentiertem Hülsenfruchteiweiß hergestellt werden, scheinen mir hingegen ziemlich entbehrlich.

Mein neuster Favorit ist jedoch das Schnitzel aus Blumenkohl. Nicht nur ist in Tempurateig ausgebackener Blumenkohl beliebter Bestandteil der asiatischen Küche, und auch auf Weihnachtsmärkten erfreut sich Blumenkohl im Bierteig ebenfalls großer Beliebtheit. Warum ihn also nicht in Scheiben schneiden, panieren und ihn wie ein Schnitzel braten?

Zutaten: Blumenkohl, Champignons, Kartoffeln

Ich forschte im Internet danach und fand auch sofort eine ganze Reihe von inspirierenden Rezepten. Immer wurde der Blumenkohl blanchiert, weil er allein beim Braten nicht gar wird, manchmal wurde er noch mariniert, worauf ich allerdings verzichtete, um mir die Marinierzeit zu ersparen. Also würzte ich die blanchierten Blumenkohlscheiben nur mit Pfeffer, Salz und etwas Curry und panierte sie nach Wiener Art, in dem ich sie erst durch Mehl, dann durch ein verkleppertes Ei und Semmelbrösel zog, um sie dann in reichlich Rapsöl mit mittlerer Hitze goldbraun zu braten. Mit etwas Zitronensaft beträufelt, kamen dabei knusprige-nussige Schnitzel mit schönem Biss heraus, die es mit jedem Kalbs- oder Schweineschnitzel aufnehmen konnten.


Zuerst wollte ich eine Sauce hollandaise dazu machen, doch war mir das Aufschlagen der Eigelb im Wasserbad zu aufwendig – zumal ich die Sauce, wenn sie nach dem Fotografieren des Gerichtes kalt geworden wäre, nicht wieder hätte aufwärmen können – die Eier wären dann geronnen. Also machte ich aus Butter, Mehl, Gemüsebrühe und Milch eine Bechamel, der ich aber als Tribut ans Asiatische zusätzlich mit Curry aufpeppte. Als weitere Beilagen gab es Kartoffeln der Sorte Bio-Linda und Champignons, die ich mit Zitronensaft, Estragon und einem Hauch Knoblauch dunkel durchschmorte. Zur weiteren Salat-Deko gabs noch etwas Löwenzahn, der ganz frisch auf dem Balkon gewachsen war, und als Farbtupfer roten Radicchio dazu. Als Getränk passte ein naturtrüber Apfelsaft von den Streuobstwiesen im mittleren Ruhrgebiet. Ein schöner Riesling wäre aber auch nicht übel gewesen.


Rezept: Nach Wiener Art panierter Blumenkohl auf einem Spiegel von Curry-Bechamel mit Bio-Linda und Zitronen-Champignons (vegetarisch)
2 Portionen

Blumenkohlschnitzel:
1 kleiner Blumenkohl
gekörnte Gemüsebrühe
Pfeffer, Salz, Curry
Mehl
1 Ei
1 Schuss Milch
Paniermehl
Rapsöl
Zitronensaft

Den Blumenkohl abwaschen und den Strunk etwas kürzen, aber so, dass der Kohl nicht auseinanderfällt. Aus gekörnter Gemüsebrühe das Blanchierwasser herstellen und den Kohl knapp fünf Minuten darin garen. Herausnehmen und abschrecken.
Drei tiefe Teller nebeneinander stellen. In den ersten Mehl, in den zweiten ein Ei, das mit einem Schuss Milch verkleppert wurde, und in den dritten Paniermehl geben.
Den Blumenkohl in 2 Zentimeter dicke Scheiben schneiden. Aufpassen, dass sie nicht kaputt gehen. Dennoch entstehen kleiner einzelne Röschen von den Außenrändern.
Die großen Scheiben mit Salz, Pfeffer und Curry würzen. Erste durchs Mehl, dann durch das verklepperte Ei und dann durch das Paniermehl ziehen. Aus den kleineren Röschen entsprechend Nuggets herstellen.
Rapsöl fingerhoch in eine große Pfanne geben und erhitzen. Die panierten Blumenkohlscheiben darin bei mittlerer Hitze auf beiden Seiten goldbraun braten. Auf Küchenkrepp abtropfen lassen. Mit Zitronensaft beträufeln. Mit den Nuggets genauso verfahren.

Curry Bechamel:
50 g Butter
50 g Mehl
½ l Milch
Pfeffer, Salz, Muskat, Curry
Zitronensaft

Butter in einem Topf schmelzen lassen, Mehl dazugeben. Umrühren und köcheln lassen, ohne dass die Butter braun wird. Milch dazu gießen, mit Pfeffer, Salz, Muskatnuss und Curry würzen und unter häufigem Rühren zwanzig Minuten köcheln lassen, bis sie eindickt und nicht mehr nach Mehl schmeckt. Mit Zitronensaft abschmecken.

Kartoffeln und Zitronen-Champignons:
8 Kartoffeln (Bio-Linda)
150 g Champignons
Saft von einer ½ Zitrone
2 Zweige Französischer Estragon
1 Zehe Knoblauch
Rapsöl

Kartoffeln in gut gesalzenem Wasser 25 Minuten har kochen. Abgießen, pellen und halbieren.
Champignons in dünne Scheiben schneiden. Öl in einer Pfanne erhitzen. Die Champignonscheine, die Knoblauchzehe und die Estragonzweige hineingeben. Mit dem Zitronensaft beträufeln. Ein eingebuttertes Stück Alufolie darauf legen und festdrücken. Deckel auf die Pfanne setzen und das ganz 5 Minuten schmoren lassen. Die halbierten Kartoffeln dazu geben, pfeffern und salzen, die Alufolie wieder darauf drücken und geschlossenen noch einmal 3-4 Minuten schmoren lassen, bis die Champignons und Kartoffeln angebräunt sind.

Anrichten:
ein paar Blätter Löwenzahn
ein paar Blätter Radicchio, klein gezupft
Öl, Zitronensaft, Pfeffer, Salz, Estragonblätter

Löwenzahn und gezupften Radicchio mit wenig Öl, Zitronensaft, Pfeffer und Salz marinieren.
Auf vorgewärmten Tellern einen Spiegel von der Curry-Bechamel geben. Ein großes Schnitzel, ein paar Kartoffeln und Zitronenchampignons hineinsetzen. Mit mariniertem Löwenzahn und Radicchio sowie Estragonblättchen bestreuen. Weitere Blumenkohlnuggets, Sauce, Kartoffeln und Champignons separat dazu reichen.

 

Variante vom 24.4.2023 mit Bottroper Spargel