Freitag, 1. September 2006

Aus dem Archiv: Püree - Kleine große Küche

Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2006/2007".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.

Schon die Bestätigung der Tischreservierung über die Internetseite des „Püree“ ist Ausdruck einer individuellen Behandlung des Gastes, deren Verbindlichkeit nirgendwo in anbiedernde Herzlichkeit umschlägt. Die E-Mail-Antwort ist zwar in ein vorbereitetes Formular eingetragen, jedoch so mit persönlichen, bei der Reservierung abgefragten Informationen über den Gast garniert, dass man sich einfach geschmeichelt fühlen muss. Betritt man dann das kleine Restaurant, wird man ebenfalls von dieser präzisen Professionalität umfangen. Die Kettwiger „Résidence“, das Mutterhaus des „Püree“ im gleichen Gebäude, hat dafür u.a. ihre beiden Michelinsterne bekommen.

Das gerade einmal 25 Plätze umfassende „Püree“ ist mit zurückhaltender Eleganz eingerichtet, die kaum irritiert. Die eng beieinander stehenden Tische fördern eine gedämpfte Konversation unter den Gästen, um nicht in allzu intime Berührung mit den Nachbarn zu kommen. Die daraus resultierende Konzentration auf das Wesentliche wird von den Argusaugen unterstützt, mit denen die in strenges Schwarz gekleideten, charmanten jungen Bedienungen den kleinen Saal überwachen, damit auch sofort jeder abgegessene Teller abgeräumt werden kann – ein offensichtlicher Tribut an die hohe Servicekultur der „Résidence“.

Beim Blick auf die erstaunlich moderaten Preise im „Püree“ fragt man sich allerdings, womit man sich diesen Luxus eigentlich erkauft hat. Das Wesentliche im „Püree“ ist das Essen, um das sich alles dreht. Es kommt wie jenes der „Résidence“ aus der Küche von Henri Bach und ist handwerklich genauso perfekt zubereitet und auf dem Teller angerichtet, ohne jedoch den ausladenden Repräsentationsgestus der großen Schwester aufzuweisen – eine kleine große Küche ohne modischen Schnickschnack.

Ein Teil der Gerichte von der gerade eine Seite umfassenden Karte ist zu einem viergängigen Menüvorschlag für EUR 35 zusammen gestellt, dem ich gern folge, während mein Co-Tester sich seine Speisenfolge à la carte zusammen stellt und preislich nicht darüber liegt. So leiten Zanderterrine mit getrockneten Tomaten und Salsa Verde (EUR 10) und Krustentierkroketten mit Gurkensalat (EUR 8) unser Abendessen ein. Die Füllung der Kroketten ist Dank der relativ großen Stückchen herrlich saftig, die Panade knusprig und würzig. Die allzu zurückhaltend gewürzte Zanderterrine entfaltet ihren geschmacklichen Charakter allerdings erst im Zusammenspiel mit der scharfen Salsa Verde und den vermutlich mit Traubenkernöl nussig aromatisierten Salatblättern der Garnitur. Prächtig dann die beiden Süppchen. Die Kartoffellauchcrème mit Shrimps (EUR 6) schmeckt nach Kartoffeln, Lauch und Shrimps – anders als durch diese Redundanz lässt sich der feine Geschmack nicht beschreiben. Ob der Eintopf von Edelfischen (EUR 7) tatsächlich in einem Topf gekocht wurde, mag man bezweifeln, doch die Fischsuppe hat Bouillabaisse-Format. In einem würzig-frischen Fischsud tummeln sich verschiedene Fisch- und Meerestier-Sorten, deren Unterschiede in Geschmack und Konsistenz beispielhaft herausgearbeitet sind. 

Die geschmorten Kalbsbäckchen mit Möhren und Rübchen (EUR 16) sind zweifellos der Höhepunkt des Abends. „Ai cucchiaio“, mit dem Löffel zu essen, umschreibt der Italiener die Weichheit eines Spitzenschmorbratens. Bei den Kalbsbäckchen, die Fleischsorte schlechthin zum Schmoren, fällt einem nur die respektlose Umschreibung „mit dem Strohhalm zu genießen“ ein, so zart, weich und aromatisch sind sie gelungen. Etwas mehr Biss weist die rosa gebratene Rehkeule mit Kohlrabi (EUR 17) auf, die sich vor allem im Zusammenspiel mit dem beigegebenen Pflaumenchutney entfaltet. Als Beilage für beide Fleischgerichte wird das den Namen des Hauses spendende Püree gereicht, ein mit rohen Kartoffeln raffiniert angereicherter Kartoffelbrei, den man mit den auf dem Tisch stehenden Dips noch eigenhändig geschmacklich variieren kann. Zum Dessert verlocken Kreationen wie Zwetschgentarte mit Portweinschaum und Stracciatella-Eis (EUR 8) oder Kirschparfait mit Minzsoße und Aprikosenkompott (EUR 7), doch wir nehmen mit der schmackhaft-schaumigen, aber unspektakulären Schokoladentrikolore mit Himbeereis vorlieb, die exklusiv zum Menü gehört.

Die auf der Karte empfohlenen Weine erweisen sich ebenfalls als unspektakulär, sind jedoch tadellose Essensbegleiter. 2004 Sauvignon Blanc Valensac aus dem Languedoc (0,25 l EUR 7), 2003 Riesling Pettental Gunderloch aus Rheinhessen (Glas EUR 6), 2001 Chianti Di Farnetella aus der Toskana (0,25 l EUR 13) und 2004 Blaufränkisch Birgit Braunstein aus dem Burgenland (Glas 8,40) sind solo genossen z.T. eher banal, unterstützen die Speisen jedoch wirkungsvoll.

-kopf


Essen-Kettwig, Auf der Forst 1

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