Freitag, 4. August 2006

Aus dem Archiv: Nesselrode - Château de Ruhr

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2006/2007"
Das Schlosshotel Hugenpoet steht unter neuer Leitung. Das Hotel-Restaurant firmiert niht mehr unter dem Namen "Nesselrode". Erika Bergheim betreibt seit 2021 ihr eigenes Restaurant "Pierburg".

Dass die Ruhr im gleichen kulinarischen und architektonischen Glanz wie die Loire funkelt, wird wohl niemand erwarten. Dennoch ist das Tal des Flusses, der einem ganzen Gebiet den Namen gibt, eines der schönsten in Deutschland, und das ein oder andere Schlösschen am Ufer ist gar nicht übel. Schloss Hugenpoet in Kettwig ist das besterhaltene Juwel dieser Art an der Ruhr. Das liegt sicherlich an der Nutzung des Barock- und Renaissancebaus von 1696 und früher als Hotel seit den 1950er Jahren. Das Haus ist eine wunderbare Location für jede Art von Repräsentation, sei es für Veranstaltungen der NRW-Landesregierung aus dem nahen Düsseldorf, sei es für private Hochzeiten, und gewissermaßen das feudale Pendant zum industriekulturellen Zollverein im Essener Norden.

Damit alles schön glänzt, hat Hausherr Michael Lübbert die Eingangshalle und Flure im letzten Winter ein wenig renovieren lassen. Farblich dominieren nun ein helles Blau, Ocker- und Goldtöne, und das rustikale, altfränkisch anmutende Mobiliar der Eingangshalle musste einer eleganten barocken Ausstattung weichen. Für das hauseigene Restaurant Nesselrode wurde sogar neues Tafelsilber von Robbe & Berking angeschafft.

Seit drei Jahren steht Erika Bergheim der Schlossküche vor. Einst hatte sie Berthold Bühler von der Résidence, mit dem sie Anfang der 1980er Jahre im Essener Sheraton-Hotel arbeitete, für den Herd entdeckt. Bevor sie die Küche auf Hugenpoet übernahm, war sie Stellvertreterin ihres Vorgängers Hans-Dietrich Marzi. Heute überzeugt sie die Fans der Haute Cuisine mit französisch inspirierten Kreationen. Ragout von Hummer und Seeteufel mit Trauben, jungem Lauch, Steinmorcheln und Gnocchi (EUR 32,50) oder Perlhuhnbrust mit Perigordtrüffel gebraten, Millefeuille von Waldpilzen und Kartoffelchips, wildem Broccoli und Feige (EUR 31) sind da nur Beispiele von der häufig wechselnden Karte. Einen guten Überblick über die Küchenleistung von Frau Bergheim bieten die Menüs (4 Gänge EUR 76, 6 Gänge EUR 95).

Zur Feier der Renovierung des Hauses überraschte sie im Frühjahr eine geladene Gästeschar mit einer exklusiven Speisenfolge. Mousse von Saubohnen mit karamellisiertem Knoblauch, luftgetrocknetem Wildschweinschinken und Ziegenfrischkäse mit Schlehenlikör mariniert ergaben eine Vorspeise von unterschiedlicher Konsistenz und delikater Geschmacksvielfalt. Die Essenz von Wildwassergarnelen mit gebratener Garnele und Tomaten-Zimconfit auf Safrancrostini machte Appetit auf den folgenden gegrillten Atlantikhummer mit mariniertem Weißkohl und einer Senffrüchte-beurre-blanc. Hier hätte vermutlich der stechende Ammoniakgeschmack des Hummers einen Sterne-Tester nicht überzeugt, die Auszeichnung zuzuteilen, genauso wenig wie die viel zu harten Farfalle, die zum nachfolgenden Saltimbocca vom Seeteufel serviert wurden. Den Nudeln sah man durchaus die liebevolle Handarbeit an, mit der sie zu hübschen Schmetterlingen gebunden wurden, doch in der Mitte waren sie einfach zu dick, als dass sie durchgaren konnten. Hinreißend dann die Variationen von der Milchziege, die wie kleine Probierpralinchen – größer sind die Fleischstücke dieser jungen Tiere nicht - auf dem Teller angerichtet waren: eine Crêpinette aus der Schulter mit Cumin-Glace, ein Stück aus der Keule in Zucchini gebraten, Kotelett und Leber mit Lorbeer gegrillt, dazu ein Patisson mit Gewürzrisotto gefüllt und Zitrusfrüchteschaum. Zum Abschluss gab es gleich zwei Desserts, ein erfrischendes Carpaccio von der Babyananas mit Currymousse und einem Ingwerreis sowie ein warmes Valrhona-Schokoladentörtchen mit einem Ximenez-Butterreis.

Begleitet wurde die Speisenfolge mit Weinen, der der Nahe-Winzer und Restaurantkritiker Armin Diel für den Abend extra mitgebracht hatte. Der 2004er Pinot Blanc und die 1999er Cuvée Victor aus Grau- und Weißburgunder bewiesen, welch ein Genuss ein Weißwein ist, wenn er in einem hervorragenden Restaurant punktgenau temperiert serviert wird. Die 2004er Fassprobe der 2004er Cuvée Caroline aus Spätburgundern verschiedener Lagen war leider nicht verfügbar. Stattdessen hatte Diel versehentlich einen Dornfelder mitgebracht, wofür er sich auch entschuldigte. Eigentlich gab es dazu aber keinen Grund, denn der Wein entsprach allen Ansprüchen.

-kopf


Essen-Kettwig, August-Thyssen-Str. 51

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