Nicht nur Feinschmecker in Dortmund traf im April dieses Jahres die Nachricht wie ein Paukenschlag, dass das Restaurant von Phillip Schneider Insolvenz angemeldet habe. Schließlich gehörte „Der Schneider“ im Hotel Ambiente zu dem Michelinstern-Wunder, das 2021 am Himmel über der Westfalenmetropole im östlichen Ruhrgebiet wie ein Feuerwerk explodierte. Drei neue Ausgezeichnete gesellten sich zum Alt-Sterneinhaber Michael Dyllong (damals noch im „Palmgarden“ auf der Hohensyburg); neben „Grammons“ und „Iuma“ eben auch die Küche mit dem „tailored food“ an der schönen Adresse „Am Gottesacker“. Plötzlich vier michelindekorierte Restaurants - damit überholte Dortmund sogar die in den Jahren davor unangefochtene kulinarische Ruhrgebiets-Metropole Essen, die sich von der Schließung des Zwei-Sterne-Tempels „Résidence“ Ende 2017 nicht erholt hatte.
Doch dann kamen die Verwerfungen der Coronazeit. In Dortmund verließ Michael Dyllong die Hohensyburg, konnte aber mit „The Stage“ sofort wieder an den Sterne-Ruhm anschließen. Auch Dirk Grammon konnte sich bis heute weiter behaupten. Die beiden anderen Restaurants erlebten die Mühen des Sterne-Alltags im Lockdown-Zeitalter. Pierre Beckerling vom „Iuma“ zog sich rasch zurück, und „Der Schneider“ meldete schließlich in diesem Frühjahr Insolvenz an. Das geschah nicht unbedingt nach dem Willen von Mit-Inhaber Phillip Schneider, dem aber durch die rechtlichen Bedingungen des Verfahrens die Hände gebunden sind. Im Namen des Restaurants darf er nicht mehr tätig sein, und darunter fallen auch Ideen, wie Gäste schon dort bezahlte Gutscheine einlösen können. (Nebeneffekt dieser Entwicklung: Essen hat Dortmund als Sterne-Restaurant-Zentrum mit „Schote“, „Hannappel“ und neuerdings „Kettners Kamota“ wieder überholt.)
Obwohl ich mit meinem Blog schon früh über das Restaurant „Der Schneider“ berichtetet hatte (klick hier und hier), muss ich gestehen, dass ich in der Zeit als Sternerestaurant das Haus nie besucht habe. So war ich froh, dass der Koch vom Dortmunder Gottesacker letzte Woche im Essener Löwental für eine Gastveranstaltung Asyl bekam. Seit hier Michael Scheil zusammen mit seinen Partnern von der Metzgerei Bremen das Restaurant „Chefs & Butchers“ vor fünf Jahren eröffnet hat (klick hier), ist es eine der heißesten und beliebtesten Locations in Essen. Mittlerweile um einen Outdoor-Bereich erweitert, bietet das „Chefs & Butchers“ in dem Loft in Essen-Werden eine moderne und chice Küche an, anspruchsvoll in der Ausführung und unkompliziert im Genuss. Wichtiger als eine Sterne-Dekoration ist Michael dabei, dass sein Lokal bestens läuft, die Leute die Events lieben und das Essen mögen. Wobei er sich wünschen würde, dass die großen Restaurantführer das „Chefs & Butchers“ etwas mehr würdigen würden, schließlich bieten er und das Team um Küchenchef Matthäus Brol beste handwerkliche Kochkunst, die sich nicht verstecken muss. Das zeigen die Events, zu denen Michael Scheil immer wieder illustre Gastköche einlädt, darunter Sterneköche wie z.B. Sven Nöthel vom „Mod“ in Duisburg, Sascha Stemberg vom „Haus Stemberg“ in Velbert, Jürgen Kettner vom „Kettner’s Kamota“ in der direkten Nachbarschaft oder Eric Werner vom „astrein“ im fernen Köln, mit denen dann gemeinsame Menüs gekocht wird.
Macht Dampf: Phillip Schneider
Und jetzt war es eben Phillipp Schneider. Sechs Gänge kamen auf den Tisch, wobei drei Phillip Schneider beisteuerte und drei das „Chefs & Butchers“-Team - zzgl. Apèro vorweg vom Hausherrn und eine Erfrischung als Zwischengang und Süßigkeiten am Schluss vom Gastkoch. Überrascht war ich, dass der effektvolle Einsatz von Trockeneis nach wie vor zu Phillips Markenzeichen gehört. Die Erfrischung, die er als Zwischengang servierte, wurde effektvoll eingenebelt. Und auch den verpassten Besuch in seinem besternten Restaurant konnte ich nachholen. Die Gänge stammten quasi aus seinem Repertoire als Phillip Schneider, the chef former known as „Der Schneider“.
Chefs & Butchers, 24.8.2023
Apéro
Gebeiztes Rinderfilet, Aubergine, Fourme d’Ambert
Mais, fermentierte Brombeere, Vadouvan
Chefs & Butchers
Vorweg Häppchen zum Auf-einmal-Verschlingen. Rinderfilet, Aubergine und Blauschimmelkäse entfachten kein kleines Umami-Feuerwerk. Mais, Brombeere und die indisch-französische Gewürzmischung ergaben exotische Mixed Pickles.
Tomate, Belper Knolle, Liebstöckel
Phillip Schneider
Tomate, Käse, Kraut: Erwartet hatte ich eine kreative Variante des Caprese, aber es kam eine medaillon-artige Miniatur eines Bauerngartens. Die Tomate langsam konfiert, mit geriebener Belper Knolle und dem sog. Maggi-Kraut gewürzt, auf der Zunge zergehend.
Steinpilze, Aprikose, Basilikum, Eigelb
Chefs & Butchers
Weich und mundfüllend, die Fruchtigkeit der Aprikose mochte ein wenig mit dem Eigelb hadern.
Zander, Blumenkohl, Frankfurter Grüne Kräuter
Phillip Schneider
Der Zander natürlich perfekt gebraten. Die herben Grünen Kräuter blieben lange in Erinnerung. Wan gewöhne ich mich an die Bissfestigkeit des Gemüses in der Spitzenküche?
Australischer Rinderrücken, Beete, gerösteter Senf, Rindermark
Chefs & Butchers
Und wieder einmal überzeugt die Nudel. Gefärbt mit Roter Beete, gefüllt mit Senf und Rindermark: eine Umamibombe, neben der der vorwitzig rosane Rinderrücken mit seiner langen Anreise langweilig wirkte.
Fenchel, schwarzer Knoblauch, Haselnuss
Phillip Schneider
Vermouth
Süßigkeiten
Apfelring
Cannelés der Bordeaux
Himbeer-Estragon-Lolli
Phillip Schneider
Konfekt, wie aus der Dekoration vom Raumschiff Enterprise entwendet.
Chefs & Butchers. Im Löwental 64, 45239 Essen-Werden. Tel: 0201/40870000. Mi, Do 17.30-22 Uhr, Fr, Sa 17.30-23 Uhr, So 16.30-21.30 Uhr. www.chefsandbutchers.de
Der Genießer bedankt sich für die Einladung