Freitag, 8. April 2011

Beiträge des Ruhrgebiets zur kulinarischen Welt, Teil IV: Aldi

Einfahrt zur Aldi-Filiale in Bochum-Stahlhausen

Manchmal frage ich mich, wieso ich nicht ein typischer Aldi-Kunde bin. Ob es etwa daran liegt, dass ich zu alt bin?

Jedenfalls erinnere ich mich noch gut daran, dass es in meiner Kindheit in Essen noch gar keine Aldi-Läden gab, sondern nur normale Lebensmittelläden, die „Albrecht“ hießen. Da ging meine Mutter manchmal einkaufen, genauso wie etwa nach „Kaiser’s Kaffee“, wo es aber viel mehr als Kaffee gab. Rabattmarken zum Beispiel. Aber wo wir damals hingingen, so wie man heute nach Aldi geht, war „Krupp“, was es heute nicht mehr gibt. Das heißt, man ging in den „Kruppschen Konsum“, mit dem der Konzern mit patriarchalischer Fürsorge und kapitalistischer List erst seine Arbeiter an sich band und später auch für alle zugängig machte. Nach „Krupp“ zu gehen hatte bei uns Tradition, denn meine beiden Großväter waren Kruppianer. Als die Albrecht-Brüder um 1960 schließlich aus Amerika das Discount-Wesen nach Deutschland brachten, ihre Läden mit teuren Regalen auf billig ausstatteten, sie „Albrechts Discount“ oder kurz Aldi nannten und begannen, systematisch die Preise im Lebensmittelhandel zu unterbieten, wurde das bei uns nur am Rande wahrgenommen. Sicher, manchmal wurden Konserven oder Waschpulver bei Aldi gekauft, aber letztendlich zog das Preisargument kaum, denn meine Mutter arbeitete damals bei „Wertheim“ und brachte von dort alles Notwendige zum Personaltarif mit. Der Einkauf bei Aldi wurde für mich also nie zur selbstverständlichen Gewohnheit, auch nicht, als mein Vater 1971, als Theo Albrecht entführt wurde, einmal erwähnte, dass er mit ihm in eine Klasse gegangen war.

Als ich dann auf die Uni ging und mich selbst versorgen musste, war ich überrascht, dass Leute, die gerade mal fünf Jahre jünger waren, so auf Aldi abfuhren, ja anderes kaum kannten. Sicherlich, viel Geld wollte ich auch nicht ausgeben, aber irgendwie hatte ich es immer zu einem PLUS-Laden näher als zu einem Aldi. Der Kult, der in 1980er Jahren entstand, war mir völlig fremd. Später, als das Kochen zu einer Art Leidenschaft wurde, interessierte mich Aldi dann noch weniger. Ob es daran liegt, dass ich nie eine Familie versorgen und entsprechende Mengen einkauften musste, und die paar Pfennige, die man an Aldi-Produkten spart, nie die Umständlichkeit aufwogen, nach Aldi zum Einkaufen zu fahren?

Dennoch: Ich finde es imponierend, wie Aldi Konsum- und Essens-Gewohnheiten prägt, wie es den Begriff von Lebensmitteln definiert, indem es sie an Logistik, Verfügbarkeit und billigsten Produktionskosten misst und das als Qualität verkauft, die überall akzeptiert wird. Zudem sind die Aldi-Brüder die perfekten Vertreter einer sozialen Radikal-Marktwirtschaft, indem sie - koste es, was es wolle - Lebensmittel zum billigsten Preis anbieten und bei minimalstem Gewinn pro Produkt zu Milliardären werden konnten. Bezeichnend ist es, dass so ein Versorgungsprinzip seinen Ursprung im Ruhrgebiet hat, einer Region ohne eigene kulinarische Tradition und ohne eigene Nahrungsmittelproduktion. Wer die Millionen Mäuler in dieser mit seiner Identität ringenden Industrieregion stopfen kann, schafft es anscheinend auch in der ganzen Welt.

8 Kommentare:

  1. Interessante Geschichte, sehr nett zu lesen. Mir fällt immer auf, welche Entwicklung die Läden dieser Kette durchgemacht haben. In den 80ern stand dort alles nur auf Paletten rum und der ganze Laden wirkte billig. Heute ist es dort richtig schick.

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  2. Sehr überheblich, Herr Genießer. Nicht schön.

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  3. „Wie geht nach Aldi?“ — „Zu Aldi!“ — „Was, schon zu Aldi?“

    Die abgebildete Filiale liegt übrigens in Griesenbruch.

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  4. na überheblich finde ich es nicht, vielleicht etwas distanziert, aber doch auch informativ. Wenn wertend, dann liegt es in den Fotos - die häßlichste Filiale ist aber imho die an der Castroper Straße in Bochum. Die größte hab ich in Mühlheim gesehen, Heimstatt der Albrechts und schon Aldi-Süd Gebiet. Die Teilung Süd/Nord geht ja mitten durchs Ruhrgebiet...

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  5. So distanziert, wie man halt einen Artikel über etwas schreibt, was man selten bis gar nicht ausprobiert. Zwischen den Zeilen purer Neid, gepaart mit Unwissenheit und Ablehnung. Journalismus definiert sich aber irgendwie anders...

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  6. Heimstatt der Albrechts is Essen, und nicht Mühlheim.

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  7. Seinen Ursprung hat ALDI in Essen, stimmt. Dennoch soll einer der Albrecht-Brüder für die hohe Millardärs-Dichte in Mülheim (a.d.Ruhr) sein - auf alle Fälle nicht in Mühlheim (am Main).

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  8. Das hast Du gut geschrieben. Als ich noch zur Universität ging, war es unter uns StudentInnen absolut verpönt, bei Aldi einzukaufen. Schon damals war Aldi uns supekt wegen der Behandlung der Mitarbeiter. Außerdem stellten wir fest, daß Aldi kaum billiger war als andere Läden und schlechtere Qualität anbot...

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