Sonntag, 28. Juni 2009

Aus dem Archiv: TafelSpitz - Heißhunger in Heisingen

Der Text erschien erstmals in Essen geht aus 2009/2010"
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Heute (2024) befindet sicvh hier das Restaurant "Anneliese".

„Sie waren aber auch noch nicht hier?“, stellt halb fragend der joviale Wolfgang Klar fest, als ich eines späten Nachmittags, kurz nach Geschäftsbeginn, im TafelSpitz Platz nehme. Noch bin ich allein in dem in dem modernen, orange-braun eingerichteten Restaurant, aber schon bald füllen sich Plätze rundum. Seit knapp anderthalb Jahren existiert der Laden mit dem programmatischen Namen in Heisingen, und man hat das Gefühl, dass er sich in dieser gepflegten Wohngegend im Essener Süden seine Stammkundschaft erobert hat. Das mag an den gelungen Aktionen liegen, die Wolfgang Klar anbietet. Im Sommer jeden Donnerstag ein Grillbüffet (19 Euro), das ganze Jahr über jeden Montag jeden Hauptgang für 10 Euro und ein Drei-Gang-Menü für 23 Euro.

„Sie haben ja gar keinen Tafelspitz auf der Karte!“, kontere ich den direkten Empfang zurück. „Stimmt“, meint Wolfgang Klar, „den hatte ich jetzt ein Jahr lang, und wurde es einmal Zeit für etwas anderes.“ In der Tat liest sich die Speisekarte gar nicht so altösterreichisch-gemütlich, wie der Name TafelSpitz vermuten lässt, sondern eher mediterran und international. Bruschetta mit Tomaten und Basilikum (3,50 Euro) oder Datteln im Speckmantel (4 Euro) steht da unter der Kategorie Fingerfood, gefüllte Calamari mit Baguette (7 Euro) oder pikante Gambas mit Curry-Ananas-Sauce auf Spaghetti (9,50 Euro) unter Vorspeisen und Scaloppini a limone mit Spaghetti (15 Euro) oder Zanderfilet mit Olivenkruste, Spinat und Drillingen (13 Euro) unter Hauptgerichte. Das passt prima zum Sommer, der gerade beginnt.

Da ich wohlweislich seit dem Frühstück nichts zu mir genommen habe und jetzt entsprechend heißhungrig bin, wähle ich als Vorspeise die Lammleber in Aceto auf pikantem Kartoffelpüree (7 Euro), und die erweist sich in der Tat als wohlschmeckender und üppiger Gaumenschmaus. Leicht süßsauer zubereitet, gibt sie auch einen schönen Hauptgang ab. Zusammen mit dem chilenischen Syrah-Merlot vom Weingut Rucahue (0,25l 5 Euro) ist das eine runde Sache. Der Wein passt auch prima zum Hauptgang. Die Entenbrust mit Mango-Chutney und Spargelragout (15 Euro) ähnelt in ihrer süßlichen Geschmacksdimension ziemlich der Vorspeise und ist nicht minder sättigend. Den Abschluss des Menüs bildet schließlich Rote Grütze mit Vanillesauce (4,50 Euro).

Mittlerweile ist es richtig voll geworden im TafelSpitz. Mein wohliges Sättigungsgefühl und die moderate Rechnung, die ich präsentiert bekomme, macht begreiflich, warum. Hier herrscht ein korrektes Preis-Leistungsverhältnis.

-kopf

Essen-Heisingen, Petzelsberg 10-12

Aus dem Archiv: Am Kamin - Beschaulich verdaulich

Der Text erschien erstmalig in "Essen geht aus 2009/2010".
Das Restaurant existiert nicht mehr.
Seit 2017 befindet sich hier das indische Restaurant "Namasthe".

Von den vielen romantischen Winkeln in Werden ist der knappe 50 Meter lange Leinwebermarkt unweit der Folkwang-Hochschule einer der romantischsten. Das kurze Stück Fahrbahn dekorativ gepflastert, die kleinen alten Häuser aus dem 18. Jahrhundert mit Schiefer vertäfelt, atmet hier (wie auch anderswo) der vom Durchgangsverkehr geplagte Stadtteil biedermeierliche Beschaulichkeit. Die setzt sich auch im Inneren des alteingesessenen Restaurants „Am Kamin“ fort. Im Eingangsbereich verbreitet ein dunkler alter Tresen gemütliche Kneipenatmosphäre, im hinteren Restaurantteil scharen sich die Tische rund um den mitten im Raum stehenden namensgebenden Kamin. Die gesamte Einrichtung scheint vom Antikmarkt zu stammen, von der Likörvitrine bis zum Porzellan. Lediglich ein separater Gastraum für Gruppen bis 28 Leuten ist modern eingerichtet, trägt aber den Traditionsnamen „Im aulen Winkel“. Auf die lange Geschichte des Hauses ist man stolz und weist darauf hin, dass hier einst Promis wie das Ruhrgebietsoriginal Jürgen von Manger oder der Krimi-Regisseur Jürgen Roland eingekehrt sind. Da passt es auch, dass das Restaurant mit seiner „gehobenen deutschen Küche“ wirbt.

Betrachtet man jedoch die vorbildlich knapp gehaltene Karte mit drei Hauptgerichten, so erweckt eigentlich nur der Bürgermeistertopf, bestehend aus drei Medaillons von Rind, Schwein und Pute auf Bratkartoffeln mit Erbsen und Möhren und Sauce Hollandaise (15,90 Euro), den Appetit eines teutonischen Magens. Alles andere scheint mediterran bis französisch verfeinert, ganz so, wie das weit gereiste und weltoffene Werdener Publikum es mag: etwa der Feldsalat mit Walnuss-Himbeer-Dressing mit geräucherter Entenbrust und gerösteten Pinienkernen (9,80 Euro) oder die Fischsuppe nach Art des Hauses mit Sauce Rouille und Knoblauchbaguette (9,80 Euro). Richtig deutsch ist nur die Portionsgröße. Ob Vorspeise, Hauptgericht oder Dessert, jeder Gang allein ist ein komplettes Tellergericht, wie man es hierzulande liebt. 

Dennoch stellte ich mir ein Menü zusammen. Von der üppigen Portion mit Salbei gebratener Entenleber auf honiggewürztem Sauerkraut als Vorspeise (7,90 Euro) war ich schier begeistert. Die Leber, schön kross und saftig, war ein Genuss, der anschließend vom Lammrücken in Kräutersenfkruste mit grünen Bohnen in Knoblauchsahnesauce und Kartoffelplätzchen als Hauptgang (17,95 Euro) leider nicht getoppt wurde. Ein wenig streng schmeckte das Lamm, eigentlich nicht für meinen deutschen Gaumen geeignet. Zum Nachtisch dann hausgemachtes Tobleroneparfait mit Fruchtpüree und frischen Früchten (6,95 Euro): drei dicke Scheiben leckeres Schokoladeneis, die aussahen wie eine gute Portion Schweine- oder Rinderbraten.

Hätte ich vielleicht doch etwas Leichtes von der aktuellen Spargelkarte nehmen sollen?

-kopf

Essen-Werden, Leinwebermarkt 7