Dienstag, 29. August 2023

Essen-Werden: Phillip Schneider im Chefs & Butchers


Nicht nur Feinschmecker in Dortmund traf im April dieses Jahres die Nachricht wie ein Paukenschlag, dass das Restaurant von Phillip Schneider Insolvenz angemeldet habe. Schließlich gehörte „Der Schneider“ im Hotel Ambiente zu dem Michelinstern-Wunder, das 2021 am Himmel über der Westfalenmetropole im östlichen Ruhrgebiet wie ein Feuerwerk explodierte. Drei neue Ausgezeichnete gesellten sich zum Alt-Sterneinhaber Michael Dyllong (damals noch im „Palmgarden“ auf der Hohensyburg); neben „Grammons“ und „Iuma“ eben auch die Küche mit dem „tailored food“ an der schönen Adresse „Am Gottesacker“. Plötzlich vier michelindekorierte Restaurants - damit überholte Dortmund sogar die in den Jahren davor unangefochtene kulinarische Ruhrgebiets-Metropole Essen, die sich von der Schließung des Zwei-Sterne-Tempels „Résidence“ Ende 2017 nicht erholt hatte.

Gut besucht: Chefs & Butchers


Michael Scheil und Phillip Schneider


Doch dann kamen die Verwerfungen der Coronazeit. In Dortmund verließ Michael Dyllong die Hohensyburg, konnte aber mit „The Stage“ sofort wieder an den Sterne-Ruhm anschließen. Auch Dirk Grammon konnte sich bis heute weiter behaupten. Die beiden anderen Restaurants erlebten die Mühen des Sterne-Alltags im Lockdown-Zeitalter. Pierre Beckerling vom „Iuma“ zog sich rasch zurück, und „Der Schneider“ meldete schließlich in diesem Frühjahr Insolvenz an. Das geschah nicht unbedingt nach dem Willen von Mit-Inhaber Phillip Schneider, dem aber durch die rechtlichen Bedingungen des Verfahrens die Hände gebunden sind. Im Namen des Restaurants darf er nicht mehr tätig sein, und darunter fallen auch Ideen, wie Gäste schon dort bezahlte Gutscheine einlösen können. (Nebeneffekt dieser Entwicklung: Essen hat Dortmund als Sterne-Restaurant-Zentrum mit „Schote“, „Hannappel“ und neuerdings „Kettners Kamota“ wieder überholt.)

Phillip Schneider (l.) mit dem Team um Matthäus Brol (r.)

Obwohl ich mit meinem Blog schon früh über das Restaurant „Der Schneider“ berichtetet hatte (klick hier und hier), muss ich gestehen, dass ich in der Zeit als Sternerestaurant das Haus nie besucht habe. So war ich froh, dass der Koch vom Dortmunder Gottesacker letzte Woche im Essener Löwental für eine Gastveranstaltung Asyl bekam. Seit hier Michael Scheil zusammen mit seinen Partnern von der Metzgerei Bremen das Restaurant „Chefs & Butchers“ vor fünf Jahren eröffnet hat (klick hier), ist es eine der heißesten und beliebtesten Locations in Essen. Mittlerweile um einen Outdoor-Bereich erweitert, bietet das „Chefs & Butchers“ in dem Loft in Essen-Werden eine moderne und chice Küche an, anspruchsvoll in der Ausführung und unkompliziert im Genuss. Wichtiger als eine Sterne-Dekoration ist Michael dabei, dass sein Lokal bestens läuft, die Leute die Events lieben und das Essen mögen. Wobei er sich wünschen würde, dass die großen Restaurantführer das „Chefs & Butchers“ etwas mehr würdigen würden, schließlich bieten er und das Team um Küchenchef Matthäus Brol beste handwerkliche Kochkunst, die sich nicht verstecken muss. Das zeigen die Events, zu denen Michael Scheil immer wieder illustre Gastköche einlädt, darunter Sterneköche wie z.B. Sven Nöthel vom „Mod“ in Duisburg, Sascha Stemberg vom „Haus Stemberg“ in Velbert, Jürgen Kettner vom „Kettner’s Kamota“ in der direkten Nachbarschaft oder Eric Werner vom „astrein“ im fernen Köln, mit denen dann gemeinsame Menüs gekocht wird.


Macht Dampf: Phillip Schneider


Und jetzt war es eben Phillipp Schneider. Sechs Gänge kamen auf den Tisch, wobei drei Phillip Schneider beisteuerte und drei das „Chefs & Butchers“-Team - zzgl. Apèro vorweg vom Hausherrn und eine Erfrischung als Zwischengang und Süßigkeiten am Schluss vom Gastkoch. Überrascht war ich, dass der effektvolle Einsatz von Trockeneis nach wie vor zu Phillips Markenzeichen gehört. Die Erfrischung, die er als Zwischengang servierte, wurde effektvoll eingenebelt. Und auch den verpassten Besuch in seinem besternten Restaurant konnte ich nachholen. Die Gänge stammten quasi aus seinem Repertoire als Phillip Schneider, the chef former known as „Der Schneider“.

Event: Gastkoch Phillip Schneider
Chefs & Butchers, 24.8.2023



Brot
Löwentaler Malzkruste mit aufgeschlagener Salzbutter

Chefs & Butchers
Hausgebackenes Brot zum Einstieg



Apéro

Gebeiztes Rinderfilet, Aubergine, Fourme d’Ambert
Mais, fermentierte Brombeere, Vadouvan

Chefs & Butchers
Vorweg Häppchen zum Auf-einmal-Verschlingen. Rinderfilet, Aubergine und Blauschimmelkäse entfachten kein kleines Umami-Feuerwerk. Mais, Brombeere und die indisch-französische Gewürzmischung ergaben exotische Mixed Pickles.


Apéro
Hamachi, Erbse, Röstzwiebel, Yuzu

Chefs & Butchers
Die Süße der Erbse und die Zitrussäure der Yuzu ergänzten irritierend den Sushi-Fisch.



Tomate, Belper Knolle, Liebstöckel

Phillip Schneider
Tomate, Käse, Kraut: Erwartet hatte ich eine kreative Variante des Caprese, aber es kam eine medaillon-artige Miniatur eines Bauerngartens. Die Tomate langsam konfiert, mit geriebener Belper Knolle und dem sog. Maggi-Kraut gewürzt, auf der Zunge zergehend.



Pulpo, gebrannte Paprika, Sobrasada

Chefs & Butchers
Wie ein Urlaub auf Mallorca: Man hat eine gewisse Vorstellung, die wird nicht nur erfüllt, sondern übertroffen wird. Eine kulinarische Ziellandung. Der Tintenfisch mit er Paprikawurst gewürzt.



Steinpilze, Aprikose, Basilikum, Eigelb

Chefs & Butchers
Weich und mundfüllend, die Fruchtigkeit der Aprikose mochte ein wenig mit dem Eigelb hadern.



Zander, Blumenkohl, Frankfurter Grüne Kräuter

Phillip Schneider
Der Zander natürlich perfekt gebraten. Die herben Grünen Kräuter blieben lange in Erinnerung. Wan gewöhne ich mich an die Bissfestigkeit des Gemüses in der Spitzenküche?



Erfrischung

Phillip Schneider
Trockeneisiger Zwischengang.



Australischer Rinderrücken, Beete, gerösteter Senf, Rindermark

Chefs & Butchers
Und wieder einmal überzeugt die Nudel. Gefärbt mit Roter Beete, gefüllt mit Senf und Rindermark: eine Umamibombe, neben der der vorwitzig rosane Rinderrücken mit seiner langen Anreise langweilig wirkte.



Fenchel, schwarzer Knoblauch, Haselnuss

Phillip Schneider
Knoblauch zum Dessert: einfach zauberhaft.



Vermouth

Süßigkeiten
Apfelring
Cannelés der Bordeaux
Himbeer-Estragon-Lolli

Phillip Schneider
Konfekt, wie aus der Dekoration vom Raumschiff Enterprise entwendet.



Weinbegleitung aus dem Vorrat von Chefs & Butchers


Chefs & Butchers. Im Löwental 64, 45239 Essen-Werden. Tel: 0201/40870000. Mi, Do 17.30-22 Uhr, Fr, Sa 17.30-23 Uhr, So 16.30-21.30 Uhr. www.chefsandbutchers.de

Der Genießer bedankt sich für die Einladung

Samstag, 26. August 2023

Gourmetmeilen 2023: Saison-Finale mit der Gourmetmeile Metropole Ruhr auf Zollverein in Essen


Kär, die Gourmetmeilen-Saison 2024 hatte es in sich. Insgesamt fanden zehn dieser hochwertigen kulinarischen Straßenfeste im Ruhrgebiet statt, und der Genießer hat sie doch alle tatsächlich besucht – getreu seinem umweltfreundlichen Motto, warum denn in die Ferne reisen, wenn alles so schön vor der Haustür präsentiert wird (Zur Übersicht mit Links zu allen Berichten klick hier). Aber auch, wenn er so keinen sehr großen ökologischen Fußabdruck hinterlassen hat, anstrengend war die ganze Sache durchaus. Denn mit „Essen verwöhnt“, „GourmeDo“ und „Bochum kulinarisch“ starteten gleich drei Große ihrer Art nach der Corona-Zwangspause neu, und das war dann durchaus mehrere Besuche wert. So brachte mich der wunderbare, täglich wechselnde Sterne-Köche-Reigen auf der „GourmeDo“ sogar dazu, viermal (!) an einem Wochenende nach Dortmund zu fahren – und das als ein in Essen geborener Bochumer!


Erstmal probieren...


Angenehmes Show-Programm

Traditionell findet das Saison-Finale mit der „Gourmetmeile Metropole Ruhr“ Ende August vor der grandiosen Kulisse des Welterbes Zollverein Essen statt. Ihr beeindruckendes Nach-Corona-Comeback hatte die im Rahmen der Kulturhauptstadt 2010 entstandene Veranstaltung bereits im letzten Jahr gehabt (klick hier), und in diesem Jahr ging es routiniert weiter. Trotz der unzuverlässigen Wetterlage fand die Eröffnung am Donnerstag, den 24. August, statt. Leider konnte der Genießer an dem VIP-Bankett, das Veranstalter Rainer Bierwirth vom Verein „Essen genießen e.V.“ und die Meilen-Gastronomen wie üblich aus diesem Anlass gaben, diesmal nicht teilnehmen. Und so blieb mir nichts anderes übrig, erst am gestrigen Freitag eine Stippvisite für ein kleines Menü im Schatten des Doppelbocks in den Essener Norden zu machen.

Um auf die Meile zu gelangen, muss man dieses Jahr die Rohre überwinden, durch die der Beton gepumpt wird, mit dem die Schächte unter Zollverein verfüllt werden.

Das Schöne an der „Gourmetmeile Metropole Ruhr“ ist, dass man versucht, den genius loci der Zeche Zollverein durch ein Bergmannsgericht auf jeder Speisekarte widerzuspiegeln. Erst dachte ich daran, mich bei diesen Gerichten durchzuessen, doch dann nahm ich davon Abstand. Obwohl sicherlich sehr lecker, scheinen mir manche Bergmannsgerichte in der Theorie nicht immer treffend. Lammgulasch mit Rosmarin, Thymian und Tomatensauce (Acquario) oder Lammrückensteak mit rotem Pesto könnten mich zwar in Entzücken versetzen, aber mein Vater, der 25 Jahre unter Tage gearbeitet hat, hätte Lammfleisch nicht angerührt. Und auch die drei verschiedenen Currywürste, die von der „Alten Metzgerei“, „Gummersbach“ und „La Turka“ angeboten wurden, sprachen mich diesmal nicht so an. Ich hatte noch meine große „Currywurst-Challenge“ in Erinnerung, die ich im letzten Jahr mit genau den gleichen Gerichten veranstaltet hatte (klick hier). Zudem halte ich, wie ich damals schon ausführte, die Currywurst nicht für den kulinarischen Ausdruck der Bergbauära des Ruhrgebiets, sondern der Zeit des Strukturwandels danach.


Im Fokus: Bergmannsgerichte

Am gelungensten als Bergmannsgericht erschien mir noch der Sauerbraten mit Rotkohl und Klößen und ohne (!) Rosinen vom „Löwen“, wie ihn meine Mutter an Feiertagen als stolze Grubensteigersgattin auch immer gemacht hatte. Doch den hatte ich erst neulich beim Stadtgartenfest „Food, Wine & Music“ (klick hier), und so verzichtete jetzt aus Magenkapazitätsgründen darauf. So reduzierten sich meine Bergmannsgerichte auf den wunderbaren Schweinebauch von „Bliss“ und das Dessert „Grubengold“ von „Mintrops Restaurant M“. Dazu gab es noch zwei Gänge von Sachen, auf die ich einfach Lust hatte.

Das nachträgliche Stippvisiten-Menü
Gourmetmeile Metropole Ruhr, 25.8.2023



Fischerei/Gärtnerei
Kochbanane
Mais, Erbse, Kokos, Apfel (11 Euro)
Julia Mair ist mit ihren Rüttenscheider Restaurant-Schwestern „Fischerei“ und „Gärtnerei“ das erste Mal auf Zollverein dabei und bietet eine zukunftsweisende Mischung aus veganen, vegetarischen und Fisch-Gerichten an. Ich entschied mich für die Kochbanane, weil ich die meiner Erinnerung nach noch nie gegessen habe. Und ich war positiv überrascht. Das Gericht hat nichts mit der süßen Weichheit der normalen Banane zu tun, sondern ist in der Kombination mit den anderen Komponenten eine herzhaft-knusprige, aromareiche und sättigende Angelegenheit. Dazu gabs einen extra Bananenwein, wenn mich meine Erinnerung nicht verlässt, eine Cuvée auf Chardonnaybasis.



Bliss
Krosser Schweinebauch
Erbsenstampf, Stauder Malzbier-Sauce (10 Euro)
Als „Bergmannsgericht“ angeboten, erfüllte es alle Erwartungen. Der Schweinebauch deftig, kross und saftig, der Erbsenstampf gaumenschmeichelnd und mit seiner Süße ein schöne Verbindung mit dem Malzbier der Sauce eingehend. Dazu gab’s allerdings kein Bier von Stauder, sondern ein Export von Mücke – Export ist schließlich das traditionelle Bergmannsbier.



Gummersbach
Confit de Canard
„Französische Entenkeule“ mit Birne, grünem Spargel, Roscoff-Zwiebel und Kartoffelmousseline
(14 Euro)
Ruhrgebietsküche hin oder her – es geht kulinarisch doch nichts über einen Klassiker der französischen Küche. Für ein Confit wird die Entenkeule in Schmalz gegart und anschließend goldbraun aufgebraten. In diesem Fall superzart und durchaus saftig. Schön ergänzt durch sorgsam ausgewählte Beilagen, allen voran die zarte bretonische Roscoff-Zwiebel im Kontrast zur süßen Birne. Dazu der süffige Haus-Sauvignon Blanc von „Gummersbach“.



Restaurant M
Grubengold
Schokoladenriegel, salzige Erdnuss-Karamell-Ganache, Yuzu-Pralinen (8 Euro)
Dem Namen nach hätte das ein Bergmannssgericht sein können, ist aber im Programmheft nicht so ausgewiesen. Wahrscheinlich hätte ein Bergmann auch nicht gewusst, dass sich hinter Yuzu eine japanische Zitrusfrucht verbirgt. Aber er hätte sich an dem Schokoladenflöz mit Wonne satt gegessen und mit der getankten Energie einen ganzen Flöz Steinkohle unter Tage abgebaut.


Gourmetmeile Metropole Ruhr. Essen, Zollverein. Geht noch bis 27. 8.2023. ab 12 Uhr, Sa bis 23 Uhr, So bis 20 Uhr. Alle Infos und Speisekarten klick hier.

Mittwoch, 23. August 2023

„Essen geht aus 2024“ erschienen


War das eine wunderbare Veranstaltung. Vorgestern lud Lensing Media zur Präsentationsparty der neuen Ausgabe des Restaurantführers „Essen geht aus“. Eigentlich scheint das ja business as usual, denn das Magazin erscheint 2024 immerhin zum 22. Mal, und dennoch gelang dem Team um Key Account Manager Michael Janscheidt, Projektleiter Marc Lorenz und Chefredakteur Tom Thelen ein Event, der wie immer war und dennoch ganz anders. Wieder fand die Party im Spätsommer statt und wie in den letzten Jahren meistens in einer Location hoch über dem Baldeneysee, und dennoch hatte sie den zauberhaften Charme des Anfangs. Austragungsort war erstmals das „Wirtshaus zur Heimlichen Liebe“, von dessen terrassenartig angelegtem Biergarten unter großen grünen Bäumen die Gäste eine atemberaubende Aussicht hatten. Bei mediterranem Schönwetter präsentierten die fünf Essener Spitzenköchinnen und –köche Erika Bergheim (Pierburg), Sam Kijcharoen Saha (Luck in a cup), Thomas Manschke (Wirtshaus zur Heimlichen Liebe), Jürgen Kettner (Kettner’s Kamota) und Hans R. Lange Rodriguez (noch Rotisserie du Sommelier) einen schillernden Menü-Streifzug durch die Fine-Dining-Szene der Stadt. Und als die rote Sonne irgendwo hinter dem Werdener Stauwehr versunken war, die bleiche Sichel des Mondes am Himmel blinkte, die Band The Pool gekonnt Rock-Klassiker zelebrierte und schließlich das druckfrische Magazin an die Gäste verteilt wurde, konnte sogar der grimmigste von Corona gebeutelte Gastronom glücklich sein.

Projektleiter Marc Lorenz hoch über dem Baldeneysee

Gäste in Urlaubsstimmung

The Pool spielen auf

Hans R. Lange Rodrguez teilt Chefredakteur und dem Publikum mit, dass er die Rotisserie du Sommelier in Rüttenscheid übernimmt.

Wie immer ist das 140 Seiten dicke Magazin prall gefüllt mit Informationen über die Gastroszene der Stadt, über 200 Restaurants und kulinarische Adressen werden vorgestellt. Endlich hat Essen, so konstatieren Tom Thelen und Marc Lorenz im Vorwort, den Revier-Rivalen Dortmund, der in den letzten Jahren kulinarisch mächtig aufgeholt hat, in Sachen Sterne-Restaurants wieder überholt. „Kettner’s Kamota“ ist seit diesem Jahr mit dem Restaurant „Hannappel“ und Nelson Müllers „Schote“ der dritte im Michelin-Bunde. Dass dann im „Essen geht aus“-Ranking der Gourmetrestaurants das beste Restaurant aus Velbert kommt, mag dann doch nur eingefleischte Lokalpatrioten verdrießen – schließlich deckt der redaktionell Einzugsbereich von „Essen geht aus“ auch die Nachbarstädte in der westlichen Mitte mit ab.


Das Essen-geht-aus-2024-Menü
Gasthaus zur Heimlichen Liebe, 21.8.2023





Erika Bergheim – Pierburg Erika Bergheim
Jakobsmuschel
Erbsen │ Zuckerschoten │ Fermentierter Spargel │ Zitrusfrüchte │ Vanille
Überschäumende Aromenvielfalt, auch ohne exotische Worte.

 

Sam Kijcharoen Saha – Luck in an cup
Koreanischer Sauerbraten „Galbi“
Kimchi-Variation │ Kartoffel │ Gochujang

Eigentlich sind „Galbi“ Rippchen, aber hier wurde deren Marinade für geschmorten Sauerbraten verwendet. Gochujang ist eine scharfe, fermentierte koreanische Gewürzpaste.



Thomas Manschke – Wirtshaus zur Heimlichen Liebe
Seeteufel Mediterran
Artschocke │ Barigoule │ Kapuziner

Bariguole nennt man die provenzalische Art, Artischocken zuzubereiten.



Jürgen Kettner – Kettner’s Kamota
Gspusi vom Tiroler Milchkalb
Schönbrunner Zitrusaromen │ Kujo Negi aus Kyoto

Kujo Negi ist ein japanisches Lauchöl.



Hans R. Lange Rodriguez – Rotisserie du Sommelier
Chef Dessert
Mais │ Petersilie │ Kakao │ Aji Amarillo
Aji Amarillo ist ein südamerikanischer Chili-Pfeffer

Essen geht aus 2024.140 Seiten. 9,90 Euro Lensing Media. Erhältlich im guten Zeitschriftenhandel und hier im Internet.

Donnerstag, 17. August 2023

Ferragosto: Melanzana alla cioccolata bzw. Auberginen in Schokoladensauce



Am 15. August wird in Italien der Ferragosto begangen, ein Feiertag, der bis in die Antike zurückgeht, als die alten Römer ihrem Kaiser Augsutus und dem Namenspatron des Monats huldigten. Heute wird damit das Bergfest der allgemeinen Sommerferien im Urlaubsland Italien gefeiert.

An der Amafi-Küste wird traditionellerweise am Ferragosto eine besondere Süßspeise gegessen: melanzane alla ciccolata bzw. Auberginen in Schokoladensauce. Ich hatte dieses Gericht vor Jahren in dem mittlerweile 25 Jahre alten Kochbuch über die Cucina Amalfitana von Manuela Zardo und Hellmuth Zwecker entdeckt (klick hier) und war davon sofort begeistert – die Verarbeitung eines Gemüses, das man eigentlich nur pikant kennt, als süßes Dessert kam mir geradezu ostasiatisch vor.

Version von 2009: Mit Rotweinbirne und Moscato di Noto

Das erste Mal bereitete ich melanzana alla cioccolata im Jahr 2009 zu, sinnigerweise nicht im Hochsommer, sondern als Dessert zu einem vorweihnachtlichen Geburtstagsmenü (klick hier). Es wurde auch nicht solo serviert, sondern zusammen mit einer Rotweinbirne. Getrunken wurde dazu ein Moscato di Noto vom sizilianischen Erzeuger Planeta, ein wunderbar süßer Passito-Wein.

Seitdem wollte ich die Auberginen in Schokoladensauce immer wieder zum Ferragosto machen, verpasste aber jedes Mal den Termin – die frittierten Auberginenscheiben müssen schließlich ein paar Tage in der Schokoladensauce ziehen. Als im Frühjahr eine „Kitchen Impossible“-Folge lief, in der sich Tim Mälzer an dem Gericht versuchen musste, nahm ich mir vor, in diesem Jahr rechtzeitig zur Tat zu schreiten – nur um es dann doch wieder zu vergessen. Aber zum Glück wünschte Ariane vom Blog „Tra dolce ed amaro“ am 15. August auf Facebook einen frohen Ferragosto, und so raffte ich mich auf. Ich besorgte mir schnell eine Aubergine und bereitete sie zu. Vielleicht ließ sie etwas kurz ziehen, aber immerhin konnte ich heute, zwei Tag nach dem Stichtag, das wunderbare Dessert mit einem Glas durch die lange Öffnungszeit madeirisierten und deshalb recht pflaumigen Salice Salentino genießen.

Einige Zutaten: Amarettini, Ei, Zartbitterschokolade, Aubergine und Orangeat

Frittierte Aubergine

In Schokoladensauce eingelegt

Die Zubereitung improvisierte ich aus meinem alten Rezept (klick hier) und dem aus „Kitchen Impossible“ (klick hier). Damals aromatisierte ich die Schokosauce mit Zitrone und Mandeln, diesmal nahm ich Orangeat und panierte die Aubergine noch zusätzlich mit Amarettini-Bröseln. Wie damals war ich von dem feinen Geschmack fasziniert, die Auberginen erinnerten mich entfernt an gebratene Bananen. Nur an der Optik wollte ich wieder verzweifeln. Charmant ausgedrückt, erinnerten mich die schwarzbraunen Tranchen an meine ebenfalls schwarz geschmorten Rinderrouladen nach katalanischer Art (klick hier). Uncharmant gesagt, sahen sie aus wie schon einmal gegessen.




Rezept: Aubergine in Schokoladensauce

4 Portionen

1 Aubergine
geschmacksneutrales Öl
4 EL Mehl
1 Ei
1 Tasse Amarettini
50 g Kakaopulver
70 g Zucker
350 ml heißes Wasser
1 Tafel Zartbitterschokolade 80 g
1 Schuss Amaretto
Abgeriebene Schale einer Orange
2 EL Orangeat (kandierte Orangen)
1 Pinnchen Amaretto-Likör
Kandierte Orangen, Beerenfrüchte, dünne Scheiben vom reifen Pfirsich zum Granieren

Auberginen in 3 Millimeter dicke Scheiben schneiden. Öl in eine Pfanne geben und die Scheiben darin frittieren. Herausnehmen und auf Küchenpapier abtropfen lassen.
Amarettini mit dem Mixer zerkleinern. Frittierte Auberginenscheiben wie ein Schnitzel in durch Mehl und ein verquirltes Ei ziehen und dann mit den zerkleinerten Amarettini panieren. Noch einmal im heißen Öl frittieren. Aufpassen, dass die Panierung nicht verbrennt.
Für die Schokoladensauce Kakaopulver, Zucker, abgeriebene Orangenschale und Orangeat in einem Topf vermischen. Kochendes Wasser angießen und die Zartbitterschokolade darin bei niedriger Temperatur unter Umrühren schmelzen lassen. Ein paar Minuten vorsichtig köcheln lassen, bis sie leicht eindickt. Abkühlen lassen.
Die frittierten Auberginenscheiben in eine Auflaufform schichten und dabei jede Schicht mit Orangeat bestreuen und mit Schokoladensauce übergießen. Auflaufform abdecken und im Kühlschrank mindestens einen Tag, bessere mehrere Tage ziehen lassen.
Zum Anrichten die Auflaufform in den warmen Backofen setzen, bis die die evtl. hart gewordene Sauce wieder flüssig ist. Auberginen in Schokoladensauce auf Desserttellern anrichten und mit Beerenfrüchten und Orangeat garnieren.