Dienstag, 11. Juli 2017

Urbane Landwirtschaft: Sommerfest auf der Bonnekamphöhe in Essen

Auf dem Naschpfad in Essen-Katernberg

Es hätte eine Szene in einem Marcel-Pagnol-Roman sein können, in dem der französische Autor seine Kindheit in der Provence beschreibt. Die Luft flirrt vor Hitze an diesem heißen Sommertag, als der Genießer vor einer vollkommen überwucherten Gartenpforte steht, hinter der er helle Kinderstimmen hört. Das Pforte lässt sich wider Erwarten öffnen, und ein schmaler Pfad führt durch die üppige Botanik zu einer Gärtnerei. Unter Obstbäumen, die den Anfang des entstehenden „Naschpfades“ bilden, verputzt eine Kinderschar frisch gepflückte Kirschen. „Ich habe schon vierzehn gegessen“, ruft ein Junge, und ein anderer übertrumpft ihn: „Und ich fünfzehn!“

Biochemiker André Matena führt über das Gelände

Doch wir befinden uns mitten im Ruhrgebiet, auf der Bonnekamphöhe in Essener Stadtteil Katernberg, in Sichtweite von Schacht III/VII/X des Welterbes Zollverein. Seit 2011 betreibt hier die gleichnamige Stiftung ein Projekt für moderne urbane Landwirtschaft. Der Biologe Hubertus Ahlers und seine Mitstreiter rodeten das wildwuchernde Brombeergestrüpp auf der Industriebrache, um die auf Nachhaltigkeit ausgelegte Gärtnerei mitten in der Stadt anzulegen. Davon, dass es mit der intensiven Landwirtschaft, wie sie heutzutage betrieben wird, bald vorbei sein wird, ist Biochemiker André Matena von der Universität Essen-Duisburg überzeugt. André hält auf der Bonnekamphöhe Seminare ab und macht beim heutigen Sommerfest Führungen über das Gelände. „Die Ressourcen zur Gewinnung des Kunstdüngers neigen sich dem Ende entgegen, und ohne ihn sind die ausgelaugten Böden nicht mehr fruchtbar“, beschreibt er die Weltlage.

So sei es notwendig, bei der Lebensmitterzeugung neue nachhaltige Wege zu beschreiten, und der Gemüseanbau auf der Bonnekamphöhe sei ein Experiment dorthin. Das Wasser kommt aus einem eigenen Brunnenteich, die Energie von einer Biogasanlage. Gedüngt wird mit selbst hergestelltem Brennnesselsud.

Gemeinschaftsgarten

Auf einem Teil des Geländes befinden sich Gemeinschaftsgärten, in denen interessierte Gruppen und Privatleute das Gemüse für den Eigenverbrauch anbauen können. „Allmende“ heißt dieser Bereich, ein Wort, das im Mittelalter das Land bezeichnete, das zur öffentlichen Bearbeitung bereit stand. Allerdings, so findet der Genießer, hätte man gar nicht bis ins Mittelalter zurückgehen müssen. Denn die Selbstversorgung aus dem eigenen Garten ist typisch für die Industriekultur der letzten 150 Jahre im Ruhrgebiet, von den Hausgärten in den Arbeitersiedlungen über das Grabeland vor den Toren der großen Kohle- und Stahlbetrieb bis zu den daraus entstandenen Schrebergärten, die bis heute das Ruhrgebiet wie ein grünes Band durchziehen.

So macht studieren Spaß:
Biologe und Stiftungsvorstand Hubertus Ahlers mit studentischen Praktikanten

Auf dem Sommerfest jedenfalls herrschte eine wunderbar heitere Atmosphäre. Selbstgemachtes wie eine Limonade aus roten Beeren, Zitronenmelisse und Minze sorgten für Erfrischungen, frische geerntete und gegrillte Gemüse zum Stillen des Appetits. Und in den hübschen kleinen Ruheoasen, die überall im Gelände verteilt sind, ließ sich herrlich chillen.

Natürlich kann man die Produkte der Bonnekamphöhe auch kaufen. Dazu muss man sich in eine E-Mail-Liste eintragen lassen, und dann bekommt man wöchentlich mitgeteilt, was gerade im Angebot ist. Man bestellt dann eine Kiste (groß 25 Euro, klein 12,50 Euro), die frisch für einen geerntet wird, und kann sie freitägs abholen.

Die Bonnekamp-Stiftung für die integrative Stadt hat ihren Sitz auf Zollverein A9, Gelsenkirchener Straße 181, 45309 Essen. Die Gärten befinden sich auf der Bonnekamphöhe in Essen Katernberg. Für weitere Infos hier klicken.

Sommerfest zwischen Gemüsebeeten

Vorbereitete Setzlinge

 Dekoratives Gemüse: Blühender Lauch

Zucchini
 Allerlei Kohl
Fenchel

Gewächshaus


Essbare Blüten


Zum Pflücken am Wegesrand

Rote Johannisbeeren

Äpfel

Kein Kunstwerk, sondern eine Rankhilfe für Kiwis, die noch wachsen müssen. Im Hintergrund der
Förderturm III/VII/X von Zollverein.

Teich zur Wasserversorgung

Nische zum Chillen

Erfrischende Limonade

Gemüse vom Grill

Hofidylle

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