Sonntag, 26. Februar 2006

Aus dem Archiv: Palmgarden - Schlemmen bis zum Rien ne va plus

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2006/2007".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Es ist müßig darüber zu streiten, ob die Spielbank auf der Hohensyburg elegant ist oder nicht. Jedenfalls ist der 80er-Jahre-Betonbau mit dem spiegel-schillernden Interieur tadellos in Schuss, und das Restaurant Palmgarden, eine der Attraktionen in dem Freizeittempel, weist sogar den zeitgenössischen Chic des beginnenden 21. Jahrhunderts auf. Von einigen Tischen im vorderen Teil hat man einen direkten Blick auf die Freitreppe, die ins Casino führt. Betrachtet man die ordentlich gekleideten kleinen Leute, die hier das große Glück suchen, kommt man sich vor wie im siegreichen kapitalistischen Pendant zu Erich Honeckers jetzt zum Abbruch freigegebenen Palast der Republik in Berlin.

Das heißt nicht, dass man im Palmgarden unter die einarmigen Banditen gefallen ist. Die Preise sind sozial wie die Hoffnung, beim Roulette die notwenige Rente zu gewinnen. Zwischen EUR 27,50 bis EUR 29 kostet das 4-gängiges Menü, EUR 20 bzw. 25 EUR das Büffet, mit dem im Palmgarden Spieler und Leute, die nur hungrig nach Nahrung sind, unter der Woche verköstigt werden. Montags und dienstags geht es über die „Querbeet-Karte“, mittwochs gibt es ein italienisch-kalifornisches Büffet, donnerstags die Tafelrunde, bei der „das Büffet an den Tisch kommt“, freitags und samstags ein französisches Büffet. Sonntagmorgens überzeugt ein Frühstücksbrunch, und am Abend wird ausschließlich das à la carte serviert, was in der gläsernen Küche unter den Augen der Kunden gekocht wird.

Doch mit den Büffets fährt man fast besser. Das freitägliche französische Büffet, das Opfer unserer Testsucht wurde, konnte es gut und gerne mit dem in einem Fünf-Sterne-Hotel aufnehmen. Hervorragend angemachte Fleisch- und Fischprodukte dominierten die Vorspeisen- und Hauptgangabteilung. Ob Roastbeef oder Gänsebrust, ob Rehbraten, Ente oder Lamm, alles war schmackhaft, zart und zerging auf der Zunge. Dazu Salate und Meeresfrüchte, Suppen und Beilagen, die dem Fleisch in nichts nach standen. Und die Austern, an denen man sich hätte satt essen konnte und die den wohligen Geschmack von Strand und Meer in den Mund zauberten, verbreiteten den Charme von Luxus, wie man ihn in einer Spielbank erwartet. Zum Dessert dann Eis- und Sahnecrèmes sowie Früchte. Die Weinkarte ist knapp, aber wohl sortiert. Besonders kalifornische Gaumenschmeichler unterstreichen den Eindruck, im Schlaraffenland zu sein. Vielleicht hätte man sich als unkundiger Gast eine Einweisung am Büffet gewünscht, dann hätte man besser wissen können, was man isst. Aber es machte genauso viel Spaß, sich unwissend durchzuessen.

-kopf

Dortmund-Hohensyburg, Hohensyburgstraße 200

Montag, 20. Februar 2006

Aus dem Archiv: Haus Rodenberg - Der Gisbert an der Wand, der Louis im Glas

Der Text erschien erstmals in "Dortmund geht aus 2006/2007".
Das Restaurant gibt es nicht mehr.


Städtebaulich dokumentiert der Stadtteil Aplerbeck den Zusammenprall der Zukunft des Ruhrgebiets mit seiner Vor-Vergangenheit. Auf der einen Seite der Rodenbergstraße erhebt sich ein monumentales futuristisches Einkaufs- und Dienstleistungszentrum, auf der anderen Seite das barocke Wasserschlösschen Haus Rodenberg. Die für das Ruhrgebiet prägende Zeit der Industrialisierung scheint wie ausradiert. Besonders im Sommer, wenn im Schlosshof der große Biergarten aufgebaut ist, fühlt man sich im Haus Rodenberg in genussfreudig ferne Zeiten versetzt. Innen im Restaurant geht es fein zu, aber auch landadelig gemütlich. Katharina Sophie Freiin Kost von Elspe und Gisbert-Wilhelm Freiherr von und zu Bodelschwingh blicken gütig entrückt von alten Ölbildern auf die geschmackvoll eingedeckten Tische herab, und ihre wohl gerundeten Kehlen bezeugen, dass hier schon immer gut gegessen wurde.

Was ich auf den Teller bekomme, ist genauso fein wie das Ambiente. Ich wähle keines der drei „Überraschungsmenüs“ (EUR 27,50, EUR 35,50 oder EUR 49) oder das „Vitamin-Kracher-Menü“ (EUR 37,50), was vielleicht bei den spätwinterlichen Temperaturen angebracht wäre. Vielmehr bestelle ich Gerichte von der Standardkarte und aus der Auswahl „Die beliebtesten Gerichte des Jahres“. Denn die sind überraschend und vitaminreich genug.

Die „Püreesuppe vom Apfel mit Zimtcroutons“ (EUR 5,50) als Vorspeise könnte genauso ein Nachtisch sein. Das dünne Apfelkompott schmeckt alles andere als dünn, sondern erinnert in seiner Saftigkeit an fröhliche Weihnachten. Auch die „Variation von Perlhuhn und Seeteufel auf Hummersauce“ (EUR 20,50) hält überraschende Geschmackserlebnisse bereit. Insgesamt sehr zurückhaltend gewürzt, hat jeder Bestandteil seine eigene Note. Der Fisch wattig-saftig, der Perlhuhnschenkel dagegen saftig und fest, und die trockenere Perlhuhnbrust mit einer pikanten Pfeffrigkeit. Die Beilage, ein mit Ratatouille gefüllter Fenchel, ist optisch phantasievoll angerichtet und ergänzt Fisch und Geflügel durch angenehme Säure. Dazu gibt es einen anschmiegsamen Chardonnay von Louis Latour (0,2l EUR 7) aus dem Burgund. Der Gisbert an der Wand, der Louis im Glas, da kann ich auch verzeihen, dass beim Dessert die mit Himbeercreme gefüllte Crepesschnecke einen etwas massigen Auftritt hat und nicht an die florale Leichtigkeit der mit Rosenblütenschaum auf den Teller gemalten Rose heran kommt.
-kopf

Dortmund-Aplerbeck, Rodenbergstr. 36

Donnerstag, 2. Februar 2006

Aus dem Archiv: Toni´s Ristorante - Kulinarische Erotik

Der Text erschien erstmals in Dortmund geht aus 2006/2007".
Das Restaurant gibt es nicht mehr. Toni Pace betreibt seit 2020 "Toni's Gusto Italiano" in Dortmund-Hörde.


Eigentlich ist es eine Sünde, hier nicht in Damenbegleitung hingekommen zu sein. Denn Toni’s Ristorante präsentiert sich in der anmutigen Eleganz eines venezianischen Palazzos, mit der man jede einigermaßen romantisch veranlagte Verabredung in Verzückung bringen könnte. Kristallene Lüster an der Decke, aufwendig eingedeckte runde Tische, Stühle, deren weiße Überwürfe an der Lehne mit einem kecken Schleifchen zusammengerafft sind. Fast meint man, Eros Ramazzotti sänge hier sein Duett mit Anastacia, die auf Absätzen so hoch wie die Stiele der überall funkelnden Weingläser über die Marmorfliesen schwebt. Und das in der Trabantenstadt von Kirchhörde!

Aber Dienst ist Dienst, und so muss ich meine Gelüste auf die überdimensionalen Karten richten. Das Weinangebot beeindruckt mit großen Namen. Der piemonteser Altmeister Marchesi di Barolo tummelt sich neben Ornellaia, dem Supertoskaner aus der Maremma und Luce, dem Joint Venture des Kaliforniers Mondavi mit dem Florentiner Frescobaldi. Die Preise erfährt man diskreter Weise nur auf Anfrage, aber es gibt auch eine ordentliche Auswahl preiswerterer Weine, meist aus Süditalien.

Die Speisekarte bietet eine Fülle von feinen und edlen mediterranen Gerichten, Suppen, Salate, Pasta, Risotto, Fisch und Fleisch. Da ist man froh, dass eine kleine Auswahl an Empfehlungen vorangestellt ist. Dennoch ist mir nicht nach den empfohlenen marinierten Flusskrebsschwänzen als Vorspeise zu Mute, sondern nach dem Risotto mit Steinpilzen (EUR 10,50) von der Standardkarte, bei dem sogar die Reissorte Carnaroli angegeben ist.

Patron Toni mag die Sehnsucht in meinen Augen erkannt haben und verspricht, ausnahmsweise nur für mich das Gericht mit einer selbst gemachten Paste aus weißen Trüffeln zu verfeinern. So entströmt ein unbeschreiblicher Duft dem Teller, und der Reis hat jene für Risotto typische cremig schimmernde Konsistenz, die an das Make-up auf Anastacias Wangen erinnert. Die Zunge befriedigt, die Phantasie beflügelt – dieser Abend ist gelungen, da kann kommen was will!

Zum Hauptgang dann „Orata auf Pernodschaum“ (EUR 23,80). Durchaus schmackhaft, aber der Schaum ist leider eine recht kompakte Sahnesauce mit interessantem Anisgeschmack, die der an sich schon fetten Dorade noch eins drauf gibt. Zum Glück muss ich meine Hosen nicht bauchfrei tragen wie Anastacia.

Der Nachtisch würde ihr wahrscheinlich besser gefallen. Die luftige Panna cotta (EUR 4,80) ist mit einem in Spaghetti ähnliche Streifen geschnittenen Apfel und dekadent blassen Erdbeeren garniert, die jetzt im Februar weiß Gott wo herkommen mögen – einfach köstlich. Als mir der Kellner zum Abschluss noch einen „Absacker“ auf Kosten des Hauses anbietet und mir die Wahl zwischen Grappa und Ramazzotti lässt – raten Sie mal, was ich genommen habe. Doch Anastacia ist auf ihren Absätzen schon längst entfleucht und mir bleibt nur die Erkenntnis: Kulinarik ist eben die Erotik des Alters.

@AU:-kopf

www.tonis-ristorante.de

@DA:Kirchhörde, Max-Brandes-Str. 25

Fon 9 79 79 49
di-so 18-24 Uhr, mo Ruhetag

Keine Kreditkarten

v t HG EUR 18,40-23,50

@Rang: