Der Text erschien erstmals in "Ruhrgebiet 2018/2019"
Der Mann, der sich was traut
Die Überraschung war groß, als im November letzten Jahres die aktuellen Michelin-Sterne vergeben wurden. Unter den Newcomern waren die Ratstuben im Ratshotel Haltern. Für Patron Daniel Georgiev und seine Frau Petra ist das das Resultat ihrer leidenschaftlichen Arbeit.
Von Peter Krauskopf
Besucher der Gourmetmeile „Haltern bittet zu Tisch“ hätten es eigentlich wissen können. Die Gerichte, die die Ratsstuben auf dem charmanten kulinarischen Straßenfest servieren, das alljährlich im August auf dem Halterner Marktplatz vor der mächtigen Sixtuskirche stattfindet, unterscheiden sich deutlich von dem, was die Mitbewerber anbieten. Während die alteingesessenen Landgasthöfe aus dem Vest üppige Teller mit deftigen westfälischen oder mediterranen Mahlzeiten auftischen, gibt es bei den Ratsstuben Klassiker der Haute Cuisine. 2017 war das z.B. ein Carpaccio vom australischen Ochsenfilet mit darüber gehobelten edlen Trüffeln, 2016 sogar sous-vide zubereitete Gänsestopfleber mit Kirschen, Mandeln, Brioche und Rahm – eine fast dekadente Spezialität, die man einer Gourmetmeile am Nordrand des Ruhrgebiets kaum erwartet hätte.
Der Mann, der sich so etwas traut, ist Daniel Georgiev, Patron und Chef de cuisine in den Ratsstuben im Ratshotel Haltern. Das schmucke Hotel im hübschen alten Ortskern der Stadt am nach ihr benannten See ist eine traditionsreiche gastronomische Anlaufstelle in der Region seit 1811. 1999 kam der mittlerweile 44-jährige gebürtige Tscheche hierher und arbeitete zuerst als angestellter Koch. 2002 konnte er das Ratshotel mit seiner Frau Petra Georgieva dann komplett übernehmen. „Ich freue mich noch heute darüber, mit welch offenen Armen mich die alteingesessenen Halterner Gastronomen damals empfangen haben“, erinnert er sich.
Ökonomisch nun sein eigener Herr, stand der kulinarischen Entwicklung des Hauses nichts mehr im Wege. Die Urkundengalerie im Restaurantflur dokumentiert das eindrucksvoll. 2010 fanden die Ratsstuben erstmals in im „Feinschmecker“ Erwähnung, seit 2014 werden sie Guide Michelin empfohlen, was 2017 dann tatsächlich in der Sternverleihung gipfelte. Einmal mehr macht damit das Vest seinem Ruf als „Baiersbronn des Ruhrgebiets“ alle Ehre. „Mit Rosin und dem Goldenen Anker haben wir nun drei Sternerestaurants in einem Umkreis von 14 Kilometern“, meint Georgiev stolz. Besonders freut er sich über die Unterstützung von Frank Rosin, der in zahlreichen Posts in den sozialen Medien auf seinen neuen Kollegen hingewiesen hat.
Die Grundausbildung zum Koch absolvierte Daniel Georgiev Ende der 1980-er Jahre in der noch vom kommunistischen System geprägten Tschechoslowakei, grundsolide, aber wenig inspirierend. Umso beeindruckender ist, dass die Ratsstuben jetzt so eine Auszeichnung bekommen haben, denn im Grunde hat Georgiev sein Konzept vom Casual Fine-Dining autodidaktisch entwickelt, ohne dass er in der gehobenen Gastronomie Erfahrungen machen konnte. Tiefe Bewunderung hegt er allerdings für Helmut Thieltges, den verstorben Chef des mit drei Michelinsternen ausgezeichneten Waldhotels Sonnora in Dreis. „Ich wollte immer Chef de cuisine sein“, gesteht Georgiev, und nach wie vor ist er am liebsten an seinem Arbeitsplatz am Herd. Unterstützt wird er dabei von seinen Sous Chefs Hendrik Vöcking und Milan Makovy, den Service bestreiten Ehefrau Petra und ihre Mitarbeiter.
Trotz des Sterns haben die Ratsstuben ihre Bodenständigkeit nicht verloren. Nach wie vor gibt es einen Mittagstisch um die 9 Euro, aber auch zur Mittagszeit kann man schon Georgievs kulinarische Spitzenkreationen genießen, sei’s einfach à la carte oder als Business Menü.
Bei allem Trubel, der in dem gemütlich bis eleganten, voll ausgebuchten Restaurant um die Mittagszeit herrscht, macht es einfach unbeschreiblichen Spaß und Appetit zu sehen, mit welcher Präzision die Teller angerichtet sind. Georgiev ist weniger ein Verfechter der regionalen Herkunft seiner verarbeiteten Produkte, er setzt lieber ganz auf die Qualität, egal wo sie herkommen. Und so sind seine Gerichte auch eine kleine Reise um die Welt. Herrlich leicht ist der gebeizte Ora King Lachs, dem Gurke, Holunder und allerlei Kräuter eine besonders frische Note verleihen. Die gebackene Pazifik-Gamba mit Passionsfrucht, Mandarine, Karotte und Kerbel mutet an wie ein Fusions-Urlaub in der Südsee und am Halterner See.
Bei anderen Gängen erweist sich Daniel Georgiev als Meister des Fonds - oder ist es eher sein Saucenmeister Milan Makovy? Die Ochsenschwanz-Consommé „Asian Style“ ist jedenfalls von präziser Würze und eine wunderbare Basis für den zart-knusprigen Schweinbauch als Einlage. Und die Sauce zum Tiroler Milchkalb ist einfach eine Wucht - von den Variationen aus Steckrübe, Quitte und Feldsalat als Beilage ganz zu schweigen. Dass dieses Menü von zwei wunderbaren Grüßen aus der Küche und einem köstlichen Dessert samt Vordessert eingerahmt wird, braucht man eigentlich gar nicht zu erwähnen.
So schön die kulinarische Mittagszeit in den Ratsstuben auch ist, ein abendlicher Besuch der Ratsstuben ist keineswegs zu verachten, vor allem zur Zeit der großen gemeinschaftlichen Gastro-Aktionen „Menue-Karussell“ im Frühjahr oder „Kochquintett“ im Sommer. Dann bietet Georgiev seine Sternemenüs nicht nur zum Sonderpreis an, sondern es lohnt sich auch, die umfangreiche Weinkarte des Hauses über die empfohlene Weinbegleitung hinaus zu inspizieren. Und das ganz ohne Reue – trotz der vielleicht längeren Anfahrt an den Nordrand des Ruhrgebiets. Zum Restaurant gehört schließlich ein gemütliches Hotel, in dem sich nach dem Essen wunderbar übernachten lässt.
Freitag, 26. Januar 2018
Aus dem Archiv: Sternekoch Daniel Georgiev von den Ratsstuben Haltern
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