Der Text erschien erstmals in "Essen geht aus 2004".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.
Wer schon einmal versucht hat, nachmittags gegen vier in der Essener City etwas zu essen zu bekommen und dabei nicht in einem Kaufhausrestaurant zu landen, weiß, was Hunger heißt. Während die nördliche City zu dieser Zeit ziemlich tot ist, lohnt der Weg südwärts. Im alten Bankenviertel hinterm Grillotheater wird man auf der Suche nach offenen Restaurants fündig, und dann sogar noch in einem der architektonisch reizvollsten Gebäude der City. Einst im eleganten Stil der neuen Sachlichkeit und ruhrgebietstypisch komplett in Backsteinen erbaut, erzählt das Sparkassengebäude zwischen Hirschlandplatz und Lindenallee noch heute vom Bergbaureichtum Essens in den zwanziger Jahren. Von der Rathenaustraße, also von der Seite her, nähert man sich dem im Souterrain liegenden "Il Mulino", dessen Eingang nicht minder elegant wie der florentiner Dom mit schwarzweißen Marmorstreifen verkleidet ist. Betritt man dann das Lokal, so will man sich allerdings kneifen und fragt: "Wo bisse denn hier gelandet?!?" Denn für den großen, 120 Plätze umfassenden Gastraum hat man anscheinend mindestens zwei westfälische Wassermühlen entkernt, um mit den Fachwerkbalken ein rustikal-bäuerliches Ambiente zu zimmern.
Den leeren Magen muss diese architektonische Irritation jedoch nicht stören. Zwar kann es sein, dass die empfehlenswerte Antipasti-Theke am Nachmittag schon ziemlich abgegessen ist, aber alles, was auf der umfangreichen Karte steht, ist problemlos zu haben. Für den preiswerten Hunger lohnt eine der vielen Pizzen, wem es nach Fleisch oder Fisch gelüstet, ist ebenfalls mit den Standardangeboten bestens bedient. Im "Il Mulino" ist alles etwas preiswerter als im "L'Opera" im gleichen Gebäudekomplex um die Ecke.
Wer jedoch Lust auf Außergewöhnliches hat, sollte auf die Tafel mit den Tagesangeboten achten. Dort findet sich sich zum Beispiel so eine Spezialität wie "Bollito", Tafelspitz-ähnlich gekochtes Rindfleisch. Das wird ganz piemontesisch mit einer grünen Kräutersauce, der "bagnet verd", und Kartoffeln serviert (EUR 11) und ist so weich, dass es "ai cucchiaio", mit dem Löffel, gegessen werden kann. Nicht minder gut erweist sich auch die "Fegato Venezia" von der Standardkarte, die klassisch auf venezianische Art mit Zwiebeln zubereitete Leber (EUR 13,60).
Zum Essen am Nachmittag reichte ein Glas des offen ausgeschenkten Hausweines (EUR 3,50) aus. Wer abends ausführlich tafeln will, findet auf der umfangreichen Weinkarte selbstverständlich zahlreiche kleinere (EUR 20-40) und herausragende Tropfen (EUR 85-150).
"Essen geht aus"-Leser wird es interessieren: Als Appetithappen vor dem Essen gab es weder Butter noch Margarine, sondern eine würzige Kräuterquarkcreme. Dafür waren die trockenen Pizzabrötchen so wenig frisch wie die Kellner, die sich anscheindend am Nachmittag lieber vom harten Mittagsgeschäft ausgeruht hätten.
-kopf
Essen-Stadtmitte. Rathenaustr. 2,
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