Montag, 30. Januar 2012

Vino Grande Weinevent auf Schloss Hugenpoet: Scharzhofberger-Verkostung mit Egon Müller

Spitzenwinzer Egon Müller IV 
auf Schloss Hugepoet

Ob der legendäre Theatermann Gustaf Gründgens jemals seinen Weggefährten Paul Henckels auf Schloss Hugenpoet besucht hat, wo der durch seine Rolle des Prof. Bömmel in der „Feuerzangenbowle“ nicht minder legendäre Filmkomiker seinen Lebensband verbrachte, ist nicht überliefert. Aber an Gustaf Gründgens musste der Genießer denken, als er am Vorabend des 10. Hugenpoet-Weinevents der Essener Weinhandlung Vino Grande an einer Verkostung von sechs Riesling-Jahrgängen von Egon Müller teilnehmen konnte. Souverän kommentierte der Spitzenwinzer von der Saar seine Kreszenzen und erinnerte dabei mit seinem Charakterkopf und einem elegant tänzelnden Auftritt an die mephistophelische Erscheinung des großen Schauspielers.

Die Familie von Egon Müller IV beitreibt das Weingut Scharzhof in Wiltingen an der Saar, seit es Ende des 18. Jahrhunderts im Rausch der französischen Revolution säkularisiert wurde. Namensgeber des Guts ist die legendäre Lage Scharzhofberg, die hoch und kühl in einem Seitental des Flusses liegt. Gehörte der Weinberg anfangs komplett den Müllers, wurde er durch Vererbung immer mehr zersplittert. Heute gehören Müller immerhin noch stolze 8,4 ha der insgesamt etwa 28 ha, kleinere Parzellen werden von Weingütern wie Reichsgraf von Kesselstatt (6,6 ha), Bischöfl. Weingüter Trier (6,6 ha) und Van Volxem (2 ha) u.a. bewirtschaftet.

Tradition und Eleganz: 
Scharzhofberger Spätlese 2010

Auf dem Scharzhofberg wachsen die Trauben für Müllers großartige Weine, zum Teil an uralten wurzelechten Stöcken aus der Zeit vor der Reblaus. Aber auch neue Pflanzungen gehören dazu. Müllers Rieslinge genießen Weltruf, stehen sie doch in der Tradition einer langen Weinkultur. Es sind gewaltige Kreszenzen, die, obwohl schon jung von betörender Fruchtfülle, erst im gehörigen Alter die tiefgründige Wirkung des einzigartigen Terroirs entfalten. Die Qualitätsprinzipien, mit denen die Trauben behandelt werden, haben natürlich ihren Preis. Ein Scharzhofberger Kabinett kostet bei Vino Grande 28 Euro, die Spätlese 78 Euro, die Auslese gar 235 Euro.

Profunde Kommentare: Egon Müller

Fast möchte man über die großen Worte schmunzeln, die der bürgerliche Wein-Adlige mit provokanter Zurückhaltung gelassen ausspricht. Etwa, dass seine Rieslinge unter 20 Jahre zu trinken, „Kindermord“ sei, oder, dass er über die Entwicklung gewisser Weine nichts sagen möchte, sie seien „erst vierzig Jahre alt“. Dennoch brachte er Spätlesen der Jahrgänge 2010, 2009, 2008, 2007 und 2004 zur Verkostung mit. „Ich bin schließlich Winzer und ich weiß, ein verkaufter Wein ist ein guter Wein“, sagte er schmunzelnd.


Und in der Tat waren alle Rieslinge trotz ihrer enormen Säure wunderbar trinkbar, von einem animierenden, fruchtigen Süß-Säure-Spiel. Den Jahrgang 2010, der in der Presse verrissen worden sei, bezeichnete Müller in Hinblick auf die Reifefähigkeit als „idealtypischen“ Wein, genauso, wie der etwas leichtere 2009er eine ideale Vegetationsperiode gehabt habe. 2008 sei ein unreifer Jahrgang gewesen, der sich jedoch noch in einen Schwan verwandeln würde. Im Jahr 2007 habe es einen nassen Sommer und einen schönen Oktober gegeben, das sei für die Säurebildung ausgezeichnet gewesen und so etwas hätten die Winzer gern. 2004 habe es viel Kabinett, aber nur wenig Spät- und kaum Auslese gegeben. Früher habe das Prädikat Kabinett Weine aus unreifen Trauben bezeichnet, erläuterte Müller, aber durch die Klimaerwärmung gebe es kaum noch unreife Trauben, und so würde Kabinett heute die Spätlese verdrängen. Die Spätlese 2004 besteche jedoch durch große Leichtigkeit.
Höhepunkt der Verkostung war dann der Jahrgang 1989. Eigentlich finge der Spaß erst hier langsam an, meinte Egon Müller. Die Primärfrucht würde langsam verschwinden, und die mineralische Aromatik des Terroirs komme langsam zur Geltung.


Thomas Kierdorf (rechts) von Vino Grande mit Frau
und Egon Müller IV

4 Kommentare:

  1. super Bericht, super Fotos ! Da konnte ich ja leider nicht, sonst wäre dies ein Pflichttermin gewesen.
    Aber auch der Samstag war ja klasse. Verkostet bei Egon Müller haben wir ja da gemeinsam Kabinett/Spätlese/Auslese. Berichte bei mir kommen noch. Auch hier, nehme ich an...

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  2. Zu so einem Event würde ich auch sehr gerne einmal gehen. vielleicht klappt es ja das nächste Mal :)

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  3. Sehr aufschlussreich - wenn auch ein bisschen viel Lob mitschwingt aber alles in allem sehr gut zu lesen und auch die fotos als zusatz sehr unterhaltsam - und vielleicht sogar lehrreich :-)

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  4. Das mit den enormen Säuren irritiert mich jetzt im Nachinein etwas - ich muss grad meiner übersäuerung entgegenwirken - die ich übrigens ganz wirklich hab - leider hat mir der Arzt keinen Wein zur Kur verschrieben :-(

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